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Dieses Heft
wurde zusammengestelit unter
Leitung von
Bücherestirektor
W. Wink Düssekdorß
Inhalts-Verzeichnis
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Gent l.NeueLiteratur desKommunismus. VonDr.F.Vogeler,Düsseldorf t
ll. AusdemfchöngeistigenSchrifttnm . , . . H
Romanc nndErzählungen . . . . . . . . . . . . . . s«
UIenmcsser nach Rtoffgruppen . . . . . . . . ZK
M.Bücher fürdieJugend . . . . . . . . . . . . . . . . JO- lV.Vom YVisienundErkennen . . . . . . . . . .
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. . · »Es
a)LebensbildeöundLebenserinnemngen, Brit-se . . . . . . . 55 b)AusderKultur- undGe.istekikkeschichte. . . . . . . . . . 40
c) Landschaftøknnde. . . . . . . . . . . . II
d)Von fremdenLändern . . . . . . . . . . . . RI-
e)PolitikundIVirtfchaft. . . . . . . · . . . . os-
i)Lebenodcutnng undLebenogestaltung . . . - . M
g)AusverschiedenenGebieten . . . . . . . . . . · . 67
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Nachtltuezk verboten-
Vcr.mtwoktlich fürdenGesamtinhalt Ladwig Röhrfcheid,Bonn, für die einzelnenBeiträge dieVerfasser-.Druck Konrad Triltsch inU)iirzbnrg.
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Von»NeinBücher-«erscheinen im Jahre (-HefteimUmfangvon 2’-j, By.
zumPreisevon Mk.2.5obeiporiofkciekZofe-»dring- ab zStückjeMk.2.—-einschl. Poe-to abjoStückjeMk.HZOeinschl. Porto
VORBEMERKUNG-.
Mit dem vorliegenden Heft ist der sechste
Jahrgang unserer Zeitschrift »Neue Bücher«
abgeschiossen.
-Dieses von der »Freien Arbeitsgemeinschaft
deutscher«Voiksbibiiothekare herausge-
gebene Bucherbiatt. dessen erste Nummer
vor 6 Jahren in bescheidenster Form er-
schien» hat sich nunmehr nach Umfang. Aus-
stattung und Gewicht der Buchbesprechungen
Zu einer Zeitschrift entwicke1t. wie sie
von dem Verlag und den.Herausgebern·von
vornherein gepiant war.
WASWILL DIE ZElTsCHRIPT »NEUE BUCHER«?
sie wiii nicht die Uberzahi der litera-
rischen Zeitschriften.um
eine weitere vermehren. in
der die Interessen einer
Veriagsgruppe vertreten oder Neuerscheinungen
feuiiietonistisch be-
sprochenswerden.
sie wiii nicht die Zahi der eigentiichen
Buchereifachbiätter ver-
mehren. da sie bewuBt auf
bibiiotheks—technische.
bucherei—poiitische und
sonstige rein fachiiche Artikel verzichtet.
sie wiii nicht einer besonderen.we1tan—
schauung dienen. noch iegt
sie sich auf irgend ein
buchereipoiitisches Dogma
fest.
sie wiii vieimehr aus der Puiie der
Neuerscheinungen auswahien
und kritisch sichten. was
Horn-H, --"J EIN-Ameis·
Mis-
-’LI- "«lfür den.Aufbau einer Büche- rei anwesentlichmnschrift—
tuniin Frage kommt. Die Be-
sprechungen sollen ein Bild
von dem Inhalt der Bücher
gehen und sie nach Gehalt
undGestaltiriknapperFVr—
mulierung wert en.
sie will die vorhandenen Pachblatter
-—-—--·wirksam ergänzen.und be-
sonderes Gewicht darauf
legen. die Neuerscheinungen
sohnellstens Zu besprechen.
Das Blatt wird nur von Bibliotheks—Pach—
leuten bearbeitet. UnJahr erscheinenseohs
Hefte von.je mindestens ZMzBogen Umfang:
am 15. Juni, 15. september. 15. November,
15. Januar.1» März,1» April.
Wegen des erweiterten.Umfangs beträgt der
Bezugspreis für die Folge:
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Bei gleichzeitigem Bezug
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Wir bitten sieh der beiliegenden Bestell-
karte bedienen.Zu wollen.
LUDWIG ROHRSCHElD
NEUE BUCHER
BESPRECHUNGEN VON NEUERSCHElNUNGEN
HEKAUSGEGEBEN voN DER
FRElEN ARBEITSGEMElecHAFT
DEUTSCHER VOLKSBlBUOTHEKARE
JAHRGANG6-HEFT6 .
l.NEUE
LlTERATUR
DEs KOMMUNlSMUsVON DR. F.VOGELER, DUSSELDORF
Diegesamte kommunistischeLiteratur von heutewirdbeidenpolitischen Führerpersönlichkeitenaller ParteieninersterLiniealspopulärste Propa- gandadesBolschewismusgewettet. DieserUtilitarismus geht soweit, daß literarischbedeutende Werke inderKritik der,,Linkskuroe«,hrsg.von N.Becher,L. Nenn u.a.(der bedeutendsten kommunistischen Zeitschrift) gsetadeltund sogar minderwertigen Machwerken untergeordnet werden, wenn siean revolutionärem Geistzuarm, zuversöhnend,zuausglei- chend sind.DieFragen,objeneBücherinVolksbüchereien bereitzuhalten undfürwelcheBüchereien sieinBetrachtkommen,müsseninBerücksichti- gung jeweiliger Leserbeantwortet werden. Hinzukommt,daßindenmei- stenWerken derschönen Literatur dieserArt,entsprechendderfreienbol- schewistischenEthik,dasErotischeeinebiszumÄußerstenaufklärendeNolle spieltundgerade diesesderHauptanreiz fürdiehierin eingeengtereLeser- schaftinDeutschlandwerden kann.
Systematischläßt diekommunistischeLiteratur einteilen:
A.Wissenschaftliche Gestaltung.
1.TheoriedesMarxismus undLeninismus.
2.Angewandte TheoriebeiDarstellungenaus derGeschichte,Kultur- geschichte,Kirchengeschichte,Volkswirtschaftu. a.Wissensgebieten.
