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Academic year: 2022

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ZOFIA BERDYCHOWSKA

Kraków, Polen

Die deiktischen Bestandteile von Interjektionen 1

Vorbemerkungen

Eingangs ist anzumerken, dass Interjektionen / Exklamationen kein ausschließlich dem Deutschen eigenes Phänomen darstellen. Die funktionale Bestimmung von Ausdrücken, die den Interjektionen / Exklamationen zugerechnet werden, ist „der affektive Kommentar“ (Larrory 2004:3–6), die Repräsentation des emotionalen Zustandes des Sprechers, der durch den von ihm wahrgenommenen Sachverhalt, der einen bestimmten Ausschnitt der Wirklichkeit repräsentiert, hervorgerufen wird. Um beim Adressaten einen vergleichbaren Zustand zu erreichen, führt der Sprecher mit einer Interjektion eine den Zustand malende Prozedur (Ehlich 1986) aus. Die Tatsache, dass Interjektionen die Reaktion auf den wahrgenommenen Sachverhalt ausdrücken, unterscheidet sie von anderen Äußerungen insofern nicht, dass jede Äußerung eine bestimmte affektive, intellektuelle oder volitive Reaktion auf eine bestimmte Repräsentation der außersprachlichen Welt darstellt.

Was mit Hilfe einer Interjektion ausgesagt wird, ist aufgrund ihrer starken Kon- textsensitivität nicht eindeutig und bedarf einer umfassenden kontextuellen Inter- pretation. Beispielsweise kann ach!2 Ausdruck des Schmerzes, der Betroffenheit, des Mitleids o.Ä., des (ironischen) Bedauerns, der Verwunderung, des (freudigen) Erstaunens, des Unmuts, des Verlangens o.Ä., aber auch der Verneinung (Duden

72011) oder der Überraschung (Zifonun / Hoffmann / Strecker 1997:403–406)

1 Der Text ist eine erweiterte Fassung des Beitrags “De la déicticité de l’interjection”, erschie- nen in: 2010, “En quête de sens. W poszukiwaniu znaczeń. Études dédiées à Marcela Świątkowska.

Studia dedykowane Marceli Świątkowskiej”, J. Górnikiewicz / H. Grzmil-Tylutki / I. Piechnik (Hrsg.), Kraków, S. 73–81.

2 Vgl. auch den Ausruf Ach!, mit dem jmd. Betroffenheit, Bedauern, Verwunderung o.Ä. aus- drückt (Duden 72011).

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sein. Die Beseitigung kognitiv-semantischer Unklarheiten bedarf der Intersubjek- tivierung der intrasubjektiv konstituierten mentalen Räume und Repräsentationen (Stukenbrock 2009:291).

Interjektionen / Exklamationen stellen eine besondere Art von Zügen im Sprachspiel dar:

a) Sie sind (seltener) einfache oder (häufi ger) syntaktisch komplexe „Aus- rufe, Aufrufe und dergleichen“ (Dalmas 2004:67)

b) mit „wenig Semantik und viel Pragmatik“, deren klassische Analyse weder im Rahmen einer formalen Semantik noch einer traditionellen Merkmalssemantik möglich ist (Ballweg 2004:227f.), bzw. deren syntak- tisch komplexe Typen, durch eine Mischung von Gipfeltonmuster und Dehnung als Akzent sowie dem fallenden, eine imperativische Interpre- tation ausschließenden, Grenztonmuster (Zifonun / Hoffmann / Strecker 1997:153ff.) charakterisiert, gelegentlich kompositional semantisch ana- lysierbar sind (d’Avis 2004:109–125) und

c) die sowohl keiner Vorgängeräußerung bedürfen als auch keine neue Dis- kurssequenz eröffnen (Zifonun / Hoffmann / Strecker 1997:153ff.), son- dern den Ablauf von Kommunikationshandlungen im Diskurs voneinan- der abgrenzen (Larrory 2004:6ff.; Świątkowska 2006).

