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Theologisches Literaturblatt, 6. Dezember 1907, Nr 49.

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Theologisches Literaturblatt

Unter Mitwirkung

z a h l r e i c h e r V e r t r e t e r k i r c h l i c h e r W i s s e n s c h a f t u n d P r a x i s

herausgegeben von

Dr. theol. Hölscher

in V erbindung mit

Konsistorialrat Prof. D . K l o s t e r m a n n in Kiel, Konsistorialrat Prof. D . H a u s s l e i t e r in Greifswald, Prof. D . W a l t h e r in Rostock, Prof. D. I h m e ls in Leipzig, Prof. D . A l t h a u s in Göttingen.

Nr. 49. Leipzig, 6. Dezember 1907. XXVIII. Jahrgang.

Erscheint jeden Freitag. — Abonnementspreis jährlich 10 Jt. — Insertionsgebflhr pr. gesp. Petitseile 90 — Expedition: KQnigsstrasse 13.

Eine Kulturgeschichte der hellenistisch-römischen Zeit. II.

Strack, D. Hermann L., Einleitung in das Alte Testament.

Nonnemann, Friedrich, Jesus der Christus.

Fant, l ic . D. S., Die Christologie seit Schleier­

macher, ihre Geschichte und ihre Begründung.

Neueste theologische Literatur.

Zeitschriften.

Eine Kulturgeschichte der hellenistisch­

römischen Zeit.

i i.

Mit besonderem Interesse wenden w ir uns sodann dem A bschnitte von W endlands Bach z n , der die U eberschrift tr ä g t: „H ellenistische R eligion sgesch ich te“ (S. 5 4 ff.). E ine kurze Skizze der älteren E n tw ick eln n g , ausgezeichnet durch die scharfe Charakteristik der w ich tig sten E rscheinungen, in denen sich diese E ntw ickelung vollzieht, w ird vorausgeschickt.

D ie hom erische G ötterw elt sinkt bald dahin vor der rationa­

listisch en K ritik w ie vor dem m ystischen religiösen Bedürf­

nisse. D ie grosse U m w andluog der politischen V erhältnisse seit der Zeit A lexanders des Grossen vollendet die Z ersetzung der bisherigen R eligion, die eng an das E inzelleben des kleinen S ta d tsta a tes gebunden w ar. Man verliert jede Sicherheit des religiösen Glaubens, die T yche und die Eljxapjj.ev7] gelten als die obersten G ottheiten. A lle die verschiedenen philosophischen Schulen arbeiten zusammen an der Zerstörung des überlieferten G ötterglaubens, g leich v iel ob sie sich auf die K ritik desselben beschränken oder durch allegorische U m deutung demselben einen tieferen Sinn zu geben suchen (w ie z. B . die Stoa v er­

suchte). — Aber auch frem de, nam entlich die uralten orien­

talischen R eligionen werden in rationalistischer W eise um- ged ich tet. Den fremden G öttern werden in freiester W eise griechisch e G öttergestalten substituiert, diese in philosophischem Sinne um geprägt und oft gan z heterogenen System en ein gefü gt.

D ie G ötter der verschiedensten V ölker sind m iteinander iden­

tisch ; man sucht nach einer E rklärung für die A ehnlichkeit der verschiedenen K ulte und Gebräuche. D as g e w a ltig e A lter er ägyptischen K ultur führt zu der Annahme, dass in A egypten er raitz der K ultur und der U rsprung der M enschheit sein müsse, eine A nschauung, die die ägyp tisch en S ch riftsteller aufs en ergischste nnterstützen. So sucht man auch, das W e s e n d e r R e l i g i o n aus dem W u st der m annigfaltigen Traditionen und Gebrauche herauszuschälen, und es is t ausserordentlich charakteristisch, dass dabei letztlich nur drei P un k te vor der rationalistischen A u fk läru n g standhielten: die V e r e h r u n g d e r G e s t i r n e , der E l e m e n t e und das G ö t t l i c h e im M e n s c h e n , d. h. besonders die F ä h ig k e it des Menschen, 81ch innerlich zum G öttlichen zu erheben. M it ersterem haben Wlr die Grundidee der b a b y l o n i s c h e n R eligion vor uns, das zw eite is t besonders für die p e r s i s c h e ch a ra k teristisch] das dritte ist echt a b e n d l ä n d i s c h und g r i e c h i s c h . In dieser eit aber w ird das G öttliche im Menschen in eigentüm licher eise zum G egenstände der R eligion: es w ird näm lich An- R 88 lf Jie A P ° t h e o s e d e s H e r r s c h e r s , es en tsteh t der errsc erkult. eigentüm lichen, halb theologischen, halb u urgeschichtlichen Konstruktionen wird d argetan , dass die

G ötter um der W o h l t a t e n w i l l e n , d ie s i e d e n M e n ­ s c h e n e r w i e s e n , i h r e g ö t t l i c h e S t e l l u n g e r l a n g t h ä t t e n . Euhemeros schildert, an ältere V orlagen anknüpfend, in seiner 'Iepa ava^pa^Trj in Form eines R eiseberichts, w ie er auf fernen Inseln im indischen Ozean ein H eiligtum des Zeus gefunden habe, wo der G ott auf goldener Säule seine T aten aufgezeichnet habe. Fünfm al habe er die W e lt durchzogen, überall die W ohltaten der Z ivilisation bringend. Er verb reitet seinen K ult auf diesen Z ügen, se tz t seine Freunde und V er­

wandten in Satrapien ein , endet schliesslich sein Leben in K reta, wird dort b esta ttet und geh t zu den Göttern ein.

W arum sollte ein irdischer H errscher der G egenw art n ich t denselben G ang gehen können? In bew usster A nknüpfung an uralte P riesterth eologie haben die Ptolem äer die A potheose zunächst der verstorbenen H errscher eingeführt und sind dann zur S elb stvergötteru n g des lebenden Herrschers fortgeschritten.

D ie Seleukiden folgten nach und suchten die A lexandriner durch pomphafte T ite l zu überbieten: es ist aber n i c h t b l o s s h ö f i s c h e S c h m e i c h e l e i , die damit getrieben w ird, vielm ehr hat die G e s t a l t u n d P e r s ö n l i c h k e i t d e s H e r r s c h e r s in d i e s e r Z e i t w i r k l i c h e i n e B e d e u t u n g e r l a n g t , dass man in ihm die r e t t e n d e u n d h e l f e n d e G o t t h e i t , den g öttlich en H elfer und H eiland (a«>T7jp) lebendig vor sich zu haben glaubt. D a die G ötter dahin­

geschw unden sind, h ält sich der suchende und irrende G laube an Menschen.

