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Die Zukunft, 22. September, Bd. 32.

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Academic year: 2022

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Berlin, den 22. September 1900.

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Das arme Reich.

ffiziellwurdeamvierzehntenSeptember,einemFreitag, gemeldet,die DiskontogesellschafthabeeineTransaktion vermittelt, ,,wonach acht- zigMillionen MarkvierprozentigerSchatzanweisungendesDeutschenRei- ches, fällig1904 und1905,vonzweinew-yorkerBanlfirmenübernommen undmitGenehmigungderReichsbankin denVereinigtenStaaten aufden Marktgebrachtwerdenfollen«.Vortrefflich,erschollesausderReihederLob- sänger,derenChor freilichschonrechtdünnklingt,ganzvortrefflich; auchEng- landhatin Amerika GeldgeborgtundHerrn Rothsteins new-yorkerPump- versuchscheitertenur,weilgeradederchinesischeDrachedieKapitalistengemü- ther schreckte;sehr gescheit,daßnachBritenUndRassen auchwirnundiesen Wegwandeln. UnserGeldmarkthättedieneueBelastung nur schwerertragen unddiedreiprozentigendeutschenPapiere,derenniedrigerKursschonjetztdie Bürger unzufriedenstimmt,wärendurcheineneueAnleihe noch tiefer hinab- gedrücktworden.EinwahrerSegen, daßKahn,Locb8rCo.vondrüben das Geldangeboten haben.UndauchderModus ist gut; Schatzanweisungen sindja natürlichbesseralsSchuldverschreibungen.DerLobsängerchordrang leidernichtdurch;dieMehrheitder Deutschenempfandesals eineBeschämung, daßwegen einerLäppereivonachtzigMillionen in Amerikageborgtwerden müsse.Und daeineweiseRegirung selbstdiebeschränktestenUnterthanengern vorlästigerRegungderSchamgefühlebewahrt, sowurdeamachtzehntenSep- tember,einemDienstag, offiziösgemeldet,der»wirklicheSachverhalt«seiden unfreundlichenKritikerndesneusten Reichsgeschäftesnochgarnichtbekannt.

Erstens handleessichüberhauptnichtumSchatzanweifungemsondernum 34

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binnen kurzer FristzurückzuzahlendeSchuldverschreibungen. Zweitens sei dieAnleihevom Reich »nichtin Amerika begeben,sonderninvollem Betragevon derberliner Diskontogesellschaftübernommen worden.«

Esversteht sich, daß dieseKunde denLobsängern nichtdieStimm- ritzeverstopfte.Siesind längstgewöhnt,AbsichtenundEntschlüssederMaß- gebendeninmindestenszweiVersionenfeiernzumüssen,undverloren auch diesmal nichtdieFassung. Vortrefflich, jubelten sie,ganzvortrefflich;also nicht unsolide Schatzanweisungen nach englischemMuster, sonderneine ge- wöhnlicheAnleihe,dieaufdendeutschenwieaufdenamerikanischenMarkt kommt. Werhattenur denaberwitzigenEinfall,dasherrlich blühende DeutscheReichkönneaufdieHilfederYankeesangewiesensein?Undsoweiter.

SachverständigeFinanztechnikermögen entscheiden,ob derAnleihe- handelmitderwünschenswerthenGeschicklichkeitabgeschlossenwordenist.