1. Interjektionen in der Grammatikographie

In den Grammatiken des Deutschen werden Interjektionen unter folgenden As- pekten beschrieben:

1) die Wortklassenzugehörigkeit der Ein-Wort-Interjektionen;

2) die Typologie syntaktisch komplexer Exklamationen;

3) formale Merkmale;

4) die funktionale Bestimmung a) pragmatisch,

b) diskursiv: „turninterne“ vs. „turnexterne“ Funktion (Zifonun / Hoff- mann / Strecker 1997:153ff., 403–406, unter einzelnen Interjektio- nen).

Zu Schwerpunkten der Beschreibung werden in linguistischen Abhandlungen seit dem Erscheinen des Interjektion-Heftes des „Journal of Pragmatics“ (1992) der propositionale und der deiktische Gehalt der Interjektionen. In der Weiterent- wicklung dieser Ansätze wird die Deiktizität als ihre inhärente Eigenschaft fest- gestellt (Wharton 2000, 2003; Świątkowska 2000, 2006).

Interjektionen sagen etwas über den aktuellen, augenblicklichen Zustand des Verstandes oder der Gefühle des Sprechers als des Trägers dieser Zustände, über

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seine Einstellung zu einem Sachverhalt aus. Damit bilden sie den Namen eines propositionalen Arguments. Wenn Interjektionen über einen bestimmten proposi- tionalen Gehalt hinaus auch ein deiktischer Wert zugeschrieben wird, bleibt wei- terhin die Frage offen, ob sie Exponenten der Deixis sind, und insbesondere, ob sie prozedural den Sender oder den Sprecher bzw. eine andere Art des deiktischen Objekts kodieren, oder aber Träger einer anderen prozeduralen Information sind.

2. Die deiktische Prozedur

Die Tatsache, dass der Sender im Kommunikationsereignis präsent ist, erscheint im Hinblick auf die grundlegende Bedeutung dieser Kommunikationsrolle in der Instanziierung des Diskurses selbstverständlich. Als Konzeptualisator aktu- alisiert der Sender einen bestimmten Teil des Diskurses, indem er seine Gedan- ken und Gefühle in einer bestimmten sprachlichen Form zum Ausdruck bringt.

Die sprachliche Form richtet sich nach den Regeln, nach welchen Äußerungen und Texte produziert und verstanden werden. Zu den Regeln gehören u.a. Ty- pen der Referenz (Vater 2005), darunter der deiktische Typ der Referenz, der den ausgedrückten Sachverhalt über das Zeigfeld mit der Kommunikationssitua- tion koppelt. Die deiktische Referenzprozedur bildet einen Komplex der Akti- vität des Senders, in dem Cheang (1990:199) zwei Phasen unterscheidet: a) die Phase seiner internen Aktivität, d.h. die Phase der intrasubjektiven Orientierung, die b) der externen kommunikativen Phase vorangeht. Die kommunikative Phase umfasst den externen Prozess der Orientierung der Aufmerksamkeit des Adres- saten, die konzeptuelle und die prozedurale Kodierung. Mit der konzeptuellen Kodierung bezieht der Sender den Ausdruck auf den Referenten, mit der proze- duralen Kodierung dagegen identifi ziert er den Referenten in einer bestimmten Kommunikationsrolle. Indem der Sender auf der deiktischen Relationsebene das deiktische Zentrum, die Origo (Bühler 1982:102), d.h. den mentalen Ausgangs- punkt der Koordinaten setzt, die das Feld der lokalen, temporalen und personalen deiktischen Orientierung öffnen, entscheidet er über die Perspektive, von welcher aus er auf die Interaktanten in dem Kommunikationsereignis zeigt und den aus- gedrückten Sachverhalt räumlich und zeitlich situiert. In der kanonischen ego- zentrischen Form der deiktischen Prozedur bildet die Origo die Projektion der Sprecher-Position, d.h. der Position des Konzeptualisators. Die „Verfügungsge- walt” über die Origo als Bezugspunkt in der deiktischen Prozedur erlaubt es dem Konzeptualisator, sie in einen anderen Ort zu versetzen – den Ort der Projektion der Position des Adressaten oder eines Dritten. Dadurch ändert sich die deiktische Perspektivierung des ausgedrückten Sachverhalts: Im ersteren Fall enkodiert er sich selbst prozedural in der Adressaten-Rolle, in dem letzteren dagegen enkodiert er den Adressaten als Nicht-Person (z.B. wenn der Arzt dem Patienten die Frage stellt Was fehlt ihm?). Der Bezugspunkt ist also positionell variabel. Da diese

