XII. Jahrg. Serchi,den 29.thil 1911. Ir.31.
Die KukunfkH-
Herausgegeben
Maximilian Hardew
Inhalt:
Seite
Regung ...............................135
Unxeigem VonVorngräber undcux .................144
Truhen-Ieise Voncadon . .....................145
Theater ................................150
Unchdruck verboten.
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Erscheint jeden Sonnabend- Preisvierteljährlich5Mark,dieeinzelneNummer 50Pf.
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Berlin.
Verlag fder Zukunft.
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1911.
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IF Berlin, den 29.April 1911.
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Regalia
ÆndenKaiser von Oesterreich und Apostolischen Kö- nigv onUngarn: Eure Majestät dürfenganz ruhig sein.
Soruhigwiedas liebe Vaterland derzwischenMaßundMemel wohnendenDeutschen.Fürdienächstenvier Monate istkeine
,neue Bündnißbefestigunggeplant;keinedurchBesucheinSchön- brunn odeszchl zu erwirkende. Eltern,Kinder undKindeskinder bleibenden schwarzgelben Schlagbäumenfernoderschlüpfenin- kognito durch.Dieschimmernde Wehr schläftinderNeichsrüstr kammer.Man weiß hier,wasEurerMajestätLebenden Ländern derHabsburgerkronebedeutet und wielästigder erzwungene Ber- zicht auf Kraft sparende Daseinsgewohnheiteinem achtzigjährigen Herrnwerden muß.Selbst einem,dernochauffestenVeinensteht, seineFrühstückssemmelimSattel ißt,aus hellenAugenin neues Lenzwerdenschautundsichvom Volknicht,wievon einem bösen Thier, absperrt. Empfang aufdemBahnsteig, Vorstellungdes Gefolges, Fahrt durch windige Straßen,Dejeuner, Diner, Soir6e, Abschiedsgeleit: Das ist, namentlichbeiAprilwetter, nichts für einen fleißigen Greis, dersich nach gethanerArbeit undkargem meisz insBett zulegenundvor derSonne aufzustehenpflegt.
DieFreudeamWiedersehenwar gewißunbeschreiblich;mitder kleinstenVronchialbeschwerdeaberzutheuer erkauft.Sodenken hier alle Maßgebenden.Allewissen auch,wie ungern gerade auf
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136 DieZukunft.
ThronendashoheAlter zeigt, daßessichschonen,dieVertretung derMajestätAnderen überlassen muß.Wieschwer ihmdieAb- wehrderSehnfucht wird,diesich,mitder Feder,unter demGe- danken bäumt,»auchnur dieallergeringstenUmständezuverur-
sachen«.Antwort: »DiegrößteFreude;schonvon derAbsichtge- rührtundbeglückt«Zwischenzwei Seufzern. Erklettert deralte HerrnichtdieBahnsteigtreppe,kürzternachdemPrunkschmaus denEercle, so heißts:Derhält nicht mehr lange. Holtersicheinen Husten,sowirddenfertigenRekrologen das letzteStückangeflickt und in allenBurgwinkelndieFrage beflüftert,überwelcheVräuche undPrivilegien derDonnergang des neuen Taggestirneshin- wegdröhnenwerde. EinAchtziger hatdasRecht, hatalsRegent diePflicht,voreinbrechenderZärtlichkeitsichzuhüten.DieQuäle- reimitderMilitärstrafprozeßordnung,derDienstsprachensache Khuencontra Bienerth mußer,mitwunden Bronchien,dulden ; aufdieWonne,Logirbesuchzuempfangen,seufzendaberverzich- ten.Berlin hatTakt. UndOesterreichs stärksteReserve nunRuhe.
Seiner Kaiserlichen Hoheit dem Kronprinzen des
Deutschen Reiches: NachderHeimkehrvon fünfmonatiger Rundfahrt lasen Sie, Jhre Reise habeJhneneinen großenper- sönlichenErfolgunddemReich beträchtlichenGewinn gebracht.
