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Im Schatten Napoleons : Aus den Erinnerungender Frau von Rémusat

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IM SCHATTEN NAPOLEONS

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IM SCHATTEN NAPOLEONS

AUS DEN E R IN N E R U N G E N D ER FRAU VON REM U SA T

ÜBERSETZT UND HE RAU SGEGE BEN TON FRIEDRICH F R E IH E R R N VON FALKENHAUSEN

K O E H L E R & AM ELANG / L E IP Z IG

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C o p y r i g h t 1941 by K o c h l e r <Sc A m c l a n g , L e i p z i g S a t z u n d D r u c k d e r O f f i z i n H a a g * D r u g u l i n in L e i p z i g

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Z U R E I N F Ü H R U N G

„Es

ist wenig wahrscheinlich“, schrieb unter dem zweiten Kaiser­

reiche der Sohn der Verfasserin dieser Denkwürdigkeiten, der ehe­

malige Minister des Bürgerkönigs, „es ist wenig wahrscheinlich, daß die Auffassung, in der meine Mutter über Napoleon geschrie­

ben hat, jemals die allgemeine werden wird...Aber ich glaube, in den Kreisen, wo man nachdenkt, wird die Wahrheit an den Tag kommen. Die Betörung wird nicht ewig dauern. So fest gewisse Vorurteile wurzeln: eines Tages, zumal wenn die Freiheit wieder­

kehrt und uns erhalten bleibt, werden die Meinungen sich klären, und kein Ruhm wird mehr die Stimme der Vernunft und des öffent­

lichen Gewissens übertäuben können.“

Der Streit um Napoleon zwischen den Bewunderern des Ruhmes und den Wortführern des öffentlichen Gewissens dauert bis heute fort und wird so bald nicht zur Ruhe kommen. Es ist das Los jeder geschichtlichen Größe, daß ihr Charakterbild, von der Parteien Haß und Gunst verwirrt, in der Geschichte geschwankt hat. So schroff aber wie bei Napoleon Bonaparte stehen sich die Meinungen in keinem zweiten Falle gegenüber. Das einzige, was kein ernst­

hafter Beurteiler anzufechten wagt, ist sein Ruhm als Meister der Kriegskunst. Der Herrscher, der Politiker, der Mensch Napoleon hat jedes Lob und jeden Schimpf erfahren. Er ist als Halbgott zu den Ster­

nen erhoben und als Teufel in Menschengestalt zur Hölle verdammt, ist als Retter Frankreichs und Schöpfer seiner stolzesten Größe gefeiert und als Verderber des Landes und Schlächter seiner Jugend verflucht, er ist als Mann des Volkes und der Revolutionsideen ge­

priesen und als Usurpator und Erztyrann verurteilt worden.

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Daß zu seinen Lebzeiten Haß und Empörung der von ihm geknech­

teten und ausgesogenen Völker sein Bild zunächst schwarz in Schwarz gemalt haben, darf nicht wundernehmen, eher die Mäßi­

gung, mit der etwa E. M. Arndt davor warnte, „den Fürchterlichen so leicht zu richten“ und die bekannte, trotz alledem rückhaltlos bewundernde Haltung Goethes. Auch das ist nur zu begreiflich, daß sich in der lange geknebelten öffentlichen Meinung Frankreichs unter der Restauration der Widerspruch gegen seine lastende Ge­

waltherrschaft, die Ursache so schwerer Leiden und eines so tiefen Falles, in heftigen Anklagen Luft machte. Überraschen kann die Schnelligkeit, mit der, in Frankreich wie in Deutschland, die Stim­

mung umschlug. Unter dem Eindruck der geschickt, wenngleich nicht allzufein auf die Empfindsamkeit des Zeitalters berechneten Nachrichten aus Sankt Helena, die das Haupt des Gestürzten mit der Gloriole des Martyriums umwoben, setzte jener mythische Na­

poleonkult ein, der sich - man braucht nur an die Dithyramben Heinrich Heines zu denken - in fassungsloser Verhimmelung über­

schlug. Bewußt und mit politischer Zielsetzung wurde dieser Kult vornehmlich unter dem zweiten Kaiserreiche gepflegt. Aber ge­

rade diese politische Tendenz rief wieder eine Gegenströmung her­

vor. Taines großes Werk bezeichnet einen neuen Wendepunkt.

Seither behauptet wissenschaftlich kritische Beurteilung das Feld.

Freilich bis heute nicht ohne Widerspruch. Die strenge Forschung selber, so gewissenhaft sie die Quellen erschlossen hat, so ehrlich sie sich müht, der einzigartigen Erscheinung des außerordentlichen Mannes gerecht zu werden, ohne sie ins Übermenschliche aufzu­

blähen oder die Schatten seiner großen Eigenschaften zu vertu­

schen, hat die Gegensätze nicht auszugleichen vermocht. Noch die Auffassungen von Fournier, Lenz, Kircheisen - um nur die bekann­

testen der neueren deutschen Biographen zu nennen, weisen be­

trächtliche Unterschiede auf und stehen in entschiedenem Gegen­

satz zu den scharfen Urteilen Treitschkes und Jakob Burckhardts.

Augenscheinlich hat Klio Mühe, nach so unerhörten Schwankungen das Gleichgewicht herzustellen. Und unbekümmert um ihr Walten spinnt der Mythos sein Gewebe fort. Nietzsche fand in Napoleon, oder vielmehr in dem Phantasiebilde, das er sich von ihm machte,

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die Verkörperung seines Übermenschen, das „fleischgewordene Problem des vornehmen Ideals an sich“, „das antike Ideal, das leibhaft und mit unerhörter Pracht vor Auge und Gewissen der Menschheit trat“. Mereschkowski schrieb seinen Napoleon-Roman, und der Verfasser des Lionardo da Vinci findet in Deutschland Gehör. Auch Elie Faures Napoleon wurde ins Deutsche übersetzt.