B.Epische Gestaltung.
1.Darstellungderpositiven (idealisierten) bolschewistischenZuständein derSowj—ek-Union.
2.Schwarzweiße Gegenüberstellungvon verdorbenem Bürgertumund gesundem, nufblühendemProletariertum.
3.Entwicklungsgeschichteeines Revolutionärs inderZeitvor, inund nachdemWeltkriege.
C.Lyrische Gestaltung.
1.Mitleid weckendeLiedervom Bolkselend.
2.AufrufezurRevolution.
Z.Kampflieder fürdenProletarier.
DieTheoriedesMarxismus-L.eninismus behandeln(für Volksbüche-
reienmitkommunistischen Lesern brauchbar):1.Das Programm der
kommunistischenJnternationale (0.50);2.Duncker, H.:Das politische
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GrundwissendesKommunisten (1.—);Z.DieElementarbücherdesKom-
munismus (0.60bis3.—)und4. diebesondersindiesenFragen maß-
geblichen Elementarbücher,,desKommunismus« unddie,,Marxistische Bibliothek«mitBeiträgenvon Marx, Engels, Lassalle, Plechanow, Lenin, Bucharin,Stalin u.a. Alsgeradezufesselnde Lebensbeschreibungkann aus dieser ,,Bibliothek« empfohlenwerden dasfüralleLeser einwandfreie Sammelwerk: ,,KarlMarxalsMensch,Denker undRevolutionär« (geb.
3.50 NM) nebenPokrowski s»GeschichteNußlands«undBeers
.,,Allgemeine GeschichtedesSozialismusunddersozialen Kämpfe".
AusdenWerken derangewandten Theoriekämen fürV.B. inBe- tracht:i.Marru:»DasgroßeKommando Scharnhorsts«,eineTiefen- psychologiedesMilitarismus an HandderGeschichtederdeutschen Wehr- machtvon denNapoleonischen KriegenbiszumWeltkriege.2.Kersten,
Kurt: ,,Bismarck undseine Zeit«,dierückstchtsloseEntwicklungdeserz- konservativen Führers ostelbischerJunkerzumDiktator desDeutschenNei- ches,dasermitBlut undEisen gewaltsam zusammenketteteunddaskaum 20 Jahre nach seinemTode wieder auseinanderfiel, auseinanderfallen mußte,weileskeineorganischgewachsene Einheitwar. Z.Diedrei,,Jl lu-
strie rtenGesch ichten« derrussischenNevolution 1917, desBürger- kriegesinNußland4917—21 undderdeutschenRevolution. Dreistatt- liche Sammelwerke, an denendierevolutionären Führerpersönlichkeitenaus
eigenemErleben undErkennen mitgearbeitethaben, darum auchvon histo- rischemQuellenwert für sichtende Forscher.AlsgemeinsamesLeitwort für diesedrei in sich selbständigenWerke könnte nachihrerGrundansicht gewähltwerden: ,,Revolutionen sinddieLokomotiven derWeltgeschichte«!
Mit mehrBedenken wärehier nochzunennen: ,,Jllu strierte Kul- tur-und Sitte nges chich te«,diedasLebenselend unddieErlösungs- kämpfedesProletariats inkrassenFarbenmalt undmit Ausrufungs- zeichen spirkt.
Sind diese populärwissenschaftlichenWerke von Seiten derV.-B. ge- eigneten LesernzurVertiefung ihrer Parteianschauungzuempfehlen, so ist esgeraten,dieeinschlägigeschöngeistigeLiteratur nicht ohne besonderes Verlangen bestimmter Bücher auszuleihenundsieimübrigennur bereit- zuhalten,dasie auchNicht-Kommunisten, Ohne Vetstehell ihrer Theorien, imNegativen zugänglichist,undbesonderswegenihrernackten Erotikviel ungeeignete, besonders jugendliche Leseraus anderen Lebenskreisen finden würde.
DieklassischenWerke desbolscheroistisch-positivenNomans sindGlad- kows: ,,Zement«(Sozialisierungeiner Zementfabrik), sein Gegenstück:
Panferow:»Die Genossenschaftder Habenichse«(bolschewistisches Agrarproblem),Bely chundPantele e w:,,Schkid«.DieNepublik derStrolche (bolschewistischeErziehungsmethodenbeiverwahrlostenKin- dern).DiesedreiNomane sollteninallenVolksbüchereienmitArbeiter- lesekn vorhanden seinundauchan bürgerlicheVolksbildner jederArtaus- geliehenwerden. Literarischwertvoll ist auchderfarbenprächtige,sinnlich derbeKosakenromanvon S cholochow:»DerstilleDon". Umeinun-
gleiches,aber leidenschaftlichesLiebespaar,denjungen Grigorijund die ältere Frau seines Nachbarn,kreistundflimmertdasungebundeneLeben derBauern, dienur Arbeit undAlkohol,entfesselteLeidenschaftenunddie 2
DaseinsfragendesAlltagskennen. Plötzlich,unerwartet, zerreißtderWelt- krieg dieses natürlich-kräftigeDorfbild, hetztdieMänner aufunbekannte Feindeund schmücktdenstillenDon mit jungen traurigenWitwen und Waisenkindern.Dieallzu offene Sprache beschränktleider denLeserkreis, ohnedenWert selbstzuschädigen.
Unbedenklich, sogar für sozialistischeJugendliche brauchbar, ist hin- gegen «Newerows ,,Taschkent": Hungersnotan derWolga. Volks- elend. Sitklicher Verfall. Zwei Bauernjungen machen auf.Weltfremd, aber wagemutig.NachTaschkent.Der fernenStadt. Dort sollesnoch Brot geben«Grausame Erlebnisseunterwegs. Krankheiten.VölligeEnt- täuschunginPlanundZiel.Aber neues VerstehenderWirklichkeit
Angebunden ist: Sserafim owitsch »DereiserneStrom«: Am schwarzenMeer. Bauern werden aus ihrenDörferninstädtelosen,städte- fernenLandgebieten verjagt.Von,,weißen«Kosaken verfolgt, flüchtensie indie,,RoteArmee«. Eingewaltiges, buntbewegtesKollektiobild. Eine bolschewistischeAnabasis.