DerStaatssekretärdesReichsschatzamtesisteinkluger,dasDurchschnitts- maßexcellenterBeamtenbildung beträchtlichüberragenderHerr.Dassollten auchdiewirthschaftlichenGegnerdesFreiherrnvonThielmann nichtver- kennen,vondemLotharBucherschonvorIahren gesagthat:Dawächstuns einFinanzminister heran.Erhatmitoffenen Augenin Amerika gelebt undman kannsichungefährdenken, welcheErwägungenihndem jetztausge- führten Plan günstiggestimmt haben. Er weiß,daßesdemDeutschen ReichanKapital fehltunddaßeineneue deutschevierprozentigeAnleihe dieschonargverringerten KursederJndustriepapiere noch mehrdrücken würde. Ertäuschtsich auchdarübernicht, daßderChinesenkrieg, den dasGeldgebraucht wird, höchstunpopulärist, so unpopulärwie nie vorhereinReichsunternehmeu,unddaßesangenehm wäre,dieSacheerle- digtzuhaben,wenn derReichstag zusammentritt.Unddaergute Wirth- schaftbeziehungenzu denVereinigtenStaaten selbstumdenPreis wichtiger Reichsinteressenfür nöthighält,kann esihn nützlichdünken,denAmerika- nern einenEinflußkanalzuöffnen.DerSchuldnermuß sichhüten,den Gläubigerzukränken;undjemehr MöglichkeitdieYankees haben, durch einenplötzlichenMassenverkaufdeutscherStaatspapiere sichfür ihnenun- gebührlichscheinendeBehandlungzurächen,destoschwererwird einedeutsche Regirung sichvondenHerrnvonThielmannbefehdendenAgrariernver- leitenlassen, dietransatlantischen Schutzzöllnerzuärgern,dienachDeutsch- landexportirenwollen.DasAlles magwohlerwogenundvomStandpunkt desStaatssekretärswirthschaftlichunwiderlegbar sein.DemFürstenHohen- lohe,dersichein paarTageinBerlinaufgehalten haben soll,trittman wohl

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nichtzunah,wennman annimmt,seinInteresse für solcheFragen seinicht übermäßiggroß.Nur dieseAnnahme hilftüber diesonst unerklärlicheEr- scheinunghinweg, daßdiepolitischeSeitederSacheoffenbargarnichtbe- achtetwordenist.AlbertSchaeffle hateinmalgesagt: »Es isteinebeschränkte Ansicht,daßfürdieDeckungpolitiknurwirthschaftlicheGesichtspunkte,nicht auch RücksichtendesStaats- undGefellschaftlebens,maßgebendseien.Die Deckungmittel,außerordentlichewieordentliche,wollenvomallgemeinpoli- tischenStandpunktaus,nachderGesammtheitallerfürdenStaatsmann beachtenswerthenVoraussetzungenundWirkungen, gewürdigtsein.Denn dieFinanz ist fürdenStaatsmann in,ersterLinie einintegrirenderTheil des Staatslebens.« Obnun der ganzeBetragodernurderLöwentheildes deutschenAnleihebedarfesinAmerikaaufgebrachtwerdensoll:dieThatsache, daßdieRegirung aufdemdeutschenGeldmarkt nichtmühelosachtzigMil- lionenfindenzu könnenglaubtunddeshalb genöthigtist,beiihrem ersten weltpolitischenVersucheinenBittgangüber denOzean anzutreten,—- diese ThatfachekannpolitischkeinengünstigenEindruck machen.

Jn Deutschlandaberkönntesie nützlichwirken,wenn sieals ein Warnungsignal betrachtetundbeachtetwürde. DerDeutschehat jetztGe- legenheit,denWerthderinlangwierigenundheißenKämpfenerstrittenen Verfassungzuständezuwägen.Ersieht, daßohne ReichstagundBundes- rathein inseinenFolgen noch unübersehbarerKrieg begonnen,dasdazu nöthigeGeldaufgebracht,eine Kolonialarmee geschaffenund derSchwer- punktderdeutschen Politik nach Asien verlegtwerdenkann,undmerkt staunend,wie eng derMachtbereichist,in demeranderGestaltungder Reichsgefchickemitwirkendarf.Noch wichtigerabersollte ihmdieFrage sein,die dasneustefinanzpolitischeExperimentjedemDenkendenaufdrängt.

Sie lautetsehr nüchtern:Jst Deutschland reichgenug,umeine verwegen expansivePolitik treiben,mit älterenWeltmüchtendenWettkampfwagen zudürfen?EsistdieselbeFrage,die dersolideGeschästsmannsichvorlegt, eheersichin dieGefahr kostspieligerUnternehmungen begiebt.

