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Neue Bücher. Ein Bücherblatt für Volksbibliothekare, Jg. 6, 1929, H. 3/4.

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W.Winker,·Direktor der

Städkischen leksbürhereiety

Düsseldorf

Inhalts-Verzeichnis

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Seite l.WeltkriegedichnthVonDr. P. Engels. . . . . »». . . J II.«NcUeKriegsbiicher . .,. s..-". . . . . . . . . . 5

lILRomane unsErzählungen-enganderen Stoffgebicten . . . 13

Ivcgweisernach·Skoffgrnppcn. . . . . . . . ,. . . FI-

IV.Bücher fürdie-Jägern-. . . . . . . . . . . . . . 54 V.Vom jVissenund Erkennen . . . . ·. .« . ; . . . . 67 a)Lelsengbilder und LebenserinncrungemBriefe«.. . . . . . 67

"b)AusGeschjchtc--»dswikxscha·ftslebcn. ... . . . 70 c)Philosophie,Erziehung-DundWeltanschauungsfragen

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«;-.». . 79 e)(21uoTiersundPflanzenleben . . . . . . . . . . . . .

sz So f) Augverschiedenen Gebieten . . . . . . . . . . -.. . 89 AlphabetischesVerzeichnis . . . .- .,. . . . . . . . . g)

I.

Natbtltsudc vor-holen-

VeranxtvortlichfürdenGefamtinhalt LudwigRöhrscheidtJBonn,fürdie einzelnen Beiträge dieVerfasserzDruck Konrad Triltfch in.xvgxzbllkg«

VOIk»N.alle Bücher«crfchcisscnimJahre6HefteimUmfang von«-·T«1-J—2ng.«-

4

zrimPreisevon Mk. beiportofreierZufendüngx .

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NEUE BUCHER

BESPRECHUNGEN VON NEUERSCHEINUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON DER

FREIENARBElTSGEMElecHAFT

DEUTSCHER VOLKsBlBLlOTHEKARE

JAHRGANG6- HEFT3x4 .

l.WEl.TKRlEGlecHTUNG

VONDR.PAULENGELS DUSSElDORF War schonimmer dasKriegs-undKampferlebniseiner derfortzeu- gendstenImpulsederDichtungsgeschichte,so mußte geradedielängstvor-

geahnte Katastrophe von 1914 alle gestaltenden Kräfte aufdenPlan rufen. Im Zeitlichen lassen StufungenderIntensitätdesInteresses unterscheiden:Die Vorahnung,dann dieSpiegelungdes unmittelbaren, meist nochnichtvöllig ausgereiften Eindrucks,dann dasgelähmte Schwei- gendesseelischenEntspanntseins nachdemErlebnis,undnun, nachrund zehnjährigerPause,dasplötzlicheNeuerwachen desInteressesanderGe- staltungdes geläuterten Erlebnisses durchdiedaran gereifte Dichter- persönlichkeitunddieFrage nachdem,,Warum·, nach Bewertung dessen,

was geschah.

·

Eigenartigist,wieverschiedendieNationen reagierten. Deutschland, Frankreichundallenfalls Nußland spiegelndentiefenEindruck der Er- eignissewieder,Holland ist gänzlichunberührt,England scheint jetzt erst mit Mottram: »Derspanische Pachthof«zuerwachen bisherkonnte

man hiernur auf ShawsVorrede von ,,HausHerzenstod«undDouglas Goldtings»Das Glück«hinweisen, Amerika hat jetztden-,,Drei Sol- daten«von Dos Passosdas Werk von Wharton ,,Squad« hinzugefügt undItalienbietet nebenBorgeses,,Nubå« kaum etwas, was nichtdurch PathosundSchönrednereioderdurchdieFolgeereignisse nachteiligbeein- flußtwäre,auchdasvon Gutkind übersetzteBuchvon Borgesemiteiner Dekadent-Gestalt,diean ,,Ginster« gemahnt, istkeinrechtes Kriegsbuch.

Nußland zeigt meist antimilitaristische Tendenz.Eindrückevon derFront vermitteln Andrejews»DasIochdesKrieges«unddieErinnerungen des OberstenK.M. Oberutschew»DieMorgenröte«.AlsDarstellungder- selbenVerhältnisseaus derHandeinesChirurgendarf wohl hiersogleich angeschlossenwerden: Walter von Wyß»AlsArzteiner russischenAmbu- lanz«.Nur inFrankreichundDeutschland haben dieKriegsvorgänge alsbesonders ergiebigesStoffgebiet erwiesenmitihrerLebens- undTodes- näheundeinem Chaos menschlicher Beziehungen.

Langebevor daskommende UnheilfüralleAugen sichtbarwurde,hat- ten esSehernaturen erfühlt.Obzin blickenaufdiezuKriegsbeginnge- I

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schriebenen Gedichtevon JulesRoman, von LäonWerth, oder aufdir ahnungsschwere Vorkriegsdichtung unseresLandes,aufBurtes ,,Patrizia«-Sonette,seinen ,,Wiltfeber«,auf Ludwigs»DieSieger«, auf Schickeles ,,Benkal«, aufKarl Hauptmanns ,,KriegeinTedeum« oder aufdieganze ReihederZukunftsromanevon Riemann, Sandt, Grautoff, Seeliger, Frey,er,alle sind sie irgendwiesymptomatisch,tragen siedie Sturmzeichen ihrer Epoche.

Von derHochflutderDichtungzuKriegsbeginn ist weniger- wähnenswert.Die ganze Trostlosigkeitder daheimgebliebenen Frauen formtdieViebiginden,,TöchternderHekuba", während Flex, dessen Briefewertvolle Zeitdokumente sind,im,,Wanderer zwischenbeidenWel- ten«erstmaligdasjetztgeradewieder vollwirksameErlebnis desKriegs- freiwilligen gestaltet. Das schon früh Objektivität anstrebende Buch:

»UnteroffizierHartmann«von Kesser schildertdenKriegsbeginnvon der Frontaus,KarlHauptmanns »Aus demgroßenKriege«und,,Kathedrale«

von derHeimataus. Viele jetzt halb-und ganzvergessene Kriegsbücher eines Qmpteda,Lienhard, Gottberg, Molo, Geißler, Handel-Mazzetti, Blunck, SchieberundDörfler stammenaus diesenTagen.