Das oi-elseitigste,bunteste, lebendigsteBild vom Nußlandder Über- gangszeitundderheutigen Sowjet-Unionvermittelt inderschöngeistigen Literatur desMalik-Verlagesdas Sammelwerk: Dreißi gneueEr-
zähler des neuen Nußland. Dieneue, russische Epik,diekeinein- dividuelle Charakterentwicklung,keinen persönlichenHeldenmehrkennt, nur Massenauftritte und einzelne, ichlose Verkörperer dieser Massen, kommt inderkurzgedrängtenErzählungzuwuchtigeremEindrucksvermö- genalsimgroßenRoman. Dreißig dreißigjährigeSchriftsteller,darunter
Gladkow, Newerow, Ognjew, Ehrenburg, Fedin, Iwa-
now, Scholochow schilderninje einer,etwa 20 Seiten starkenEr- zählungineinheitlicher BejahungdesBolschewismus seine Auswirkungen aufdastäglicheLebenundseine ewigen, menschlichenTriebkräfte.Gut in derheutigen russischen Literaturgeschichte unterrichtet diesesSammelwerk auch durchdieangehängten,inhaltsreichen ,,NotizenüberLebenundWerk derindiesemBande vertretenen Erzähler«.
JwanowsErzählungen,gesammeltin»DerBuchstabe G«, schildern mehrdenorientalischenEinschlagim,,AtemderWüste, zeigenaber auch
»Bauern,Bürger,Banditen« beiihremHandwerkundgeben erschütternde Einblicke inseine JugendunddieKämpfe zwischen,,NotundWeiß«,aber auchindiesem Bucheführtgarzuoft ,,SchönheitdesMannes zumangeln- der Enthaltsamkeit«,sodaß MäßigunginderAusleihe dieser zweifellos plastischenNovellen anzuraten ist.
AlsÜbergangzur revolutionären Literatur wäre jetztdieKontrast- literatur zubetrachten.Jhr Meisterwerk ist Olbracht: ,,Anna«,der Roman eines lebensunkundigen Dienstmädchensvom Lande,das inder Großstadtbeirechtzweifelhaften,aber strengkonventionellen Bürgernin Stellung ist,bisesnach wehenEnttäuschungenBolschewistinundFrau einesBolschewistenwird. Zwar steht hier nicht mehrdasdualistischeLiebes- erlebnis imMittelpunkt dieses Frau-enlebens, sondern selbstlosdierevolu- tionär werdende LiebezumKollektiv desProletariats, aber dennochek- scheintdieHeldin,magsieimKlassenkampfauchMann undKindzeitweise vergessen,alsmannabhängigeJndioidualistin,die das Subjektive nicht rest- z
los derAllgemeinheit opfernkann. Durch dieses ProblemwirdderRoman
—
gegendieAbsichtdesVerfassers— zu einem individuellen Entwicklungs-
roman mitkollektiven Tendenzen.Ereignet mehrfür Linksleser,die im
Parteileben stehen,alsfür solche,dienur linksgerichteteUnterhaltung su- chen.DieübrigenNomane dieserArt könnenhier nichterwähntwerden.
Dierevolutionäre Literatur behandelt durchwegdas Kriegs-undNe- volutionserlebnis als Leidenswegdesgemeinen,rechtlosenSoldaten (zu LandoderzuWasser),bisseineBefreiung1918 erfolgtundereinvoll- wertigesIRitglieddersiegreichenKollektivmassewird. Literarischwertvoll, wie auchfür Volksbüchereien unbedenklich brauchbar, sind hierDau- distel:»DasOpfer«.LeiderstörenindiesemformvollendetenMatrosen-
roman dieauchstilistischandersgearteten, wohlvon parteiischer ,,Zensur"
eingeschobenen Auseinandersetzungenmit dem,,reformistischen«feindlichen Bruder. Hiervon freiunddarum von kommunistischerKritik scharfge- tadelt istPlivie r: ,,DesKaisersKulis«. Neben diesenbeidenempfeh- lenswerten Matrosenromanen stehendiekommunistischen Gegenstückezu Remarques: »Im Westennichts Neues«. Sie erreichenaber,literarisch nochkunstethisch, ihreVorbilder von L.Frank und Barbus sebei weitem nicht.Tureck:»EinProlet erzählt«— scharf, bissig, angreifend, z.T.satirisch verzerrend seinLebenimFriedenalsProletarier, imKriege alsSoldat undFestungsgefangener,nachdemKriegealsBolschewist. Jn sich abgerundeter,aber kunstbewußterschildertScharrerseine»Vater- landslosen Gesellen«.Revolutionäres Kriegsbucheines Schlossers. Die KämpfeinDeutschland selbst nachdemKriegeleben inFr. Wolss ,,KampfimKohlenpott« (= Landzwischen RuhrundWupper),inKarl Grünber
gs:,,Brennende Nuhr«,Roman eines sozialistischenWerk- studentenund inidemAntistahlhelmromanvon Ottwalt: ,,Ruheund Ordnung«.
Vondenhier nochzu nennenden revolutionären Memoiren undLebens- bildernwären die beidenLeninbüchervon N.Krup sKclaundC.Zet- k infürV.-B.empfehlen-dhervorzuheben, währendMaxHoelz:,,Vom weißen Kreuzzurroten Fahne«diegefundene große Anerkennung nichtin Volksbüchereienverdient.
Dierevolutionäre Proletarierinwird indemautobiographischem Buche derAmerikanerin AgnesSmed le y:»EineFrauallein«lebenswahr underschütterndgeschildert, jedoch ohne daß sie»dieWegederLiebe«von
AlexandraKollentayerreicht.
Diein derKriegszeit «vaterlose,führerloseJugendlebtanschaulichund wirklichkeitsnahinGlaesers ,,Jahrgang1902".