SeitJahrenwird dieFrage aufallenGassen bejaht;und dieflüchtig hinblickendeBetrachtung scheintdenschnellBegeistertenRechtzugeben.Die deutscheIndustrie hatausdemhohenStande dertechnischenWissenschaften und ausdereigenthümlichenVerbindung militärischerundsozialdemokrati- scherDisziplin Nutzenzuziehenvermocht;inkeinem anderenLandefindet man industrielle UnternehmungenwiedieBadische Anilinfabrik,in deren DiensteinganzesgedrilltesHeerjunger Erfinder steht.WirhabenJuge-

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nieure,die denNeidausländischerKonkurrentenerregen,gutgeleiteteBan- ken undthätige,klugihren Vortheil errechnende Händler.Sokonnten,in einemjungenReich,woAllesneu zuschaffenwar,undin einerZeit,wo dieElektrizitätalleBetrieberevolutionirte, Fortschritte gemachtundGe- winneerzielt werden,diekurz vorherderKühnsteselbstnichtzu träumen wagte.DieHauptstädterecktensichweitüber dasursprünglicheWeichbild hinaus, einzelneProvinzen,dasRheinland, WestsalenundOberschlesien, entwickeltensichzuüppigsterBlütheundfastjederTag brachteneueBotschaft vonfruchtbarenErfolgen deutscherArbeit. Eswarnurnatürlich,daßsol- chenSegens ungeahnte FülledieGemütherverwirrte undsogar manchen Verständigendesrichtigen Augenmaßesberaubte. Derrasch wachsende Wohlstandwar mitdenHändenzugreifen;und dieFreudedaran ließ man sichwederdurchdieEntwerthungdesAckerbodens noch durchdas SiechthumgroßerBezirkeverderben. Wermochte sichdarum bekümmern, daßdieschlechtenPreise,dieschwierigenAbfatzverhältnisseund dieLeutenoth dieländlichenBesitzerdesOstens mehrundmehrzwangen,slavischeArbeiter zumiethenundsodasdieWurzeldesPreußenstaatesbergendeLand zuentdeutschen,wersichtrübstimmen lassen,weilfürin denOstprovinzen geplante Unternehmungenniemals Geld zufindenwar? DieFormelwar längst ja gefunden: Ostelbien ist rückständig,auf absehbareZeit nichtzu retten undnurvomWestenkommtnochdasHeil.DortgedeihtdieIndu- strie,desneudeutschenVolkeskräftigeAmme,vondortbezieht Rußland, Südamerika,China, beziehendieentlegenstenLänderihre Waren;unddiese Industrie müssenwir mitallenverfügbarenMitteln,unterOpferung alleranderen Interessen,fördern.UngehörtverhalltedieFrage,was aus derHerrlichkeitdenn werdensolle,wenn die Kundenländereinesnichtall- zufernen Tages sicheigeneIndustrien geschaffenhättenundunserenhastig erweiterten Fabrikendann derAbsatz stocke.DieTrunkenen lächelten übersolcheBedenken. Warsnichtauchlächerlich?DasDeutscheReich,das zum ErbenGroßbritanniensvonderVorsehung bestimmte,würdenächstens denenglischenHandelvonallen MärktenverdrängenunddenBereinigten Staaten denWeltprofit streitig machen. Dazu braucheesfreilicheinestarke FlotteundüberseeischeBesitzungen,dennnurjenseitsderWeltmeere seinoch Etwaszuholen.Dashabe Bismarck,alsein bei allemGeniebeschränktes KindseinerZeit, nichterkannt undesseidringend nöthig,dasvonihmVer- säumterasch nachzuholen.Wenn wirnur erstdiegroßeFlotteunddie überseeischenBesitzungenhaben:Dann! ...Tüchtige,patriotischeMänner

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sagtenes. Was»dann« eigentlichgeschehensolle,wurdenierechtklar.