Da findet der deutsche Leser den Satz: „Es handelte sich, wie zur Zeit der Kreuzzüge, um eine schicksalsmäßige Krisis von kollekti­

vem Idealismus, welche zum erstenmal zu Lebzeiten eines Men­

schen sich in einem Menschen verleiblichte, der wert war, sie allen aufzuzwingen.“ Da liest er — und darf versuchen, sich etwas dabei zu denken - daß Napoleon „gemeinsam mit Christus der einzige bekannte Nachfahre des Prometheus auf Erden“ gewesen ist...

Jede der so widersprechenden Auffassungen kann sich auf Zeug­

nisse von Zeitgenossen stützen. Den Berichten aus Sankt Helena, die, mehr oder weniger unmittelbar von Napoleon selbst eingege­

ben, seiner Rechtfertigung und Verherrlichung dienen, stehen Ur­

teile gegenüber, die, wie das der Frau von Stael, von Erbitterung über widerfahrene Unbill gefärbt sind. Wieder andre, Stimmen aus seiner täglichen Umgebung, schildern den Helden in seinem Alltag.

Der Alltag ist gewiß kein reiner Spiegel der Größe. Immerhin klä­

ren sich in seiner nüchternen Beleuchtung so manche Züge, die im Rampenlicht der großen Weltbühne in unbestimmten Farben schillern. Und schließlich bewährt sich echte Größe, entgegen dem oft gehörten Sprichwort, selbst vor dem eigenen Kammerdiener;

vorausgesetzt nur, daß sie nicht unter dem Gesichtswinkel des Kammerdieners betrachtet wird. Auf jeden Fall können Zeugnisse aus dem Kreise des täglichen Verkehrs Wahrnehmungen wieder­

geben, die Fernerstehenden unzugänglich sind, und verdienen schon deshalb besondere Beachtung. Die kürzlich ans Licht der Öffentlichkeit gelangten Denkwürdigkeiten Caulaincourts haben ohne Zweifel Napoleons Bild vielfach und wesentlich ergänzt. Ne­

ben ihnen stehen die der Frau von Remusat, der langjährigen Pa­

lastdame der Kaiserin Josephine, in vorderster Reihe und sind sicherlich wert, der Vergessenheit entzogen zu werden, der sie seit Beginn des Weltkrieges verfallen sind.

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Claire de Remusat, geb. Gravier de Vergennes, entstammte, ebenso wie ihr Gatte, einer Familie, die der sogenannten noblesse de robc angehörte. Ihre Vorfahren, ohschon auch mit Grundbesitz begü­

tert, hatten sich zumeist in richterlichen und Verwaltungsämtern betätigt. Ein Bruder ihres Großvaters war der oft genannte Mini­

ster Ludwigs XVI. gewesen. Diese Kreise waren den Ideen der Re­

volution im Anfang nicht abgeneigt, wenn sie schon dem Königs­

hause unbedingt ergeben waren. Die weitere Entwicklung der Re­

volution, der Königsmord und die Schreckensherrschaft schieden dann die Geister. Drei Tage vor Robespierres Sturz wurden Vater und Großvater Claires de Vergennes Opfer der Guillotine. Ihre Mutter, mit allen Angehörigen des Adels aus Paris verbannt, zog sich mit ihren beiden Töchtern auf das Land, in die Gegend von Montmorency zurück. In ihrer bedrängten Lage leistete ihr Herr von Remusat gute Dienste, ein Freund der Familie, der, zuvor Ge­

neralanwalt bei dem Gerichts- und Finanzhof der Provence und, nach dessen Aufhebung durch die Nationalversammlung, zur Re­

gelung der Angelegenheit nach Paris abgeordnet, mit den neuen Männern, u. a. mit Mirabeau in Verbindung gekommen war. Drei­

ßiger, vor einem Jahrzehnt nach kurzer Ehe Witwer geworden, hei­

ratete er zu Anfang des Jahres 1796 die ältere der beiden Töchter, die sechzehnjährige Claire de Vergennes.

Als unter dem Direktorium eine gewisse Beruhigung eingetreten war, suchte der junge Ehemann eine Stellung. Dazu wurde die Fürsprache der Madame Bonaparte in Anspruch genommen, mit der die Mutter Vergennes während des ländlichen Aufenthalts, als sie noch die verwitwete Marquise de Beauharnais war, Bekannt­

schaft gemacht hatte und deren zweiter Gatte inzwischen Erster Konsul und Gebieter Frankreichs geworden war. Ihre Vermittlung hatte einen unerwarteten Erfolg. Der Erste Konsul, bewogen wohl durch die für seine Stellung zur Pariser Gesellschaft wertvollen Be­

ziehungen der Familie Vergennes zum alten Adel sowohl wie zu Trägern der neuen Ideen, berief im Jahre 1802 Herrn von Remusat zum ersten Kammerherrn und Palastpräfckten, seine zweiundzwan- zigjährige Gattin zur Ehrendame, bald darauf zur Palastdame sei­

ner Gemahlin Josephine.