Diedeutsche, bolschewistischeLyrik ,,hatnur einen Ton: Revolu- tio nl«Siewirdentweder nach berühmtenundwenigerberühmten Vor- bildernder48erJahre(Herwigh, Heineu.a.)undder90erJahre (Hen- kell, Conradi u.a.)gestaltetoder inder ungebundeneren Form unserer Zeit. Mitreißend, menschlich erschütterndwirken dieGedichte N.Be- che rsundEmilGinkels.AuchWalter Mehring sLiederundChan- sons, ErichMüh samsundF.C.Weis kopfsrevolutionärer Lyrik verdienten fürV.-B. Beachtung, falls— was heutesehr selten ist— ge- eigneteLeser für diese konzentrierteste GestaltungsformderschönenLite- ratur vorhanden sind.
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Abzuraten ist jedochvon ,,Dichtern«wieErichWeinert, dieihren StoffinzugespitztenLeitartikeln und Nandglossen kommunistischer Zei- tungensuchenundfinden. FürV.-B. hatnur allgemein menschliche, ly- rische DichtungdesBolschewismus Bedeutung «).
«) Eingehende BesprechungderhiergenanntenWerke bleibt vorbehalten.
ll.AUS DEM scHONGElSTlGEN scHRlFTTUM
ROMANE UND ERZÄHLUNGEN
Ammers-Küller,Jovan,Maskerade.Leipzig, Zürich: Grethlein1929.
347S. br.4.50,geb.8.50 NM.
Den jetztindeutscher ÜbersetzungvorliegendenRoman hatdieVer- fass.erin,wiesieimNachworterklärt,schonvor ungefähr10Jahren ge- schrieben,um dasLebeninihrerVaterstadt Delftzuzeichnen,,,wiees imerstenDezenniumdesneuen Jahrhunderts fürdiean derTechnischen Hochschulestudierenden jungenLeuteunddie-vornehm-bürgerlichenFami- lienderkleinen Stadt g·esialtete.DasHauptthemain,,Maskerade« istder Konfliktein-esintelligenten, lebensfrohenundzugleichlebensfremdenMäd- chens jener Tage: ihr Freiheitsdrang einerseitsundanderseitsdieMacht derjahrhundertelang bewahrten und tief eingeprägtenKonvention der weiblichen Demut undKeuschheit.«
Tinevan Navensbergerlebt — einhalbesKindnoch— ihre einzige große Liebk, schrecktjedochvor derfordernden LeidenschaftdesStudenten zurück,an derEchtheit ihreseigenenGefühls durcheine falschekonven- tionelle Erziehungirregemacht. Nach Jahren glaubt siedieEhemiteinem feinsinnigenJdealisien, ihrem früheren Lehrer,demsieinseelischerHar- monie undrückhaltlosemVertrauen innigstverbunden ist, eingehenzu kön- nen, tritt jedochzurück,als sieerkennt,daß diese Voraussetzungenallein zurGründungeinerglücklichenEhe nichtgenügen,daß vielmehrdieLeiden- schaftdesBlutes ausschlaggebend sein muß. Später entscheidet sie aus SehnsuchtnacheinemKinde zurHeiratmiteinem reichen,gutmütigenund auchvon derFamilieanerkannten Manne. Sie wähnt geborgen,bis einZufall siedenJugendgeliebtenwieder treffenundinihnenbei-dendie Liebe wiederaufflammen läßt.Derrasche Entschluß, ihmzuschenken, wird vereitelt. Hiermit brichtderRoman ab. DerLeser fühlt,dasEnde istVerzichtundmüdeNesignationindiesem sohoffnungsstark begonnenen Frauenleben.
,,Maskerade« isteinescharfeKritik an derverlogenen, unehrlichenGe- sellschaftvor 20Jahren. Esfehltdiescharfe, lebendige Charakterisierung undderMilieureiz,dergeradedemHauptwerkderDichterin»DieFrauen derCoornvelts« zueigen ist.DieVerfasserin wirft jedochmitsittlichem Ernst sovielwichtige Fragen aufüberdieStellungderGeschlechterzu- einander,über LiebeundEhe, daßman demBuchVerbreitung unter den weiblichen Leserninfider V.-B. wünschenmuß.
L.Fries, Düsseldorf.
Cisek,Oskar Walter, Die Tatar in. Erzählungen. Hamburg: Enoch- Berl. 1929. 257 S. br.4.—,geb.6.— REM.
ThomasMann, HesseundScholzebnenmitRecht diesem jungen Dich- terdenWegzurAnerkennung.Seine 5Novellen sindeineüberzeugende Talentprobe guterProsa. Die4erstenerfassendenorientalischenMen- schendesBalkans in derPrimitiven Umwelt seiner Alltäglichkeit,wahr,un- geschminktUnddoch schicksalhaftgroß.Dermutig-eExistenzkampfderar- men ,,Tatarin",inunbeugsamemStolzundhärtesterArbeit geführt,— ,,dere rlösteSommer«einesvereinsamten Judenmädchensdurchbe- glückendeMutterschaft—, ,,dasSp ielinde rSonne«,diebanale Liebschafteines Hauptmannes —, dieerschütterndeseelische ,,Entla- stung«einesSteppenwanderers, derimGegnerdenKameraden erkennt Und derunendlichenEinsamkeitderSteppe übergibt—- — allesistmit suggestiver Kraft verlebendigt, festund klar zum plastischenBild von
MenfchundLandschaft geformt.DieletzteNovelle,,,derneueSp ie- gel«, fälltaus demRahmenderübrigen heraus. EsisteineinItalien geführtetagebuchartige Selbstbilanz,imPsychologischen,imGegensatzzum Elementaren jener großen Gefühlskomplexezudifferenziert.
Sprachlicharbeitet Cisekmitreichen, sicher beherrschten Mitteln; seine Epik hatKultur.
Für größereBüchereien. Dobbelmann, Düsseldorf.
Cohen, Lester,Die Pard ways. Stuttgart, cBerlin, Leipzig: Deutsche Verl.-Anst.4930. 345 S. geb.10.— NM.
AufstiegundVerfalleinerFamilie durch4Generationen. Mit derer- erbten TatkraftderVäter stellen zweiBrüder infrüher Jugend auf eigene Füßeundverdienen durchAbenteuer undWagemutdieerstenTau- send. GeschäftstüchtigkeitundSpekulationsgeschickverhelfen ihnenzu Er- folgundAnsehenalsFinanz-undWirtschaftsgrößen.Aber jemächtiger dasKapital,jehöherdasWarenhaus, umso geringerdiemoralische Kraft undseelischeQualität. Das ursprünglichvitale Lebenverebbt durchden Geldbesitz. Enttäuschungan denKindern,VereinsamungundHaß sind das EndeeinesEroberers,dessenErbe fremden Händen verfällt.