Aber dasAugederSprechenden leuchtetefroh, sienannten dieZweifelnden kleinmüthigeNörgler,die,weilsiedietraurigen TagederdeutschenZerrissen- heit nichtmiterlebthätten,auch nichtmitreden dürften,undriefenimmer wieder,ihnen gehebeim Anblickjedesneuen KriegsschiffesinstolzerFreude dasHerzauf. Das klangwunderschön;undderWarner, derausdas SchicksalHollands,Spaniens, Portugalsund deraltitalischen Republiken wies, hatteeineundankbare Rolle. DieAufträgemehrten sich,dieKurse stiegen,derBereicherung Deutschlands schienkeineGrenze gesetzt. Und nungewöhnteauchdiedeutschePolitik sichin dieneuen Luxussitten. Paul deLagardekonntenochsagen: »Jneinemsoarmen LandewieDeutschland istfür Sedanfeste, Erinnerungpuppen, Monumentalbauten,Gewerbeaus- ftellungenschlechthinkeinPfennigzurVerfügung-«Wohin entschwandden DeutschendiesebescheideneZeit? DenkmaleundMonumentalbauten schießen miterschreckenderSchnelligkeitempor, kaum einTag vergeht,wonichtin irgendeiner Stadt irgendeinFestmitFahnen, Guirlanden,o«llumina- tion und Bankettgefeiert wird, fürdieRüstungzu Land undzuWasser werdenungeheure,ungeahnteSummen gefordertundbewilligt,einKrieg, der inkurzen Wochen mehralshundertMillionen verschlingt,wirdbe- gonnen,derOberbefehlshaberwirdmit einemRiesengehaltund mit allem erdenklichenKomfort ausgestattetundfür jede Flaschedespasteurisirten Bieres,dasdieMannschast mitbekommt,werdendenLieferanten sechzig Pfennigegezahlt.Sollenwir etwaknickern,wenn wiraufWelteroberungen ausgehen? JstesnichteinerhabenerunderhebenderGedanke, daßDeutsch- land,dasselbeDeutschland,demmanvorvierzigJahrenHohnundSchimpf zu bietenwagte,heuteinAsiendencivilisirten Mächtenvoranschreitet?Die Augenleuchten,dieHerzengehenauf,diePhrasenrollen. Wiejämmerlich sehendiePfennigfuchseraus, diehinterderHeldenschaarherkeuchenund über dieKostendesSiegeszuges winseln! Deutschland ist unermeßlich reich. DeutschlandhatAussichtund AnspruchaufdieHandelsweltherrschast.

Deutschlandsieht jetzterstdieMorgenrötheeinesglücklichenTages.

Dabraucht Deutschland achtzigMillionen Mark. Und diedeutschen Geschäftsführerhaltenesfür nöthig,diesenBetrag durchdieVermittlung vonKühn,Loeb 8r Co. in Amerikazuborgen. Großbritannien,das über- kagen gezwungensein soll,demAnsturmdesDeutschenReicheszuweichen, hatfürdensüdasrikanischenKriegebenungefähranderthalbMilliarden Mark ausgegeben, ohne auchnurdiegeringsteBeschwerdezufühlen.Und

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dieKapitalistenderBereinigtenStaaten bietenihrin derHeimathnichts mehr unterzubringendesGeldausallen Weltmärktenaus.

KlugeGeschäftsleutehabeneslängst vorausgesagt.Siewußten:

