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Die Zukunft, 29. Mai, Jahrg. XVII, Bd. 67, Nr 35.

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vaL Jahrg. Berlin,den29.Mai1909. zitt.35.

Herausgeber:

Maximilian Hart-m

Inhalt:

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DerRallJlgeL VonFicgfried of-öwensteiu und »Es...........303

RufdtmTit-m VonTheodor Fuss ..................Lle paul Ernst«VonHart schifft-r ...... ..... .......316

Entdeckung-ein VonDickiom gamfoy ..... .. ..·.....319

Margulia Martin-ex VonHang Mütter ......·.........327

Itsnankrvform undKredit Vongaben .................335

Nachdruck verboten.

V Erscheint jedenSonnabend.

Preistiiertetjiihelich5Max-, die einzelneNummer 50Pf.

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Berlin.

Verlag der Zukunft

WilhelmstraßeZa.

1909.

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Berlin, den 29.Mai-1909

Der FallJgeL

SoderNachtvom erstenzumzweiten Februar1909 wurde in Draniem

Ibur»g,einemVorort Berlins,derSteinsetzmeisterMarschner während eines Streites erschofsen. Eifrig bemächtigtefrchdieTages-pressedesFalles.

Der Getötetewar einehrbarerHandwerksmeister,derThätereinadeliger Referendar. DerGetötete,so hießes,war alsgutmüthigundfriedliebend',

.

derReferendarals rohundgewaltthätigallgemeinbekannt. EineLiebling- ,beschäftigungdesjungen Herrnwar,abends aufdemHeimwegtie Laternen desStädtchenszuzerschießen,wobeiersichalsguten Schützenbewährthabe.

Reden,dieerunterFreunden geführthabe,bewiesen,daßersehnsüchtigden Augenblickerwartete,derihmGelegenheitbot, einenMenschenvordiePistole zufordern. DenStreit, dermitdemTodMarschners endete,habeerda- durch provozirt,daßernachwüstemGelagemiteinigen Kumpanen ohneEr- laubnißdenSchlitten Marschners bestieg;denEigenthümer,derdarüberwüthend war, habeernach kurzemWortwechsel niedergeknalltunddemtötlichVerletzten dann noch seine Genugthuungdarüberausgesprochen,daßdieKugel so gutge- troffen habe DerThäterwurdenochin derselben Nacht durchdiePolizeiver- haftet.AberschonamfolgendenTag enlließihn,nacheingehenderVernehmung, der dieUntersuchungführendeRichterausderHaft.DieOeffentlicheMeinung tobte;einesolcheMildeerschiengeradezualsVerbrechen»Klassenjustiz«:so schalltees ausdenBlättern.DieEnthaftung schiennurmöglich,weil derThäter Referendarundselbstvon derZunstD(rerwar,dieanklagenundrichten. Auch war eradelig-,SohneinespreußischenGenerals und Enkeleinesehemalian KriegsministerszEinsolcherManndurfte sichs-inPreußenungestraftderschlimm-

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304 DieZukunft.

sten Frevelthat erdreisten.WärederThätereineinfacher Arbeiter,sosäße ernoch hinterdenEisengitternundwürdesicherdesMordesangeklagtAber deradelige Referendar: Ja, Themis,DasistganzwasAnderes!

Soheulteder Chorus.Erberuhigte sich erst,alsHarryvon Jgel wiederverhaftetundvor dieGeschworenen gestelltwurde. ZwölfMänner aus demVolkwaren berufen,überihnzuGerichtzusitzen.Vonihnen durfte man eingerechtesUrtheil erwarten; für schwerstenRechtsbruchgerechteSühne.

