• Nie Znaleziono Wyników

Die Zukunft, 27. Mai, Jahrg. XIX, Bd. 75, Nr 35.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Die Zukunft, 27. Mai, Jahrg. XIX, Bd. 75, Nr 35."

Copied!
52
0
0

Pełen tekst

(1)

m. Jahrg. Huld-,den27.Mai1911. It.Zä.

Die ZukunfkH-

Herausgehen

Maximilian Hardew

Inhalt:

Seite

Tokeugerickxk.............................269

Enea Hilf-im VonMax Mell ....·................283

Uniprvqum VonKarl Federn ....................287

Keins-schaffundVolk-charakter. Vonwilly Helcpach .........292

DerItandardkrull. vontadon ....................297

nachdruck verboten.

f

Erscheint jedenSonnabend.

preisvierteljährlich5Mark, die einzeerNummer 50 Pt.

O

Berlin.

Verlag der Zukunft Wilhelmstraßesa.

1911.

(2)

Abonnement

pro

ouartal

illa-, Insel-In- U.20.—.

Unter

kreuzbancl

bezogen

M.5.65,

pro Jan-

kn.22.eo.

Ausland

u.e.so.pro

tahk

M.25.2o.

Linn

ehonniert

bei

allen

Bachhanålangen,

Poetanetaltön

uncl bei

clerExpeditiou

ISinII

sw-

WIIISIIISIH

Is, Is-

Rheums, Astliknh Nervöee and Erholungsbedükftige.

BETTLER Kutsmitiel -lslaus

höchstei- Vollendung iinclVollständigkeit-

Heilmntlioclen m Näher-es durch Prospekte- fük Herz-leiden, Adeknveklcellcung, Verdauung-v und Nieren- lctanlctieltoth Preuealeiclem Pettsucht, Zucker-sahn Kot-»he, kükalle physikalischen

hekkllehe 100 Betten Zentralheizg.,elel:tt·l«icht,Fahr-Stuhl, her-liebes ksgr. stets geöffnet-.Besuch suedenbesten Kreises-. litt-d

Berlin Hamburg

Zwei der vornehmsten Hotels der Not-zeit-

·Kiinstler-Klauee carl stallmann sägekstkasse 14. Pllsner Urquell.

Restaukant Seniralsöötel Täglich Konzert

Franz Tegge-schmidt

ånåde

l

HEXE-«-

(3)

N sc)’,,s

klits-!IEEIEEET""37WITHE«"TEE«I3"«IEEEHH« Esssssspssssiss---siisIisIsgiiiijsstsgxsssixsssiisei-»Ein

; l

-Exil-zIIi.:!lEIIIH-JIIIHIEEEE»in-MEP«

HEF-

« «·J·!.·.«—.«..

J :

o

ff.

J Es

-.

»-

k. , , l ,

inle"-«-·«·«’Ii« : . bf 7«!ks«strillHH

HWTTIIMHlissl :-:-«—...- «« «··.,-;"S««·:!!i·'«!ks«I-ss»s-skiktill

ISDIESESisIsiiiIExIIsisIEESZL.. » « ,-«--;:x,,.,»;«"LIZIHEIEHIIIIFFLiEiijssssLssiiihs

Berlin, den 27.Mai 1911.

, »Es-Ov» I

Totengericht.

Kwilecki wider Kwilecki.

FosephStanislausAdolfGrasKwilecki kommtnicht zuNuhe

J AmdreißigstenJanuar 1897ister, alsSohndesGrafen ZbigniewWesierski-KwileckiundderGräfinJsabella,geborenen Vninska, aufdemberliner Standesamt angemeldetund später vondemPäpstlichenHausvrälatenundStiftspropst Ludwigvon

»Jazdzewskigetauftworden. JmNovember 1903 siehtersein-e Elternimmoabiter KäfigderAngeklagtenzsie sindbeschuldigt, gegen denParagraphen 169desReichsstrafgesetzbuchesgesüns digtzuhaben. zWereinKindunterschiebtodervorsätzlichver- wechseltoderwerausandereWeisedenPersonenstand einesAnde- ren vorsätzlichverändert oderunterdrückt,wirdmitGefängnißbis zu dreiJahrenund,wenn dieHandlungingewinnsüchtigerAb- sicht begangenwurde,mit3uchthaus bis zuzethahren bestraft.« Das Merkmal gewinnsüchtigerAbsichtwärenichtweitzusuchen.