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Das Angebot war über Erwarten glänzend, freilich nicht das, was sich der Bewerber gewünscht hatte, und noch weniger das, worauf seine Natur und seine Fähigkeiten ihn hinwiesen. Der aufrichtig gradsinnige Mann, schlicht und allem äußeren Schein abhold, pflichttreu aber ohne Dienstbeflissenheit und ohne Ehrgeiz, eher etwas indolent, nichts weniger als schmiegsam oder liebedienerisch, war alles eher als Höfling. Seine junge Frau in ihrer Lebhaftigkeit und Lebenslust, mit ihrem Geist und ihrer ungewöhnlichen gesell­

schaftlichen Gewandtheit brachte für das Hofleben an sieb weit mehr an Eignung und auch an Neigung mit. An diesem Hofe aber, der zwar Ausstattung und Zeremoniell des alten Königshofes ge­

flissentlich nachahmte und dessen Prunk womöglich noch zu über­

bieten strebte, dem indes die Leichtigkeit, Gepflegtheit und Ge­

fälligkeit des gesellschaftlichen Verkehrs jener Zeiten völlig ab­

ging: an dem Hofe des Konsuls Bonaparte, des Kaisers Napoleon war sie gleichfalls fehl am Ort. Überdies mußten beide mit der Miß­

billigung ihrer royalistischen Standesgenossen rechnen, wenn siebei dem neuen Gewalthaber Dienste nahmen. Erst nach und nach ga­

ben diese Kreise ihre Zurückhaltung auf und machten, einer nach dem andren, bis zu den Angehörigen der vornehmsten Familien, ihren Frieden mit dem Erben der Revolution. Damals wird es dem Ehepaar Remusat von so manchem ihrer Verwandten und Freunde als Gesinnungslosigkeit ausgelegt worden sein, daß sie sich so schnell der aufgehenden Sonne zuwandten. In den unter der Restauration geschriebenen Denkwürdigkeiten spürt man immer wieder das Be*

streben, sich gegen diesen Vorwurf zu rechtfertigen: ein Zeugnis dafür, wie fühlbar er schon damals gewesen sein muß.

Begründet war er sicher nicht. Die Remusats, wie schon erwähnt, hatten nie zu den ausgesprochenen Gegnern der revolutionären Ideen gehört. Dem Helden Bonaparte, der, mit dem frischen Lor­

beer seiner Siege und politischen Erfolge gekrönt, das Staunen der ganzen Welt erregte, haben sie augenscheinlich in aufrichtiger Be­

wunderung gehuldigt. Ebenso aufrichtig wird ihre Überzeugung gewesen sein, daß er allein der Mann sei, dem Lande nach den Greueln der Schreckensherrschaft und der Verderbnis des Direk­

toriums Sicherheit, Ordnung und Ehre wiederzugeben. Ihr Sohn,

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der eingangs erwähnte liberale Politiker, hat sich nach ihremTode über die Annahme jener Hofämter folgendermaßen geäußert: „Es war kein Notbehelf und kein Auskunftsmittel für den Augenblick;

nicht Charakterlosigkeit, nicht Zwang der Verhältnisse, nicht lok- kende Aussichten haben meine Eltern dahin geführt, sich dem neuen Gewalthaber anzuschließen. Aus freier Überzeugung ent­

schlossen sie sich, ihr Geschick an das seine zu binden...“

Die Remusats haben denn auch nie zu den Strebern und Augen­

dienern gehört, die sich zu willenlosen Werkzeugen von Napoleons Launen hergaben. Der Kaiser hat diesen inneren Vorbehalt rasch genug bemerkt und hat es seinen ersten Kammerherrn entgelten lassen, daß er ihm nicht so zu dienen gewillt war, wie er es von je­

dem seiner Diener verlangte: unter Aufgabe des eigenen Selbst, einzig auf vollkommenste Ausführung des kaiserlichen Willens be­

dacht. An den überreichen Belohnungen, die dessen beflissenen Vollstreckern zufielen, hat Herr von Remusat nur bescheidenen Anteil gehabt und je länger, je häufiger die Ungnade seines Gebie­

ters zu fühlen bekommen. Immerhin wird der argwöhnische, von Kabalen aller Art umgebene Selbstherrscher wohl gewußt haben, welchen Wert die unbedingte Zuverlässigkeit und Uneigennützig­

keit des ehrlichen, keiner Intrige fähigen Mannes für ihn hatte. So hat er ihn bis zuletzt in seinem Dienste gehalten, wenngleich das persönliche Verhältnis immer kühler wurde und der durch manche peinliche Erfahrung Verstimmte sich zuletzt unter Aufgabe des be­

gehrten Postens eines Zeremonienmeisters (grandmaitre de la garde-robe) auf die seinem Geschmack mehr zusagende Theater­

intendantur zurückzog.

Auch seine Gattin, obwohl vom Kaiser mit Auszeichnung behan­

delt, hatte ihm gegenüber nicht immer leichten Stand. Als er­

gebene Vertraute der Kaiserin wurde sie in die vielfachen Miß­

helligkeiten hineingezogen, die zwischen den kaiserlichen Gatten durch Napoleons Seitensprünge, durch Josephines Eifersucht und Unvorsichtigkeit, vollends durch die lange Zeit drohende und schließlich zum Vollzug kommende Scheidung entstanden. Oft ge­

nug mußte sie bei Zusammenstößen zwischen beiden den Prellbock spielen, zumal Josephine gelegentlich, um sich seihst zu entlasten,

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die Schuld für eigene Fehler fälschlich auf die Ratgeberin schob.

Mit dem Augenblick der Scheidung war dann ihres Bleibens nicht mehr am kaiserlichen Hofe. Sie folgte der Exkaiserin in die Zu­

rückgezogenheit: eine Lösung, die wohl allen Teilen willkommen war, auch dem Kaiser, dem es von Wert sein mußte, in der Umge­

bung seiner zu unbedachten Schritten neigenden ehemaligen Ge­

mahlin die kluge und wohlgesinnte Beraterin zu wissen.

Dies Verhältnis währte jedoch nur wenige Jahre. Schon 1814 ist Jo­

sephine gestorben. Fast gleichzeitig hatte Napoleons Sturz auch der Hofstellung des Gatten ein Ende bereitet. Er stellte sich bald nach der Rückkehr der Bourbonen dem Königtum zur Verfügung und wurde nach dem Zwischenspiel der hundert Tage, die er, aus Paris ausgewiesen, in ländlicher Zurückgezogenheit überdauerte, zum Prä­

fekten in Toulouse ernannt. Hier, in der ihm von jeher erwünschten Tätigkeit, konnte er seine Fähigkeiten entfalten, und auch in Lille, wohin er in gleicher Eigenschaft versetzt wurde, hat er im Sinne der konstitutionellen Monarchie gewirkt, bis ihn im Jahre 1822 die Ein­

setzung des reaktionären Ministeriums Villfele zum Rücktritt nötigte.