Später w ird dann von Osten vordringend die b a b y l o ­ n i s c h e A s t r o l o g i e von immer grösserer B edeutung. Sie is t vollends eine trostlose A nschauung; denn sie bannt den Men­

schen w illenlos an das Rad des G esch ick s, das die G estirne in ew igem K reisläufe regieren. Nur e in M ittel g ib t es, diesem Banne sich zu entziehen: die M agie, die K ra ft, die starken kosm ischen Mächte durch noch stärkeren Bann zu beschwören.

E ine F ü lle orientalischen A berglaubens b eginnt so seit dem zw eiten Jahrhundert die griechische W e lt zu überschwemmen, und das B ild des religiösen G esam tstandes der hellenistischen W e lt w ird durch den W u st orientalischer Superstition ein immer trostloseres und verzw eifelteres.

D ie religiöse E ntw ickelung unter der R ö m e r h e r r s c h a f t führte zu dem näm lichen Z iele. M it dem Vordringen des H ellenism us nach Rom zerfiel der alte römische G ötterglaube.

Zw ar z e ig t sich in der Z eit der Revolutionen eine stark an­

w achsende religiöse R eaktion, die vor allem an P o s e i d o n i o s anknüpft (dessen B edeutung überhaupt von W endland sta rk betont w ird); sie s te llt sich teils als religiöse V ertiefung der Ideen der S toa d ar, teils als ein V ersuch, die R eligion und den alten G ötterglauben zu neuem Leben zu erw ecken (so Varro), durch Umdeutnng desselben im Sinne stoischer Ideen.

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D och w ar durch die Verwilderung: der ew igen B ü rgerkriege sch liesslich die allgem eine Stim m ung eine so verzw eifelte g e ­ w orden, dass A n g u B t n s , der endlich Friede b rach te, in ü b e r s c h w e n g l i c h e r W e i s e g e f e i e r t w n r d e . Er erscheint a ls d e r v o m H im m e l g e s a n d t e H e l f e r a n d H e i l a n d , als der B ringer eines nenen goldenen Z eitalters. D ass er im Osten m it göttlich en Ehren überhäuft wurde, is t selb stverstän d lich ; aber auch im A bendlande w ar seine K onsekration nach seinem T ode nnr die selbstverständliche F o lg e sein er Schätzung im Leben. In der F o lg ezeit gew in n t dann w ie bekannt der K aiserk n lt immer grössere B edeutung; daneben w irft sich das g e ste ig e r te religiöse Bedürfnis immer gew altsam er und leiden­

sch aftlich er auf die o r i e n t a l i s c h e n K u l t e . D ie Sehnsucht nach E r l ö s u n g und E r h e b u n g d e r S e e l e hofft hier B e ­ fried igu n g zu finden in R einigungen und K asteiu n gen , in a llen m öglichen oft abstrus superstitiösen Zeremonien nnd Bräuchen. Daneben spielen A strologie, G estirn- und Sonnen­

verehrung allm ählich eine immer grössere R olle. D ie P h ilo ­ sop h ie, in ihrer selbständigen B edeutung lä n g s t gebrochen, deutet in w illk ü rlich ster W eise a l l e Formen d e s r e l i g i ö s e n G l a u b e n s u n d A b e r g l a u b e n s zu Symbolen g ö ttlich er ge- offenbarter W eish eit um; Orakel wesen, Prophezeiungen, Magie, Zauberkünste n. d g l. beherrschen die R elig io sitä t des täglichen Lebens; das e in z ig e , w as noch einigerm assen fe stste h t, is t der Glaube an das imperium Romanum, den röm ischen S taat, d is G rösse R om s, ausgedrückt in dem K ult des kaiserlichen genius.

D iese ged rän gte U ebersicht kann nur die ■ w ich tig sten P u n k te aus dem reichen In h alte dieser A bschnitte des W end- landschen Buches w iedergeben; es ist aber w ohl g e n u g , um einen B eg riff davon zu geb en , w ie sehr das Studium der­

selben gerade auch dem T heologen empfohlen w erden muss.

Sow ohl für die neutestam entliche E x eg ese w ie für die alte K irchengeschichte sind diese D arlegungen von grösstem Interesse.

I II.

In diese r e lig iö s erregte und doch an ihrer R eligion lä n g s t irre gew ordene W e lt treten nun der R eihe nach ein:

J u d e n t u m , C h r i s t e n t u m und o r i e n t a l i s c h - g n o s t i s c h e N e u b i l d u n g e n .

A uf das palästinensische Jadentum g e h t W endland dem Z w ecke seines Buches entsprechend nur kurz ein. Nach dem gew altsam en H ellenisierungsversuche des Antiochus Epiphanes fa sste sich das Judentum in seiner nationalen E igen art erst rech t fest und w ies a lle w eiteren ähnlichen B estrebungen str e n g von sich. D er H ellenism us blieb in P a lä stin a au f die oberen Schichten der Städ te beschränkt; das V olk stand unter der g e istig e n L eitu n g nnd H errschaft des Pharisäism us. D ie K raft — dies m öchten w ir ergänzend zu den W endlandschen Ausführungen hinzufügen — , die daB Judentum in den Stand setzte, dem A uflösungsprozesse aller dam aligen R eligionen so energisch zu tro tzen , la g eben in der engen V e r b i n d u n g d e s N a t i o n a l e n u n d R e l i g i ö s e n , die w ir h ier, als ein E rbe aus ältester V ergangenheit, in neuer Stärke aufkom men sehen. E s w aren w ie immer g e is tig e P oten zen , die letztlich den A usschlag gaben. D as Judentum , w eit mehr g e s c h i c h t ­ l i c h e R e l i g i o n als irgend eine der orientalischen und abend­

ländischen R eligionen, besass vor allem in seinem E r w ä h l u n g s ­ g l a u b e n einen H alt, der ihm ein zig a rtig e F e stig k e it verlieh;