Die Nation erwartet, daßSievon solchem offiziösenSchwatzkeine Silbe glaubenunddendafür Verantwortlichen ernste Mißbillis gung fühlen lassen.DieReisewar sicher sehr hübsch.Jndienund Egypten,Rom und Wien. DaßmitderRepräsentationunddem Gefolge nicht immerAlles klappte,ist schließlichkeinUnglück.Daß HerrvonTreutler,nachdemStaatskalenderDiplomat,JhremWe-
senszaubervordemOhr britischer Schreiber Hymnen sang,die der alte Stil deutscherHofsittefremden Kehlen gegönnt hätte, konnten Sienicht hindern.Eben fo wenig, daß China, Japan,Siamverge- bens,nach kostspieligerVorbereitung,desVertreters derReichs- hoheit harrten.Biszurcoronation desenglischenOnkelswäre die Zeit,da ein paarWochenzurAkklimatifationanEuropenslau- nischenFrühlingnöthig schienen,etwas knapp geworden.Das aus hundertScheinwerfern grell bestrahltePestgespenstkonnte das Herzliebender Frauenängsten. Graf Rex,Theobaldi gratja jetzt VotschafterundalsGastronomundOberküchenmeistervonvielen Graden berühmt,fand Peking schonimJanuarsounheimlich, daß ernur die imGesandtfchaftviertel ansässigenLandsleute am Ge-
Regalia 137 burtstag desKaisersbeisichsehen wollte(die anderen,zuerstein- undzuletzt ausgeladenen versammelten sichimHotelderSchlaf- wagengesellfchaftzum,,FestmahlderPestverdächtigen«)undauch ihnen, nach spätemEntschluß,denAnblick seiner excellenten Person nicht gönnte(weshalbauch dieseZugelassenennach demMahl bald zu denAusgeladenen insnaheHotel abmarschirten).Wenn der GesandtedesDeutschenKaisersdieGefahr so ernst nahm, durfte derErbedesKronrechtesihr nicht nahen.EureKaiserlicheHoheit hättedieKulikrankheit,die in allenLändern der Gelben diesmal kaumeinDutzendEuropäer«getötethat, nichtvonderErfüllung amtlicherPflicht abgeschreckt.AlsLöwenjägerundimSweater zwischenerlegtenTigernüberallkonterfeitundvonderFurchtvor einer Armenseucheweggescheucht?Keiner hatsgeglaubt. Jeder merktedasungeschickteManagement derBerliner. Nichtzu än- dern. Von einem »politischenZweck«derReise ließ sichnun nicht mehrreden. DerNestwarJagdvergnügenundhöfischeKurzweil.
RomundWien: daßsolcheBesucheüber dieAbfahrtftunde hinaus fortwirken, glauben, nachallemindeutschenLanden Erlebten,nur Schulknabennoch. Persönlicher Erfolg? Dem schlanken Reiter, der imprallenWaffenrock gutzuPferdesitzt,winktmanches Auge Beifall. Von lautem Römerjubel habenSiesicher selbstnichts gemerkt;dieweiseurbsbliebbedächtig.UnddieWiener würden einehübscheFraugern grüßen,selbstwenn sieaus Agramoder Belgradkäme.Reichsgewinn2 Die davon fabeln,sind ihrerUn- wahrhaftigkeit selbst bewußt.WehdemFürsten,derihnen glaubt; von ihnensich,weilerdemhöchstenZielnah ist,kränzenläßt.
,,Kränze giebtesvon sehr verschiedenerArt: sie lasfensichoftim Spazirengehnbequem erreichen.«Daran hatEiner gemahnt,der mitgreifbarem Staatsgewinn ausRom heimkehrte. Mußdenn vorThronendenund Thronfolgernimmer geheucheltwerden?
DieLeute,die mitfeuchtstrahlendemAugenotirten, daßSie aus Jndienan einenOperettensängereinemiteigenerhand beschrie- beneAnsichtkarte geschickt,aufdemForumNomanum,neben dem bürgerlichgekleidetenJtalerkönig,Rockund Mütze preußischer KürassieregetragenunddiekinematographischeAufnahmeJhrer RückkehrinsMarmorpalais, Jhreram ThorharrendenKinder befohlen haben, diese selbenLeutewerden lautmurren,wenn Sie einst,als Kaiserund König, sichdes Interesses, das Jhnen so lange vorgetäuschtward, würdig findenundsichimunstreitigen
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138 » DieZukunft.