Seine Gattin nützte die gewonnene Muße zu schriftstellerischer Tä­

tigkeit verschiedener Art. Sie hat einen Essay sur l’education des femmes hinterlassen und auch zwei Romane, in denen ihr eigenes Erleben am Hofe sich spiegelt. Durch einen Zufall kam sie auf den Gedanken, ihre Erinnerungen niederzuschreiben. Sie haben ein eigenartiges Schicksal gehabt: in der Gestalt, die uns überkommen ist, sind sie der Versuch der Wiederherstellung eines verlorengegan­

genen Werkes. Von dem Beginn ihres Hoflebens an hatte Frau von Remusat ihre Erlebnisse und Beobachtungen regelmäßig aufge­

zeichnet. Während der hundert Tage hat sie, in der Sorge vor Haus­

suchungen und vor verhängnisvollen Folgen der Entdeckung ihrer Offenherzigkeiten für sich selbst und andere, die Tagebücher sämt­

lich verbrannt. Unter dem Eindruck von Frau von Staels Con- siderations sur la revolution frangaise faßte sie drei Jahre nach Na­

poleons Sturz den Entschluß, die Erinnerungen aus dem Gedächt­

nis neu zu gestalten. Es reizte sie, der von persönlicher Gehässig­

keit gegen Napoleon gefärbten Darstellung der Stael ihr eignes,

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nicht durchweg günstigeres, aber sachlicheres Urteil gegenüber­

zustellen. Ihr Sohn, der Vertraute ihrer innersten Regungen, hatte unabhängig von ihr über dem gleichen Buche gleichzeitig den glei­

chen Gedanken gefaßt. In einem Briefe, der sich mit ihrer Mittei­

lung des Planes kreuzte, schreibt er: „Dies Buch ließ mich aufs neue und aufs lebhafteste bedauern, daß Du Deine Denkwürdig­

keiten verbrannt hast. Ich sagte mir aber auch: sie müssen ersetzt werden: Du bist es Dir, bist es uns, bist es der Wahrheit schuldig!

Forsche in der Erinnerung: nicht sowohl nach den einzelnen Er­

eignissen als vor allem nach dem Eindruck, den sie auf Dich ge­

macht haben. Versetze Dich in die Anschauungen zurück, die Du seither abgetan, in die Illusionen, die Du verloren hast. Nimm selbst Deine alten Irrtümer wieder auf. Zeige uns, wie Du mit so vielen ehrenwerten und urteilsfähigen Menschen, empört und an­

geekelt durch die Greuel der Revolution,... Dich zu einer im Grunde echt patriotischen Begeisterung für jenen einen Mann ver­

führen ließest. Sprich es aus, daß wir alle sozusagen Fremdlinge in der Politik geworden waren. Wir hatten keine Bedenken gegen die Herrschaft eines einzelnen: wir stürzten ihr in die Arme! Dann zeige uns den Mann, wie er von jener Zeit an in dem Maße, wie seine Macht wuchs, Schaden an seiner Seele nahm, oder aber sein wahres Wesen zu erkennen gab. Laß uns sehen, wie Du, im Zwange einer tragischen Notwendigkeit, eben in dem Maße, wie Deine Illu­

sionen über ihn schwanden, nur immer tiefer in Abhängigkeit von ihm gerietest, wie Du ihm um so strenger in der Tat gehorchen mußtest, je weniger Du es von Herzen tun konntest. Laß uns wis­

sen, wie Du, die im Irrtum über seine Persönlichkeit an die Ge­

rechtigkeit seiner Politik geglaubt hattest, einmal im Klaren über seinen Charakter, allmählich auch im Urteil über sein System er­

nüchtert wurdest und wie die sittliche Entrüstung Dich nach und nach zu einer Haltung geführt hat, die ich politischen Haß nennen möchte. Das, meine Mutter, ist meine kindliche Bitte an Dich! Du wirst auf mich hören, nicht wahr, und wirst es tun?“

Die Mutter antwortete in einer Reihe rasch sich folgender Briefe:

„Ist es nicht ein Wunder, wie wir uns verstehen? Ich lese jenes Buch; bin betroffen wie Du; beklage aufs neue den Verlust jener

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unglückseligen Tagebücher - und setze mich hin und schreibe, ohne noch zu wissen, wohin das mich führen wird.“ ... ,,Du kannst Dich auf meine Wahrheitsliebe verlassen. Gestern saß ich allein vor mei­

nem Schreibtisch und suchte in meiner Erinnerung nach dem er­

sten Augenblick meiner Begegnung mit jenem unseligen Manne.

Eine Flut von Empfindungen überkam mich, und das, was Du so treffend politischen Haß nennst, war nahe daran sich zu verflüch­

tigen und den anfänglichen Illusionen wieder Platz zu machen.“ ...

„Weißt Du, daß ich allen meinen Mut nötig habe, um zu erfüllen, was Du von mir verlangst ? Ich komme mir einigermaßen vor wie ein Sträfling, der zehn Jahre auf der Galeere gesessen hat und von dem man Rechenschaft verlangt, wie er dort von Tag zu Tage seine Zeit hingebracht hat.“ ...„Ich habe ein peinliches Gefühl bei dem Gedanken an meine verflogenen Illusionen sowohl wie an meine gegenwärtigen Empfindungen. Du sagst mit Recht, daß ich eine wahrheitsliebende Seele bin. Aber das bringt es mit sich, daß ich nicht wie andre ungestraft meinen Empfindungen nachgehen kann.“ ...„Was für ein Mensch, mein Sohn! Was für ein Mensch!