Das Buch istinseiner sicherenTypisierungderGeld-,Geschäfts-und GesellschaftsmenscheneinunverhohlenerZeitspiegeLMit realer Sachlich- keitsind börsenpolitischeAktionen geschildert,werden geschäftskundlicheDe-
batten geführt.DieimDienstdes Mammons zielbewußteAbschnürungdes Gefühls dieser Menschen hat Tragik. Aber derRoman istzubreit an-
gelegt,dieinnere Leereeiner interessant bewegten Oberflächebleibt spür- bar. Tiefe hatdas Buch nicht, seinLebenpulst durchdenJntellekt.— ImmerhinalsKaufmanns-undBörsenroman für größereBüchekeienver-
wendbar. F.Dobbelmann, Düsseldorf.
Deeping, Warwick, Kitty. Bremem Schünemann4929. 399 S. geb.
7.——REM.
Kitty isteinMädchenaus London,mitdem einjunger,leiderreich- lichschlapper englischer Offizier kurzvor seinemAusrücken insFeld ohne Wissen seiner gnädigenFrauMama kriegstrauen läßt.DieFrauMama istdavon natürlich nicht gerade entzückt;siewilldenJungenganzfür sich alleinhaben,istinderAuswahlderMittel, ihnseinerFrauabspenstigzu 6
machen, nicht gerade wählerisch,kommt aber dochgegen dieGattenliebe nicht auf.AnderThemse eröffnet Kittyeinen Wochenendtanzbetrieb,um dennötigen Lebensunterhalt zuschaffen,undnachdem Alex infolgeeines heftigen Schreckens—- Kitty hat eigenszu demZweckinsWasser stür- zenmüssen—- sein durcheineschwereKriegsverletzung eingebüßtesGehver- mögenwieder erlangt hat, lächeltvon ferndieSonne derAussöhnung— undman hateinBuch gelefen,das sogeschrieben ist,wievieleenglische Maler zumalen pflegen, glatt, gefällig, anständig, heiter, nicht schlecht, ausführlich,abereigentlichdochimmer soeinkleinesbißchenkitschig.Schade
um denStoff! M. Schaefer, Solingen.
Diehl,Ludwig,Aton. Stuttgart: Strecker chSchröder1929. 340 S.
5.—,geb.7.— NM.
DieGeschichtedesberühmten Pharao Echnaton.Diescheinbar ewige Wahrheit, daßwer Letzteswill, dabei zu Grunde geht, hat»denVerfasser des»Suso-Nomans« angelockt.Erhateinen geschichtlichenRoman ent- stehen lassen, halbvon jener Art,die beliebt ist, halbvon einer anderen, deresum dieVermittlung tiefer Erkenntnisse geht.Undhättedamit wohl dasRichtige getroffen? Gewiß fürdieLeser,dieunsicherein,,schönesBuch«
erbitten. Vielleichtaberist ihnenzuviel,,Schönes«inderDarstellung.Die Gegensätzedesprimitiv fesselndenNomans sindalle vertreten, aber die Erzählungansichist weich.Derknapp bemessene Abschnitt ,,Jnnerlichkeit«
indermehrtausendjährigenGeschichtederPharaonenwurde dochnichtzu- fälliggewählt.DieTragikeines innerlich gelebtenLebens ist deswegen auchderGegenstand,derdemLeser— behutsamexemplifiziertwird. Um ihnkreist, nicht energisch zusammengezogen,alles andere. DieBreite des Geschichtlichenbleibt erhalten. DieFolge ist:Mangelnde Charakteristik, schematischeFiguren, programmgemäßerVerlauf.Der Bösewicht findet nicht seine Strafe,erwirdKönig,undderEdle wird vernichtet.— Nährend undspannend,undman lerntsehrvieldabei!
Dr.W.Nopertz, Gladbach-Nheydt.
Döblin,Alfred,Berl inA le xander
platz.Berlin: Fischer1929.
528S. 9.50NEM.
Soeben aus dem Gefängnis entlassen,irrt der Gelegenheitsarbeiter Franz Biberkopfverwirrt undziellosindenStraßenBerlins umherund nimmt vor, einanständigesLebenzubeginnen.Erversuchteszuerst alsZeitungsverkäufer,Ausruferetr.,gerätaber wieder inVerbrecher- kreise,wird schließlichZuhälter,daerdurch harte Schicksalsschlägekeine Kraft mehr findet, sichzuwiedersetzen. Hiererleidet erdenhärtestenund rohesten Schlag: seineBraut wird hinterlistigermordet. Erbricht zusam-
men undwird irrsinnig.Aus derHeilanstaltentlassen,steht FranzBiber- kopfwieder am Alexanderplatz.Eristnicht mehrderselbe,dertrotzigund gewalttätig sein SchicksalindieHandnimmt, sondernwieerzurnSchluß sagt:»Manmuß gewöhnenaufandere zuhören,denn was andere sagen, geht mich auchan. Da merke ich,wer ichbin,was ichmir vor-
nehmenkann.«
Döblin bereichertmit seinem letztenWerk denheutigenRoman um einenungewohnten Inhalt undeine außergewöhnlicheForm.Berlin als Großstadtist meisterhaft geschildertundwahrgesehen.DieMenschenwer-
7
dendurch ihr Denken, ihr Fühlen, ihre SpracheunddurchdieWirkung,die äußereEindrückeauf sie hinterlassen, charakterisiert, sodaßdiePersönlich- keit desDichtersvollkommen imHintergrund steht.DasHineinsetzenvon Zeitungsfetzen, Gerüchten, Wirklichkeiten, Neklamen, Nachrichten bringt das TempodesStils zustande.Der Roman ist eingeteiltinBücher;vor
jedem Buch steht jeweils kurz,was begibt. ÄhnlichderFormderalten Volksbücher.Gute psychologische Darstellungder Typenwie Spieß- bürger, Verbrecher,Dirnen,Kommunisten, Zuhälter.EinBuch,das in keiner V.-B. fehlen darf, doch durchStil undDarstellung fürdiebreite Leserschaftnicht geeignet ist. E.Brockerhoff, Düsseldorf.