NachBee ndigung desKrieges folgten AufzeichnungenundDich- tungen, die die Dauer desKrieges oftmitVorkriegszeitundNevolution er- faßten,z.B. dietendenzlosenErlebnissedesArbeitssoldaten Beradt

»Schipperan derFront«, Bindings eindringliche TagebücherundBriefe

»Aus demKriege«,volledlerMännlichkeitundWahrhaftigkeit,Witkops Sammlung von ,,Kriegsbriefen gefallenerStudenten«,Carossas,,Numä- nisches Tagebuch«,einBuchvoll großerGüte undH.umanität,das ein- fache,,TagebucheinesRichtkanoniers"von Siegert,dieschlichte ersteGe- staltungdesErlebnissesdesArtilleristen,oderdie beidenBücherüberSee- kriegstaktikundHeldentum unsererblauen Jungens: Spieß ,,Serhs Jahre U-Bootfahrten«undSauer »DieHöllenmaschineimU-Boot«. Wie Frenssens Bücher, dessen Kolonialkriegsbuch ,,PeterMoors Fahrtnach Südwest«einGegenstürkim ,,Pastorvon Poggsee" fand,umfassen Grimms Werke HeimatundKolonie,der,,Gang durchdenSand« schildert Deutsch-SüdwestzuKriegsbeginn,,,Volk ohneRaum« Weserbergland nnd IndustriegebietunddieWeiten des Koloniallandes, Bismarck-Zeit, Weltkrieg,Nevolution und Nachrevolution inder Entwicklungeines deutschen SchicksalsindenletztenvierJahrzehnteninengem Anschlußan diepolitischen Machtkomponenten der Zeit.—- Den KriegimGraben, GranattrichterundUnterstand schildern zweiVertreter dessog.,,Neuen Nationalismus", JüngerundSchauwerker,Jüngerin,,Kampfalsinneres Erlebnis-O»Ist Stahlgewittern«,,,Feuerund Blut«,»DasWäldchen 125«, Das ,-abenteuerlicheHerz«, Schauweckerin»Sowar derKrieg«

(Kampfaufnahmen), ,,Frontbuch«(früh.er:»Im Todesrachen«)und»Der feurige Weg«.

Beiallen bisherangeführten Erzeugnissenkann von einerdirekten Kriegsgegnerschaft nichtdieRede sein,wenn auchdieTatsachen oft deutlichgenug sprechen.Aber sie fehlte nichtundmachte trotz strenger Zensur schonzuAnfangdesKrieges geltend.Die,,WeißenBlät- ter«unddie,,EuropäischenBücher« sind Belege dafür. Auchdiedra- matische Produktionwurde rasch erfaßt. Während Ernsts ,,Preu- ßengeist«,Stilles ,,TweeFeldgraue«oderdaserwähnte Shaw-Skück noch 2

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aufmittlerer Liniehalten, ist Goerings »Seeschlacht«vorsichtig pazifistisch;

Hasenrlevers »Antigone«,Kaisers »Bürgervon Calais«,v.Unruhs»Ein Geschlecht«undsein »Opfergang«sind ausgesprochen kriegsgegnerisch.Alle überholtTollers »Wandlung«.WieinLeonhard FranksNovellen wächst hieraus grauenhaft übersteigertenGesichtenunnennbarer Kriegsgreueldie Revolution.—Von derkriegsgegnerischenEp i kist Assäos »Massengrab«

von derBalkanfront noch ziemlichunbekannt. Anders Barbusses »Feuer«

undseineFortsetzung »Klarheit«,die diekörperlichenundseelischenLeiden französischerSoldaten mitZolas Sachlichkeit enthüllen. Barbusses Be- rühmtheit löstebeiuns derschon erwähnteDosPassosmitseinen»Drei Soldaten« ab.DreitypischeAmerikaner kommen unabhängigvoneinander inihrem Heerezudemselben vernichtendenUrteil überdenMilitarismus Stärkste Ablehnung ist auf deutscherSeite L.Franks»DerMensch ist gut«.Vielumstritten, oft getadelt, mußdasBuch docheinekünstlerische Leistungundeine mutigeTat genannt werden. Niemand hatdas fast Gleichzeitige so erfaßt.DiePsychoanalyse Freudsund derganze flim- mernde klang-undfarbenreicheStil desJmpressionisten leihendemVerf.

die Mittel, dasMitleid desLeserszubeschwören.Der Verf. gibt rasche, abererschütterndeEinblickeindiewunden Seelen derOpfer, sodaßman das Klirren derchirurgischen Instrumente, dasStöhnenaus denTransport- zügenunddasgellende LachenderKriegsirrenzuhören glaubt. Ganz abge- sehenvon derTendenzfragewird eineauch noch so nationalistischeLite- raturgeschichtsschreibungeinesTages dazu aufschwingen müssen,auchdie- senErzeugnissender,Dolchstoßliteratur,undwas sie dazu rechnet, wenig- stensinkünstlerischerBeziehung Gerechtigkeit widerfahrenzulassen.Man haltez. B.nur Vogels»Es lebederKrieg« dagegen,um Franks Künstler- schaftzubegreifen. Jn Frankreichfindet ganz dasselbe:Jouveerklärt

es für heilige Pflicht,diefolgendenGenerationen vor demGeschickder Kriegsgenerationzubewahren. Von seinen »Heures«, ,,Poån1erontre le grandrrime«, ,,Vous ätesdeshommes« liegtdasletzteunterdemTitel »Ihr seid Menschen«inÜbersetzungvor. EssprichtwieMartinets »LesTemps maudites", »DieTagedesFluches«,vom KrieghinterderFront. Der französischenkriegsgegnerischenLyrik, alsoz.B.Nomain, Martinet, Vildrar, entsprecheninDeutschland nachInhalt undForm wohlnur Werfels kraß kriegsgegnerische Dichtungen. Aufdemneutralen Boden der Schweiz trafman von beiden Seiten,um

gegendenKrieg Frontzu machen. Hier erschiennebenmanchem schonGenannten Grellings scharfes

»J,accuse«und diebeiden pazifistischenKriegsromanederösterreichischen Front:Kreutz,»Diegroße Phrase«undLatzko, »MenschenimKrieg«mit der Fortsetzung »Friedensgericht«.JnFrankreich darfneben Barbusse Nolland nichtvergessenwerden mitseiner »VerzaubertenSeele«,Bd 3

»Mutter und Sohn«, seinem »Clårambault«, seinem »PeterundLutz«.