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Zuordnung durch die Setzung der Origo in einen anderen Punkt als die Projektion der Sender-Position zwar unberührt bleibt, aber die Identifi zierung der agentiven Referenten des ausgedrückten Sachverhalts in anderen Kommunikationsrollen als in der kanonischen Form der deiktischen Prozedur bewirkt, braucht die posi- tionell veränderliche Origo einen stabilen Exponenten, damit der Empfänger den Bezugspunkt des gesamten Systems erkennen kann. Die deiktische Orientierung wird dem Adressaten nicht durch die Stabilität des Bezugspunktes möglich, son- dern durch seinen stabilen Exponenten, der die Information über seine Defi nitheit kodiert (Berdychowska 2002a:33).

3. Prozedurale Kodierung des Senders

Der Exponent und zeitgleich die grammatikalisierte Form der konzeptuellen und der prozeduralen Kodierung des Senders in der kanonischen Form der Perso- naldeixis ist eine der Formen des Personalpronomens der 1. P. Sg. Obwohl der Gebrauch des Personalpronomens ich sowie des Possessivpronomens mein als seiner Stellungsvariante in unserer Kognition mit der Identität dessen, was das Pronomen äußert, stark korreliert, besteht zwischen dem Sender, dem Personal- pronomen ich und der Origo nicht die Relation der Identität, sondern vielmehr die Konvergenz. Die Konvergenz (u.a. durch die im Rahmen der französischen énonciation-Theorie erarbeitete Konzeption der Polyphonie des Senders erklärt) geht aus der deiktischen Komplexität der Person-Referenz hervor.

Wie die Anwesenheit des Senders in einem Kommunikationsereignis selbst- verständlich ist, so ist ebenfalls die Tatsache, dass der Sprecher schon durch den Akt des Äußerns die Aufmerksamkeit des Empfängers lenkt. Alle vom Sprecher produzierten Laute lenken die Aufmerksamkeit des Hörers und deuten auf den Ort ihrer Herkunft hin, lassen daher den Sprecher lokaliseren auch dann, wenn seine Lage durch keine besonderen sprachlichen Zeichen zum Ausdruck kommt. Die Defi nitheit des Äußerungsortes ist in der Lautgeste des Sprechers, in der „Her- kunftsqualität der Klänge“ (Bühler 1982:91) begründet.

Die Art und Weise jedoch, auf welche der Sprecher in der Äußerung bzw.

im Text erscheint und die Art ihrer Kodierung sind nicht mehr so selbstverständ- lich. Der Sender kann offen oder verdeckt prozedural kodiert werden. So kann das Deiktikon wir unterschiedlich und verschiedene deiktische Objekte kodieren: den Sender als das einzige Deixisobjekt – wie beim Sprechen im Chor; als Deixis- objekt samt anderen (Wir gehen ins Kino) oder aber den Sender als Deixisobjekt ausschließen (der Arzt: Wir atmen tief ein). Offene Bezugnahmen können in identifi zierenden (Ich schreibe einen Brief ) oder in re-identifi zierenden Struk- turen vorkommen (Ich bin’s als Antwort auf die Frage Wer da? oder Das bin ich, wobei auf eine Person auf einem Bild gezeigt wird) und der Exponent der Bezugnahme auf den Adressaten setzt immer den Sender voraus. Sprachmittel

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zum Ausdruck der Kategorie der Person als grammatikalisierte Exponenten der Personaldeixis kodieren alle Elemente der deiktischen Prozedur, sind Exponenten ihres ganzheitlichen Vollzugs: die erstpersonigen beziehen sich auf den Sender, die zweitpersonigen auf den Adressaten.3 Die drittpersonigen Sprachmittel kodie- ren prototypisch eine Nicht-Person, d.h. ein anderes als die Interaktanten, huma- nes oder nicht-humanes Diskursobjekt. Die Möglichkeit, eine ganze Reihe von Ausdrücken und Konstruktionen, die keinen grammatikalisierten Exponenten der Personaldeixis enthalten, personaldeiktisch zu interpretieren, hängt von der textu- ellen und der situativen Umgebung, darunter von der Kommunikationssituation, sowie vom Wissen des Interpretierenden (kurzum vom Kontext) ab.