Zbigniewvon Wesierski istvon demVater seiner Mutter, dem Grafen Joseph Kwilecki,zum Erben desalsFamilienfideikommiß unveräußerlichfestgelegtenRittergutesWroblewo eingesetztwor- den,dasnachdenGrundsätzenderMajoratsordnungzuvererben ist;zurErbfolge berechtigtsind,wenneindirektermännlichcrErbe fehlt,dieAgnatendeserstenBesitzers,vonderErbfolge ausge- schlossenunehelicheundAdoptivsöhne.Dem SchoßJsabellens

23

(4)

270 Die Zukunft-.

sindvierKinder entbundenworden: einKnabe,derfrüh starb, unddreiMädchen.DieGräfin ist fünfzig Jahre altundhat seit 1879nicht mehr geboren. DieAgnaten, derenFührerdieGrafen Miecislaw undHektorKwileckisind, dürfen also getrost aufdie HerrschaftWroblewo hoffen, die, trotzdemdasGut verwahrlost ist, nocheinen Jahresertrag von siebenzigtausendMark bringt.

HabenZbigniewundJsaeinKinduntergeschoben,dann thaten

«

sies,umderGräfinundderenErben denVermögensvortheildes Majoratsrechtes zusichern; gewinnsüchtigeAbsichtundZucht-- hausbis zuzehn Jahren. Das behauptetdieAnklage. Derals GrafJosephKwileckiangemeldeteKnabe seivon demFräulein Caecilie ParczainaußerehelichemGeschlechtsverkehrihremLieb-—- sten,einem österreichischenHauptmann,zweiTagevor derWeih- nachtdesJahres1896geborenundvierWochendanachaneine- von Jsa aufdieKindsuche Gesandte verkauftwerden. Fastelf Monate langsitztdieGräfinimUntersuchungsgefängniß;als, nach einerHauptverhandlung,diesichdurchden ganzen November hin- geschlePPt hat,derFreispruchderGeschworenenverkündetwird, jauchztimSaal, jubeltvordemGerichtshaus dieMenge. Graf HektorKwileckierklärtöffentlich,dieVerhandlunghabe auch ihn von derUnschulddesGrafenpaares undvonderEchtbürtigkeit des Knaben überzeugt,und bittet denVerwandten dieobjektiv falscheAnschuldigungab.Doch diese Stimmung währtnichtlange.

JmVundmitdenvonHektor,demGutsherrn auwailcz,geführ- tenAgnaten, diefürdasMajorat kämpfen,leitetCaecilie,die den WeichenstellerMeyer geheirathethat,einen Civilprozeßgegen denGrafenZbigniewein«-Von demposenerLandgericht,vordem dieGräfinbeschwört,daß siedenKnaben geboren habe,wirddie Klägerin abgewiesen;setzt,nachdemJsabella gestorbenist,beim Oberlandesgericht aber dieAnerkennungihresMutterrechtes durch. Dieses Urtheil (vomDezember1909) istvon einem leipzi- gerCivilsenat,demderReichsgerichtspräsidentvorsaß,jetzt auf- gehoben,dievonderErstenJnstanzbeschlosseneAbweisungder Klagemitunbrechbarer Rechtskraftbestätigtworden.Der Wort- lautderEntscheidung,die demReichsgerichtneues Vertrauen warb, ist noch nichtbekannt unddieAng-abe,sieweise denAgnaten einen anderen Weg, aufdem dieAnfechtungdesMajoratsrech- tesmöglichsein werde, nicht allzu gläubighinzunehmean hun-

(5)

Toteugekichr 271 dertBlättern aber wirdangekündet,derkwilczerStratege wolle denKampffortsetzen;wolleFrauMeyer nun stacheln,gegenden

jungenGrafendieKlageeinzubringen. Nochimmer ist also, nach vierzehnjährigemHader,ungewiß,obJosephStanislaus Adolf alsJünglingKwileckioder Meyer heißen,alsHerraufWroblewo hausenoder inderVahnwärterhüttezumMann erwachsenwird.