Mir graut davor, sein Bild zu zeichnen. Es war mein Unglück, daß ich noch so jung war, als ich in seiner Nähe lebte. Ich dachte nicht genug nach über das, was ich sah, und heute, da meine Zeit fort­

geschritten ist und ich mit ihr, will die Erinnerung mich stärker er­

regen, als damals das Erlebte.“ ...„Manchmal macht ein Gedanke mir Sorge: wenn mein Sohn eines Tages all dies veröffentlicht, was wird man von mir denken ? Dann beunruhigt es mich, daß man mich für bösartig, vielleicht auch für böswillig halten könnte.

Im Schweiße meines Angesichts suche ich Gelegenheit zu loben.

Aber dieser Mann ist der Tugend ein Mörder gewesen, und wir, wir sahen uns derart erniedrigt, daß so manchesmal Entmutigung sich meiner Seele bemächtigen will und der Ruf der Wahrheit mich drängt sie zu sagen.“ -

Dieser Briefwechsel spiegelt die Absicht, in der die Erinnerungen niedergeschricben worden sind. Nach dem Plane der Verfasserin sollten sie in fünf Teilen die ganze Zeit von ihrem Eintritt in den Hofdienst bis zu Napoleons Sturz umfassen. Neunundzwanzig Ka­

pitel hat die zarte, immer häufiger kränkelnde Frau in den drei

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Jahren, die ihr noch vergönnt waren, bewältigt. Dann nahm der noch nicht zweiundvierzigjährigen der Tod die Feder aus der Hand.

So blieb das Werk unvollendet: mit dem Jahre 1808, mitten in der Beschreibung der spanischen Wirren bricht es ab. Auch an die ab­

geschlossenen Kapitel hat die Verfasserin augenscheinlich nicht mehr die letzte Hand anlegen können. Nach ihrer eigenen Angabe hat sie die Arbeit ohne festen Plan begonnen, indem sie außer der Reihe, je wie es in ihrer Erinnerung auftauchte, ein Stück nach dem andren aufzeichnete. So wird der Zusammenhang immer wieder unterbrochen, zahlreiche Wiederholungen sind stehen geblieben und auch hier und da Unklarheiten des Ausdrucks, die bei der letz­

ten Durchsicht wohl ausgemerzt worden wären.

Schwerer als durch diese kleinen Mängel wird der Wert des Buches durch seine Unvollständigkeit beeinträchtigt. Sie läßt uns das Be­

dauern der Verfasserin über den Verlust der ursprünglichen Auf­

zeichnungen teilen. Sicher werden diese aus den schicksalschweren Jahren von 1808 bis 1815 aufschlußreiche Angaben enthalten ha­

ben: über die politischen und Kriegsereignisse dieser stürmischen Zeit sowohl als auch über die Vorgänge am Kaiserhofe, zumal über die Trennung der kaiserlichen Ehe, deren so lange schon drohende Gefahr Josephines Vertraute, wie wir sehen werden, immer teil­

nehmend mitempfunden hatte. Für die Zeit, die sie behandeln, dürfen diese nachträglich wiederhergestellten Denkwürdigkeiten als vollwertiger Ersatz der verlorenen gelten. Im Rückblick, der einen Überblick über den Gesamtablauf der Ereignisse und über die Entwicklung der Zustände gestattet, werden sie an Geschlossen­

heit sogar gewonnen haben. An Ursprünglichkeit, an Unmittelbar­

keit der Darstellung kann zum mindesten nicht allzuviel verloren sein. Selten vermißt der Leser den frischen Eindruck des Erlebens;

selten wird er auch nur auf den Gedanken kommen, daß diese Erinnerungen erst nach Jahren niedergeschrieben worden sind. Le­

bendig und anschaulich treten die geschilderten Auftritte und Ge­

stalten vor sein Auge. Wenn Personen redend eingeführt werden, wie zum Beispiel im III. Abschnitt Napoleon selbst mit der Er­

zählung seiner Lebensgeschichte, so möchte man darauf schwören, daß sie so und nicht anders gesprochen haben.

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Diese überzeugende Lebenswahrheit ist noch kein Beweis für die gegenständliche Richtigkeit der Angaben und Urteile. Immerhin rechtfertigt sie (bereits ein gewisses Vertrauen zu der Verfasserin und ihrer Darstellung. Denkwürdigkeiten von Privatpersonen sind keine geschichtlichen Urkunden. Von ihnen die Objektivität zu ver­

langen, die von der strengen Wissenschaft in ihrer klassischen Zeit als Ziel der Geschichtschreibung erstrebt wurde, wäre unbillig.

Gelten sie doch als Geschichtsquellen allgemein als verdächtig. In der Zeit nach dem Weltkriege ist ein boshafter Leser einer der da­

maligen Veröffentlichungen soweit gegangen, das bekannte Scherz­

wort jenes englischen Skeptikers, es gebe drei Arten von Lügen:

Lügen, verdammte Lügen und Statistik - damit zu übertrumpfen, daß er auf die oberste Stufe der Lügenleiter die Memoirenliteratur stellte. Auch wer das für unzulässige Verallgemeinerung hält, wird anerkennen müssen, daß sie mit Vorsicht zu benutzen ist. Irrtümer, Mißverständnisse, unverbürgte Gerüchte, Klatsch, nicht zuletzt Färbung und Entstellung der Tatsachen im persönlichen und Par­

tei-Interesse trüben und verfälschen in solch unkontrollierten und unverantwortlichen Darstellungen allzuleicht das Bild der ge­

schichtlichen Wahrheit. Aber bekanntlich dürfen auch öffentliche Urkunden, Akten und Staatsschriften nicht unbesehen als Zeug­

nisse reiner Wahrheit genommen werden. Auf jeden Fall bieten sie nur das Gerippe der Geschehnisse, deren Gesamtheit wir Geschichte nennen. Farbe und Leben erhält die Darstellung erst, wenn die Stimmen der Zeitgenossen zu Gehör kommen, die als Zuschauer und Mitspieler den Ablauf der Dinge selbst erlebt haben. Ehe man ihnen Vertrauen schenkt, wird freilich zu prüfen sein, ob der Ton ihrer Stimme Vertrauen weckt, ob ihre Persönlichkeit und ihre Stellung zu den Ereignissen Gewähr für wirkliche Kenntnis und sachlich richtige Wiedergabe der Tatsachen bietet: ob sie die Mög­

lichkeit hatten selber zu sehen; ob sie zu sehen verstanden; ob ihnen Wahrheitsliebe und Unparteilichkeit zuzutrauen ist.