War JohannChristoph ausgeklungeninfroher Zuversicht, istin»Peter undLutz«derKriegunentrinnbares Schicksal, so stelltClårambault die Synthese her: aufgerüttelt durchdenKriegwird erPropheteiner zuver- sichtlicherwarteten Zukunft.

Nachdemdie Wogender Erörterungendes Fürund Wider sich geglättetund Kriegsbegeisterungund Kriegshaß sichin Nesignation gewandelt hatten,diederLiteratur ganz anders gearteteStoffkomplexe als darstellungsreif zuführten,—- und nachdem sichdiese auchwieder

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erschöpft haben—, daplötzlich,nachrund zehnJahren, tritt eine Nena issance inderDarstellungdesKriegserlebnissesein. Beginnen

wir mit denanonymen Erscheinungen. Währendin»Ginster,Von ihm

selbst«einungefestigter Charakter witzlosdas Geschehen ironisiert,erleben wir indemlebensvollen »Schlump, GeschichtenundAbenteuer aus dem Lebendesunbekannten Musketiers Emil Schulz,genannt Schlump«,be- haglicheinen fröhlichenFeldzug. EbensoinHaäeks»Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk währenddesWeltkrieges«mitseinerbelustigen- dentrottelhaften Eulenspiegelgestaltdesgebotenen Nicht-Soldaten. Neben ,,Ginster«und,,Schwejk«tritt als dritter innerlich Uninteressierter»Sol- datSuhren«von v.derBring,dersinnlos mitgerissene genialische Künst- ler,demderKriegeineJmpressionunter anderen ist. Ähnlichzuvierein- heitlichenJmpressionen gerundet,nur traumhaft verschleiert, ziehendie Kriegsjahreeines Ulanen inLachmanns»VierJahre«an uns vorüber.

Grabenhorsts »FahnenjunkerVolkenborn« ist starke Jdealisierungdes Kriegsfreiwilligentyps nachArtvon Flex. Heinz,,Loretto«gibtdie ganze seelischeWandlung dieses Typs. Beide stehen jedoch ferndersüßenNo- mantik einesJungnickeLWodieserJdealismus Hunderttausender,diein denKriegauszogen, eingefangen ist,verdient ernichtvon besserPropa- giertemindenSchattengestelltzuwerden. Mottrams oben erwähntes Buch»Derspanische Pachthof",eine derbedeutendsten Äußerungenzum Kriegserlebnis, ist,ineiner eigenserfundenen Form,dieChronikdereng- lischenFrontinFlandern.Hier sind Tausendevon feinen Beobachtungenzu einem außerordentlich gesättigtenBilde vereinigt. Heimatkriegsbuch ist Gläsers»Jahrgang1902«,geschriebenaus LiebezuderJugend,dieim fragwürdigsten Chaos erwuchs:,eine Abrechnungmit denen,diean ihr sündigten;fürdieabergeschrieben,diestezuverstehen trachten. Während Ringelnatzin»Als Mariner imKrieg«nur wieder vom oft allzu fröh- lichen Feldzug erzählt, istA.Zweigs,,Streit um denSergeanten Grischa«

eininSpracheund Stil kultivierter wuchtiger Weltanschauungsroman, deran HandeinermilitärischenKompetenzstreitigkeitdieganze bunte Fülle derOstfrontzum Hintergrundeiner ergreifenden menschlichenTragödie macht. Ebenso packendwieauchimmanent tendenziösistdieKampfepisode inBrögers,,Bunker 17". Zweineue Kriegsbücherbefassen mitder ärztlichenSeite unddemLazarettwesen: Freys»DiePflasterkästen«und E.Meyers »Der unbekannte Soldat«. Von Lazarettund Kehlkopf- schüssen spricht auchAlverdes in»DiePfeiferstube". Die unsagbaren LeidendeutscherKriegsgefangenerinFrankreich haben ihreChronistenge- fundeninWilke ,,Prisonier Halm«undv.derBring ,,CampLafayette".

Leider gestattetderbeschränkteRaum nur einekurze Erwähnungvon KriegsbüchernwieJungnickels,,Brennende Sense", Lilienfeins»Diefeu- rigeWolke«,Freksas»GottesWiederkehr«, Riebickes »Ringenan der Somme« unddesallederben »Jnfantrist Perhobstler«von Michael. Zum Schluß mögendiebeiden meistbesprochenen Kriegsbücher ihren Platz fin- den:Renns ,,Krieg«undRemarques»Im Westen nichtsNeues«. Nenn, derschlichtegraue Held,derinbiblisch einfacher Spracheundunerhörter SachlichkeitdasKriegstagebucheines ernstenverantwortungsvollenMan- nes schrieb, dessen Standpunkt er aber leiderinseineminVorbereitung begriffenenWerke »NochdemKrieg«zuverlassen beabsichtigt, ist durch eine Generation das uralte Generationsproblem geht fast durchalle 4

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Kriegsbücher getrenntvon Nemarque,demjungen Menschen,derim Strudel derEreignisse zuletzt dochnur selbst spiegelt,unddessen Buch alleVorzügeundFehlereines Erstlingswerkesin vereinigt.

Noch istdieKammhöhederWogevon Kriegsliteratur,die über uns ergießt, nichtzuermessen.Abersie sollteuns gewappnet finden. Noch zweifelnwirbeimanchem,obesderunwiderstehlicheDrangzurendgül- tigenFormgebungeines Erlebnisseswar, das,insorgsamer Hut gereift,

nun mitelementarer Wuchtnachaußendrängte,oderobderImpuls aus- gingvon niederer SpekulationaufdiereizsüchtigenJnstinktevon Zeit- genossen,die am Wüsten berauschen möchten. Jedenfalls sehen wir schon, daßesweit übers Ziel hinausgeschossen wäre, das Kriegsbuch generell als nicht volksbildend abtun zuwollen.