Auch fürdenschlimmstenFall,liestindenvonderkwilczer Par- teifreundlich informirten Zeitungendermitleidige Bürger, ist für denKleinen gesorgt;unddenkt,rasch getröstet:,,Gar sohartkanns demKerlchendann ja nichtwerden« Weil ernicht weiß, daßdie Güte derAgnaten für denFallihresSiegesdemjungenJoseph eineJahresrente vonzwölfhundertMarkausgesetzthat,die eines WeichenstellersFrau, nichteinenalsMajoratserbe imGrafen- schloßErzogenenindieSicherheitdesVehagenslocken kann-

JchhabedieHauptverhandlungvordem Schwurgerichtmit- erlebt,dienichtdenwinzigsten haltbarenBeweis fürdieSchuldder Angeklagten erbrachthat,und immerfür möglichgehalten,daßJsa- bellaimJanuar 1897,um dasFideikommißrechtzuretten,einen Knaben gekauft hatte,deruntergeschobenwerden sollte,wenns zu einerFehlgeburtkamodereinMädchenan derNabelschnur zappelte.Für möglich: nicht fürerwiesenRichteineMinute lang aberhabe ich, seit ichdenKnaben sah,bezweifelt,daßerinIsa- -bellens Leibgezeugtworden war. Naturlist müßte lächelndein Wunder gewirkt haben,wenn dieses Kind,das derPrüfendeVlick injedemsichtbarenWesenszugderMutter,der Schwester so ähn- lichfindet,demSchoßeinerProletarierin entbunden wordenwäre (deren älterer,auchvon demösterreichischenHauptmanngezeug- terSohnviel kleiner undrachitisch ist).DieGerichtsärzteunds ein zumGutachten berufener Portraitmaler haben, nach gründ- licher Untersuchung,bekundet: Jm Ganzenundin vielenEinzel-—- heitenderSchädel-undGesichtsbildungdieauffälligsteAehnlich-- keitmitha und derenTochterznichtdieallergeringstemitCaecilie..

Was derHausarzt derGräfin, HerrDr.Rosinskiaus Wronke,—

alsZeugeundSachverständigerauss agte,waralspsychiatris ches Gutachten nichtzubrauchen,alsLeumundszeugnißvomRichter unwägbar;derKnabe,denerinderWochenstubegefunden hatte, sahaus wie einneugeborenesKind(undmußte,wenn derAnkläger imRechtwar,dochschonamvierzigstenLebenstag angelangtsein),.

23.

(6)

272 Die Zukunft.

die Mutter wie-jedeWöchnerin;keinGrund zumVerdacht.Der demRuf nach beträchtlichsteSachverständige,dergreifeProfessor Freund, sagteaus: »Hier fehltdieGrundlage füreinGutachten;

dennwirhabennur gehört, nichtgesehen,was vorsieben Jahren geschah.DasGehörteaberliefert nichtdenkleinsten positivenVe- weis gegendieMöglichkeitderSchwangers chaftundder Geburt. « DiesenBeweis sollte nachdemWillen des Anklägers zunächst schondasallzu hoheAlterderGräfin liefern.AndieBeugung- fähigkeitdesGrafen wagte sichkeinZweifel. Tagelangaber wurde verhörtundverhandelt,um ,,festzustellen«,ob eineFünfzigjährige nochgebärenkönne und ob imvierten,fünftenMonatderangeb- lichen SchwangerschaftindenHemdenderGräfin Menstrualblut- fleckegefundenworden seien. Jedes HandbuchderGynäkologie konnteschonimVorverfahren dienöthige Auskunftgeben.Und weralsJuristdasStaatsexamen bestanden hat, sollte, eheersich andenNichtertischsetzt, eigentlich auch sovielMedizin gelernt haben, daßerweiß:biszum Eintritt derMenopause kann, wäh- rend der ganzen ZeitdauerderMenstrualfunktion,imbefruchteten Schoßeiner alsgebärtüchtigerwiesenenFrau einKindwachsen.