AberSeltsames geschah: auchdiezwölfMännerausdem Volk, diegeschworeik hatten, unparteiischundnachbestem WissenundGewissknihren Wahrspruch zufällen, entsprachen nichtdervon derOeffentlichen Meinung gehegtenEr- wartung.Sieverneinten jede vorsätzlicheSchulddesAngeklagtenundsprachen·

ihnnur dersahrlässigenTötung schuldig.DerGerichtshof, dessenVor- sitzender schon währendderVerhandlung seiner Parteilichkeit dadurchAusdruck gegeben haben sollte, daßerdenAngeklagtenals,,Herrnvon Jgel«anredete, erkannte aus»nur« vier Monate Gefängniß.Lauter nochalszuvorhallte nunderRuf «Klassenjustiz«imdeutschenBlätterwald wider· »Aristokraticher Raufbold«, ,,Wü-herich«,,,Rowdy«:Daswaren nochmildeBezeichnungen, mitdenenselbsternsteBlätterdenlediglicheinesMangelsanVorsichtschuldig Gesprochenen bedachten.DerWahrspruchderGeschworenenunddas Urtheil desGerichtshofes müßtenauchwirklichStaunen erregen, wenn derSach- verhalt so gewesenwäre, wieFamaihnvomerstenTag erzählt hatundwie er,trotzallenGegenbeweisen,nochheutedemöffentlichenUrtheilzu Grund gelegtzu werdenpflegt. DerFall Jgel istgeradezueinklassischesBeispiel dafür,wieleichtmitHilfederPressedieOeffentlicheMeinungindieJrre geleitetwerden kannund wieschweresdann ist, sie aufdenrechtenWeg zurückzuführenDiese Beobachtung giebtderSacheeineüber dasJnteresse

am Einzelfall hinausgehendeBedeutung. Deshalb sei zunächstinallerKürze derSachverhalt gezeigt,wieAktenund-Zeugenaussagen ihn ergaben

DerReserendar Harryvon Jgel istdreiundzwanzigJahrealt. Alle, dieihn näher kennen, haben ihm ausnahmelosdasZeugnißeinesstrebsamen, ruhigenundbescheidenen,jeder RoheitundGewaltthätigkeitabgeneigten jungen Mannes ausgestellt.SeinenVerkehr suchteerebensoimKreisderKollegen wie unter Kaufleuten. VonjunkerlichemHochmuth hatkeinZeugeEtwas anihmbemerkt. AlsSohneinesGenerals derJnfanterieundEnkeldes Staats- und Kriegsministeisa.D.Bronsart oonSchellendorfswar ervon KindheitanmitdemGebrauchvon Schußwasfenvertraut. Einen Revoloer aberhatersich erst gekauft,nachdemeralsStudent inTübingen nachts von einemStrolchmiteinemMesser bedrohtundverfolgtworden war. Bei nächtlichenAusgängenpflegteerseitdemdieWaffeinderTaschezutragen.

Ausihr hatteereinmalanKaisers Geburtstagundeinmalnach eineranderen

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DerFall Jgel. 305

Festlichkeit,alser,gegenseine Gewohnheit, stark gezecht hatte,inmenschen- leerer, fastunbebauter StraßeausLaternen geschossen. Auch hatereinmal ineinemGesprächüberEhebruch sich für solchenFallalsFreunddesDuells bekannt. Einem CorpsodereinerSchlagenden Verbindung haterniemals angehörtundschonnach sechsSemestern sein Referendarexamengemacht.Sein Vorgesetzter,derAufsichtführendeAmtsrichterHenrici, bezeichnetihnalseinen seinertüchtigstenundstrebsamstenReserendare,über den bis zudemAugen- blick derThatniemals diegeringste Klagelautgewordensei.

Dasist,mitseinenVorzügenundseinen Schwächen,dasCharakter- bilddieses ,,junkerlichenNowdy«.Undwiesieht seineThataus?