nichteinschwindelhastesBörsentreiben,sondernderMangelanKapital hat denjähenKurssturzderletztenMonateherbeigeführt;undsie täuschensich auch nicht darüber,daßwirerstamAnfangderNiedergangszeitstehen.Un- geheureSummen sind schonverloren worden,noch gewaltigerewerdenfol- gen;und von jedemkleinenMakler kannman hören,daß»halbBerlin Pleite is «,wenn dieJndustriepapiere nochzwanzig Prozent ihres heutigen Werthesverlieren. EinsolcherVerlustwirdaber,dadieguteKonjunkturzu EndegehtunddieGeldreservoireleersind,vondenleitendenKöpfenfür sicher gehaltenundsiesagen,man müssenoch froh sein,wenn esnicht schlimmer komme. Weilfie dieserEntwickelunggewißwaren,stellten Industrieund HandeldieeifrigstenKämpen fürdieFlottenvorlage,diemitihren großen StaatsaufträgendesUnheilsLaufeine Weilehemmen konnte,unsaber das Trauerspiel gehäufterArbeiterentlassungenundfinanzieller Zusammen- brüchenicht lange ersparenwird. Dasahntendie Männermit denleuch- tendenAugenunddenaufgehendenHerzennicht;sie thaten immer,als könne dasDeutscheReichzumstärkstenHeersich aucheineSchlachtflotte erstenRangesschaffenundnebenbeinochEngland kapitalistischbesiegen- Vielleicht ernüchtertsiedernahende Krachundlehrt siedie derdeutschen MenschheitgezogenenGrenzenwieder mitkühlemBlick erkennen.Wohlwar Bismarck ein Kindseiner Zeitund,-als er,nachGoethesGreiseurath,mit BewußtseinauseinerbestimmtenLebensstufestehenblieb, manchemmoder- nen Gedankenunzugänglich Spät erst drangzuihmdie Kunde von derUmpflügung,diedurchdieasrikanischenundaustralischen Goldfunde undderenFieberfolgenin denBesitzverhältnissenganzerLänder bewirkt wordenwar. Erwußtenoch nicht, daßimeuropäischenRußlandBoden- schätzegesundenwordensind,derenrationelleVerwerthung unseren reichsten IndustriegebietendieLebenskraftentziehenkann, daßdie Amerikaner dem deutschenVerbrauchheuteschonbilligesEisenanbieten und nur, weillohnende Rücksrachtenfehlen, nochmitdemAngebotbilliger Kohle zögern. Doch sein gesunderMenschenverstandbewahrteihnvordemWahn, Deutschlandkönne denWettkampfmit LändernvongrößeremnatürlichenReichthum,älterer Jndustriekulturundfrüh gesichertemKolonialbesitzsiegreichbestehen.

K

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InnereMissionundHeidenmission 495

Innere Missionund Heidenmission.

Muter

allenWidersprüchenunsererverwirrten Zeit erscheintdenehrlich

es gläubigenSeelen keineranstößigerals derzwischenGlauben und Leben in derChristenheit.DieJnnereMission,einwohlgemeinterVersuch, diesenWiderspruchaufzuhebenoderwenigstenszu mildern,verschärftihnnur;

unddieHeidenmission,dieihnbisausdieentlegenstenJnselndesOzeans verschleppt, steigert ihninsUnerträgliche.Indem ichdasWagnißunter- nehme, Spuren einesWegesnachzuweisen,deraus derWirrsal hinaus- führendürfte, muß ich,Um nicht mißverstandenzu werden,meineAnsicht überReligionundChristenthum hier wenigstens kurz darlegen.

JchbekennemichzumchristlichenMonotheismus.DieMeinungder Materialisten,daß siedieWeltundihreEntstehungerklärthättenoderje- mals erklärenkönnten, ist leereEinbildung AlleNaturforschung ergiebt weiter nichtsals eineimmergenauereNaturbeschreibung. Früher erfuhr man durchdie Anatomie,wie dieEingeweidedesMenschen aussehen,heute- erfährtman durchs Mikroskop,wieHaut,Muskel,Knochen,Nervengebaut,

»gewebt«sind. Ehemals wußteman, daßderPflanzen-,derThierleibaus ErdeundWassergemischtist, heutekenntman dieeinfachenBestandtheile derErde und desWassersund dievielgestaltigenVerbindungen,die die chemischenElemente eingehenmüssen,wenn sieeinenLeibaufbauen sollen.