Aber wir sehen auch,daßes der ganzen Gewissenhaftigkeit und der kritischen Fähigkeit der Berufenenen bedarf, indie- semPunkte dieGeister zuscheidenund dem Abenteuerschund ohnekünstlerische Gestaltung und Durchdringung, auchwenn

er sichinder Modepose des Frontkämpfertums spreizt, das Urteil zusprechen.

2. NEUE

KRIEGSBUCHER

Alver.des, Paul,Die Pfeiferstube. Frankfurta. JR.: Rütten und Loening1929. 85S. geb.2.50REM.

DieGeschichtevon vierdurch Kehlkopsschüsseverwundeten Soldaten, diedieBelegschafteiner Stube imKriegslazarett ausmachen; schlichtund eindrucksvoll erzählt,von herzlicher Menschlichkeitgetragen; keinKriegs- buchimeigentlichen Sinn, nur einAusschnittaus demgroßenErleben, wahrinseinemLeidundechtinseinemHumor. Das Buch ist HansCa- rosfa gewidmetundvon ihmsicherdankbar angenommen.

FüralleBüchereien. M.Schaefer, Solingen.

Beumelburg, Werner,Sperrfe ue rumDeuts chland.Oldenburg iXO:Stalling1929. 542 S. br.5.—,geb.6.50 RM.

DieUberproduktionan Kriegsromanen,diedenKriegnur zeigt,ge- sehen durchdas Temperamentvon Einzelnenoder bestimmten Gruppen, hatdas Bedürfnis nach GesamtdarstellungendesKrieges besonders stark gemacht.Diebisher vorliegenden Bücher sind meist nüchtern,verlieren sich zusehrinsEinzelneundlangweilendendenkungeschultenMenschen.Auch dieSammlungvon Einzelschlachtenbefriedigt ihn nicht:erwilldenLokal- ablaufunddabei dochdieseelischenVorgängean derFrontundinder Heimat. DieseLückefüllt Beumelburgmitdemgenannten Bucheaus. Er ist Herausgeberderamtlichen Schriftenfolge: ,,SchlachtendesWeltkrieges«

unddamit wohleinerderbestenKennerdesWeltkrieges.Erbietet inge- nialer SyntheseeinGesamtbild,daserRoman nennt,dasaberweder Ro- man noch auchreines Darstellungsbuch ist. Vielmehr istbeidesmiteinander verschmolzen.So gibtereinGemälde,das,gegründetaufdieErgebnisse zuverlässiger Forschung,»daslebendige GesichtdesKrieges« festhalten will. Drei Hauptphasengruppieren dieEreignisse:»Kampfums Leben«

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biszumZusammenbruch Rußlands; »Ja Fesseln geschlagen«biszurArms- schlachtundderDoppelschlachtan derAisneundinderChampagne;und schließlich»DerZusammenbruch«.Starke dramatische Steigerungwird dadurch erzielt, daßderKrieg durch Häufungvon Material undTechnik immer menschenvernichtender, grausamer undunpersönlicherwird. Das Heraushebenderwesentlichen Linien,das geschickteAbwägenderEreig- nisse,dieäußerst fesselnde Darstellungsform machtdas Buchzueinem Vol k s buchimbeste nSinne.KeineVolksbücherei sollte versäumen, eseinzustellenundfür seine weiteste Verbreitung Sorgezutragen.

Dr.W.Winker,Düsseldorf.

Bröger, Karl,Bunker1 7. Geschichteein-erKameradschaft. Jena:Die- derichg1929. 186S. Fakt.2.80 NEM.

Mit diesemWerk hatuns derArbeiterdichterKarl Brögereins der ausgezeichnetsten Kriegsbüchergeschenkt,diewirbesitzen.Der kleineAus- schnitt,denderVerfasseruns bietet,ist socharakteristisch fürdieSpan- nung desGanzen,wiedieAuswahl dieser schlichten Söhne unseresVater- landes typisch ist für»dieWesensartdeseinfachen,ungenannten deutschen Soldaten, derstillan seinemTeilseinePflichttat. EineMaschinen- gewehr-Abteilunghateinen vorgeschobenen Betonunterstand,den,,Bunker 17",zuhalten.Sie erfüllt ihre Pflichtmitgrößter Umsichtundhelden- hafterAusdauer. Aber trotz aller Anstrengungkönnendie5Leute der ÜbermachtdesfeindlichenMaterials, derArtillerie jeglichenKalibers, den Tank- undFliegerangriffen aufdieDauer nicht widerstehen. Doch erst, nachdem sie schonvon kanadischenTruppenüberrannt sind,wirdihre Stel- lung völligentdeckt unddurchArtillerie-Feuer verschüttet.So könnendie Kameraden, denen esgelingt,zurHeranholungvon Entsatzdiefeindlichen Linienzudurchbrechen,nur nochdeninzwischen eingetretenen Erstickungs- todderBunker-Kameradschaft feststellen. Das Büchlein istungemein packendundhältvon AnfangbisEndedenLeserinsteigen-derSpannung.

EssollteinalleBüchereien Eingang findenals einbleibendes Liedauf

»denärmsten Sohn unseres Baterlandes, derauch sein getreueslerwar«.

Dr. Engels, Düsseldorf.

Chemnitz,Walter, Das schwarze Schicksal.Bla: DeutscherWille

4927. 254S. 5.— NEM.

Wieder einer aus derZahl bisherunbekannter Verfasser,deresfür angebracht hält, seineKriegserlebnisfe romanhaft zugeschnittenund mit Szenen ausgeschmückt,diedenenanderer Kriegsromane ähnlich sind,der Offentlichkeitzuunterbreiten. Nemarques Erfolg scheint veranlaßtzuha- ben,daßman dieses erstmalig1927 erschienene Kriegsbuchnoch einmal aus derTaufe gehoben hat.Schon aufdemUmschlag preistessichals bewußtes Gegenstückzu»Im Westen nichtsNeues« an, und esist ihm tatsächlichimgesamtenAufbauwie ineinzelnen Szenen sehrverwandt.