von ihm aus gew ann sein M onotheism us, sein F esth alten am v ä terlich en G esetze, seine Zukunftshoffnung einen ganz e i g e n ­ t ü m l i c h e n t s c h i e d e n e n , nam entlich n a c h a u s s e n p o l e ­ m i s c h s i c h r i c h t e n d e n C h a r a k t e r ; zu gleich aber wurde e s ihm doch auch m öglich, eine Menge fremder Elem ente, w ie sie von O s t e n , von B abylonien und P ersien her vordrangen, sich zu am algam ieren und anzueignen, ohne die g e is tig e S elb stä n d ig k eit nnd E ig en a rt zu verlieren. D enn so en t­

schieden das Judentum den H ellenism us a b w eist, so zu g ä n g ­ lich erw eist es sich v i e l e n b a b y l o n i s c h - p a r s i s t i s c h e n I d e e n u n d V o r s t e l l u n g e n , freilich nicht ohne auch sie in seinem G eiste um zugestalten. E s erklärt sich dies vor allem daraus, dass diese Ideen mehr nur das G e b i e t d e r r e l i ­ g i ö s e n V o r s t e l l u n g e n b etrafen , während der H ellenism us

die väterliche S it te , das G esetz, die h eilige Observanz an­

zu tasten g e w a g t h atte.

D a s a l e x a n d r i n i s c h e J u d e n t u m hat sich anfangs dem H ellenism us zu gän glich er erw iesen. D ie griechische K ultur im ponierte doch auch jüdischen L itera ten , und so finden w ir anfangs allerhand m erkw ürdige V ersuche, die V orgeschichte Israels im G eist und G eschm ack griechisch er W issen sch aft zu bearbeiten. B ald aber w irk t die R eaktion der M akkabäerzeit auch nach A egyp ten . D as Judentum tr itt auch hier immer selb stän d iger und polem ischer auf. In F älschungen immer gröberer A rt w e ist es den Vorwurf, nichts für die K ultur g e ­ le is te t zu haben, zurück durch die B ehauptung, dass ä g y p ­ tisch e und griechische K ultur in W ah rh eit auf Abraham und Mose zu rückgingen; immer schärfer w ird die Polem ik vor allem gegen den ägyptischen T ierdienst; immer stärk er bei den Gegnern die antisem itische Stim m ung. Von besonderem Interesse sind m eines E rachtens die A usführungen W endlands über P h i l o . E r is t k e i n o r i g i n e l l e r G e i s t , nam entlich n ich t in seiner P h i l o s o p h i e , die zum grössten T eile von P o s e i d o n i o s stam m t. W eit stärker als das G riechische is t bei ihm doch das Jüdische w irksam . Sein griechisch g e ­ dachtes System ist nur ein loser U eberw urf über durch und durch jüdisches D enken und Empfinden. A uch ich habe bei der L ektüre Philos immer wieder den Eindruck bekommen, dass seine ganze Philosophie im Grunde doch nur äusserliches B ei­

w erk ist. Auch der Einfluss P hilos auf seine und die nächste F o lg ezeit is t verh ältn ism ässig g e r in g , erst viel später sollten seine W erke grössere B edeutung erlangen.

Anders als das Judentum tr itt das C h r i s t e n t u m in die h ellen istisch -röm isch e K ulturw elt ein. Auch hier w ird man W endlands Ausführungen m it Interesse fo lg en , wenn auch naturgem äss sich hier die V erschiedenheit des prinzipiellen Standpunktes am m eisten geltend machen muss. C harakte­

ristisch sind folgende S ätze: „C hristi P red ig t h at kein V er­

hältnis zum H ellen ism u s“ (S. 1 2 1 ). „G ew iss is t auch Jesus ein K ind seiner Z eit und ein Sohn seines V olkes. Aber in den g eistig en H o rizo n t, der ihn u m g ib t, sind die Problem e nnd Gedanken der die griechisch-röm ische W e lt beherrschenden g eistig en Kultur gar nicht ein ged ru n gen “ (ibid.). Ohne Z w eifel durchaus rich tige S ätze. Nar insofern auch das Judentum A n teil hat an einem gem einsam en B esitze der V ölker in den unteren Schichten des V olksglaubens, „hat es dem Christentum auf den W e g seiner W eltm ission ein Erbe religiöser V or­

stellu n gen und D ispositionen m itgegeben, die in den heidnischen R eligionen w iederkehrend eine F ü lle von Anknüpfungen und W echselw irkungen erzeugten. D as w ich tig ste dieser Gebiete is t die D äm onologie und der G eisterglaube überhaupt“ (S. 1 2 2 ).

Jesus w erde vor allem w egen der E rrettu n g und B efreiung von der H errschaft und T yrannei der bösen G eister acoxrjp gen an n t (S. 1 2 3 ). E ntspricht dies w irklich dem , w as die Synoptiker, Johannes, P aulus, im ganzen von der P erson und dem W erke Christi sa g en ? W ird hier nicht in W ahrheit unsere g eg en w ä rtig e W eltanschauung in ungerech tfertigter W eise zum M assstabe des gesch ich tlich M öglichen, resp. W irk ­ lichen gem acht? W endland b rin gt sodann eine F ü lle der interessantesten P arallelen zu den biblischen Beschreibungen der D äm onenaustreibungen, und hebt hervor, w ie der E in tritt des Christentums in die griechisch redende W e lt , die B e­

te ilig u n g der H eidenchristen etc. notw endig das Einström en hellenistischer K ulturelem ente m it sich gebracht habe. „Und dennoch darf man s a g e n : das Urchristentum steh t der griechisch- römischen K ultur fremd gegenüber. Christentum and W e lt­

kultur sind Grössen, die zunächst kein inneres V erhältnis zu­

einander haben“ (S. 1 2 7 ). „Christi Verkündignng h at kein V erhältnis zur höheren W eltkultur, w eil diese in den Horizont seiner U m gebung nich t h in einreicht“ (S. 12 8 ). «Und die Christen empfinden den schärfsten G egensatz g egen die W elt, die dem baldigen U ntergange g ew eih t i s t “ (S. 1 2 9 ). ^ Ganz anders als das Judentum kennen sie kein B edürfnis, sich’s w ohl sein zu lassen in einer K u ltu r, die andere errungen und erarbeitet haben, und die von abscheulichen Sünden durch und durch v erg iftet ist. In anschaulicher und schöner W eise schildert W endland, w ie das Christentum , seinem W esen nach vom

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Judentum verschieden, gerade nm Beines U niversalism ns nnd seiner E x k lu siv itä t w illen m it der röm ischen S taatsreligion in scharfen G egensatz treten m usste. D er Polytheism us Roms w ar w eith erzig und tolerant, solange er es m it polytheistischen und national beschränkten R eligionen zu tun hatte. Dem C hristen­

tum gegen ü b er, das mit dem U niversalism us E rn st m achte, v e r s a g t e d i e s e T o l e r a n z . Ebenso stehen sich c h r i s t ­ l i c h e r und s t o i s c h e r H u m a n i t ä t s g e d a n k e und K o s m o ­ p o l i t i s m u s nnr dem Scheine nach nahe. In den treibenden M otiven w ie in den W irkungen sind sie doch grundverschieden.