DieKatamenialblutungen sprachen nichtgegen, sondern fürdie MöglichkeitderSchwangerschaftzlautsogar noch,wenn siewirk- lichbis in denfünftenMonatgedauerthätten. Spiegelbergrechnet inseinemLehrbuchderGeburthilfe das AufhörenderMenses nichtzu densicheren ZeichenderSchwangerschaftund erwähnt

»dieBerichte vonWeibern,dienur währendderSchwangerschaft menstruirtgewesensein sollen-« Daßeine Frau überFünfzig Mutter wird,ist nicht alltäglich;doch auch nichtunerhört.»Frauen vonfünfzig, ja,vonsechzigJahrenhaben nochKinder geboren«, sagt,inPeits Handbuch,derGynäkologe ProfessorGebhard.

Varker hatvon einer Achtundfünfzigjährigenberichtet,derein Kindentbunden wurde;DepassedieSchwangerschafteinerNeun- undfünfzigjährigenbeschrieben.Der prager Professor Kischhat fünfhundertFrauen verschiedenerNationalität untersucht;da- vonkamenhundertundsechs erst nachdemfünfzigstenLebensjahr ins klimakterischeAlter und inneunundachtzig Fällentrat die Menopausezwischendemfünfzigstenunddemfünfundfünfzigsten Lebensjahrein;,,indennördlichenLändernimAllgemeinenspäter salsindensüdlichen.«Als wichtig gilt: Rasse, Pererbung, Klima,

(7)

Totengericht. 273

BeginnderPubertät, äußere Lebensverhältnisse;mitschwerer Arbeit bepackteFrauenpflegen früherinsKlimakterium zu kom- men alsmüßigeDamen.Jn derBoruntersuchunghatte dieAmme, gegen derenZeugnißkeinBedenken sprach, ausgesagt,das ihrer Brustanvertraute Kindseisichereinneugeborenes gewesen;sie selbst habedasWürmchenvondemmeconium,dem Kindspechder- frühstenLebensstunden,gesäubertundeshabe erst ordentlichge- trunken,als ihmvon Nosinskidas Zungenbandgelöstworden war. DerAbgeordnetePropstvonJazdzewski,derHundertevon Kindern getaufthatte,erklärte mitnachdrücklichsterBestimmtheit, derKnabe, dessenLeiberalsTäuferbetastete,könnenur ein Paar Tagezuvor geboren wordensein.Dochuntersucht,richtig,nach der Kunst, hatteKeinerdenKleinen ;undimSchwurgerichtssaalwurde (vonJuristen,nichtvonMüttern)derBehauptung geglaubt,an KopfundHändenkönneman nicht erkennen,ob ein Kind gestern odervor sechsWochengeborensei.Einerlei. DerHausarzt,der dieGräfin seitJahrzehnten kannte, hielt sie füreineWöchnerin, denKnaben,denerimSteckkissen sah, fürihrKindEineFreun- dinJsas, Frauvon Moszczewska,beschwor, daß siedem Akt der Entbindung zugeschauthabe. (EinFräulein, das,alsBertreterin eines bekanntenDamenschneidergeschäftes,beimMaßnehmenan derGräfindieSchwellungdes Leibesumfanges bemerkt und notirt hatte,wurde nicht vernommen.) DerAgentderKwilczer hatte füreinzelne ZeugenaussagenSummen biszuzehntausend Rubeln angeboten. DieWuchtdieser Thatsachenüberwogdas Bündel wirrer Gerüchte.DieGräfin hat Tücherum den Leib gewickelt, Schrotbeutel und Gummibäuche umgebunden und miterheuchelter SchwangerschaftMonate langdieErfahren-- sten,Mütter und Großmütter,getäuscht;sie hataus Wroblewo inBordeauxflaschen Schweineblut,ausKrakau eineNabels chnur nebstAachgeburtnachBerlin geschafft,mitschrillemGekreisch fünfstündigeWehen markirt,vorzweiverheirathetenFrauen,vor Amme undHausarztdiemüdeWöchneringemimt.Daswurdebe- hauptet.Wer glaubts? EineFrau,diesolchePantomimiksolange, ohnesichjezuvergessen,vor mißtrauischenBlicken durchführen könnte,müßtealsBrettergestim helleralsdieBernhardt unddie Sorma strahlen.UndJsasaß soruhigundstolz aufdemschmalen Stühlchen.LießFreundeundFeindeerzählen,wasihnen beliebte..