AnTotalität kann es nichtmitMottram messen,wenn esauchdie imVorwort betonte PrioritätinAnspruch nehmen darf;an Intensität derDarstellung langtesnichtan Remarque heran. Ja einer trockenen, nüchternen,etwas ungelenken Sprache,diebisweilen inschlimmes Zei- tungsdeutschentartet, manchmalaneinen Heeresbericht, manchmalanein Geschichtsbuchvon 70X71gemahnt, schildertderVerfasser seineEindrücke 6

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undErlebnissevon derWestfront. Neuistdabei,daß manch Schlaglicht aufdieNot und DemoralisierungderHeimat fällt.Das Fronterlebnis unterscheidet durch nichtsvon denanderen Kriegsbüchern. Jllanche geschmackloseSzene mußman demimVorwort prapagierten ,,realisti- schenStil« zugutehalten.Das Ganze läuftaus inschärfsteAnwürfege- gendieRevolution undderen Träger,diemit Namen wie ,,Feiglinge«

und ,,Ämterjäger«belegtwerden. Auchdentragischen Schlußhatdas BuchmitNemarque gemein.

DieEinstellungdesBuchesindieV.-B. erübrigt sich.

Dr. Engels, Düsseldorf.

DosPassos, Joha, Drei Soldaten. Bln: Malik-Verl. 4929. 379 S. 4.80 NM.

Dieser Weltkriegsromanvon amerikanischerSeite,derinDeutschland dieBerühmtheitvon Barbusses,,Feuer« ablöste, führtUns lebensechte Typenaus demamerikanischen Heerevor Augen. BesondersdreiSolda- ten heben heraus,drei Protothpen, diefürdenAmerikaner wohl ganze Gesellschaftsschichtenvertreten. Der Landbewohner,der Bürger und derJntellektuelle machen zunächstinderfranzösischenEtappeund dann auchan derFront recht herbe desillusionistische Erfahrungen.Die rosenroten Ideale,mitdenen sieausgezogen sind, bleichen zusehens dahin, erschreckendnüchterntritt ihnendieWirklichkeitentgegenundöffnet ihnen rückstchtslosdieAugenüber diewahrenTriebkräftedesGeschehens,indas ·

sieverwickelt sind. Füruns istesbesonders interessantundtröstlichzu- gleich, daßesgeradeimamerikanischen Heere ist,wo diesedreialleSeiten desMilitarismus am eigenen Leibeerfahren müssen,undwo sie unabhän- gigalledrei,jeder auf seineArt,schließlichzueiner Ablehnung dieser für siegrauenhaftesten Maschinerie aufderganzen Liniekommen. Auchdie TypenderamerikanischenArmee,dieum dieTrägerderHandlunggrup- piert sind, sind scharf erfaßtund umrissen,der echteMilitär, der inunsern Kriegsbüchernvorherrschende ZivilistinUniform,der Ehr- geizige,derum jeden PreisKarriere machen wird,derschondurchNapo- leons Haß unsterblich gewordene fanatische Jdeologe,und endlichder Massenbeglücker,derSozialist.Dabei hat derVerfasser jedochkeines- wegsinsEinzelneverloren, allesordnet dezenteinindengroßen Nah-

men einesGemäldesdesamerikanischen HeeresimWeltkriege.Dawirbis jetzt noch MangelanDokumenten von derGegenseitehaben, so istuns das Buchneben Mottrams englischemKriegsroman sehrwillkommen. —-

Dr. Engels, Düsseldorf.

Heinz, Max, Loretto. Aufzeichnungeneines Kriegsfreiwilligen·Bln:

Rembrandt-Verl. 1929. 334 S. 4.—,geb.6.—NM.

Ein Kriegsfreiwilliger,der von denerstenKriegsmonatenbiszum Kriegsendeam BrennpunktderKämpfean derWestfront lag, schreibt hierdieGeschichtederWandlungvon derBegeisterungzurNesignation, wie sie imdeutschen Freiwilligen allmählich vollzog.Unmittelbar nach demüberstürztenRückzugderDeutschenkommt erzurFront nachCam- brai,Arras, Croisilles, Boiry usw.undwird schon allzubaldaus seinen Jllusionen gerissen.Die vielen AnfangsirrtümerderHeeresleitungmit

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ihrer wahnsinnigenMenschenvergeudung,dieschonvon AnfanganDiszi- plinlosigkeiten nicht selten verursachten, geben auch ihmzu denken. Inder HöllederLoretto-Schlacht,aus dernur jeder3.Mann heildavonkommt, gehen ihmdieAugen aufüberdieFeigheit sovieler Vorgesetzter.Aber noch sinddieDeutschendemFeindeweit überlegen. Noch stecktauch die Taktik derEngländerindenKinderschuhen.Aber baldwird esanders.

Immerdeutlicherwird diereinzahlenmäßigeÜberlegenheitdesGegners fühlbar,dabei wird derKrieg auf deutscherSeite immer mehrzudem Kriegderverpaßten Gelegenheiten. Ofter machtderVerfasser darauf aufmerksam,wiederwirksame GegenstoßVersäumtoderzuspät angesetzt

wurde. ZumTeil beruht das aufdem viel geschmähten,,Kadaver-

gehorsam«,derfehlenden Initiative desEinzelnen,derdieLageerkannte.

,,Befehl ist heilig,wenn erauchverrücktist«.AlsOffizierundKompanie- führer versucht-ederVerfasser, selbstdieHärtenzuvermeiden, dieer als Soldat empfunden hatte. Inzwischen istder Stellungskampf immer stumpfsinniger geworden.DieHöhe17beiLoos,wo man derKitchner- Armee gegenüberliegt,wird derMittelpunkt einer monatelangen Schlacht.