D er c h r i s t l i c h e D u a l i s m u s m it seinen Bcharfen G egen­

sätzen von natürlichem und geistlichem L eben, S ü n d e und G n a d e , Schuldbew usstsein und V ergeb u n gsgew issh eit, Busse und W iedergeburt — W endland g ib t z u , dass diese G egen­

sä tz e schon in Jesu L ehre im K eim e enthalten seien (S. 1 3 3 )

— w iderspricht echt antiker Sinnesw eise oder besser antikem Id ea l, und so sehr das ausgehende Heidentum in seiner a ll­

gem einen Erschöpfung und E rlösungssehnsucht innerlich auf das vorbereitet w a r, w as das Christentum ihm anbot, so rea g ierte doch das ursprüngliche Empfinden der antiken K u ltu rw elt immer w ieder gegen diese dem Christentum e ig e n ­ tüm liche Stim m ung. E s is t bezeichnend, dass den J u d e n durch besondere T oleranzedikte der K aiserkult erlassen w ird, w ährend die Christen g e r a d e h i e r k e i n e S c h o n u n g e r ­ f a h r e n . D a s Judentum w ar eben doch eine national be­

schränkte R eligion neben anderen geb lieb en , eine R eligion, von der das röm ische imperium nichts zu fürchten h a tte; die Christen m it ihrer konsequenten W elten tsa g u n g , ihrer Ab­

n eigu n g gegen a lle s, w as Rom gross gem acht h a tte , er­

schienen als Feinde des V aterlandes und der menschlichen G esellschatt. E s w ürde zu w eit führen, die eingehende Schilderung des literarischen K am pfes, in den die christliche A pologetik gegenüber diesen A nklagen des Heidentum s eintrat, bei W endland näher zu verfolgen; w ie w eit die K ritik der

^ c h r is tlic h e n A pologetik b erechtigt is t , m ögen die Forscher auf dem G ebiete der alten K irchengeschichte beurteilen.

Zum Schlüsse können besonderes Interesse beanspruchen die D arlegungen über S y n k r e t i s m u s u n d G n o s t i z i s m u s (S. 161 ff.). W ir haben hier ein Gebiet vor uns, auf welchem die religionsgeschichtliche F orschung sich vor besonders viele und schw ierige Problem e g estellt sie h t, Problem e, deren L ösung vielfach noch kaum versucht worden ist. An und für sich ist der Gnostizismus eine T e i l e r s c h e i n u n g der seit A lexander dem Grossen beginnenden A usgleichung und Verschm elzung der orientalischen R eligionen; von „ G n o s t i ­ z i s m u s “ im e n g e r e n S i n n e kann von da an die Rede sein, wo d a s C h r i s t e n t u m i n d i e s e n V e r s c h m e l z u n g s - p rozeB S h i n e i n g e z o g e n w i r d . Es sind eine ganze Reihe v erschiedenartiger M otive, welche in b u n te r Verm ischung in den verschiedenen gnostischen System en w iederkehren; noch iBt es nicht m öglich, dieselben einigerm assen reinlich zu tren n en und nach ih re r verschiedenen H erkunft zu be­

urteilen. Eines der w ichtigsten dieser Motive is t der S t u r z u n d d i e H i m m e l s r e i s e d e r S e e l e , welche in allen ystem en w ie d e rk e h rt; Anz h a t bekanntlich versucht, den a y l o n i s c h e n U rsprung dieser Idee in einer gesonderten n ersuchung nachzuweisen. W endland z e ig t an diesem Bei­

spiele ein Bild der ganzen E ntw ickelung und sucht hieran vor allem d e n w e i t g e h e n d e n P a r a l l e l i s m u s u n d e n g e n Z u s a m m e n h a n g rein heidnischer und „gnostischer“ Reli­

gionsbildungen zu erläu tern . D ie Menschenseele is t in den chaldäischen O rakeln z. B. „ein T eil des g öttlichen vouc, beim A bstieg vom A ether w ird Bie m it der L eiblichkeit um­

k leidet, in die K nechtschaft des K örpers v erstric k t. Davon befreit e rstre b t sie die R ückkehr zur G o tth e it, die gute Dämonen (oder Engel) zu fördern, böse zu hindern suchen“

M l 6 ? -‘ In m annigfaltiger W eise w ird in den verschiedenen y s t e r ie n r e lig io n e n nam entlich der A n stieg der Seele zum kr™6* QD<* znr V ergottu n g, und die Stufen, die es hier zu beschrieb11' ®c^w ^erigkeiten, die es zu überwinden g ilt,

Am Schlüsse deutet der Verf. noch kurz auf die K o n ­ s e q u e n z e n seiner Auffassung der ganzen E n tw ickelung f ü r

d a s U r c h r i s t e n t u m hin. E r g la u b t, dass das U rch risten ­ tum , ehe es h e l l e n i s i e r t w urde, o r i e n t a l i s i e r t worden Bei. D ie V erm ittelung hierfür w ar das Judentum , sp eziell aber das o r i e n t a l i s c h e E l e m e n t in P a u l u s . „M it jüdischer T h eologie und dem neuen christlichen G eistesleben verschm ilzt sich bei Paulus die M y s t ik d e r o r i e n t a l i s c h e n E r l ö s u n g s ­ r e l i g i o n e n u n d b e r e i c h e r t ih n n i c h t n u r m i t e i n ­ z e l n e n S t i m m u n g e n u n d V o r s t e l l u n g e n , die ak zidentiell sin d , sondern b e s t i m m t d ie H a l t u n g s e i n e r z e n t r a l e n C h r i s t n s m y s t i k , um die sich jen e Gedanken und M otive gruppieren“. Ich verm ag in diesem P unkte dem Verf. n ich t zu folgen. Auch W endland h ä lt den S atz Gunkels: „D as U r­

christentum des P aulus und des Johannes ist eine synkreti- stisch e R elig io n “ für übertrieben, w eil er „die starke E in ­ h eitlich k eit der religiösen Grundstim mung nicht zum Ausdruck b r in g t“. D er Gedanke selb st aber, dass orientalische Gnosis au f die besondere R elig io sitä t deB Paulus gew irk t habe, sei unanfechtbar.