BesitzderPolksgunst wähnen,dieTüncherkunstgeschäftigvors Kronprinzenauge pinselt. Darfman (fragteJhres Großvaters Günstling GustavFreytag) darüber klagen, daßeinJahrelang anBewunderung gewöhnterFürstvon seinemReden undThun, auchdemunbeträchtlichsten,diehöchsteMeinung erhält? Wäh- rendKaiserFriedrichsiechimcharlottenburgerStadtschloß,im Neuen Palais saß,wurde seinAeltesterin berliner Zeitungenge- rühmt, aufberliner Straßenbejubelt.FragenSieihn,wieer, demdiePeinlangenKronprinzenlebens erspartblieb,heuteüber solche Veräucherungnienoch Vewährterdenkt.DaßerSienach Langfuhr versetzt hat,wird Eure KaiserlicheHoheit ihmdanken lernen.· DaistArbeitundSammlungmöglichkeit;isteineProvinz zuergründen,deren Handelverkümmert undderenLandwirth- schaftnur hinterunhaltbarhohenZollmauern gedeiht;bietetjeder TagdieGelegenheit,derFrage nachzudenken,obeineprivilegirte Kirche nurRechte,nicht auch Pflichten habe.DaistPreußen;nicht neudeutscherHofbetrieb Und einJahr,in deranständig begrenz- tenLebensart einesRegimentskommandeurs, derdenanderen OberstenderTotenkopfbrigade durch üppigenhaushaltwederbe- schämennochinungebührlichenLuxusverleiten will,demKönig preußischerZukunftnützlicherals einLustruminPotsdam·
AnGeorgios denErsten,König derHellenem End- lich hat Europa wieder vonJhnengehört.Zumersten Mal, seit Eure Majestät,um diePensionzuretten,diedurchfreiwillige Abdankung verwirktworden wäre,mitdem Vertrauensmann der Kreter denschützendenPaktschloß.Seitdem war Ruhe. Trauer nur im KreisderSchwarmgeister,die denwurzellos ausgerodeten Glauben aneinwunderthätigesGottesgnadenthumnocheinmal insMenschengemüth pflanzen möchten.Staunendsvernahm nun dieErdfeste, daßSie Etwas verschenkt haben; zuverschenken hatten.DemBodenJhrer Insel Korfu sindVildwerke entgraben worden. VielleichtMeisterskulpturenausdenTagenderPraxite- lesund Skopas; vielleichtinRiesenmaße gestreckteSteinstüm- pereien.Kerkyra-Korypho: da habenJllyrer und Korinther, AthenerundSparter gehaust;spreiteten sichdieFlügelder Adler von ByzanzunddesMarkuslöwen. Daist jedesKunstwunder und jede Enttäuschung möglich.Was griechischemBoden ent- schaufeltward,muß,nachHellenengesetz,inGriechenlandbleiben.
Die aus der TiefedesNomos Kerkyraans Licht gehobenen
Negalia 139 Schätze dürfenSiealso nicht verschenken.Wollen wohlauch nicht.
Nur einRecht habenSie weggegeben;eins,das lästige Pflicht aufbürdet. »DeinEntgegenkommendesKönigsGeorg istdieer-
sreulicheThatsachezudanken, daßKaiserWilhelmdieLeitungder«
Ausgrabungarbeiten übernimmt-« Schwarz stands auf weißem Holzpapier.UndschnellfolgtenArtikelchen,dievergessen lehrten, daßeinHalbjahrtausendins Weltenmeer gesunkenist,seitdieBy- zantiner auf Korfu herrschten. »Der KaiseralsKunstmaecen.«
»Der Kaiserals Archaeologe.«Wie vor demHerbststurmdes Schreckensjahres1908. Als seiWilhelmimNebenamt auchein Schliemann;könneHerkunftundWerthalterPlastikmitnoch grö- ßererTreffsicherheitals unseranderer Wilhelm,Vode daVinci, bestimmenundderGräbertechnikneue Wege weisen. Jm Korin- thenreich grollteeinHäuflein. »Warumwieder Deutschenüber- tragen,wasHellenenmindestens ebenso gutkönnen?Muß dieser Däne,deruns,mitallseinen Sippen undMagen,nochnie ge- nützt,nieauchnur eineDrachmeeingebrachthat,unsdennimmer vor dem Augeder Slavenverwandtschaft herabsetzen?«Wir ahntenJhrverschmitztesLächeln.FühltendieUngerechtigkeitim UrtheilJhrerLandsleute (dieHerrvonKiderlen,derFinder der ,,russischenProvinzFinland«,gewißUnterthanennennenwürde).