Man vermeidet jetztdieFehlervon Loretto inderFlandernschlachtmitauf- gelöstenGrabensystemen.Aberman kommt nichtvorwärts. DieVerblö- dungan derFront schreitet fort,man versinktinGleichgültigkeit,Spiel undendlich Fusel. Halbblindvom GelbkreuzwirdderVerfasser zurück- geschafft. Langsam vollzieht seine Genesung trotz Mangelsan Ärzten, Schwesternund Medikamenten ineinem Heimatlazarett,das vom Sol- datenrat tyranisiertwird. Wieam ,,FahnenjunkerVolkenborn« schreitet

an ihmundan demKreise ehemaliger Offizieredas furchtbare Geschickder Erblindungvorüber. DerKaiser istgegangen, unfaßbar ist diese Nachricht fürdieOffiziere. In heftigenWorten gegen dieNevolutionunddenDank derHeimat klingtdasBuchaus.

ÜberallsuchtderVerfasserzuergründen,warum somanchesUnglück hatkommen müssen,undwieeshättevermieden werden können. Erist ehrlich bemüht,zueinem gerechtenUrteil zukommen,unddeshalb ist sei-

nem Bucheeineweitgehende VerwendungsfähigkeitinderVolksbücherei

gesichert. Dr. Engels, Düsseldorf.

Iünger, Ernst,Das abenteuerl icheHerz. Aufzeichnungenbei TagundbeiNacht.Bln: Frundsberg-Verl.1929. 263 S.5.50 NAT- ErnstJüngers Schilderungenaus derKriegszeit ließenhinterdemstäh- lernen RhythmusderWorte einHerz spüren,dasbrannte nachdenletzten SinndeutungendesLebens. DieFrage nachdemInhalt allenSeins und Lebens,nachdenorganischen Zusammenhängenverdichtet sichinseinem

neuen Buchezueiner Füllevon Tag-undNachtgeschichten,von Erinne-

rungen, GesprächenundBildern,dieimmer wieder durchzittert sindvom Erlebnis desKrieges. AufdenSchlachtfeldern erwachtedasDurchforschen desmenschlichenHerzens,dorterhobsichderstündlichdemTode insAn- gesicht sehende Menschaus derFlüchtigkeitundErdgebundenheitzuder verinnerlichtenSchaueiner höherenWelt. Drei Zustände gibtes,die Schlüsselzuallen Erlebnissen sind:»denRausch,denSchlafund den Tod«. DieGemeinschaftderKämpfer,diedurchdas Kriegsereignisge- reiften Menschen, sucht Iüngerzubeschwörenzurletzten Verantwortung demLebengegenüber.WirhabendieSpannungverloren zu dengeheimen 8

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Kräften,wirmüssendarum ringen, kämpfen,dasHerzindiesesAbenteuer stürzen,um eineneue WertungderWeltzuerringen.

Das Weltbild eines Einzelnen steht hiervor uns, oft stark subjektiv gesehen,aber immer orientiert an derrestlosen Hingabean unserVolk.

Das Buchwird für Suchende unserer Zeitbereit zuhalten sein,denen philosophischeundnaturwissenschaftliche Gedankengängenicht fremd sind.

L.Kasten, Düsseldorf.

Der Krieg.Das erste Volksbuch vorn großen Krieg. Einl.

von Joh.N.Becher. Bln,Wien,Zürich: Jntern.Arbeiter-Verlag

1929. 143S. geb.3.20 NEM.

Krieg von seinenethischenwiepolitischen Gegnern Nolland u.

a., Engels,Sinrlair u.a.)inrücksichtsloserGestaltung seiner Grausam- keit undseinesMenschenelends dargestellt,mit wörtlichen Zitatenaus Militärbefehl (v. Einem)undkriegidealisierender Predigt (G. Traub)ver-

fertigtundbeglaubigt, istdas von über50Verfassern vielseitig beleuchtete Problem diesespreiswerten Buches.

Die eindringlichsten, selbständigen Abschnitteaus allen bekannten Kriegsromanen, lyrischen Sammlungen, theoretischen Abhandlungen,Brie- fenundamtlichenDokumenten bilden einerfchütterndesVolksbuch kriegs- gegnerischerArt.

FüralleVolksbüchereien,besonders für diejenigen,dienichtKriegs-

romane usw. einstellenwollen oderkönnen, alsbilliger,aber imWesent-

lichendas Kriegsproblem umfassender ErsatzderEinzelwerke. Auch für zeitarmeLeser,diedasPackendederKriegsliteratureinmal kurz,aberviel- seitigerleben wollen. Dr. Vogeler, Düsseldorf.

Lachmann,Eduard,Vier Jahre. FrontberichteinesNeiters. Horen- Verl. 1929. 170 S. br.3.——,geb.5.50 NOT

DieserimJahre1920 niedergeschriebeneBericht,der1924 erstmaligin kleiner Auflage gedrucktin400 ExemplarenindenBuchhandelkam,ist jetztmitdergroßenWelle derKriegsliteraturvon neuem emporgetaucht.

Wie einschwererTraum ziehen4Kriegsjahreein-esUlanen an unserem geistigen Auge vorüber, GesichteundBilder,schonganzumwoben mitden hüllenden SchleiernderVergangenheitund desVergessens.Alles Tat- sächlicheerscheintwie inweite Fernen gerückt,inverdämmernden Kon- turen mit eigenartigfremden LichternundSchatten. Nur dieseelischen Jmpressionen sind wach geblieben,haben geordnetund feiern Auf- erstehungineiner Stunde desErinnerns. Schemenhaft,aber zuEinheiten gereift, tauchendieJahre,eins nachdemanderen, insBewußtseinempor underzeugen neue Neflexionen.Einer erhebt sichvom Schr.eibtisch,und hinter ihm versinktdasgelebteLebeninungewisseDämmerung.Erpendelt alsdeutscherReiter immer wieder zwischen Flandernund Nußland,vier Jahre lang,infliegender Hast,bisihm endlich Feindeslandzurfrohbe- grüßten Wirklichkeit,die immer nur rasch durchquerte Heimataberzueiner wehenErinnerungwird. Das Neue hat denganzen Menscheninseinen Bann geschlagen.DerReizdesFremdeninLandschaftundMenschen auf feindlichem Boden,dieneue Gedankenwelt mitihrerUmwertung sovieler Werte,alldiessonderbarAnziehendeerweckt feltsamdunkleWorte voll

warmer EmpfindungundtieferGedanken. Wenn man von der Bek-

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türeverschiedeneranderer Kriegsbücherkommt,istman angenehmüber- raschtüberdieKultiviertheitderSprache,diieineigenwillig herber Sprö- digkeit manchmaleinwenig gewaltsam dieWorte meistert.Aller- dings istdasBuchnur für größereBüchereienalsAbrundungdesBestandes

anKriegsliteraturzuempfehlenundkanndortan Leser ausgeliehenwerden- dise dendunklen WahrheitendesVerfassers soweit folgenkönnen,daßihnen dasBuchdenSchrittvom bunten GeschehenzurNeflexion,zum besinn- lichenEinordnen des Gewordenen ingrößere welthistorischeoder philo- sophischePerspektiven erleichternkann.