Fink, Georg,Mich hung ert. Berlin: Cassirer1930. 367 S. br.5.—, geb.7·50 NM.
Dieses Buch istvor allem alsDokument zuwerten. Jn sehr eindring- licher Weisewendet esdenBlickausdieLebensverhältnissedessogenann- ten fünftenStan-des. Eslehrtwieder einmal mit aller Deutlichkeit,daß das,was gemeinhinunter Proletariat verstandenwird,keineeinheitliche soziologischeSchicht ist, daßesunt-er dergewserkschaftlichundpolitischor- ganisierten Arbeiterschaft nocheineSchicht gibt,deren Elend undNot heutedas eigentliche ,,ProblemderArmut« bildet. Georg Fink hat diese Not unddiesesElendinBerlin O.undN.am eigenen Leibegründlicher-
fahren.GanziderSohn seinerMutter, dieaus einer wohlhabenden schle- sischen jüdischenFamilie stammteundvon ihrenEltern verstoßenwurde, als sieeinen Proletarier heiratete,reagierter äußerst sensibel auf diese hartenKindheitserfahrungen. Schauspielerisch begabt— Georg Fink ist nachAussagedesVerlages heuteunter fremdenNamen Filmschauspieler inHollywood— erzählter seine Erlebnisse sehrlebendigundmiteinem gewissen sentimentalen Pathos. Das Buch hat schriftstellerischmanche Schwächen,aberdiese Schwächen müssen übersehenwerden, wenn man dieEchtheitdesBuchesals sozialesDokument anerkennt. — Das Buch wirdvon weitestenLeserkreisen verstandenwerden.
Dr.E.Brandt, Opladen.
Fleißer, Marieluise, Ein Pfund Orangen und neun andere Geschichten. cBerlin: Kiepenheuer4929. 201 S. br. 3«—-geb- 5.50 NM.
Marieluise FleißertrittmitdiesemErstlingswerkindieReihederEr- zähler,an denenman nicht achtlosvorüber gehen möchte. SämtlicheNo- vellen weisen tiefeNaturverbundenheit aufundsindvollwarmer Anteil-;
nahmemitdemSchicksalderMenscheneinerunteren Gesellschaftsklasse.— AlltäglichkeitendesLebens werden inneres Erleben underfahren durchbe- sondereEinfühlungihre Gestaltung. Fastimmer istesdieFrau,dieinder Sehnsucht nachdemManne zujedem seelifchenundmateriellenOpferbereit ist,um am EndedieErkenntnis zugewinnen, nichtmitdemHerzen geliebt worden zusein.Nücksichtsloswirddie Brutalität desGenießenden,werden dieseelischenLeiden derinnerlich GehetztenundAbseitsstehenden aufgedeckt.
Dievierte Novelle,»einPfund Orangen«, istinihrer seelischenStruktur diefeinste. Auch hier ist,sdieFrau,dieihre letztenPfennigedemManne opfert. Dannverläßt Fleißer diese Problemeundwendet sicheinem fast expressionistischenProblemzu.DiePsychederStraße,derenAufgabees 8
ist demmodernen MenschenUnddemRhythmusderZeit anzupassen.
Amwenigstengelungen istdieNovelle »DieDreizehnjährigen«,dieunter Kindernspielt.—- DerWert dieserNovellen liegtindereigenartigenEr- fassungundGestaltung ihrer Problemeundindemknappen,inseinerge- wollten Primitivität suggestivwirkendem Stil.
GrößereBüchereienmögen diesenNovellenband einstellen.
M.Lütkemeyer,Düsseldorf.
Freuchen, Peter,Die luchtinsweißeLand.Berlin: Safari-Berl.
1929. 344 S. br.4.—,geb.5.80 NEM.
Peter Freuchen,dernordischeForscher,lebtejahrelangUnter Eskimos und nahm eine Eingeborenezur Frau. Früchte seiner eingehenden Kenntnis desLandes sinddieWerk-e:»Der Eskimo« NeueBücher, Jg.
6, 1X2)und,,FluchtinsweißeLand". Das2.BuchführtdieGeschichte desEskimos Mala weiter. SieistdieTragödieeinesMenschen,dervon
Europäernwegen einesBergehenszueiner entehrendenStrafeverurteilt wird,der von Gesetzengebundenundbesiegt fühlt,derenEthos ihm unverständlichistundderdennochvon derBerührungmit demihmUn- verständlicheneinen leisenZwiespalt,einen Zweifelan davon getragen hat.Mala kämpft mitdengeraubten FrauenundseinenKindern durch dieWüste. Tatkraft undÜberlegenheitstützenauchdenGefallenen noch.
ReichtumundBehaglichkeit sindwieder imZelt,aberkeinFrohsinn.Nkala kämpftweiter denKampfdesstolzenMannes, der überwunden fühlt
von Mächten,dieer nichterkennt und»dieeruneingestandenimTiefsten dennoch lieb-enmöchte.Erfliehtdarum dieWeißen, nichtnur aus Furcht
vorihrenKetten. Alsseingeliebtester Sohndemersten europäischenSchiff jubelnd entgegenläuft,ziehter mit eineralten Gefährtin tiefins weiße Land,wosiebeieinem Schneesturmumkommen. DerKampf diesernatur- haften,naiven Seele mitdenunverstandenen GesetzenderZivilisation ist mitverstehenderWärme dargestellt. Äußere Spannung ist gegebendurch dieSchilderung fremdartiger ErlebnisseundUmwelt. Mit innerer Span- nung verfolgtman denZwiespalt zwischennaivmenschlicher Empfindung undZivilisation. möchtedenbeidenBüchernvieleLeser wünschen,auch indenKreisenderJugendlichen (vom16.Jahre an).
C.Wienen,Düsseldorf.
Galzy, IXan Therese von Avila. Der Lebensroman einer Hei- ligen. München: KöselözPustet1929. 343S. 7.— NM.