Ich glaube, bei näherem Zusehen is t n ich t das Einw irken dieser Gnosis auf P aulus charak teristisch , sondern vielm ehr die T atsach e, w ie w eit die K raft des rein religiösen Glaubens, die E n ergie religiös-sittlich er Erlebnisse überhaupt die S tärk e und R einheit der grundlegenden, an Christus gem achten E r­

fahrung den W u st orientalisch jüdischer gnostischer Elem ente zurückgedrängt und ausgeschieden hat.

W endland h at sich durch sein W erk den w ohlverdienten D ank der philologischen w ie der theologischen W issenschaft erworben, w ie schon bemerkt, ist sein Buch dem eingehenden Studium nam entlich auch der T heologen dringend zu empfehlen.

A llerd in gs se tz t es selb stän d ig denkende L eser voraus, die im stande und g e w illt sin d , dem V erf. auch in das Studium seiner Quellen zu folgen.

Dem Buche sind w ertvolle T afeln b eig eg eb en , zu denen Lietzm ann eine dankensw erte E rläuterung geschrieben hat.

Sie geben neben B ekannterem , w ie z. B. dem R elief des Titusbogens in Rom oder der A rtem is von Ephesus, auch eine Reihe von interessanten Illustrationen zu den m an n igfaltigen K ulten der K aiserzeit, einen K ybelealtar, einen A rchigallus in vollem Ornate, den die Sabaziosm ysterien darstellenden B ild er­

zyklus der V incentiusgruft, eine P la tte m it D arstellu n gen aas dem MithraBkult von dem Mithräum in Heddernheim, eine D ar­

stellu n g des Jupiter D olichenus u. dgl.

Zu bedauern is t nur, dass der D ruck des W erkes etw a s klein ist; die Z eilen sind fa st zu breit im V erhältnis zu der Grösse der Seiten und der E n ge des Satzes.

R o sto ck . Köhcrle.

S tr a c k , D . Hermann L. (a. o. Prof. d. Theol. an d. Univ. B erlin), E i n l e i t u n g i n d a s A lt e T e s t a m e n t einschliesslich Apo­

kryphen und Pseudepigraphen. Mit eingehender A ngabe der L iteratur. S e c h s t e , neubearbeitete A uflage. München 1 9 0 6 , C. H . B eck (Oskar Beck) (V III, 2 5 6 S. gr. 8). 4 Mk.

E in beliebtes Handbuch zur alttestam entlichen E in leitu n g, das schon in sechster A nflage vorliegt, bedarf keiner besondern Einführung oder Em pfehlung mehr. Standpunkt und Methode des V erf.s sind bekannt. Auch versteh t sich von ihm , dass er diese neueste A usgabe aufs genaueste durchgesehen und durch B erü ck sich tigu n g der neuesten L iteratu r bereichert hat. K onnte man bei den ersten A uflagen etw a noch die allzuw eitgehende Beschränkung in der Stoffwahl bedauern, so is t das Buch von einer A uflage zur ändern reichh altiger geworden. Auch in der neuesten sind gan ze P aragraphen neu hinzugekom men, einer über besonders w ich tige A bschnitte des P entateuchs (D ekalog, Bundes­

buch e t c ) und einer über die E inrichtung der neuern D rucke des A lten Testam ents.

Handbücher über dieses F ach können ein doppeltes Ziel im A u ge haben. E ntw eder w ollen sie in G estalt des L ehrvortrags den L eser in das alttestam entliche Schrifttum und die daran sich knüpfenden F ra g en einführen; oder sie w ollen als N ach- schlagebücher d ie n e n , in w elchen man den dahin geh örigen W issensstoff m öglich st übersichtlich geordnet beisammenfindet.

D ie beiden früher am m eisten gebrauchten „ E in leitu n g en “ von B leek und de W ette stellen diese beiden T ypen dar. Stracks

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N achschlagebuch. D er Verf. is t bestrebt, auf knappem Banm so v ie l M aterial als m öglich zu geben, kann daher nicht A n­

spruch daranf m achen, das E ntstehen dieses Schrifttnm s oder den G ang der literarischen U ntersuchungen dem L eser vorzu­

führen. Einen verhältnism ässig breiten Raum nehmen In h alts­

angaben ein, tabellarische U ebersichten, L iteratu rverzeich n isse, g e d r ä n g te , unzusam m enhängende N otizen. Gerade in diesen T abellen, z. B. über Sprachgebrauch der Pentateuchquellen und nam entlich in den äusserst um fassenden L iteraturangaben, m it w elchen der A nfänger w ohl nicht allzu viel anfangen kann, lie g t ein besonderer W ert des Buches, der es über ein blosses Schul­

buch erhebt und dem Fachm ann zum willkommenen H ilfsm ittel m acht. D es V erf s A kribie bew ährt sich hier durchw eg sow ie seine B eherrschung des rabbinischen Schrifttum s und des masso- retischen Apparats. Studierende wären vielleich t für etw as ausführlichere C harakteristik der einzelnen biblischen Bücher dankbarer als für manche M itteilungen aus entlegenerem G e­

biet. A llein Stracks E inleitung w ill offenbar nicht V orlesungen über dieses Fach ersetzen , w ie etw a das um fängliche W erk von B andissin oder auch das D riversch e, sondern als w ill­