Daß sichDüngerin Brotkorn undRebensaftverwandelt, hatman seitJahr- tausenden gewußt;heutekenntman dieeinzelnenStadien desVerwandlung- prozeßesUnd dieBedingungen,dievorhandenseinmüssen,wenn ervor,sich gehen soll. Wir schauenalso zwar in dieWerkstattderNatur, aberihr Allerheiligstesbleibtunsverschlossen.Wirwissen nicht,was dieAtome dieübrigens hypothetischeWesen smdundderenExistenzvonmanchenmo- dernenNaturphilosophengeleugnetwird wasdiese angenommenen kleinsten TheilederMaterieimInnernbewegt,daß sie nach unverbrüchlichenRegeln einander anziehenoderabftoßen,aufsuchenoderfliehen.Wirhabenkeine Ahnungdavon, wiesteesanfangen,nur durchihre eigenthümlicheGrup- pirungeinGebilde herzustellen,daszuerstalseingrünes Pflänzleiner-

scheint,dann alsbraunerStamm mitgrünenBlätternandenZweigenund dasuns zuletztdiesaftige,süße,rothe Kirsche liefertmiteinemvon stein- harter Schale umschlossenenkeimfähigenKern. Wirwissenessowenig,wie wirwissen,wieesdieSonneanfängt,unsaufeinelEntfernungvonzwanzig Millionen Meilen warm zumachen,obwohlimWeltraum von Wärme nichtszuspüren ist.Sieversetzt,sagtman, denAetherin eineWellenbe- wegung, dieauf unsererErdedieKörperatomeergreiftundihnenjeneMo- lekularbewegungertheilt,die wiralsWärmeempfinden. Sehr schön!Nur

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ist auchderAethereinhypothetisches,einblos geglaubtes Wesenundwir findenes unbegreiflich,wieeinvon derSonne ertheilter Anstoßineiner EntfernungvonzwanzigMillionen Meilen diegewaltigstenWirkungen her- vorbringen soll, währenddieWellen,dieein insWasser plumpsenderStein erzeugt, schonin einerEntfernungvonzwanzig Fuß nicht mehr gespürt werdenunddieHitzedesgrößtenWaldbrandes, obwohldaserwärmungfähige Medium, dieLuft, nicht fehlt, aufkeinezwanzigKilometer wirkt. Mit einemWort: wirwissenviel underfahrentäglichmehr,wasden Fabri- kanten,denSpekulantenunddenTotschießernvonProfessiongroßenNutzen bringt,abervomWesenderDingeundvonihrer Entstehungwissenwirnichts.

Nursovielwissenwir,daß sichimWeltall einplanvollesWalten offen- bart, einehöchsteVernunft,dieallemenschlicheVernunftübersteigt,unddaß esKindereiist,wenn gegendieZweckmäßigkeitin derNatur derWurm- fortfatzdesBlinddarms und dergleichenKleinigkeitenangeführtwerden.

Fernerweißich, daß ich,derich nichtzu denDümmsten gehöre,mitall meiner Vernunft nichtdaskleinsteStückchenHaaroderHautmeinesLeibes, geschweigedenn meinAugeoder garmeineVernunft gemacht habeoder machenkönnte, undich glaube daher nicht, daß ichdasGeschöpfeinessich jzu immerHöherementwickelndenWurmes fei,mag-man ihm auchTrillionen Jahre Arbeitzeitzubilligen,dennderWurm ist entschiedennochbedeutend dümmeralsich.Erundich,wirkönnennur GeschöpfederhöchstenVer- nunft sein,denndieWirkungbleibtstets hinterderUrsachezurück,undsoll alsWirkung menschlicheVernunft herauskommen, so muß Vernunft, und zwareinehöherealsdiemenschliche,inderUrsachestecken.Nungiebtes Leute, diesichdiehöchsteVernunft unbewußtdenken,währendichmirVer- nunft überhaupt,geschweigedenndiehöchste,schlechterdingsnichtanders als bewußtzudenken vermag. Das beruht wohl aus ursprünglichenVer- schiedenheitenderSeelenanlageundesist Zeitverschwendung,wenn Männer mitverschiedenkonstruirtenSeelen übersolche Punktemiteinanderstreiten.