DerUntertitel desBuches fagt schon, daßeskeinebiographischeDar- stellungimeigentlichenSinne gebenwill. Es handeltsich vielmehrum dasNacherlebnisderinneren religiösenEntwickelungunddesGeschicksder spanischen Heiligen, MystikerinundQrdensstifterin. Das Vorwort der deutschen Übersetzerindeutet kurzdenWegan, dendieAutorin durch SchmerzundLeid biszudiesem fürihreEntwicklung entscheidendenNo- man gegangen istundführtindenSinn desBuches aufdas glücklichste ein. Sein Wert liegt wenigerinderhistorischenStofflichkeitals inder Schilderungdesgroßen religiösenErlebnissesundinderdichterisch nach- fühlenden AuseinanderfaltungdespersönlichenKern-eseines heiligmäßigen Menschen,dersein diesseitigesLebenganzfürdasAbsolute hingibt.Das Wesen dieser mystischenHingabeUnd dieGrößedesressentimentfreienOp-
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fersderinihremEigenwertimmer bejahtenDiesseitigkeit,derKampf zwi- schenDiesseitigkeitundJenseitigkeit,dieNot diesesKonfliktes erscheinen inihrerganzen erschütterndenKlarheit. Jn diesenTeilen kanndas Buch auchdemzumErlebnis werden,derüberhaupt für religiöse Problematik empfänglichist, selbstwenn erdieletzten Schrittemystischen Sichselbst- verliersens nichtmitvollziehenkann. DieForm istinallen Teilen ange- messenundhält freivon jedemGefühlsüberschwang,sosehrauchdas romanische (französische)Jdiomdievon derÜbersetzeringutverdeutschte sprachliche Fassungmitbestimmt.
V.-B. seien aufdieBereicherung hingewiesen,diediekatholischereli- giöseLiteratur durch diesesWerk erfährt. Für aufgeschlossene religiöse Menschen—- undunter ihnenvor allem fürdiekatholischen— isteszu
empfehlen. Dr. Peters, Düsseldorf.
Griese, Friedrich,SohnseinerMut ter. DieGeschichteeinesKindes.
Bremem Schünemann1929. 208 S. br.4.50,geb.6.——NOT EinBauernromam dieGeschichtedesNikolaus Jord,derals nach- geborener Sohn beimTode desVaters vom freien Hofe heruntergehen undeinKätner werden muß,derDorta,dieKätnerstochter, heiratetund nun zeitlebenseinKätnerbleibt, demDienstundAlltagzulähmenderGe- wöhnungwird,daßernichtsanderes werden mag, auch nichtsanderes mehrwerden kannalsebeneinDienstmann,wenn ihn auchArtundGesin- nungbewahren, tieferzusinken. Dorta aber istaus besonderem Geschlecht, ahnungsschwermitdemWalten desSchicksalsverbunden, früh gezeichnet, dochüberdenTodhinaus wirksaminihremErstgeborenen,einem merk- würdig stillenunddumpfenKinde,das denschicksalgefügtenWeg findet undeinschlägt.Mutter undSchicksal sind jaeinunddasselbe geworden undwerden denKnaben führ-en.— Kein handlungbeladenes cBuch also, keinSpannungbietendes. Und dennocheinBuch,das denLeser tiefin seinenBann schlägt, mitzuahnenundmitzufühlen,demGeheimnismensch- licherSchicksalsverbundenheit anheimgegeben, versenkendund ver- schenkenddemLebennachzuspürenundseineGründemehrgläubigalswis- sendzuerkennen. EinMenschen-undeinLebensbuch also,einBrunnen, denman nicht so leicht erschöpft,eineDichtung allererstenNanges,anHerz undSeele gerichtetvon einem Seelenkünder,von demwirnoch Großesund vielleicht Größteserwarten dürfen. M. Schaefer, Solingen.
Grogger, Paula,DieNäuberle ge nde.Breslau: OstdeutscheVerl- Anst.1929. 292 S. geb.6.80 RM.
DieKunst dieser Dichterin istinganz besonderem MaßederGestal- tunglegendärerStoffe angemessen. Jhrean ähnlichenVorwürfen schon erprobt-e,,holzschnittartige«Sprache,wieman dieForm wohleinmal be- zeichnete,trifft auchindenvierLegenden diesesneuen Buches meisterhaft dieseltsam unwirkliche Wirklichkeit,dasGeheimnisvolleundWunderbare derLegende.Sie läßt tatsächlichwiederHolzschnittnur dasWesentliche indieAugen springen,überdecktingrobem Kontrastalles Unwichtigeund gibtdemAhnendesWunders breiten Raum. DieseEigenartdessprach- lichenMittels trifft zusammenmit starker dichterischer Schau,dieder FormdenentsprechendenGehalt gibt.Was man allerdingsbeieinzelnen früherenWerken derDichterin schon bemängelte,dasFehlendesklaren, 10
zwingendenAufbaues,dieGefahrdesVerfließens,ist auchindiesemLe- gendenbuch nichtimmer vermieden. Gleichwohl fesseltimmer wieder die KraftderAnschauung,dieFülledesAusdrucks der— nichtimmer glück- lich—- altertümelnden Sprache,diemit sparsamstenMitteln erreichte starke PlastizitätdesEinzelbildes,undnicht zuletztdieIdee,dieeinheitlich dievierLegendenbeherrscht:dasWirken desGöttlichenundderErlösung indieserWelt.— StoffundForm gestatten diesem Buchkeineausgespro- chene Breitenwirkung,aber fürdieaufgeschlossenenundfür künstlerische Qualität dieserArt empfängliche Menschen— vor allem katholischer Weltanschauung— istessehrzuempfehlen.
Dr. Peters, Düsseldorf.
Gunnarsson,Gunnar, NachtundTraum. München: Langen1930.
392S. br.7.50,geb.10.— NM.