Frau von Remusat hatte Gelegenheit, das weltgeschichtliche Dra­

ma, dessen Held Napoleon Bonaparte ist, von seinem Aufstieg bis zu seinem Sturze nicht allein aus nächster Nähe zu betrachten, son­

dern war genötigt es mitzuerleben. Sie besaß eine Beobachtungs­

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gäbe von ungewöhnlicher Schärfe, einen oft männlich anmutenden Geist und daneben eine fast nur bei bedeutenden Frauen anzutref­

fende Fähigkeit, sich in die Seele andrer zu versetzen und dadurch die geheimen Beweggründe ihres Verhaltens aufzuspüren. Staunens­

wert ist ihr Gedächtnis. Selten, soweit ihre Angaben sich nachprü­

fen lassen, und nur in nebensächlichen Einzelheiten hat es sie im Stich gelassen. Es versteht sich, daß sie der Erinnerung durch alle zu Gebote stehenden Hilfsmittel nachgeholfen hat. Alte Briefe hat sie in großer Zahl hervorgesucht und die Schriften benutzt, die bis zu ihrem Tode über die von ihr behandelten Ereignisse und Zu­

stände in der Öffentlichkeit erschienen waren: außer dem schon erwähnten Buche der Frau von Stael namentlich die Schrift des Abbe de Pradt über' die spanischen Wirren. Ausgiebig hat sie die Tagespresse zu Rate gezogen. Auszüge aus dem Moniteur, der amtlichen Zeitung, finden sich auf vielen Seiten ihrer Aufzeich­

nungen.

Zum überwiegenden Teil geben die Denkwürdigkeiten - das ver­

leiht ihnen besonderen Wert - eigene Erlebnisse wieder. Was die Verfasserin berichtet, hat sie zumeist als Augen- und Ohrenzeugin erfahren. Wo sie fremde Mitteilungen aufnimmt, sind es in der Re­

gel solche aus erster Hand. Als Gewährsmann nennt sie dann auf­

fallend häufig „Monsieur de Talleyrand“. Man hat darauf Zweifel an ihrer Darstellung überhaupt gegründet und vermutet, der ver­

schlagene Intrigant habe der vertrauensseligen Frau in eigennützi­

ger Absicht einseitige, schiefe, unrichtige Auffassungen beige­

bracht. Daß er nach seiner Art die Dinge gelegentlich zu seinen Gunsten und zum Nachteil für seine Gegner gefärbt haben mag, läßt sich denken. Es liegt aber keineswegs so, daß Frau von Remu- sat ihm blind gefolgt wäre und lediglich mit seinen Augen gesehen hätte. Mehrfach in diesen Denkwürdigkeiten zieht sie seine Anga­

ben ausdrücklich in Zweifel. Seinen Versuch, Napoleon der Schuld an dem geheimnisvollen Tode Pichegrus zu verdächtigen, führt sie geradezu auf das Streben zurück, den Kaiser anzuschwärzen, und auch von Talleyrands Haltung in der Ehescheidungsfrage meint sie, er habe seine wahre Absicht verhehlt. Mag sie sich hier und da von seiner Auffassung beeinflussen lassen, im großen und ganzen, das

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muß jedem Leser dieser Erinnerungen einleuchten, weiß sie mit eigenen Augen zu sehen.

Ob sie richtig gesehen habe, darüber läßt sich in manchen Fällen streiten. In den meisten, in der vielerörterten Frage nach der Mit­

schuld am Tode des Herzogs von Enghien zum Beispiel, muß der Streit unentschieden bleiben, weil die Geschichte selbst kein end­

gültiges Urteil weiß. In Einzelheiten, namentlich in Zeitangaben sind der Verfasserin kleine Irrtümer nachgewiesen worden; ihre Zuverlässigkeit im Wesentlichen läßt sich füglich nicht anfechten.

Gewiß wird in diesen Denkwürdigkeiten immer wieder das Bestre­

ben erkennbar, das eigene Verhalten zu rechtfertigen. Es wurde be­

reits hervorgehoben, wie dringende Veranlassung das Ehepaar Remusat hatte, sich gegen die Vorwürfe und Verdächtigungen zu wehren, die beiden der Eintritt in den Dienst des Konsuls aus den Kreisen ihrer Standesgenossen eintrug. Nach der Restauration wiederum war ihr Übertritt zur Partei der Bourbonen Mißdeutun­

gen ausgesetzt. Nach beiden Seiten wird in den Aufzeichnungen die Verteidigung geführt. Durch die ganze Schrift zieht sich der Ge­

danke, daß Napoleon, als er zur Macht gelangte, der Retter und die einzige Hoffnung Frankreichs war, daß aber seine immer schranken­

loser sich entwickelnde Gewaltherrschaft durch Unterdrückung aller Freiheit und durch Verwicklung des Landes in endlose Kriege dessen Unheil geworden ist. Damit sieht sie den Anschluß an den Kon­

sul Bonaparte ebenso gerechtfertigt wie die Abkehr von dem Kaiser Napoleon. Die Schlüssigkeit dieser Rechtfertigung läßt sich nicht von der Hand weisen. Ihre Aufrichtigkeit ist um so weniger zu be­

zweifeln, als die Aufzeichnungen zunächst gar nicht für die Öffent­

lichkeit bestimmt waren. Sie „kenne keinen Menschen“, schreibt die Verfasserin ihrem Sohne, „dem sie diese Geständnisse anver­

trauen dürfe: bis zu ihrem Tode werde er ihr einziger Leser blei­

ben.“ In der Tat machen sie mit jener ihrer offensichtlichen und unverhohlenen Tendenz nicht sowohl den Eindruck einer Vertei­

digung vor der Welt als vielmehr den eines Bekenntnisses, in dem eine wahrhaftige Seele sich selber Rechenschaft gibt.