Dr. Engels, Düsseldorf.

Ludwig, Emil, Juli 1914.Blu: Rowohlt1929. 242 S. 3.80 NM.

»DieGesamtschuldam Weltkriege lagindenKabinetten, dieGesamt- unschuld aufdenStraßen Europas.«

Diese Grundansichtwird inderLudwig eigenen geistreich zuspitzenden, scharf umreißenden Schwarzweißkunstzueinem spannendenVolksbuch gestaltet.WieeinFilmstreifen läuftdieWeltgeschichtedesschicksalschwam geren Monats Juli1914 am AugedesLesersvorüber. Der Mord von

Sarajewo,Graf Berchtolds Metternichpolitik,desdeutschen KaisersUber- eifer,daswarnende England...biszum4.August,dendasVolkEuro- pasmitneun Millionen Leichen bezahlen mußte,undderesaufGenera- tionen verschuldeteundkulturell herabdrückte.Ludwig zeigt,,,wieüberall derMann an derMaschine,inderWerkstatt,am Pflugweder Wunsch noch Interesse gehabt,deneuropäischenFriedenzubrechen«,wieaber die Kabinette und»diemitihnenarbeitenden Stäbe undinteressierten Kreise:

Minister, Generäle,Admirale, Kriegslieferantenund Redakteure« von

,,EhrgeizundFurcht,von UnfähigkeitundGewinnsuchtvorwärts getrie- ben« wurden, undwiesieihreVolksmasseninKriegspsychosebrachten.

DasBuch,einDrittel scharf kritisierteDiplomatengeschichte,einDrit- telironischantinationale Tendenz,einDrittel gläubigesvölkerversöhnendes Epos, stelltdieäußerstenMeinungsausdrückedereuropäischenMacht- haber und ihrerBerater, wirkungsvollsteigernd,mit ihren,,Schatten- bildern«anschaulichverbunden hintereinander unddiesen oft sehr feinge- wundenen Herrenwortendiepazifistischen Bestrebungen gegenüber,deren prophetische Verkörperung undOpfer Jean Jaurås gewesen.Allege- heimen Zwischenarbeiten usw.bleiben unberücksichtigt,weilsiedendrama- tischen, geraden AufstiegbiszumerstenKanonenschußhemmenund ver-

wischenwürden. Eben darum isteskeinGeschichtswerkwederimwissen- schaftlichennochimvolkstümlichenSinne undwird gerade deshalbinallen VolksbüchereiendenLeserindieEntstehungsgeschichtedesWeltkriegesam

besten einführen. Dr. Vogeler, Düsseldorf.

Michael, Wilhelm,JnfantristPe rhobstler. Bln: Nembrandt- Verl. 1929. 359 S. 4.— NEM.

Wieder einKriegsbuch,diespätere BearbeitungeinesKriegstagebuches.

WerdenRiemarque gelesenhat, undwer hättedasnicht,—- hak nichts versäumt,wenn er dieLektüredieses Buches schenkt.Erwürde doch

nur wiederdasselbe Geschehen, dieselbenEpisodenundSzenen finden,nur nichtdenjournalistischen SchwungNemarques.Dafürbietet IRichael 10

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etwas mehr Kritik an demgesamtenDrum undDran desKommiß, sodaß sein Berichtüberdie Kriegserlebnisse oftzueiner beißendenSatire wird, oft auchineine allgemeine Klageüber dieweitverbreitete menschliche Dummheit einmündet. ErkritisiertdieMethodenderKriegführung,wie sieim,,Neglement" stehen,erstellt ihnen seine erfahrungsmäßiggewonne- nen besserengegenüber,erübtKritik am Können seinerVorgesetzten,er bemängeltdienutzlose BeschiießungvonFliegern durchArtillerie usw.,kaum einFaktum entgeht dieserKritik. AuchdieZotenderOffiziersmessewer- denscharf gegeißelt.Unddamit gibtuns derVerfassereineHandhabeund einen MaßstabzurBeurteilung seiner eigenen Ausdrucksweiseundseines Stiles. Wenn man als Nicht-Bajuvare zuerst versucht ist,demBuche wegen seinerweit unflätigerenAusdrucksw.eise,alssiez.B.Nemarque eigen ist,jedenvolksbildenden Wert abzusprsechen,so gibt dochdas feine GefühldesVerfassers-,mit demerdieZotevon seinen oft allzukräftigen Natürlichkeiten scheidet,derKritik zudenken. Wenn wirdeshalbderer-

frischendenGrobheitdesechtenBayern manches nachsehen müssen, sokön-

nen wiruns indieser Beziehung doch nicht restledemGrundsatze, daßdem Reinen allesreinsei,anschließen,undkönnendemBuchefürdieAusleihe nur einerecht bedingte Verwendungsmöglichkseitzusprechen.

Dr. Engels, Düsseldorf.

Mottram, RalphH.,Der,,SpanischePachthof«.Eine Roman- trilogie.1914—1918. Übertr. von T.Franke. Lng: Insel-Verlag

1929. 715 S. 12.— NM.