Herrvon Jgel hattedenAbendinderWohnungeinesbefreundeten Kollegen zusammenmitnochdrei anderen Reserendarenverbracht.DieHerren hatten so wenig getrunken, daßan keinemdieFolgen irgendwiebemerkbar waren. Schongegenelf Uhr gingen sie nach Haus. AusdemHeimwegbe- gegnete ihneneinleererSchlitten,densie füreinMiethsuhrwerk hieltenund ohne WiderspruchdesKutschersbestiegen.VoreineminderNähe befind- lichenWirthshaus machtederSchlitten Halt. EindenReferendarenunbe- kannterMann (derSteinsetzmeisterMarschner)tratvor dieThürundfor- dertedieHerren auf,denSchlittenzuverlassen.Sie fragten,obernichtzu miethen sei.DerMann ging sofort aufdenHandelein undverlangte für einehalbeStunde zehn,dann sechsMark. Alsauch dieser Pceisdenwohl nicht allzu reichlichmitMammon versehenenReserendarenzuhoch erschien, verließensiedenSchlittenundgingenzuFußweiter. KeinheftigesWort war während dieserZeit zwischenihnenunddemEigenthümerdesSchlittens gewechseltworden. DieReserendare hattendieAbsicht,in dieWohnungeines Freundeszugehen,derkurzvor ihnendenHeimweg angetreten hatte.Sie schlenderten deshalb nocheinigeHundertMeterweiter, beschlossendannaber, mitRücksichtausdievorgerückteStunde,von demgeplanten BesuchAbstand zunehmenund lieberinsBett zugehen.DerHeimweg führtedieDrei wiederandemWirthshausvorüber. DesZwischenfallesmitdemSchlitten hatten siemitkeinemWort mehrgedacht.Dahörtensie,etwafünfzigMeter vor demWirthshaus, rohe Schimpsreden·Worte wie,,dämlicheBengels«, ,,Lausejungen«,,,PeitscheumdieOhren schlagen«,drangenanihrOhr.Als sie näherkamen,erkanntensiein dem Lärmenden denEigenthümerdesSchlittens, derseine Schimpfreden setztdirektgegensie richtete. Harryvon Jgel,ein kleinerundschmächtigerMensch, ging ruhig ausdenMann zu,zog denHut undsagteinhöflichemTon(wievonallenZeugen bestätigtwordenist): ,,Meinen Sieuns?« Marschner bejahteundfuhrdannfort: ,,Gehste nichtweg,dann kriegsteEineindieFresse!« DieseWortehatdereigeneKutscherMarschners eidlichbekundet. Jgelantwortete nicht,sondernersuchteeineninder«Nähe

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306 DieZukunft.

stehenden Wächter,denNamen desSchimpsers festzustellen. Dieses durch- aus korrekteVerhalten Jgels scheintMarschner,dergroßeMengen alkoholischer Getränke zusichgenommen hatte,insinnlose Wuth versetztzuhaben.Er lerneuerteseine SchimofredenundDrohungen;alsJgel sie sich verbat, ging MarschnerzuThätlichkeitenüberi) Jgel wehrte sich dagegenmitseinem Stock; verletzt haterMarschnerdabeinicht. JetzttratderWächterdazwischen, trennte die Streitenden undhielt Marschner fest,um ihn,wieerbekundete, anweiterenGewaltthätigkeitenzuhindern. Jgel hatteausdemkurzenRencontre eineSehnenzerrung davongetragen,durch die(nachdemGutachtendesPro- sessors Zeller) seinlinker Armzeitweilig außer Gefechtgesetztwar. Der Spazirstockwar ihm entfallen. Zur Abwehreinesetwaerneuten Angriffes hatteernur nocheineHandzurVerfügung Dieser zweite Angriff ließ nicht lange aus sichwarten. HerrvonJgel hatte sichmitMüselerschonzumFort- gehen gewendet,alsMarschner sich losrißund wiederum auf ihn eindrang,