kommene Zugabe zum K olleg dienen, auf w elche man gerade bei solchen P a rtie n , die für den V ortrag zu spröde sin d , zu verw eisen glü ck lich sein w ird. D ass dieses Kompendium sich auch auf die alttestam entlichen Apokryphen und Pseudepi- graphen erstreckt, deren W ich tigk eit für die neutestam entliche T h eologie heute mehr als früher g ew ü rd ig t w ird, erhöht seine B rauchbarkeit für Studierende w ie andere Leser. H insichtlich der kritischen F ragen is t es bekanntlich nicht leicht, über den Stand der D in ge objektiv zu referieren. P ro f Strack muss man aber das Z engnis geben, dass er sich darin nach K räften der O bjektivität befleissigt. Sein subjektives U rteil h ä lt er sogar zu w eilen gan z zurück, wo es sich im gegebenen Rahmen n ich t h ätte begründen lassen, und b eg n ü g t sich die H auptan- sichten vorzuführen. A ber auch wo er aus seiner A nschauung kein H ehl m ach t, lä s st er gegn erisch e A nsichten ebenfalls zu W o rte kommen. D a ss er bei manchem P u n k t die F r a g e noch offen lä sst, oder auch W iderspruch geltend m acht, wo die m eisten K ritik er schon mit dogm atischer B estim m theit glaubten ab- schliessen zu können, rechnen w ir zu den guten E igenschaften des Buches. D enn gerade auf diesem Gebiete g ilt in beson­

derem Masse das: A lles im F lu ss! v. Orelli.

N o n n e m a n n , F rie d ric h , J e s u s d e r C h r is t u s . Jesus und P aulus. Johannes Müller. F renssen. F riede. Gross*

Lichterfelde 1907, L. W . Gebel (IV, 68 S. 8). 1. 25.

D as Schriftchen ist aus zwei V o rträ g en en tstan d en , die K ritik Frenssens einer anderen S chrift des V erf.s: „Neues W erden, neues Glauben, H eilig la n d “ entnommen. Im ersten V o rtra g e w ird die moderne P aro le „ F o rt m it P a u lu s“ g e ­ schickt zurückgew iesen von dem G rundgedanken aus: „ F ü r P au lu s la g das Leben Je su als ein durch den Tod ab­

geschlossenes vor. Das erm öglichte es ihm , den Tod Jesu in seiner unermesslichen B edeutung als Glied des erlösenden M essiasw erkes zu w erten und zugleich den M essiaserweis als in d e r A u f e r s t e h u n g e r b r a c h t zu erkennen. D adurch e r­

g ab sich ganz n atu rg em äss, dass P au lu s seinen Blick m ehr a u f diese Gipfelpunkte des W irkens des M essias, als auf das arm e irdische Leben Je su r ic h te te “ . In dem zw eiten Vor­

tr a g e : „E iniges über D r. Johannes M üller und F renssens {4H illigenlei”“ w ird dem E rstg en a n n ten das Zeugnis ausgestellt, dass er im G runde kein F eind der K irche sei. „B esässen w ir keine, so m üssten w ir uns eine schaffen; das ist seine Meinung.

Doch kann die K irche uns nicht erlösen und uns n icht das neue Leben geben. Sie kann n u r verkündigen, ru fe n , das W erdende pflegen und w arten. Ih re V eräusserlichung und V erselbständignng aber bedeutet eine w irkliche hemmende Ge­

fa h r für die frische, lebendige E ntw ickelung des Reiches G o tte s“.

E s folgt u n te r der U eberschrift: „H illigenlei und das Leben des H eilandes von F re n ssen “ die K ritik des Frenssenschen Jesusbildes, welche hauptsächlich die „Z w eiseelennatur“ des D ichters hervor hebt. „ E r , F re n ssen , der M oderne, t r i t t zu

verstrick t haben. D ie grosse G lut des S uchens, die durch sein Buch g e h t , erstick t hier im fertigen und en d gü ltigen D ogm a, und sta tt dass es sich zu einem neuen L ebensglauben, neuem W erden en tfa ltet, erstarrt es in einer mehr oder w en iger neuen C hristologie“. K önnte man hier im allgem einen bei­

stimm en, so ist der radikale F eld zu g F renssens gegen die be­

stehende Form der S ittlich k eit entschieden zu mild beurteilt.

H a t unsere S ittlich k eit auch den Verderb der Jugend in w eiten K reisen nicht hintanhalten können, so is t es doch un­

g erech t, sie als „P rüderie“ zu verw erfen. D ie neue, freie S ittlic h k e it, in deren G eist ein F renssen wirken w ill, h ätte erst die Probe zu b estehen, ob sie nich t eine noch viel grössere sittlich e V erw ilderung erzeugen würde. Und w er die M acht der Sünde besser kennt als die M odernen, der w ird sogar diese Probe ablehnen, w eil er voraus w eiss, w ie sie ausfallen muss.

Nonnemann nimmt eine eigentüm liche S tellu n g ein. A u f positivem Glaubensgrunde stehend sucht er doch den Modernen verständnisvoll entgegenzukom m en und ihre Sprache zu reden.

Ich hebe noch einen bezeichnenden S atz hervor: „Es is t freilich ein sehr berech tigter und n otw endiger K am pf, den die th eo­

logisch e W issen sch aft führt, um das Jesusbild von täuschenden und verzerrenden Schleiern und U eberm alungen zu reinigen, m it dem V olksaberglaube und m achtsüchtiges Pfaffentum es en tstellt haben“. B ei derartigen A eusserungen fä llt mir immer das W ort Jesu ein: „W er eines von diesen kleinsten Geboten auflöset und lehret die L eute a lso , der w ird d e r K l e i n s t e h e i s s e n im H i m m e l r e i c h “. Ich m eine: die n eg a tiv e A rbeit so llte zum al in einer so ernsten Zeit w ie der unserigen nicht so hoch gew ertet w erden. V iel w ich tig er w äre e s , in neuer und überw ältigender W eise den L euten positiv zu sagen, w as uns Jesus und das E vangelium i s t , als diese oder jen e v iel­

leich t nicht gan z rich tigen Z üge aus seinem B ilde zu entfernen.

Dr. Pr. Walther.

F a u t , L ic. D r. S. (S ta d tp fa rrer), D ie C h r is t o lo g ie s e i t S c h le i e r m a c h e r , ih r e G e s c h ic h t e u n d ih r e B e g r ü n ­ d u n g . Tübingen 1 9 0 7 , J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) (V III, 1 0 2 S. gr. 8). 2. 80.