(8)

274 DieZukunft.

,-

und verzogkeineMiene. Einmal nur,alseineStunde lang schon vonihrenblutigenHemden geredetworden war,rücktesie,ders nun dochzu bunt wurde,denStuhl linkwärts undhieltdieHand vordieAugen,bis aufdasGewäschendlichdernächsteHebammens klatschfolgte.War fünfMinuten danachaberwiederfröhlichwie einMädchenbeimerstenWalzer.SiehattedenCharme,dieun- verwelklicheGraziederHerzoginnenausNokokobüchernundbei- nahe jedes Wort,das sie sprach,war menschenverständigundkam aus klug gewähltenvon sicheremTaktgewahrter Distanz.

Nun istsietot;kannihrJunges nichtmehrschützemAuchJaz- dzewski,ihr besterVertheidiger,liegt längstimGrab.Jstdie»that- sächlicheFeststellung«des1896inWroblewo, imJanuar 1897 in derberliner Kaiserin-Augusta-StraßeGeschehenen heute noch möglich?Würde nicht aucheingegen denKnaben zugelassener Prozeßgegen dieMutter geführt,der, solange sie lebte,keine Schuldnachzuweisenwar (und fürdie derEhemann,weilerdie ZeitderWehenund derEntbindungnichtinBerlin verlebt hat, nicht wirksameintreten könnte)?Müßte nicht jedes Urtheil,das denjungenJosephaus demMajoratsrecht stieße,Unrechtschaf- fen? Langsamer noch als, nachdemplutarchis chenWort,dieMüh- len der GöttermahltdasRäderwerk unsererGerichte.Ein Mord verjährtinzwanzig,eineKindesunterschiebungausgewinnsüch- 1tigerAbsichtschoninfünfzehn Jahren; nachdemBürgerlichen Gesetzbuchwährtdie,,regelmäßigeBerjährungfrist«dreißigJahre;

und»derAnspruchauseinemfamilienrechtlichenVerhältnißunter- liegtder Verjährungnicht, soweiteraufdieHerstellungdesdem Verhältnißentsprechenden ZustandesfürdieZukunft gerichtet ist.« Jn EnglandhatderberühmteStreit um das ErbeArchibalds Douglas nur sieben Jahre gedauert;dann hatdie Kammer der Lords entschieden,diefünfzigjährigeJaneStewart habeden Kna- benArchibaldgeboren,nicht,wiedieAgnaten behauptetundeiner Jnstanz glaubhaftgemachthatten,ingewinnsüchtigerAbsichtunter- geschoben.DieAehnlichkeitvonMutter und Kindhatauchdamals mitbestimmendaufdieUrtheilsbildung gewirkt.Bei uns kann, anderthalbJahrhundertespäter,derRechtsstreitviellängerwäh- ren. Sowill esJustitia.DasinddieKwilczer,die mitallen er- reichbarenMittelndieviertausendHektarsbigniewsansich reißen möchten.DieWochenlangderHauptverhandlungzuhörten,zu-

(9)

Li.

s

Totengericht. 275

sahen,dieihnennahVerwandte ins Zuchthausbringen sollte.

DietrotzderAbbitte unddemVekenntnißdes Jrrthums nicht ruhenundrasten.Daist CaecilieMeyersParczaz demPsychologen diewichtigsteGestalt dieser Tragikomoedie.JmSchwurgerichts- saal hatsie,imAdvent 1903,nicht gewagt,zusagen: »Derals JosephKwileckiinsPersonenstandsregistergeschmuggelteKnabe istmein Sohn.«Nur Etwas von Glauben gestammelt. Jstseit-—- demaberunermüdlich.DieVarbara inHebbels»Demetrius«