um ihnsMarschner hatesselbst noch ausgesagt)mitseinem eigenenStock zuprügelnVordemneuen AngrifsdesTobendenwar Jgelinsehr schlimmer Lage.Der linkeArmhingkraftlosherab,der rechtewar wehr-undwassens los. Der inseinendickenDienstmantel gehüllteWächterhatte wohlnicht dieKraft,dendrohenden Angrifszuhindern.Jndiesem kritischenAugen- blick erinnerte sich JgeldesRevolvers inseinerlinkenBrusttasche.Erer- griff ihnmitderRechtenund hielt ihnmitdenWorten: »Haltoderich schieße!«demauf ihn eindringenden Marschner entgegen.AlleUmstehenden habendieWarnung deutlich gehört;nur Marschner bliebtaub unddrang weiterauf Jgelein. DakrachtederSchuß. Auch setztnoch suchteMarschner unterDrohungen aus Jgel einzudringen,wurde abervondazwischentretenden Personen zurückgehaltenJrgendeinWortJgels,dasauchnur so zu deuten wäre,alshabeerabsichtlichgetroffenoderfreuesich seiner That, hatRie- mand vernommen. Still ister,nachdemderSchwerverletzteinsichereObhut genommen war,nachHausgegangenundhatdortnochin derselben Nacht dcnVorfall so niedergeschrieben,wieerspäterin allenwesentlichenPunkten durchdieZeugen bestätigtwurde. Hätteersich herausliigen wollen, so hätte ersichergesagt (ZeitzumNachdenken hatteerja),dieWaffe habe sichgegen seinenWillen entladen. Niemand konnteihmdasGegentheil beweisen.Das thaterabernicht, sondern erklärte,erhabe absichtlich geschossen,dochden Angreiser nicht treffen, sondern ihn durcheinenSchreckschußeinschüchternund sie)DerWächter Birkholz glaubt zwar,daß Jgel zuerst angegriffenhabe.

Diese Angabe istaberdurchdiebestimmteeidliche AussagedesdichtnebenJgel stehenden ReferendarsMüseler,und durchdieErwägung widerlegt worden, daß Jgel sichbisdahin ruhigundkorrektverhalten,derihmanKörperkraftundGröße weitüberlegene MarschnerabersofortmitSchlägen gedroht hatte.

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DerFall Jgel. 307

von weitererGewaltthat abhaltenwollen. Daß MüfelerimAugenblickdes SchussesdieWaffe auf Marfchner gerichtet fah, stehtdamitnicht in Wider- spruch;wäreesanders gewesen, fo hättedieKugel ja nicht getroffen.Die SchußfachverständigenhabendieBehauptungJgelsmitRückfichtaufdieherrschende Dunkelheit,dieErregungdesSchützenunddieUnsicherheiteinesausnicht gefpanntemRevolver abgegebenenSchusses für durchaus glaubhafterklärt.

Diesen Thatbestand hatdiefchwurgerichtlicheVerhandlung ergeben.Wäre ervon AnfanganderDessentlichkeitbekannt gewesen,fo hätteman,bei allem Mitleid mitdemGetötetenundfeiner schuldlosenFamilie, gewiß auch dezn jugendlichenThäterdasMitgefühl nicht verweigert. Ohne eigeneSchuldwar er in dieAffaire hineingezogen,von Marfchner selbstwar erSchrittvor SchrittzumAeußerftengedrängtworden;dentragischenAbschlußaberhatte, gegenseinenWillen, einunglücklicher,wenn auchvielleichtnicht ganzun- verschuldeterZufall herbeigeführtMonate langUntersuchunghaft,dieSorge

umeinegestern noch helleZukunftundeinensleckenlosenNamen,vierMonate Gefängniß: ists nichtderSühnegenugfüreinunvorsichtiges,dochinsokri- tischerLage,inderErregungdesAugenblickesbegreifliches HandeanHätte, wie-es Jgels Absichtwar, dieKugel Marfchner gefehlt, schwerlichwäreihm