DaßSiedemSchwiegervater Jhres Konstantin deannsch er- füllten,war höflich;undschlau.Wer dieAusgrabungleitet,muß, alsSouverain, alsHaupteiner Großmacht,dieKostender Ar- beitaufsichnehmen. TheilungderLust:warihreLosung.Wil- helm befiehltundbezahlt;Hellas heimst, ohne Spesen,ein.Jhrem VorgängerAgamemnonwäre einso königlichkluger Gedankenie aus demHirn gesprungen. Endlicherkennt EuropaChristians Sohn, endlichwieder. Und erwartet, übereinKleines nun in ihrem Blättchenzulesen, daßdemberlinerReichdergrünen To- genundhöfischenForschunginstituteaus.derSchaarderMänner vonungemeinem Verdienstneue Senatoren erstanden sind.
Seiner ScherifischenMajestätMuley Abd nlHafid, Sultan von Marokko: VordreiJahren,alsAbd ulAziz,Jhr annoch regirender Herr Bruder, inNabat saß,sandtenSie vier braune Männer übers Meer,dieallenzugänglichenEuropäern betheuernsollten,daßSieeinFreunddesFriedensundderFrem- denseien,derenMitarbeitdemScherifenreichinbessereWirthschaft helfenkönne. Das war nöthig.DennalsPrätendent hatten Sie,
1240 « DieZukunft.
fastlauter nochals derRoghi,desBruders Begünstigungaller Weißhäutigen getadeltunddenWillen gekündet,allenichtMo- hammeds Glauben Verpflichteten aus demLand zujagenund keinender mitihnenabgeschlossenenVerträge geltenzulassen.Die Vier wurden imberliner AuswärtigenAmtempfangen;nur von einem Vortragenden Rathfreilich.Immerhin: empfangen;als Vertreter desgegendensouverainen Sultan fechtendenRebellen von einem Beamten desKaisersfreundlichempfangen,dermit hallenderStimme versprochen hatte, diesesSultans Souveraine- tätvor jedemAnschlagzuschützen.JnParis thatman spröderz sahinJhnen denMann, derdasPüppchenAbd ulAzizvom Thron drängte.Doch Hanotaux (dervorDelcassådas internatio- naleGeschäftgeleitethatte) schrieb:»HafidistunserFeind;oftaber hateinverständigerFriedensfchlußsolcheFeindschaftgeendet.
Wer mitbeiden Sultanen spielt,kann einen gegen denanderen ausspielen. Wenn wirklugsind,entziehenwirdenGegnerndie- senStützpunkt.«UndHerr Clemenceau,derseinen Pichon festan der Leinehielt, strebte nachdemRuhmdesVazifikators Durch eineRote JhrerGesandtenkonnten Sie ,,derRegirung desgro- ßenVolkes vonFrankreich«melden,dasz Sie, ,,mitGottes Hilfe undnachdem Willen aller Bewohnervon Marokko,denThron derVäter bestiegenhaben.« TrotzdemSie erstvor Mequi- nez, fünfzigKilometer von Fez,standen. War JhremBerufs- genossenHenriBourbon dieHerrschaftüber dieHauptstadteine Messe werth,konnteder zumHugenoten Erzogenesich,um König zubleiben,derRömerkircheangeloben,so durften Sie,um Sul- tanzuwerden,allerlei Bekenntnisz abschwören.Dieander Ber- bernküsteinteressirten Mächte heischtenvon Jhnendie Anerken- nung aller mitRechtskraft geltenden VerträgeunddieZusage, dieAnleihen pünktlichzuverzinsenunddieEuropäerzuschützen.