prangt inedlerem Wesensstoffals diese unheiligeCaecilie. Die hatdasKind,dassie ihremBuhlen gebar,verkauft,sichniemehr drumgekümmertunddas Muttergefühl erst entdeckt,als wieder Geld zuverdienen war. Sprichtundhandeltsiewider besseres sWissen2Dann ist sienicht unholder alsmancheHeldindesPi- taval. Glaubt sie selbstanihre Mutterschaftundwillwirklich ihr FleischundBlut aus demGlanzeines Grafenschlossesin die dumpfe Vahnwärterhütte holen?Dann dürftederVolksmund sie einUngeheuernennen. Damit ersguthabe,hatsiedenKleinen verkauft.Nun hatersgut; istGrafensproß,anerkannt undkann, durchFleißundsparsame Wirthschaft, zumsteinreichenMann werden. Aberdie Mutter gönnts ihm nicht. UnterschreibtBoll- machtenundläßtinihremNamenProzesseführen,umdenJun- genaus demWohlstand, derAdelsherrlichkeitzudrängen.Wo derQuelldesnatürlichenGefühles vergiftet ist, sickertkein reiner TropfenansLicht;undinkeinemLandverbürgterRechtsnormen dürfteaus solchemVorn einRichterdasUrtheil schöpfen.Kein durch PflichtundRecht zuöffentlicherWägungdesThatbestandes Berufener darfdulden,daßderToten,wieerwieseneSchuld, nachgesagt werde,was gegen die Lebende inzweiLustrennichtzu erweisenwar. Keinerübersehen,mitwelchenMitteln dieser Kampf geführtworden ist;nochdieFrage vergessen,ob dieGier,dieihn weiterführt, nicht, auchwenn sieungesättigtbleibt,das Leben eines Menschen,einesschuldlosen, zerrüttenkönne.Jsabellaisttot;und ohneBeweis derWahrheit Totezubeschuldigen,ist schmählich.

Nichthofen wider Gaffron.

Dassolltenauchdie Leutebedenken,die mithäßlicherRede jetztden imZweikampf erschossenenMalerWilhelmvonGaffron und OberstradamnochimGrab schänden;miteiner Nacht-ede,

(10)

f

276 Die Zukunft.

derenWahrheit nicht erwiesen, nichterweislichist. Gaffronistvon demFreiherrnOswald vonRichthofen,einem Sohndesim Aus- wärtigenAmteinstzurNachfolgeBülowserkürtenStaatssekre- tärs,inderJungfernhaide erschossenworden.Densoll erbewuchert,.

beleidigt,von hinten feig überfallen haben. DieGerichtsakten bieteneinanderes Bild. Gaffron,einwohlhabenderMaler und Sportsman, war demum zweiJahrzehntejüngeren Lieutenant Freiherrnvon Nichthofenbisins Jahr 1908 befreundet. Der Lieutenant hatdrückendeSchuldenund bittet denMaler, ihm fünfund zwanzigtausendMark zuleihen,dieerzurückzahlenwerde, sobalderseinen Plan,einereicheAmerikanerin alsEhegefährtin zukapern, ausgeführt habe. Gaffronwillnicht;denktvielleicht, wiePolonius, daßman mitdemDarlehen oft auchdenFreund verliere. Erweistden Baron anallbekannte Pumpquellen. Die versagen fichaber demDürstenden.Wieder kommt Nichthofen stöhnendzuGasfronzbietetstärkereSicherheitundhöherenZins Er willdemDarleihereinen inEgyptenangelegten Erbtheilver- schreiben,denerauf ungefähr vierzigtausend Mark beziffertund der infüanahren fälligwird.Unsinn,sathaffron; ichbindoch keinGeldjude. Kann sichdenTagvorTagwiederholtenBitten- des bedrängten Freundes, derauchunter denangebotenenBe- dingungen anderswo keineHilfeaus derNoth findet, schließlich aber nichtentziehenund erklärtsich bereit,das Geldzugeben, wenn derGläubigeres mitfünfProzentverzinseunddieKosten derSicherung übernehme.DieseSicherungsollderegyptischeErb- theil schaffen,denRichthofendurchnotariell beglaubigtenVer- trag an Gaffronabtritt. DerTestamentsvollstreckerbestreitetdem Lieutenant das RechtzusolchemVertrag. Demwidersprechen auchOswalds Brüder,die einVorkaufsrechtaufdencedirten Erbtheil habenund deren Einwilligung GaffronsAnwalt des- halberbitten mußte.DerLieutenant, der in immerengere Klemme geräth,überredet den Maler zu einemneuen Vertrag.Jm vorigen betrugdieKaufsummefünfundzwanzigtausendMark;jetztbeträgt sie»annähernd vierzigtausend«.Mit dieser Aenderungsollder Testamentsvollstrecker beschwichtigtwerden« Die Brüder dürfen vondemBertragnichts erfahren. Mündlichwirdvereinbart, daß Gaffron,wenn ihmderErbtheil ausgezahltworden ist,alles die Darlehenssumme nebstZinfenundKostenUebersteigendedem Ba-