»aus feinem Verhalten auchnur einernsterVorwurfgemachtworden. Das TragenderWaffewar durchdennächtlichenUeberfallinTübingenunddurch dieunzureichenden SicherheitoerhältnisfeinOranienburg erklärt,dienachder erblichenAussagedesAusfichtführendenAmtsrichters auch ihnbereits ausden Gedanken gebracht hatten, auf nächtlicheGänge durchdieeinsamen Straßen desStädtchenseineWaffe mitzunehmenDasSchießenaufdie Laternenin früherenTagen standmitderThatinkeinemZusammenhang.DieKluft zwischendemUnfugeinesbezechtenJünglingsundderdenGegenstanddes Verfahrensbildenden Thatistso groß,daßbeiderStrafzumesfungin dem gegenJgelverkündetenUrtheil dieser Vorfallgarnicht erwähntworden ist, DasGelegenheitwortüber das Duell (dasübrigensvondenFreundennicht einmalernstgenommen wurde)decktsichmitderAnschauungvielerrecht ehren- werthen Männer, insbesonderedesKreises,indemderGeneralssohnerzogen worden ist. DasEinzige,was ihn ernstlich belastenkönnte undwasauch offenbardieGefchworenenzuihremSchuldfpruch veranlaßthat,war,daßer, statt sichruhigderdrohenden MißhandlungauszufetzenundausdieHilfeAn- dererzurechnenoderfeigwegzulaufen,mitderSchußwafsedrohteund,als dieDrohung fruchtlos blieb, ihrdieThat folgen ließ.

Auch hier scheintmirMancherleizuerwägen.WiedieGesetzealler Kulturnationen, foerkenntauch unserStrafgesetzbuchdasRechtderNoth- wehranunderklärt Denfür strgflos,der gegenübereinemunmittelbar be- vorstehendenrechtswidrigenAngrisfdasAbwehrmittelwählt,daszufeiner

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308 DieZukunft

Vertheidigung erforderlichist.Dabei kommtesnicht daraufan,ob derThäter durchdieFlucht sichdemAngrifs entziehenkönnte. Demdrohenden Unrecht gegenüberbestehteinRechtauf Vertheidigung. Auch dadurchwirddasNoth- wehrrecht nicht ausgeschlossen,daß durchdieAbwehrdemAngreifer ungleich schwerereNachtheile drohen,alserselbst siedemAngegrisfenen zuzufügen gedenkt. Jn dieser unbestreitbarenundniemals bestrittenenRechtslagebleibt dieThat Jgels mindestens aufderGrenzedes rechtlichErlaubten. Der Richter,derbeisolchemSachverhaltdieFreilassungdesReferendars oerfügte, vcdiente wirklich nichtdenVorwurfeiner denadeligen Kollegen begünstigen- denParteilichkeit.MiteinemvielgrößerenScheinvon Rechtkönnteman sagen,dieWiederverhaftung sei durchdiePreßhetzebewirktworden undman

habe,unterdemEindruckderOeffentlichenMeinung,umnur jadenSchein derParteilichkeitzumeiden,denadeligen Referendar härter angefaßt,alsin gleicherLage Herrn SchulzeoderHerrnMüller geschehenwürde.

Kurzvor demFall Jgelkameineandere Nothwehrhandlungzu meiner Kenntniß.EinHandwerker hatte seineGeliebteinihreWohnung hinausge- leitet,die im ViertenStock eines berlinerHauseslag.EinHausbewohnerwarmit seiner FraudenBeiden gefolgtundtrafdenRückkehrendenausderdunklen Treppe.Dortentspann sicheinWortstreit,derdamit endete,daßderHaus- bewohner durchdasverschlosseneFenster aufdieStraße flog fundmitzer- brochenemGenick untentotliegenblieb.DieEhesraudes Getötetenbehauptete, derHandwerker,einMann vonungewöhnlicherKraftundKörpergröße,habe ihrenMann vor ihren Augen gepacktunddurchdasoffene Fenster aufdie Straße geschleudert.DerHandwerkererklärte, derVerunglücktessei zufällig durchdasgeschlosseneFenster gestürzt. Jederwirdzugeben, daßderFall dieses Handwerkers nichtetwagünstigerals derdesReferendars lag. Herr vonJgelkonnteseineFreilassung nichteinmalgegendasAngeboteinerBürg- schaftvonzwanzigtausendMark erreichen;derHandwerkerwurde nachdrei- tägigerUntersuchunghaftgegeneine Kautionvon fünfhundertMark auf freien Fuß gesetzt. Jgelwurde wegen vorsätzlicherKörperverletzungmittötlichem Ausgangvor dieGeschworenen gestellt;derHandwerkerwurde(weilman im ZweifelsfallimmerfürdenAngeklagtenentscheidenmüsse)nichteinmal an- geklagt.DieMotivirung ließ sich halten;und inderDessentlichkeitwurde kein Wort dagegengesagt.Wasaberwäregeschehen,wenn man denadeligen Referendar außer Verfolgung gesetzthätte?DerSchwurgerichtspräsidentist ja sogar getadeltworden,weilerdenAngeklagten,,HerrnvonJgel«nannte undihm währendderfast sünfzehnstündigenVerhandlung gestattete, sitzenzu bleiben.SelbstdieWitzblätterhaben sich diesen ungeheuerlichenVorfall nicht entgehen lassen;alsobinberlinerGerichtssälenderKasernenhoston üblich seiundgepflegtwerdenmüsse.LeidergiebtesVorsitzende,die die Würdedes