Sieversprachen Alles; undwurden alsSultan anerkannt. Der letzte AbsatzderCirkularnote vomvierzehntenOktober 1908(der, aufVichons Antrag,alleSignatarmächte zustimmten) belastete Sie mitdeerlicht,Jhrem entthrontenBruder eineauskömmliche Apanage zugewähren.Alles schieninschönsterOrdnung.Nur
war ausdeminGlaubenshitze auflodernden Musulmanen ein duldsamerChristenschützergeworden;aus demfurchtlosenRufer zuHeiligemKriegdermildeWahrer allerFremdenprivilegien.
DenEingewandertengingesunterJhrerRegirungnichtschlechter
Regulia. 141 als unter desBruders: und Siehattendoch,hundertmal, geschwo- ren, dieUngläubigenwieGiftkrautaus dem Scherifenlandzu jätcn.Glaubten Sie, daszJhnen derJslamdieseWandlung je verzeihenwerde?Heute sindSieimMaghreb, besondersimNors den, mindestenssogehaßtwie Ab dulAzizvor seinem Sturz;
als ein Abtrünniger,derfür irdischen Vortheil frevelnd den BäterglaubenunddieFreiheitder Nation hingab.Das Chaos istwiedergekehrt.Stämme,diegesternnoch,mitdenbesten Rifs leuten, fürSiefochten,wenden dieWaffenwiderSie. Und des Bruders fast schonverschollenerNamewirbtinmanchenTheilen desBelad elMaghzen neuenAnhang. ZuverlässigeStützensucht JhrAuge vergebens. Sie waren inleidenschaftlichemGrimm gegen Frankreicherwachsenund wollten, trotzderEnttäuschung vonTanger,mitdemDeutschen Reich gehen.AlsIhrem Ruf ausBerlin keinWiderhall kam,alsDeutschlanddievonJhnen deutschenMännernbewilligtenMinenkonzessionen anfechten ließ, krochJhre Hoffnungnach Paris zurück.Dochdas eingewurzelte Mißtrauenwar nichtganz mehr auszureutcn. Sowars, nach demDiplomatensiegdesGrafen Saint-Aulaire, JhremBruder ergangen. UndnocheinmalwirdJhrSchicksal,zumdrittenMal, seinem ähnlich.Das Ministerium Clemenceau hatte,ausFurcht vor internationalem Haderund Sozialistengezeter, allzu lange gezögert,mitGeld und Truppenmacht demScherifenchauffeur AbdulAzizaus derKlemme zuhelfen.Dieselbe Angst hatdie Ministericn Briand undMonis gehemmt:undSie blieben im Drang.Jetztsind französischeSoldaten getötetworden. DieRe- publik muszsichrühren. Läßt,umsichzuHausunddraußenvon derTodsünde militärischenEinbruchszuentschuldigen, Tagvor TagneueGräuelkundeaussprengen.Fezfälltmorgen;istschonvon denRebellenerobert.DerHeilige Krieg erklärt.KeinesEu1-opäers Lebennochsicher.Vom Rifbisan denAtlas Revolution. Rie- mand glaubtsDoch FrankreichkanndreißigtausendMann übers Wasserschicken.Diesollen »denSultan aus derNothretten«.
Herr Jean Cruppi, einst Staatsanwalt, dannAdvokat, jetzt Minister derAuswärtigenAngelegenheiten,istkeinRaufbold, keinHitzkopf-VüchersammlerundKunstgenießer.Ehegefährteei- ner femme de lettres. Aber dieKolonialpartei, diemitPichons betriebsamerSchwachheit nicht mehrzufriedenwar, hat ihmden Einzugin das historische HausamQuaidDrsay erlaubt: under
142 , DieZukunft.
muß schleunigbeweisen,daß ihrVertrauen nichteinenUnwür- digenkrönte. Deminternationalen Geschäftistder1855 Geborene bisvorgesternfremdgeblieben.Thut nichts. Auch HerrCana- lejas, Spaniens Ministerpräsident(der,wieCruppi,ausder Ad- vokatur kommt), verstehtdavon nichts;hataberan Maura, den er, trotzdem »Klerikalismus« des Verschrienen, hinterdem röthlichenFirmenschild schalten läßt,einen erfahrenenBerather.