4. Die prozedurale Information in den Interjektionen

Wie oben erwähnt, legt die funktionale Bestimmung der Interjektionen die An- nahme nahe, dass sie in ihren semantischen Strukturen ein personaldeiktisches Element enthalten und demzufolge als Ausdrücke, die den Sender prozedural ko- dieren, betrachtet und zum Vollzug der personaldeiktischen Referenz verwendet werden können. Wilkins stellt fest, dass Interjektionen als komplexe deiktische Ausdrücke in ihren semantischen Strukturen die grundlegenden deiktischen Ele- mente ich, hier, jetzt enthalten: „[…] interjections commonly have basic deictic forms incorporated as part of their lexical form [...]” (Wilkins 1992:36; Hervor- hebungen von Z.B.). Jedoch ähnlich wie zwischen der Deixis als Relation und den Deiktika als ihren Exponenten differenziert werden muss, so kann man auch darin nicht zustimmen, dass ich, hier, jetzt die grundlegenden, in die Interjektion als Bestandteil ihrer lexikalischen Form inkorporierten deiktischen Formen sind.

Im Rahmen der Theorie der Natural Semantic Metalanguage (NSM), auf die sich Wilkins stützt, haben wir es nämlich nicht mit den Einheiten bzw. Formen einer natürlichen Sprache zu tun, sondern mit universalen und nicht-arbiträren Model- len elementarer mentaler Einheiten. Eine andere Auffassung, deren Grundlage die Differenzierung zwischen den konzeptuell und den prozedural kodierenden Ausdrücken und den Rahmen die Relevanztheorie bilden, schlägt Wharton (2000, 2003) vor. Nach Wharton kodieren die Interjektionen die prozedurale Informa- tion, die durch die Einschränkung von Inferenzprozessen die Suche des Empfän- gers nach der vom Sprecher intendierten Bedeutung steuern:

„Ameka 1992, Wierzbicka 1992, Wilkins 1992 treat interjections as encoding rich conceptual structures which are part of the semantics of natural language.

3 Grammatisch drittpersonige historische und gegenwärtige Distanzformen der Bezugnahme auf den Adressaten betrachte ich mit Howe (1996:97) als konventionalisierte funktionale Re-Inter- pretationen von Formen der Personalpronomina hinsichtlich der Person und des Numerus, und ihre substantivische Realisierungen (wie poln. pan / pani), darunter honorifi kative Formen (Magnifi zenz, Exzellenz etc.), als Transpositionen von Ausdrücken aus dem Symbolfeld.

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[…] The idea behind the conceptual-procedural distinction is that while most words encode concepts, constituents of conceptual representations, the function of certain others is to guide the hearer’s search for the speaker’s intended mean- ing by constraining the inferential processes that construct or manipulate those conceptual representations. As a fi rst step toward a new account I propose that interjections encode procedural information” (Wharton 2000).

Zur Überprüfung der These über die Kodierung einer prozeduralen Informa- tion und ihrer Art in den Interjektionen werden Interjektionen im Rahmen einer komplexen Prädikat-Argument-Struktur analysiert.

Da die Exponeneten der Deixis (insbesondere auch die Exponenten der Per- sonaldeixis) in der Satzstruktur Argumentstellen besetzen, muss zur Beweisführ- ung, dass Interjektionen Deixis-Exponenten sind, der Nachweis dafür erbracht werden, dass sie Argumentausdrücke sind. Der semantischen Defi nition des Ar- guments folgend (Polański 21999:55–57) ist nachzuweisen, dass Interjektionen Exponenten von Begriffen sind, die zur Erfüllung der von dem die Proposition konstituierenden Begriff implizierten Anforderungen nötig sind.