D er historische U eberblick über die C hristologie des ^ . J a h r ­ hunderts, w elcher den ersten T e il dieser A rbeit b ild et, g ib t zu erst einen kurzen H inw eis auf die B edeutung des R ationa­

lism us für die G eschichte der C hristologie (S. 2 — 5), behandelt sodann „diejenigen theologischen R ichtungen des 19. Jah r­

hunderts, bei denen das alte christologische D ogm a die Grund­

la g e der C hristologie b ild e t“ (S. 5 — 3 4 ), wobei einerseits die konfessionellen nnd andererseits die spekulativen T heologen m it besonderer H ervorhebung Biederm anns und Dorners B e ­ rü ck sich tigu n g finden, und mündet schliesslich in eine D ar­

stellu n g und K ritik der durch Schleierm acher und R itschl vollzogenen N eubildung der C hristologie aus (S. 3 4 — 63).

E tw a s w esentlich N eues b ietet diese historische U ebersicht nicht. D er V erf. b esitzt allerdings die Gabe der gew andten und übersichtlichen D a rstellu n g ; aber w ie seine Ausführungen offenkundig nur in sehr beschränktem Masse auf eigen e Studien sich stützen, so sind es auch ausschliesslich die in der R itsch l- schen Schule üblich gew ordenen M assstäbe, die zur A nwendung g eb rach t w erden. Gegenüber den konfessionellen T heologen findet sich der V erf. m it dem U rteil ab, dass es sich bei ihnen um eine R ückkehr in die V ergan gen h eit und um eine Ueber- nahme ihrer g eistig en G üter gehandelt habe, „die m it \ e r - l e u g n u n g d e r b e s s e r e n E i n s i c h t nur au f dem W ege der blinden U nterw erfung unter einst w ohl verstandene, je tz t oft (!) nich t mehr verständliche A utoritäten er fo lg e n k onnte“ (S. 6).

Zur B egründung dieser A eusserung des Fanatism us wird dann freilich die gan ze um fangreiche A rb eit der konfessionellen Theologen nur m it einigen allgem einen ^ W endungen erled ig t (S. 7 — 1 0 !). A usführlicher b esch ä ftig t sich der Verf. m it der C hristologie der spekulativen Theologen (S. 1 0 — 3 4 ). Ihre E igen tü m lich k eit b esteh t darin, dass sie das christologische Dogm a durch die spekulative Idee der G ottm enschheit zu stü tzen versuchen. Aber w ie diese spekulative Idee tatsächlich.

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m it dem kirchlichen D ogm a sich nicht identifizieren lä sst, so is t andererseits die R ückkehr zum christologischen D ogm a ein g ru n d sätzlich er Fehler. D em gegenüber besteht die B edeutung Schleierm achers und R itschls darin, dass sie den H eilsglauben der Gemeinde zum A asgangspunkt der christologischen E r­

örterung gem acht haben. D ie relig iö se B edeutung der Person J e su soll die Grundlage der C hristologie bilden, aber nicht d as D ogm a, w eil es den Zusammenhang m it dem christlichen

<rlauben verm issen lässt.

D iese Ausführungen sind nicht bloss für die in der G egen­

w a rt herrschende U nselbständigkeit, sondern auch für die zu ­ nehmende -Verworrenheit und U nklarheit des theologischen D en k en s charakteristisch. Der V erf. h at ebensow enig w ie

«eine Gewährsm änner es begriffen, dass d ie rationalistische A n tith ese von R eligion und D ogm a, für die — w ie üblich — m it vollem Unrecht Schleierm acher verantw ortlich gem acht w ird, m it dem A rtunterschied des griechischen und des refor- m atorischen Christentums gar nichts zu tun hat. Infolgedessen b ew egen sich seine D arlegungen beständig in dem unklaren S chw anken, dass er an der kirchlichen C hristologie bald die j d ogm atische Form ulierung überhaupt v erw irft, bald nur die bestim m te Form ulierung des antiken D ogm as bekämpft. Es is t deshalb auch nicht zu verw undern, dass die verschieden­

a rtig sten A ussagen über das D ogm a getan werden. A uf der

«inen S eite h eisst es, dass das Dogma „m it dem P ro testa n tis­

m us prinzipiell g e fa lle n “ sei (S. 9); aber trotzdem w ird von den Reformatoren g esa g t, dasis für sie das D ogm a „keine V er­

hüllung der Person Jesn, sondern der Ausdruck ihrer tiefsten B ed eu tu n g“ w ar (S. 7 f.). „Für die Epigonen ab er“ — und

■das sind alle mit Ausnahme von Schleierm acher und R itschl —

„erdrückte das D ogm a in seiner ganzen W ucht Jesu P erson “

<8. 8J. N ichtsdestow eniger h eisst es dann aber schliesslich doch: „D er eigen tlich e Sinn des christologischen D ogm as be­

steh t in seiner B eziehung auf die Person J e su “ (S. 24 ). D ass der Verf. diese vier S ätze, von denen jeder die anderen aus- sch liesst, harmlos nebeneinander zu stellen v erm ag, erklärt sich nur daraus, dass die gleich e U nklarheit in der B eurteilung des kirchlichen D ogm as lä n g st zum G em eingut der Schule gew orden ist.

In der „system atischen D a rstellu n g “ sodann, m it der es der zw eite T eil zu tun h a t (S. 6 4 — 1 0 0 ), wird es deutlich, dass die vorgebliche „N eubildung der C hristologie“ von seiten der sog. modernen T heologie in W irklichkeit eine V erkürzung derjenigen Interessen is t , w elche für den Glauben an die P erson Jesu Christi im Sinne des geschichtlichen Christentums charakteristisch sind. D abei zeichnet sich allerdings der erste A bschnitt, in dem „die R eligion J e sü “ d a rg estellt w ird (S. 65 bis 73 ), durch die S achlichkeit und B esonnenheit des gesch ich t­

lichen U rteils aus. D er Verf. lehnt es a b , den B egriff des R eiches G ottes „m it dem ethischen oder K ulturideal eines R eiches der vollkommenen H um anität“ zu identifizieren (S. 66 f.).

E r betont m it N achdruck, dass die N ächstenliebe nicht den In h a lt der G ottesliebe ausm acht, sondern als deren F rucht

«in e ab geleitete Grösse ist (S. 67 f.). E r verw ahrt sich aus­

drücklich d a g eg en , dass die L iebe G ottes als „das g ü tig e 0 w ollen, m it dem G ott seinen Geschöpfen gegen ü b ersteh t“, verstanden w erde, und betrachtet sta tt dessen die V ergebung der Sünde als das w esentliche Merkmal der G ottesliebe (S. 68 f.).