(11)

Totengericht. 277 ronzurückgebenwerde.Dazu haterselbstsicherboten. Auf andere Artschien ihmdasGeschäftschwerzumachen.Erwußtenicht,was ausdenegyptischen Papieren herauskommen,wie hochdieSumme derKosten fein werde,oberamAuszahlungtag nichteine Musul- manenhand schmieren müsse;undmochte sich,bei allerFreund- schaft,sagen, daßesallzuunvorsichtigwäre,einem leichtsinnigen jungen HerrndenErbtheilauszuliefern.DerhätteinfünfJahren, stattdiegesuchteDollarprinzessinzufinden,amEndeneue Pflich- tengehäuftundkäme dann mitderBitte um weitere Fristungder altenSchuld.ZuverlässigeSicherung botnurdieCessionderErb- schaft.NachseinemWortlaut mußteaber derVertrag vonJedem, derdieergänzende Vereinbarung nicht kannte,in einem Herrn vonGaffron höchstungünstigenSinn gedeutetwerden;jetztstand ja,desTestamentsvollstreckerswegen, drin,derErbtheilseifür vierzigtausendMark gekauft worden, während Gaffron dochnur fünfundzwanzigtausendgegeben hatte, alsoin denVerdacht kam, Wucherzins gefordertzuhaben.UmdemFreund,demRetter diesen Verdachtzuersparen, verpflichtete sichBaron Richthofen, keinem MenschenvondemVertrag,demGeldgeschäftEtwas zu sagen;auchseinenBrüdern nicht. Diese wichtige Gewissenspflicht hater,nach eigenem Geständniß,baldwieder abgeschüttelt.

» NochimJahr1908merktGaffron, daßEinladungen, andie ergewöhntworden ist,ausbleiben, daßFreundeund Turfge- nossen ihnmeiden oderschneiden.Erfühltsichgeächtet,vonden Standesgenossen boykottirt;underfährt, daßman ihmnachsage, erhabedenkleinenRichthofenbewuchertund sich auch sonstin unsaubereGeldgeschäfteerniedert. JnhellemZornstellterden Baron zurRede. Dergiebtzu,»sichschmutzigbenommen zuha- ben«,undverspricht, »das falsche Gerücht sofortzustoppen«.Da GaffroneineWirkung solchen Mühens nichtspürt, schreibter, am elftenNovember 1908,demFreiherrneinenBrief,indemer

ihmneuen Bersprechensbruch vorwirft.Richthofen(der ausdem

aktiven Dienst inzwischenindieReserveübergetretenist) macht diesenBriefzumGegenstandeiner Privatklagegegen Gaffron.

VomAmtsgerichtBerlin-Mitte wird dieEröffnungdes Ver- fahrens abgelehnt,von derNeunten Strafkammer des Land- gerichteslBerlin dieBeschwerde Richthofensverworfen. Jndem Strafkammerbeschlußvom dreizehnten Februar 1909 heißtes:

(12)

·278 ,- DieZukunft-

,,Der inkriminirte Passus des Briefes vom elftenNovember 1908 (,und machten dabei,wieJhnenwohl erinnerlich, dieei- gene Aeußerung, daßSie persönlich sich sehr schmutziginder Sachebenommen hätten«)wärenur dann beleidigendfürden Privatkläger,wenn erdieAeußerungthatsächlichnicht gethan hätte.Hierfürist indessenweder inderKlage nochindenwei- teren Schriftsätzendes KlägerseinBeweis angetreten.«Nicht einmal angetreten; trotzdemmitder selbenMotivirung schondas AmtsgerichtdieKlageabgewiesen hatte.LieutenantOswald Frei- herrvonNichthofenhat also nicht versucht,dieBehauptungzu entkräften,erhabe sein eigenesHandeln»sehr schmutzig«genannt.