DerDichterwill ineiner 5bändigen Selbstbiographie:»DieKirche aufdemBerge«einGesamtbild sein-esLebens geben. WährendTeil1 ,,Schifseam Himmel« ,,NeueBücher«,Jg6, i,2)dieWelt desKin- desschildert, istin,,NachtundTraum« das ReichdesKnaben geboten, derlangsamzumWerk desMannes heranreift.Erbleibt umfangenvom Traum derNacht. InunbewußtenTiefen sein-erSeele wächstdieDich- tung. Einunentrinnbarer Drangwird inihmmächtig.Erverläßtden väterlichen Hof,um seinerBerufungzufolgenundDichterzuwerden. —
Das Buch istschlichtundgroßwiedasLand,indemderDichter geboren ist;erdverbunden wiedieWerke Hamsuns. DieepischeBreite derDar- stellung entsprichtdemWesendesDicht-ers. FüralleV.-B.
J.Berns, Benrath.
Hadina, Emil, Geheimnis um Eva; Ein Frauenreigen. Leipzig:
Staarkmann 1929. 319 S. geb.6.50 RM.
Absonderlichkeitenbilden nochkeinGeheimnis.Und.so sind dieseNo- vellenallesandere als»einBeweis fürdieRichtigkeitdesBuchtitels,ge- schweigedenneineLösung dessen,was an demGeheimnisum Eva — so- fernesüberhauptvorhanden— WirklichkeitundWahrheit ist. Sicher ist solcheLösung angestrebt;wo sieaberversuchtwird— dieFraudesPharao z.B.weiß,um ihrerein menschlichbedauernswerte, aber auch politisch rechtmißlicheUnfruchtbarkeitzubeheben,keinanderes Mittel,als mit einigen verschwommenen Vorbehalten,aberbeiihrerbetonten Liebezum Gatten doch rechtmerkwürdigenOffenheit,demWestr anzubieten—, da lauert an allenEckenundKanten derKitschinderFormeiner Speku- lation aufdas sogenannteGemütalter Tanten beiderlei Geschlechts.
M.Schaefer,Solingen.
Hesse, Her-nann, Trost der Nacht. Neue Gedichte.Berlin: Fischer
1929. 197 S.br.4.—,geb.6.— RM.
»Im Anfangwar derMythos" beginntder,,Peter Camenzind",kos- mische WeiheundErgriffenheitatmen dieschönstenGedichteder,,Musik desEinsamen«.Seitdem istan Stelle desErschauernsvielErregtheit,an Stelle derehedem still leucht-enden,wenn auch oftmüdenGlutvielflak- kerndeUnruhegetreten, dienur dermildeTauderNachtzulösenvermag.
-TkostderNacht« heißt daher Hessesneues Gedichtbuch,indemeralles II
zusammenfaßt,was indenletzten anderthalbJahrzehnten inihmzu- getragen. DieGedichte sind chronologischgeordnet,inAuswahl aufgenom-
men auchderBand»Unterwegs" sowie mehrerekleine,vergriffenePrivat- drucke.
Besinnliche Resignation istderGrundcharakter derGedichtebis1919 (MittagimSeptember, Sommersende, Nachtg-efühl,Verlorener Klang), dievon singendem Rhythmusgetragensind (am schönstenindem,,Blauen Schmetterling«aus den,,Letzten Gedichten«),teilssinnigundedel(Trost, Andacht),teilsmüdeundmatt. Leuchtende Jmpressionen, versonnen sind dieGedichtedesMalers, währendindenGedichtenvon 1920—1927 das Erlebnis desSteppenwolfsinseinerZerrissenheitundGequältheit fühl- baristund dieSehnsucht nach Seelenfriedenregt, zu demerinden ,,Letzten Gedichten« weißvon solchen) gefunden hat.— Das Buch dürfteinderV.-B. Aufstellung findenals AbrundungderPersönlichkeit desDichtersinseinemWerk. Nische, Düsseldorf.
Hoehne, Edmund,DieReportageGot tes.Jena: Diederichs1928.
152 S. br.3.50, geb.5.50 REM.
Einjunger Dichternamens HansBorn erhältvon demgeschäftstüch- tigen VerlegerdesBurcke-VerlagesdenAuftrag,dasFragment Heinrich
von OfterdingendesNovalis zuvollenden. Ergehtans Werk,undwir erleben mitihmlaut Prospekt»dengroßen WellenschlagdergroßenWelt von London,Paris,Berlin,bisNußlandundAsien«.AmSchluß gibtes dann dieVerkündigungderneuen werdenden Unterrasse,die,,nichtvor- wiegendmit derIntelligenz, sondernmit derinneren Anschauung,dem Ahnen,demFühlen«denkt. Auchdieberühmte Periodenlehre spukt hin- ein. Man sieht,einentsetzlichtiefgründigesOpus,unddemLeser,derdas Buchetwa aufdenNamen desVerlegers hin kaufen sollte,bleibt nichts erspart.
Eugen Diederichs isteinverdienstvollerMann unddarf unsererUnter- stützunggewiß sein, soofterdemNeuen undWertvollen denWegbahnen will. Wenn eruns aberweltanschaulich aufgezogene Nomane,derenTiefe uns mehr als problematisch erscheinen muß, präsentiert, müssenwir ab-
lehnen. K.Hartwig,Solingen.
Hofer, Klara,Nü ckzugvonMoskau.Tübingem Wunderlich1929.
317S. 7.50 NM.
Klara Hofer fügtindemneuen Werk derKetteihrer biographischen Romane (Hebbel— Kaspar Hauser— SonjaKowalewsky —- Strind- berg)einneues Glied an. Sie schildertdasLebendesjungen Tolstoivon seinenerstenKindheitsjahrenan inseiner schicksalsfchwerenVeranlagung, seinerinneren undäußeren Entwicklungbiszuseinem endlichen,,Losvon Moskau«. DiesesMoskau istGier,Noheit, NiedrigkeitdesDenkens,Ge- meinheitderEmpfindung.VerächtlicheDürftigkeitindem,was wichtig ist, Überflußan dem,was gleichgültigist!Und: Moskau istüberall. Es zwingtdenjungen Tolstoi zunächstinseinenBann, aber inihmlebtein Sehnen nacheinem tieferenSinn desLebens. Obwohlwild,zügellos, inLeidenschaften verzehrend, läßtihnseinanderes kindlich fromm
einen Gott suchenund indenDienstdesNächsten stellen.Er weiß
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