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DerFall Jgel. 309

Gerichtesbesonders gutzuwahren glauben,wenn sie jeden Angeklagtenwie einen überführtenPerbrecher behandeln;aberdieMehrheit haben diesege- strengen Herren,zuunserem Heil, noch nichtundderalsebenso tüchtigwie menschenfreundlichbekannteLandgerichtsdirektor Warnatsch,derVorsitzende imJgel-Prozeß,hatniezuihrerKategorie gehört.AmTage nach diesem Prozeß begannvor demLandgerichtI.unter demVorsitzdesLandgerichts- direktors SplettstößereinGiftmordprozeß,indemderPräsidentdemdes Mordversuches geftändigenButterhändlerstetsdie Anrede»Herr Feller«ge- währte;unddieOeffentlichkeit,diesich doch recht lebhaft fürdenFallin- teressiite, beachtete diese Thatsachegarnicht(dieauchwirklich nichtzuden seltenzuverzeichnendenzählt).

DaßdiePresseimFall Jgel soblindParteiergriff, ist auf verschie- deneUrsachen zurückzuführen.VonAnfanganistderThatbestand tendenziös entstelltworden. Zuerstwurde behauptet, Jgel habe ohne jede Provokation von deknrechtswidrig bestiegenen Schlittenaus auf Marschner geschossen.

Dann lasman,ersei,umMarschner niederzuschießen,nachdemersten Wort- wechselinseineWohnunggeeiltundhabe sichvondorterstdieSchußwasfe geholt.Noch wenigeTagevor derHauptverhandlungverbreitete ineinem Offenen,andiegesammteberliner Presse versandtenBriefderVertreter der Familie MarschnerdieSätze: »DaßderThäternur einenSchreckschußhat abgeben wollen, erscheint ausgeschlossen.«(Die Sachverständigenhaben diese Möglichkeitbejahtund dieGeschworenenhabensieihremWahrspruchzu Grunde gelegt.) »Es stehtnach dereigenenAussage Jgels fest, daßersichviel- fachimPistolenschießengeübt hatundeinleidlich guter Schützegewesenist.«

(Nach sachverständigemGutachtenbildetdasUebenmitderleicht abzuziehen- denPistole nichtdiegeringsteGewähr für TreffsicherheitmitdemRevolver.)

»Es ist unwahr, daß JgeleineschwereMißhandlungdurch Marschnerzu gewärtigenhatte, zumal Dieserkleinerwar alsJgel-« (Marschnerhatselbst bekundet,daßerJgelmitdessenStockschlagenwollte; auchwar erstärker undum mehrerCentimeter größeralsJgel.) »Von Jgel hatinbrutaler Weise zuerst,wiefastallseitig bezeugtwird«(nur WächterBirkholz hatsbe- kundet,Referendar MüselermitgrößterBestimmtheitdasGegentheilbe- fchworen), ,,MarschnermitseinemStock über denKopfund dieSchulter geschla- gen«(KvpsundSchulternMarschnerhabennichtdiegeringsteSpurdieser,,brutalen«