Interjektionen sind lexikalische Füllungen eines propositionalen Arguments (Teilproposition), das zusammen mit einer anderen, die Reaktion des Sprechers bewirkenden, Teilproposition eine kausative Prädikat-Argument-Struktur bildet.

Diese Struktur kann folgendermaßen dargestellt werden (mit Fettdruck hervorge- hoben ist der mit der Interjektion sprachlich realisierte Teil der Proposition):

Proposition

Prädikat Argument p Argument q caus (Teilproposition) (Teilproposition)

bewirken KAUS EFF

Prädikat SIT1 Argument r

akt loc (Teilproposition)

sagen hic-Deixis

Prädikat EXP SIT2 intell / sent hum temp

(ich-Deixis) (nunc-Deixis)

Abb. 1. Polyprädikative Struktur mit einem durch eine Interjektionen füllbaren propositionalen Ar- gument

Die spezifi sche Eigenschaft der Teilproposition p der kausativen Struktur be- steht darin, dass sowohl einige bzw. alle ihre Argumente als auch das sie konsituie- rende Prädikat vom Empfänger inferiert werden (müssen) und zwar aufgrund der Beobachtung im der Reaktion vorausgehenden gemeinsamen Wahrnehmungsfeld, oder anders: aus der wahrnehmbaren und vom Empfänger wahrgenommenen Si-

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tuation und / oder aus dem vorangehenden Kommunikationsereignis, wobei Emp- fänger sein früher erworbenes Wissen verwendet. Eine so weitgehende semanti- sche Unterbestimmtheit der p öffnet ein sehr weites Feld für die Interpretation der Teilproposition r, und insbesondere für die Interpretation des sie konsituieren- den Begriffs – des vom Sprecher empfundenen / erfahrenen intellektuell-affekti- ven Zustands. Da die übrigen Argumente der semantischen Struktur der Propo- sitionen q und r ausschließlich prozedurale Informationen liefern, kann sich der Empfänger bei der Interpretation der Interjektion (eigentlich in der Interpretation des die Teilproposition r konstituierenden Prädikats) nur nach den Hinweisen hin- sichtlich der Kontextualisierung richten.

Als Repräsentationen eines augenblicklichen intellektuell-affektiven Zu- standes, der seinerseits den diesen Zustand Erfahrenden repräsentiert, sind Inter- jektionen Metarepräsentationen des Trägers des Zustandes, implizieren also den Sprecher. Die Lautgeste, ein Zeichen des Augenblicks par excellence (Bühler 1982:102), vereint in sich drei Funktionen: die Funktion des Zeigens, die de- monstrative und die symbolische Funktion (Bühler 1982:87f.).4 Als phonische Geste steuert die Interjektion die Aufmerksamkeit des Empfängers.5 Als Lautge- ste mit der demonstrativen Funktion verankert sie die Äußerung im Hintergrund durch das deiktische Zeigen auf den Ort, von dem die Stimme des Sprechers her kommt, d.h. den Ort des Sprechers in der Kommunikationssituation. Die Interjektion ist daher ein Exponent der lokalen Deixis, konkret der hic-Deixis, der die die Aufmerksamkeit des Empfängers steuernde, jedoch nicht die voll- ständige Prozedur der deiktischen Referenz vollziehende Lautgeste mit dem Ar- gumentnamen verbindet (Bühler 1982:89) als unabdingbare Voraussetzung für die referentielle Defi nitheit. Fehlt es an der die Äußerung im Hintergrund veran- kernden demonstrativen Geste, so bekommen die Deixisexponenten generische Interpretation: ich wird zum Exponenten aller vorstellbaren Sender, du – aller Adressaten.

Daraus ergibt sich, dass nicht nur hier, jetzt, ich, sondern auch Interjektionen Exponenten des deiktischen Bezugspunktes sind, obwohl anderer Art. Während ich den deiktischen Bezugspunkt lediglich in der kanonischen Form der deikti- schen Referenz als die Position des Sprechers, sonst aber immer als die Projektion nicht der Sprecher-, sondern der Senderposition kodiert, wird die Origo durch Interjektionen immer eindeutig und ausschließlich als die Projektion der Spre- cherposition kodiert. Aber im Gegensatz zu ich kodieren Interjektionen nicht den

4 Vgl. Die Gegenüberstellung der „fokussierenden Deixis” und der „Rollendeixis” (Bellmann 1990:159) sowie die Kritik der Gleichsetzung des Ziels des Zeigens und des Referenten (Stuken- brock 2009:289).