M erkw ürdigerw eise v erg isst aber der V erf. dabei, es zu sagen, dass m it dieser Polem ik durchw eg die eigentüm liche A uffassung R itsch ls getroffen wird. Es ist ihm infolgedessen auch nicht k lar gew orden, dass es ein W iderspruch is t , wenn man auf der einen S eite das geschichtliche V erständnis der Person Jesu an R itschl rühmt und auf der anderen S eite alle S ätze preis- Siht, in denen dies geschichtliche V erständnis der Person Jesu Ritschl zum Ausdruck kommt. A nderenfalls h ä tte der V erf. zu a em Schlüsse kommen m üssen, dass es sich bei der C hristologie R itschls nicht um eine V ertiefung des gesch ich t­

lichen Verständnisses, sondern vielm ehr um eine V ergew altigu n g er eschichte durch moderne Ideen handelt. Von entscheidender edeutung is t dann aber der folgende A b sch n itt, in dem der erf. sich anheischig m ach t, den „Glauben an Jesus als die n otw en d ige Folge der R eligion J esu “ zu erw eisen (S. 7 3 — 78).

Nachdem nämlich der Verf. an der „R eligion J e su “ diejenigen Momente zutreffend hervorgehoben h a t, in denen auch nach der kirchlichen Lehre die entscheidenden M assstäbe für die B eurteilung der Person Jesu enthalten sin d , sollte mau er­

w arten , dass er nun auch für die Motive des kirchlichen D ogm as ein V erständnis haben würde. Aber s t a tt dessen is t hier nun der P unkt gekom m en, an dem die Schranke seines theologischen V erständnisses zu tage tritt. A uf die F ra g e nämlich, warum gerade dieser Mensch für uns der G egenstand religiöser V erehrung sein soll, antw ortet der V erf. m it lau ter Tautologien. „W arum gerade Jesus von N azareth der A us­

erw ählte G ottes war, is t G ottes Geheimnis. Offenbar (!) w ar eben nur er dieses E rlebnisses fähig. E r erlebte die persön­

liche Gem einschaft m it G ott, w eil seine Person innerlich ganz m it G ott g eein ig t w ar, w eil sein W ille kein anderes Ziel und keinen anderen W eg kannte als G ottes W ille. E r erlebte die g ö ttlich e V aterliebe, w eil sein eigenes W esen reine Liebe war.

D ie V oraussetzung der R eligion Jesu ist die Offenbarung G ottes in ihm. D ie V oraussetzung dieser g öttlich en Offen­

barung aber ist das gottau fgesch lossen e, g o ttin n ig e W esen J e s u “ (S. 7 3 ). Indessen m it allen diesen Tautologien wird der Verf. doch die entscheidende F ra g e nicht zum Sch w eigen bringen, die F rage nämlich, w ie es denn m öglich ist, ernstlich den Glauben an die Person Jesu zu fordern und trotzdem über das V erhältnis dieses Glaubens an die Person Jesu zu dem Glauben an G ott jeder A ussage sich zu enthalten. D er Verf.

h a t ein durchaus zutreffendes Verständnis für das W esen der christlichen F röm m igk eit, sofern er alles G ew icht auf die W iederherstellung der persönlichen G em einschaft mit G ott durch die V ergebung unserer Sünde durch Jesus le g t. Aber es feh lt ihm v ö llig das V erständnis dafür, dass jede th eo­

logische Form ulierung dieser U eberzeugung unhaltbar is t, die Jesus zu einer A rt von M ittelwesen zw ischen G ott und den M enschen m acht. Denn darin besteht letzten Endes der Sinn dieser A rt von T heologie: man m eint auf der einen S eite im Interesse der R eligion jede Einm ischung der Spekulation fern ­ h alten zu m üssen, und man w ill doch auf der anderen S eite von der A uflösung der R eligion in reinen Moralismus nichts w issen ; und so ste llt man denn Jesus in die M itte zw ischen G ott und den Menschen und rückt ihn von beiden gleich w eit ab. Aber man m acht sich dabei nicht k la r, dass die Vor­

stellu n g von M ittelw esen immer nur unter der V oraussetzung eines unvollkommenen G ottesbegriffs m öglich ist und dass ausserdem auch ein M ittelw esen niem als das leisten kann, w as Jesus als M ittler zw ischen G ott und den Menschen leisten soll, w ährend schliesslich auch die F ra g e bleibt, ob die A nerkennung des „G eheim nisses“ in der Person Jesu nicht auch bei dieser A uffassung nur auf die Schw ierigkeiten hinweiBt, die unter allen Umständen dem religiösen Verständnis der Person Jesu aus seinem rein menschlichen Leben erw achsen.

D ie D eb atte über das christologische Problem wird dem- gem äss durch die vorliegende A rbeit in keiner W eise gefördert w erden können. D ies Buch is t vielm ehr nur ein besonders deutliches Z eugnis dafür, w ie sehr auch ein begabter T heologe durch den Traditionalismus der Schule gehem m t w erden kann.

E s sind immer w ieder dieselben, bis zum Ueberdruss w ieder­

holten Schlagw örter, die in der Form des Schem as jede selb­

stän d ige G edankenregung unm öglich machen. E s sind immer w ieder dieselben unklaren V orstellu n gen , die nur durch den apodiktischen Ton, m it dem sie vorgetragen werden, und durch den selbstverständlich nich t ausbleibenden B eifa ll der Schule zu w issenschaftlichen E rkenntnissen gestem pelt werden.

Stange.

Neueste theologische Literatur.

Biographien. Dalton, Herrn., Aus dem Tagebuche e. evangelischen Seelsorgers. Gütersloh, C. Bertelsmann (XV, 206 S. 8). 2. 40. — Er­

zieher, Unsere religiösen. Eine Geschichte des Christentums in Lebens­

bildern, hrsg. v. B. Bess. 2 Bde. 1. Von Moses bis Huss. (Buch­

schmuck v. Bruno H6roux. Vignette 3 nach e. Holzschn. Dürers, Vignette 6 nach e. alten Druck.) 2. Von Luther bis Bismarck. (Buch­

schmuck v. Bruno H6roux. Vignette 1 u. 3 nach Merian.) Leipzig, Quelle & Meyer (VIII, 279 S.; III, 265 S. gr. 8). 7. 60. — Latimer, Bobert Sloan, Dr. Baedeker and his Apostolic Work in Russia. With.

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