Mißhandlunggezeigt.) ,,Jn gebückterStellungundseinemGegner gegenüber widerstandsunfähigwurde Marschnervon Diesem erschossen«(sämmtliche ZeugenundSachverständigehabenbekundet,daßderSchuß Marschnerin ausrechter, leicht vornübergeneigterHaltung, alsobeimEindringen auf Jgel tras).,,Feststeht, daßJgelingeradezu friooler Weiseüber denGebrauchder SchußwassezurVernichtungdes menschlichenLebensgedacht hat«(erhatte

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310 DieZukunft.

dievorhin erwähntenSätzeüber das Duellgesprochen),,,withrend Marschner, wiedieKrankenschwester,in deren Armenergestorbenist, ausdrücklicherklärt hat, ein überausgutmüthigerMenschgewesen,deraufsHöchstegereiztwerden mußte,uminAufregungzugerathen-«(Ter Vorfall,beidemMarschnerden Todfand, illustrirt diesekühneBehauptung) ,,Zur CharakteristikdesHerrnvon Jgeldiene endlich eineBemerkung,dieeraufdieFragedesVerwundeten: ,War eseinSchrotschuß?«gethan hat.« (ZwischenJgelundMarschner ist nachdem Schußkein Wortmehr gewechseltworden). »Von Jgelerwiderte mitgrößter Ruhe:,Nein,es war eineKugelunddiesitztfest«.«(HerrvonJgel hatte auf dieFrageeines derUmstehenden,obesvielleichteinSchrotschußgewesenfei, geantwortet: »Nein,eineKugel« DaßerdiefrioolenWorte»unddiesitzt fes«hinzugefügthabe, ist ErsindungKeineinzigerderhierfürbenannten Zeu- genhatdie Wortegehört.)Dieser BriefwurdeunterdemNamen desAutors, einesberlinerRechtsanwaltes, veröffentlichtundfandGlauben. Nochjetztstützt sichdasUrtheilvielfachnichtauf dasErgebnißderSchwurgerichtsoerhandlung, sondanaufdenBriefeinesParteioertreters, aufeinenBrief also,in demfast jede Zeileeineinzwischenalsfalsch erwieseneBehauptungenthielt.

DerFall Jgel ist für die-Oeffentlichkeiterledigt;derSturm hataus- getobtundnur manchmal hörtman nocheinenleisenNachklang,wenn es zu zeigen gilt,mitwieungleichen Maßenbeiuns auf derWagederGerechtig- keit gewogenwird. Diese Thatsache ist nichtzuleugnen; siewirddurchdie VerschiedenheitderCharaktereundAnschauungenbesseralsdurchdiePartei- lichkeitDerer erklärt,diedasRechtzusinden berufen sind. Jedenfalls ist derFall Jgel,wieich gezeigtzuhaben glaube,amWenigsten geeignet,Das zubeweisen,was man durch ihnzubeweisen versucht hat. Dagegenlehrter, daß dieUngerechtigkeitgaroftbeiDenenwohnt,diemitdenlautestenTönen übersie klagen,unddaßdieOeffentlicheMeinungvon einem auffalschen Voraussetzungenruhenden Urtheil nichtminder schwerabzubringenistals die StrafkammereinespreußischenLandgerichtes

RechtsanwaltDr. Siegfried Löwenstein.

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Derruhige, klare, lückenloseBericht des Vertheidigers bedarf keinesZusatzes.Der Thatbestand spricht eindringlichgenug.ZunächstalsonurnocheinWortüberdieHaupts personendesDramas. GeneralvonJgel galt,biserdenAbschiednahm, füreinen der klügsten,strategischundtechnischfähigstenOsfizieredesdeutschenHeeres;und werihn kennt,weißdenstarkenGeist unddievielfeitigeBildungdesManneszuschätzen.Seine GattinistdieechteTochterWalters BronsartvonSchellendorf:einetapfereSeelevon musischer Grundstimmung;einKünstlerkopfüber einemPreußenherzenEineDame- diesichauchmitderFeder ansehnliche Geltung verschafft hat. Von Hochmuth, Junker- allure, Kastenvorurtheil istimeinfachen Haus dieser Menschen nichtdiewinzigste Spur zufinden.EinesAbendshören fie, ihr Sohn Harry, einstiller, fleißiger,gescheiterJüng-

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