Das Zeugnis der Wahrheitsliebe, das ihr Sohn in dem mehrerwähn­

ten Briefwechsel ihr ausstellt und das sie als einen Zoll der Gerech-

2 nömusat 17

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tigkeit entgegennimmt, ist offenbar wohlbegründet. Die Sprache dieser Denkwürdigkeiten hat durchaus den Klang der Wahrhaftig­

keit. Wenn sie selber sagt, es solle nicht ihre Schuld sein, falls sie darin nicht ebenso wahr wie wahrhaftig sei, so wirkt diese Versiche­

rung ohne Frage überzeugend. Durchweg zeigt sie das redliche Be­

mühen, gerecht und unparteiisch zu urteilen. In der Politik war sie schon durch ihre Stellung in der Mitte zwischen den Parteien, zwi­

schen ancien regime, Revolution und Empire auf Unparteilichkeit hingewiesen, überdies ihrer Natur nach dem Parteiwesen abhold.

Sie bekennt nicht nur selbst, für Politik kein rechtes Verständnis zu haben, sondern bestätigt es durch ihre Urteile, die alle politi­

schen Vorgänge einseitig vom ethischen Standpunkt betrachten.

In Personenfragen freilich gelingt es der Frau in ihr nicht immer, die Unparteilichkeit zu wahren. In dem ständigen Widerstreit zwi­

schen den Familien Bonaparte und Beauharnais steht die Vertraute Josephines, die Jugendfreundin ihrer Tochter Hortense ganz auf Seiten von deren Sippe, die ihr schon durch ihre aristokratische Herkunft und Haltung von vornherein näher stand. Hortense, die Königin von Holland, wird, im Gegensatz zu allen andren Zeug­

nissen, als reiner Engel hingestellt, ihr Gatte, Napoleons Bruder Louis, als brutaler Haustyrann, allein schuldig an dem ehelichen Unglück und überhaupt als höchst abstoßender Charakter. Auch seine Schwester Caroline und deren Gatte Murat erscheinen in un­

günstigstem Lichte. Josephines Bild wiederum ist ebenso wie das ihres Sohnes Eugene — tatsächlich der sympathischsten Erschei­

nung aus dem ganzen Kreise — augenscheinlich mit Liebe gemalt, wenn auch ihre großen Schwächen keineswegs verhehlt werden.

Auch hier, wo Neigung und Abneigung das Urteil färben, zeigt sich in einschränkenden Bemerkungen das Bestreben, Licht und Schat­

ten gerecht zu verteilen, Schuld und Schicksal gegeneinander abzu­

wägen.

Eben dieses Streben nach Gerechtigkeit hat augenscheinlich das Bild gezeichnet, das die ganze Darstellung beherrscht. Die über­

ragende Gestalt Napoleons ist nicht mit dem Auge der Heldenver­

ehrung gesehen. Schwere Anklagen werden auf sein Haupt gehäuft

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und haben, wie ihr Sohn voraussah, im bonapartistischen Lager heftigen Widerspruch erfahren. Prinz Napoleon, der Sohn Jerömes, erklärt in seinem Buche „Napoleon et ses detracteurs“ Frau von Remusat für unglaubwürdig und ihre dem Inhalt ihrer Briefe wi­

dersprechende Darstellung von Gehässigkeit, enttäuschtem Ehr­

geiz und gekränkter Eigenliebe diktiert. Briefliche Äußerungen aus einer Zeit, als von Wahrung des Briefgeheimnisses keine Rede war, können indes unmöglich als einwandfreie Gegenzeugnisse gelten.

Übrigens bekennt Frau von Remusat selbst die Zwiespältigkeit ihrer Empfindungen. Sie gesteht in den oben angeführten Briefen an ihren Sohn, daß ihre Liebe und Bewunderung für Napoleon un­

ter dem Eindruck der immer offener hervortretenden, immer hem­

mungsloser sich entwickelnden abstoßenden und unheilvollen Sei­

ten seines Wesens mehr und mehr einem „politischen Haß“ gegen den die Seelen knechtenden und verderbenden Gewaltherrscher ge­

wichen sei. Immer von neuem aber hebt sie hervor, wie stark bei der Erinnerung an vergangene Zeiten die alte Verehrung — für die Annahme von Liebe im erotischen Sinne, von der auch gefabelt worden ist, fehlt jedes Anzeichen — wieder durchbreche. Ihr Sohn bestätigt, daß „Napoleon, nachdem sie solange unter ihm gelitten, noch immer einen besonderen Platz in ihren Gedanken einnahm, daß die Schilderung seiner Leiden auf Sankt Helena sie rührte und betrübte“. „Als man im Sommer 1821 den Tod Napoleons in Paris erfuhr“, sagt er, „sah ich sie Tränen vergießen, und immer, wenn sie seinen Namen nannte, überkam sie die Traurigkeit.“ Bei der Aufzeichnung der Erinnerungen selbst hat sie augenscheinlich in der Tat, wie sie dem Sohne schreibt, „im Schweiße ihres Angesichts nach Gelegenheit zu loben gesucht“, und das, was sie nicht loben konnte, durch den Zwang der Verhältnisse, den verderblichen Ein­

fluß der Umschmeichlung zu entschuldigen sich bemüht. Daß ent­

täuschte Zuneigung leicht in Bitterkeit umschlägt, wird auch Frau von Remusat erfahren haben. Sie ist sich dieses Gefühles sogar be­

wußt gewesen, wenn sie gegen Ende des Kaiserreiches, wie ihr Sohn erzählt, von Napoleon öfters mit den Worten der Hermione aus Racines Andromeda gesagt hat:

Ach, zu sehr liebt’ ich ihn, um jetzt ihn nicht zu hassen!