Wenn Herr Cruppi nachWissenschaftlangt,wird KollegeDel- casse sie ihm nicht versagen.Wie istsmitdenSpaniern? Denen giebtdieAlgesirasakte einen TheilderHafenpolizeiunddas Recht, ihrenPresidiosKriegscontrebandefernzuhalten. Denen sichertderbisindenHerbst1919giltigeGeheimvertragfürden FallmarokkanischerAnarchieeinansehnlichesStück des Mittel- meerlandes. DieSpanier habensichaberauchdemfranko-briti- schen Vertragangeschlossen,derFrankreichdas Recht verbürgt, dieWirthschaftundVerwaltung, dieFinanzen unddas Heer- wesenMarokkosnach seinen Bedürfnissen umzugestaltenundim Maghrebfür Ruhezusorgen.DieSpanier dürfen also nichtbe- haupten, daßsieinJhremSultanat das selbe Recht habenwie dieihm,inAlgerien, benachbarteRepublik. Herr Cruppi hat sicherallezurSachegehörigenAkten durchaus studirtundden weiten Umfang dieserRechtszäunungschätzengelernt. Spanien kannnur unbequemwerden, wenn essich,wider denGeistder Verträgevom Oktober 1904,demDeutschen Reich verbündet.
Daran,sprichtderMentor, ist nichtzudenkenzDeutschland istmit
·unsja einig.Amneunten Februar1909 istinBerlin vondem StaatssekretärFreiherrvonSchoenunddemVotschafterJules Cambon einVertrag unterzeichnetworden,indem dieKaiserliche Regirungsichzu demEntschlußbekennt,diefranzösischenSonder- interessen, derenWahrung nur in einemruhigen, nichtvonUnord- nung verwirrten Sultanat möglichist, fortan nicht mehrzuhem- men. EinBertrag, derfeststellt, daßDeutschlandin Marokko »aus- schließlich«Wirthschaftinteressenhabe,undFrankreichnur ver-
pflichtet,demdeutschen HandelundGewerbe dasselbe Rechtzu gewährenwie demjederanderenRation. DerAbschlußdiesesVek- trages (der, ohne KrisenundSchlappen, schon1904natürlich,von Delcassås Gnade,zuhaben war)wurde beschleunigt,weilerbei Eduards AnkunftinVerlin fertigseinunddasFettherzdesKing freuensollte.Diese höchstsachlicheErwägungtriebzumVerzichtauf
Regulia 1L13
Forderungen, die vonminder hastigen Verhändlerndurchzusetzen gewesenwären. (,,Der Kaiser will, daßAlles fertig sei«,sprach eindeutscher Dichter,derlängstimSarg ruht.) Besprochenund insReine gebrachthatdenVertrag damals Herrvon Kiderlens Waechter,der jetztStaatssekretär ist; unterzeichnet hatitharon Schoen,derdas Reichund denKaiserinParis vertritt. Von beiden Seiten istdieloyalsteAusführung zugesichertworden.
PichonsLob derdeutschenLoyalitätwurde ineinerThronrede, derersten, fürdieHerrvonVethmann verantwortlich war, mit artigemDankerwidert. Deutschland hatte ausMarokkoverzichtet (umdem lieben OnkelEduard, nochvor derGalaoper, miteiner HarmonieholderKlängedasOhrzulaben)undbegnügtesichmit deroffenenThür.MeinenSie etwa,derReichskanzler,der allen DingendieserWeltvonderSeitedesEthosbeizukommensuchtund mitrührendemEisernachdemNufeinesehrlichenMannestrachtet, werde sichplötzlichnun als einenJgnatiewoderLi-Hung-Tschang entpuppen? DenCruppiundVerteauxinden Armfallen?Die Handelsinteressen (die ja noch nicht gefährdet sind),wieTaftan
MexikosGrenze,alsVorwand zumilitärischemEingriffbenutzen?