JederdenktsichdieSache,wieerkann, und DiesichGottpersönlichdenken müssen.dürftendieMehrzahlbilden. SelbstverständlichistdasWort »per- sönlich«,aufGottangewandt,nur einBild; auchdenkeichmirGottnicht alsvonaußenstoßend,sondernalsWeltseeleinjedemAtomthätig.

Die bewußteVerbindungunddenbewußtenVerkehrdesMenschen mitGottnennen wirReligion.DierohestenFormen, wie denFetischismus, abgerechnet,sinde ichdreiHauptformenderReligion,denen dreiMenschen- kreise entsprechen,die Gott alsMittelpunkt gedacht (mußerdochbald alsCentrum, bald alsweltumschließendeKugel,bald als Alles durchdringen- derOdemgedachtwerden) ihnkonzentrischumschließen.Deninnersten KreisbildendieMystiker,dieihnunmittelbar wahrnehmen. Ich glaube,

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InnereMissionundHeidenmission 497 daßessolcheMenschen giebtnndauch außerhalbderChristenheitzuallen Zeiten gegeben hat. Wird ausderMystikeinBeruf, einHandwerkge- macht,inbeschaulichenKlostergenossenschaftenundinPietistengemeinden,so kommtgewöhnlicheinZerrbildodereine Folterkammerheraus;dieZahlder wirklichenMystiker dürfte außerordentlichkleinsein:diemeisten,diesichda- für halten, sindphantastischeoderhysterischeSchwärmenDen zweiten Kreis bildendie Seelen,dieGottmittelbar wahrnehmen:inderNatur,im Menschen,inderWeltgeschichte,in dergöttlichenLeitung ihres eigenenper- sönlichenLebens. Dahin gehörendiefrommen Judenund diePuritaner, die inderUeberzeugung,einausgewähltesVolkundvonGottgeführtund geschütztzusein, Großes vollbracht haben,diegroßenPhilanthropenund Pädagogen,diefrommen Naturforscherwie Newtonunddiefrommen Künstler, dieGottinallemSchönen sehenunddenen daskünstlerischeSchaffenGottes- dienstist.Den dritten Kreis bilden dierechtfchaffenen,aber amusischen Seelen,dieüberzeugtsind, daßeseineGottheitundeinevonihrgesetzte sittlicheWeltordnung giebt,diesichihr einzufügenbestrebt sindundausGe- wissenhaftigkeitjeden Frevel scheuen,derenkaltesHerzaberGottwederun- mittelbar nochmittelbar wahrnimmt. Entwederfragen sie,alsWeltkinder, überhaupt nicht nachGott oder siedienenihmganzäußerlichausaner- zogenerGewohnheit,oderum nichtgegendieVolkssitteanzustoßen,oderaus politischerBerechnung.Wieman sichdieGottheitvorstellt,daraufkommt wenigan. DerMystiker ist meist Semipantheist·Jmzweiten Kreisekann man gut Polytheist sein,wieesdieVerehrerderHeiligenunter denKatho- likenunddieHeldenverehrer nach Carlyles Muster noch heute sind;nur können die altenKalte,die denGeschöpfenvonDichterphantasiengewidmet waren, nichtwiedererweckt werden.

An AlledemhatdasChristenthnmnichts geändert.VonseinenLeistungen habe ichinder»Zukunft«vom sechzehntenJuni zwei hervorgehobemeshat denRahmengeschaffen,worinsichseitdemdasreligiöseDenken undEmpsinden bewegtundinalleZukunft bewegen wird,eineFormderGottesverehrung, die immermöglichbleibenwird,wieendlossich·auchderGesichtskreisder imWissen fortschreitendenMenschheiterweitern mag;undeshatdieKirche gegründet,die, allepolitischenund sozialen Umgestaltungenüberdauernd, denMenschen mancherleiWohlthaten erweist, wofür sich ihreDiener, wie esinirdischenDingennichtandersseinkann,durchdieLastenbezahltmachen, diesiedenGläubigenaufbürden,unddurchmancherleiGewinn, densiezum SchadenderGläubigen ziehen. DazukommtdanndieErlösung.Ueber diesehabendieTheologenvon Paulusanphilosophirt;derEinehat diefe der AnderejeneSeitedesgeheimnißvollenVorgangs aufgedeckt,gewöhnlich zugleichaberauchein StückWahrheit verhüllt.MitderErlösungvomHöllen-