DieHerausforderungen, dieerHerrnvonGaffron sandte,kom- men alsunbestellbar zurück,da der Maler insAusland gegan- genwar und(vielleicht,umeinemZweikampf auszuweichen)keine Adressehinterlassenhatte.JnseinemletztenBriefschriebithicht- hofen,erseheinihmeinen Feigling,der zuritterlicher Satisfak- tionunsähigsei,undscheideihndrumausdemKreis derMens chen, aufderenbeleidigendeReden erzureagirenhabe;iibrigensseier inTanger zuerreichen.DieserBrief istinGaffrons Hand gelangt.

ImNovember 1909sindbeideHerrenwieder inBerlin.Am Elf- ten,alservomReiten kommt, hörtGasfronvoneinemKundschaf- ter, dasz derFreiherrindas Nestaurant ,,Traube«gegangen sei.

OhnedenNeitanzug abzulegen,fährtervon Alt-Moabit indie Leipzigerstraße;steigt aus, stellt seinen KutscherandieThürdes Lokals undsagtzuihm: ,,BleibenSie hier,bisich wiederkomme, und achtenSiegenau aufDas,was ich thunwerde.«Dann tritt er (derdenkleinen NeitstockinderHand behalten hat)an Nicht- hofensTischundspricht:»Siewerden sichdesBriefes erinnern, denSiemir vor JhrerAbreise nach Afrikageschriebenhaben.

Daraufgiebtesnur eineAntwort.a UndschlägtihmmitderHand vor denMund. Nichthofen springt aufundschreit:»Schweine- hund!«Gaffron schreitet raschen Schrittes hinaus. (Daßer»ge- -flohen«seiundsein KutscherdenBerfolgeraufgehalten habe, ist niemals festgestellt,vordemOhrdesLebendenniemals behauptet worden. Klingt auch nicht rechtglaublich;Gaffronwar einHüne undBaronRichthofenwird als einschmächtiger,schwächlicherHerr geschildert,zudessen BändigungeinNobusterkeinen Kutscher brauchte.DaßLeute,diedurch einenSchlagschändenwollen,sich

Cytaty

Powiązane dokumenty

Der Aktionär hat zwar keine persönlich-en Beziehungen zu seiner Gesellschaft (er kann nicht gezwungen werden, in den Generali- versammlungen zu erscheinen und seine Stimme

Einem im feinsten Salonsinn reizvollen Buch, das nicht nur durch die Pracht seines Gewandes (die Ausstattung, die Fülle guter Bilder, das Satzgefüge ist jedes Lobes würdig) den

Wird ein neues Papier unter »literarischer« Mitwirkung herausgebracht, so will man zunächst nicht auf den Börsenpreis (den es am Tag der Subskription ja noch nicht giebt),

Jm Reichstag hat eine große Mehrheit (nur die Sozialdemokraten schwärmten hierfür) selbständige Versicherungämter abgelehnt, da sie eine Vermehrung des Veamtenapparates nicht

(Ein alter Bauer, der sich das Erdenglück durch lautes Bekenntniß zuRom, die Himmelsseligkeit durch das Bekenntniß quittenberg und Augsburg erlisten will: so witzige Wendungen sind

Nach der Lex Sherman sei aber für die Veurtheilung der Gesetzlichkeit einer Kombination das Maß des Ein- flusses auf den Wettbewerb im Handel entscheidend Während bei der

,,Jn diesen Versen ist der Schlüssel zu Fausts Rettung ent- halten: in Faust selber eine immer höhere und reinere Thätigkeit bis ans Ende und von oben die ihm zu Hilfe kommende

man die Eisenzölle ermäßigen könne und müsse. Deutschland wird auch seine Carnegies austreten sehen. Stumm, Servaes und Metz hatten das Recht und die Pflicht, Eisenzölle zu