Dieservon John Galsworthyeingeleitete große englische Kriegsroman stellteinenVersuchineiner ganzneuen Nomantechnikdar. Sein Aufbau:

Der anfänglichen Hauptperson wird eine Nebenperson zugeordnet,aus derenGesichtskreisvon nun an allesgesehenwird. Diesewird imInteresse desLeserswieder von einer Nebenperson abgelöst usw.biszumEnde des Werks. Auf diese Weisewerden immer neue Menschen TrägerderHand- lung, fängtdieGeschichte mehrfachwieder ganzvon vorne an, erscheint früher Angedeutetes plötzlichineinem ganz anderen Lichte,wird Mysteriö- ses plötzlichklar,sittlich Anfechtbares überraschendeinwandfrei.DieNach- teilesinddieWiederholungenundÜberschneidungen.Weil möglichstalles erfaßtwerden soll, englische, flämisch·e,französischeGeistigkeitunddieder Hilfsvölker,Front-, Etappen-undHinterlandsmilieu, Mannschaftenund Führer, Jnfankekie, Artillerie, Flieger, flämischeund französischeZwil- bevölkerung usw. istdieFabel ziemlichbunt. Madeleine Vanderlynden, diemitihremVater zusammenden,,spanischen Pachthof" bewirtschaftet, eineFerme,20Kilometer hinter derFront,liebt Georg,denSohn ihres Pachtherrn,desBarons diArchevillh,,wienur eineflämischeSeele kann".

DakommtderKrieg, »diesegroße Dummheit«. Georg zieht freiwilligaus undwird verwundet. Madeleine versucht vergebens, ihnimLazarett zu finden.Ausdemdunklen Gefühl heraus, Georgzutreffen, gibt sieden ,,Löwenvon Flandern« auf,eineWirtschaft,dieeigensfürdasGeschäft

an denenglischenOffizierenerworben wurde,undgehtzumVerwaltungs- bureau inAmiens. Hier schenkt sie ihreLiebe demenglischenOffizierSkene.

Dann plötzlichjedoch hofft siewieder,GeorginPariswiederzusehen,er- wirkt durcheinrasfiniertes Spiel ihrer ReizeeineVersetzung dorthin, trifft ihnaber auch hier«nicht.EineWochelangkommt Skene zuihr nach 11

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Paris. AlserzurFront zurückgekehrtist, findet sie Georgundlebtmit ihmvon Skenes Geld, bisGeorgaus Vaterlandsliebe krank,mitfalschen PapierenzurFront zurückkehrtundfällt.ÜberdenSorgendesFriedens mitseinen hohen Entschädigungssummen,seinem zähen Feilschen,weichen dieErinnerungenan GeorgundSkene mehrundmehr. Nun folgtdie schrittweise AuflösungderRätsel,diedieGeschichtedemLeser aufgegeben hatundbesonderseine MotivierungderCressida-NaturMadeleines, die fürdeneinen schwärmtundmitdemanderen einehandfestereLiebe ge- nießt. Jneinem kurzenKapitelwird Georgs Charakter gezeichnet:der Verfasser läßtinJch-Form irgendeinen Engländer seine Erinnerungenan Georgvortragen. ——— Dann,mitdem2.TeildesBuches, beginntdieganze Fabelvon vorne, undzwar nun aus Skenes Gesichtswinkel.Erkommt nach Flandern,lernt Madeleine kennen und lieben. Ilkan ist angenehm überraschtzuhören, daß sie ihren Adeligen schon aufgegebenhatte,als sie Skene hingab,man lerntverstehen,wieihre ersteLiebedoch nochein- mal durchbrechenkonnte. Vieles Angedeutetewird jetztwortreich auf- geklärt.Dabei fällt mancheserläuternde Streiflicht aufdienun schonalte Geschichte. DieFabel istnur dazuda,denKriegzuillustrieren,derwie einedunkleWolke überalles seinen Schattenwirft. Besonders interes- sant sind füruns dieSchilderungendesalliierten Völkergewirrs,dieGe- fahrderKolonial-Truppen,derNeibereien zwischen Engländern, Flamen undFranzosen,deroft drohenden RevolutionsnäheundderendlichenEr- schöpfungauchdrüben. Das cBuch ist so inhaltschwer, daßman getrost behauptenkann,esseikeinbedeutenderer ZugimBildedesKriegesver- gessen. Abgesehenvon seinersonderbaren,aber denDingen vielleichtan- gemessensten Form, istes einKriegsdokumentvon größter Brauchbarkeit füralleVolksbüchereien. Dr. Engels, Düsseldorf.

Schauwerker, Franz,De rfeuri geWeg. Mit Einl.von ErnstJünger.

Blm Frundsberg-Verl.231 S. 4.50 NM.

Wir begleiteneinen Studenten, derbisher»Die Welt nur ineiner Theoriekennen gelernt« hat, durchdiecharakteristischen Etappen des Soldatenlebens. Aber nicht aufdieäußeren Geschehnissekommt esdem Verfasseran, sondern aufdieNeflexionen,die fürdenHeldendes Buchesdaran knüpfen. Lang ausgesponnene Philosophismeneinesgeisti- genMenschen begleitendieHandlung auf KasernenhofundFrontfahrt,

inNußlan-d,inderMarneschlarht 1918 usw., sowohlinihrentriumphie- renden Momenten,deren esleidernichtvielegibtalsauchinihren zutiefst deprimierenden. AlleLeidendes,,Gebildeten« werden ineiner empfäng- lich-en,reaktionsfähigenSeele gespiegelt,aus deren Grund inleifenNe- gungen dieendlich resultierenden Revolutionsstimmungen heraufdämmern.

Jnknappem, oft überraschendtreffendem,bisweilen allerdingsinseelen- loseManier ausartendem Stil beleuchtetderVerfasseru.a.dasProblem derÜberwindungdersozialen Schichtung innerhalbderSoldateska und dasderKameradschaft,diesexuellen VerirrungendesFrontlebensunddie LockungenderEtappe, besonders Brüssel,wo derHeld,inzwischenzum Offizieravanriert, indenArmen einer Belgierin Vergessenvon Leidund Entbehrung findet, während draußendieniedergebrocheneFront aufallen Straßen zurückflutet.Den Abschlußbildetdann dieAuflösungdesstark 12

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