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feuerbrauchenwiruns nicht abzugeben,dennvierJahre nachderKonstr- mation glaubtbeiuns keinMensch mehrdaran,nichteinmal einPfarrer oderPastor;esisteineErdichtungans Zeiten,indenenhäusigeHenker- szenendiePhantasieverdarben;man magsichvon Gottnoch so kindifche Vorstellungenmachen: zum Henker würdigtihn heuteNiemand mehr herab.

NatürlichmußJeder,derandiepersönlicheUnsterblichkeitderSeele glaubt, dasjenseitigeLebenfürdieFortsetzungundVollendungdesdiesseitigen halten, füreinenZustand,woderMenscherntet,waserhienieden gesät hat, unddarum bleibt dieserGlaubenicht ohne heilsame Einwirkung aufdas sittlicheVerhalten.WennChristusvom höllischenFeuer sprichtnndvom Wurm, dernicht stirbt, someintereben, im Ausdrucksichdemherrschenden Volksglauben anschließend,einen nnglücklichenZustandvon unbestimmter Dauer. EineVorstellungdavon können wir,mitunserer Erfahrung auf daserische beschränkt,so wenig habenwievondemglücklicherenZustande derBesserenundVollkommeneren. Willman dasWortErlösungaufs Jen- seitsanwenden,sokannesnur in demSinne geschehen,daß Christus durch dieErleuchtungundKräftigung,dieergewährt,VieleindenStand setzt, sicheinebessere LageimJenseitszu sichern.Was dieErlösungvonder Sündebetrifft, so stecktin derkatholischenwieinderlutherischenAuffassung dieses Begriffs Wahrheit (wenigerindercalvinischen),nur darfman sich dasKirchendogmanichtmitHautundHaaren aneignen. DaßeinMensch, dersich durch Christi VermittelungindieinnigfteGemeinschaftmitGott versetzthat,über eingemeinesLasterlebenerhaben ist, verstehtsichvonselbst; und auch schondieChristendeszweitenunddritten derebengezeichneten Kreisebleiben durchdievom NeuenTestament ausgehenden Mahnungen, Erleuchtungenund ErhebungenunddurcheinenverständigenGebrauchder kirchlichenErbauungmittelvorderVerirrunginsRuchlose bewahrt.Aber ,freivon Sünden könnennur diewenigen wirklichenMystikerwerden, die, nur nochdurcheinen zumSchatten geschwundenenLeibmit derErdezu- sammenhängen)undnichts Irdisches mehr begehrend, schon hieniedenim Himmelleben, wie dieekftatischenJungfrauenoder derseraphischeFranziskus, dessenAugenach beiden Seiten geöffnetwar,indemerGottsowohlimeignen Innern wiein jedem Menschen,in jedem Vogel,injedem Wasserquell schaute.BeiallenUebrigen,ohnedieauchjene wenigenauserwähltenZeugen fürdieWirklichkeiteineshöherenLebensnicht vorhanden seinkönnten,ift LebengleichbedeutendmitSündigen.DennauchderMensch istdemallge- meinenGesetz unterworfen, daß sichnichtalleOrganismeneinerArtfrei entfalten können,sondern daß sichdie einenentfalten auf Kostender anderen.

Damit ist gesagt, daßdieimKampfums Dasein Glücklicher-ensündigen müssendurch hüusigereVerletzungenderLiebe nndGerechtigkeit so sehr

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