VjaNatibor dieSpanier aufhetzenundderFranzösischenNeva- blikzumuthen,sie solle,bevor sieeinHeer nachMarokko schicke, dieAnerkennungdesvomFrankfurter Frieden geschaffenenSta- tusinunzweideutigenWorten wiederholen? JnsolcheHirnge- spinnsteverstrickteinRealpolitikerJhresSchlages sichnicht.Seit Mokri IhnendenSinn desberliner Februarvertrages deutete, habenSie nicht mehr geschwankt;nur FrankreichsGunst noch erstrebt. LassenSiesichnichtvon diesem Pfadabbringen!Nicht
.durchdasGeschwätzüber den,,NahmenderAlgesirasakte«(die stets sowerthloswar wiealles über Makedonien Geschriebene, international Vereinbarte und dienun überholtist)indenIrr- wahn locken,inBerlin werdefürJhreSouverainetät Wirksames unternommen werden.Sind dieFranzosen,trotzCasablancaund denVerlusten ihrer Militärmission, nocheinmal mitstacheligem Wort einzuschüchtern:gut; sagen sie irgendwas Nettes über die Vagdadbahn:umso besser. Mehrkommtnicht heraus.Undwenn EureMajestätUmständemacht:ihrlebennochVrüder;auchAziz lebt;undweiß jetzt, daßernur imabgesperrtenVarkAutomobile lenken,nurimverriegeltenKämmerlein Cliquottrinken darf.
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144 , Die Zukunft.
Anzeigen.
Schattenrisse. Von Gerda von Robertus Marquardt KCo.
Dichtersein, heißt: vieleMenschensein. Je größer die Extensität derNatur desDichters,umsomehr wird ersich in dieNaturen ande- rer Menschen hineinfühlen unddieseaus sichgestalten.Dies ist das Gemeinsame inderPhysiognomie desDramatikers unddesEpikers.
Dichtersein, heißt aber auch:ein»Mensch« sein, eine tief ausgeprägte Persönlichkeit, eine Intensität derEmpfindung, welche unwillkürlich zum Laut,zum Liedewird. Dies diePhysiognomie desLyrikers.Erst die Verbindung jenerExtensitätunddieserIntensitätergiebt dasGe- sammtbilddesJNenschenseinsunddieVollendung desDichters. Doch dürfenwir esschon als eineErrungenschaft betrachten,wenn eine intensivePersönlichkeitunsihrsubjektivstes Jchin Formen derKunst vermittelt. Was mirvonGerda von Robertus annovellistischerDich- tung vorlag,berechtigtmich noch nicht,andieser Stätte aufsiehin- zuweisen. Doch offenbart ihr Gedichtbuch»Schattenrisse«,wieschon dasfrühere: »Vom Baum desLebens«, alle Charakteristika einerDich- terin. EsistdiestarkePersönlichkeit,ist das Weib inallen seinen Phasen, was hierseinintensives Empfinden inVersen ausströmt- Diese Versesind oftformenschön,oft überhastet;Leidenschafthat sie hingeworfen: Dies istderWerthUnd der INangeL Kunstistgebändigte Leidenschaft, zuKristallen organisirtes Fluthsenz und diese höhere Phase hatuns dieKünstlerin nochsdurchaus nichtinallen Gedichten gezeigt.Aber sie hat sieunsahnenlassen.Wir hörenvon ihr diezar- testen, mädchenhaften Töne unddenSturm stärkster Erotik, die,selbst wenn sieSchrankendes »Normalen«sprengt,stetsrein wirkt. Wir fühlenJauchzen,Zweifeln,Verzweifeln. Wir spüren DuftderMelan- cholic undSonne desHumors,sehen ein tiefes Gemüth undeinegeist- volleDame derGesellschaft.Noch ist nichtAlles Erlebnisz,aberAlles erlebt. Damit steht die Dichterinschon im Vorhof derKunst.
Otto Vorngräber.
pä
Die Vifion der lieben Frau. MünchenerRoman. SchusterFz LöfflerinBerlin.
Jch habedemgeniuslociderKunststadtAusdruck zugebenver- sucht undeinigeHauptzügederLebenstragoedie desMalers Stauffer- Bern entnommen, denman, trotz derfreienBehandlung, in derPhy- siognomiedesHelden wiedererkennen kann.Doch daseigentliche Thema meines Romans ist aufdenbiblischen Satz gestellt: »Wer demLeben entsagt, gewinntdasLeben«. Dsasbedeutet,daßalles ernsteundhohe Vollbringen nur instrengerSelbstzucht und oft harter Entsagung, jedenfallsaber nur auf derBasisechter Sittlichkeit möglich ist. Viele reich begabteKünstlernaturenscheiternan ihremüberschäumenden Lebens-drang Fastallgemeinwirdverkannt, daß die Kunst ein ernstes