5 Irrelevant bleibt in diesem Zusammenhang, ob der Empfänger den Sprecher anhand seiner Stimme identifi zieren kann (Bühler 1982:91) oder ihn – mit Ausnahme des Sexus – nicht identifi zie- ren kann wegen des phonologischen Charakters der Information, die durch die Lautgeste getragen wird (Zabrocki 1980:133f.).

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Sender, sondern seine Position (Berdychowska 2004), sind also Exponenten der hic-Deixis. Dafür gibt es zumindest zweifache Evidenz:

1) In Interjektionen, die das Possessivpronomen der 1. P. Sg. als Stellungs- variante des Exponenten der Personaldeixis enthalten, z.B. Mein Gott!, ist die Substitution durch die zweit- und drittpersonige Exponenten blo- ckiert: *Dein Gott! / *Sein Gott! / *Euer Gott!

2) Wie die Transkriptionen des Simultandolmetschens zeigen (Pöchhacker 1994), werden Interjektionen beim Dolmetschen weggelassen, weil die mit ihrer Hilfe vollzogene Referenzprozedur den intellektuell-affektiven Zustand nicht des Dolmetschers, sondern des Zustandsträgers ausdrü- cken, d.h. des Sprechers des Originaltextes (des Senders). Der Dol- metscher als Sprecher verwendet ich in Bezug auf die Origo, die er als Projektion der Position des Originalsprechers mental setzt und somit in der Senderrolle prozedural enkodiert. Die für das Dolmetschen konven- tionalisierte Perspektivierung des Zieltextes vom Standpunkt des Origi- nalsprechers kommt erst durch eine konsequente Bezugnahme vom Dol- metscher auf sich selbst mit der drittpersonigen defi niten Deskription der Dolmetscher zum Vorschein, die seine Rolle in der sprachlich vermitteln- den Kommunikation als Nicht-Interaktanten kodiert. Der Dolmetscher tritt nämlich weder mit dem Originalsprecher noch mit den Adressaten der Originalrede in Interaktion. Die vom Dolmetscher gebrauchten ex- pressiven Partikeln wie nun dienen der diskursiven Verknüpfung oder der Einleitung einer für wichtig gehaltenen schlussfolgernden oder zusam- menfassenden Information (Berdychowska 2002b).

5. Fazit

Die Analyse zeigt, dass in den Interjektionen die Zeig- und die Nennfunktionen koexistieren, d.h., dass Interjektionen sowohl die prozedurale als auch die nen- nende Funktion kodieren. Als reine Signale sind die Interjektionen kumulierte Ort-, Zeit und Individualisierungssignale, also Exponenten der egozentrisch ge- setzten Origo. In der komplexen semantischen Struktur der Interjektionen, auch wenn auf unterschiedlichen Hierarchiestufen der Struktur, sind alle drei Begriffe enthalten, die den Anforderungen der Origo genügen. Jeder der Begriffe hat eine andere Repräsentation. Die semantische Struktur der Interjektionen enthält situa- tive Argumente, die durch die Lautgeste repräsentiert sind: das mit der zeigenden Lautgeste realisierte lokative Argument hic-Deixis und das temporale Argument nunc-Deixis, das sowohl durch die augenblickliche Lautgeste repräsentiert als auch durch die momentane und aktuelle Beschaffenheit des die Teilproposition r konstituierenden Prädikats impliziert wird. Die individualisierende ich-Deixis

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wird durch die Interjektion als Metarepräsentation des Sprechers als Zustandträ- ger über das Argument EXP nur impliziert. Diese deiktische Leistung der Inter- jektionen gehört zu den nicht erkannten Defi ziten in der Grammatikschreibung.

Literatur

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