(22)

Aber gerade diese Bewußtheit gibt Gewähr, daß sie solchen An­

wandlungen, wenn sie ihnen gelegentlich nachgegeben haben mag, keinen entscheidenden Einfluß auf ihr Urteil cingeräumt hat. Man wird vielmehr sagen dürfen, daß sie, die selbst zwischen Bewunde­

rung und Verurteilung Napoleons geschwankt hat und derart An­

kläger und Verteidiger sozusagen in ihrer Person vereinigt, besser als andre vor der Gefahr bewahrt ist, in diesem oder jenem Sinne einseitig abzuurteilen.

Damit ist nicht gesagt, daß ihr Urteil in jeder Hinsicht zutreffend sei. Unpolitisch, wie sie sich selber bekennt, in ihrer durchaus auf das Ethische gerichteten Denkart und Empfindung zum Morali­

sieren geneigt, als Kind ihrer Zeit ganz in liberalisierenden An­

schauungen befangen und von schematischer Anwendung der libe­

ralen Doktrin dogmengläubig alles Heil erwartend, kann sie dem durchaus politisch gerichteten Wesen des geborenen Herrschers, der eine aus den Fugen gegangene Welt mit harter Hand zu mei­

stern genötigt ist, unmöglich gerecht werden. Sie muß die Schatten seiner großen Eigenschaften allzu kraß empfinden, ist außerstande, die sein Handeln bestimmenden Notwendigkeiten in ihrer ganzen Härte zu würdigen, das Große in dieser Natur in seiner vollen Größe zu sehen. In Einzelheiten dagegen bewährt sich ihr Scharfblick und ihr weibliches Einfühlungsvermögen. So viel von Augen- und Ohrenzeugen über Napoleon überliefert, so viel über ihn seither geschrieben und gestritten worden ist: manche und gerade höchst bezeichnende Züge seines Wesens treten in ihrer Darstellung klar und überzeugend wie nirgend sonst in die Erscheinung. In voller Lebenswahrheit steht die dämonische Gestalt hier vor unsrem Auge: weniger freilich im Glorienschein seiner Größe und seiner Erfolge als in dem nüchternen Lichte des Alltags, in dem die menschlich allzumenschlichen Seiten scharf, manchmal wohl allzu scharf hervortreten.

Von Anfang bis zu Ende zieht sich durch diese Aufzeichnungen die Klage, daß Napoleons Herrschsucht, mit seinen Erfolgen sich ins Maßlose steigernd, seine besseren Regungen mehr und mehr über­

wuchert und die gedeihliche Entwicklung seines groß und glücklich begonnenen Werkes vereitelt habe. Der „Despotismus“ wird immer

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von neuem als die Wurzel alles Übels verklagt, als Ursache der dumpfen Knechtseligkcit in allen Schichten der Bevölkerung wie der unausgesetzten kriegerischen Verwicklungen, die der Gewalt­

herrscher allenfalls durch Waffenstillstand unterbrechen, niemals aber durch wirklichen Friedensschluß beenden darf, weil ein Augen­

blick der Ruhe das Volk „zum Nachdenken“ und zum Abschütteln des Joches gebracht haben würde. Ein erschütterndes Beispiel für jene Knechtseligkeit ist cs, wenn die Inschrift auf einem Triumph­

bogen angeführt wird, auf dem Napoleon mit dem Bibelworte ge­

feiert wird: „Ich bin, der da ist...“ Wir erfahren aber auch, daß er selbst für sein Ich solche Geltung beansprucht, wie er dies „Ich“

in den Mittelpunkt aller Dinge und seine Selbstherrlichkeit allen Rechten der übrigen Menschheit gegenüberstellt; wie er in Berich­

ten nur sein „Ich“ genannt wissen will und Beschwerden über er­

littenes Unrecht „mit dem einen Worte: Ich“ zurückweist. Aus­

drücklich erklärt er das für die übrige Menschheit geltende Sitten­

gesetz für sein Ich für unverbindlich. Er erkennt für sich überhaupt keine Gesetze an, „nicht einmal die der Grammatik“. Er duldet kei­

nen Zwang, nicht den des Herkommens, des guten Geschmacks, der Zivilisation, die „immer ein wenig seine Feindin gewesen ist“

und der entronnen zu sein in Ägypten sein Wohlbefinden erhöht.

Selbst seine eigenen Einrichtungen zerstört er lieber, als daß er sich ihrem Zwange fügt. Von den Seinen aber verlangt er, daß sie sich dem Zwange seines Ich unter völliger Aufgabe des eigenen Selbst unterwerfen. Nur willenlose Werkzeuge kann er gebrauchen. Mit Staunen sehen wir, wie er seine Umgebung zu dieser blinden, un­

bedingten Unterwürfigkeit zwingt, die „sich nicht einmal einen Gedanken über die erhaltenen Befehle gestattet“. Wir hören aber auch von den Mitteln, mit denen er sich solche Diener erzieht. Nie­

mals zufrieden, peitscht er ihren Diensteifer immer von neuem durch Zeichen seines Unwillens auf und hält ihn durch ständige Angst vor seinem Zorn in Atem. Andrerseits erkauft er sie durch verschwenderische Belohnungen, weiß sie aber in der Hand zu be­

halten, indem er ihre Schwächen und verächtlichen Eigenschaften pflegt, sie vor sich selbst und vor der Welt erniedrigt, jeden für sich abzusondern sucht und einen auf den andren argwöhnisch macht.

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Wer sich entehrt fühlt, wird ihm „um so besser dienen“, wer Schulden mach!?, wird von ihm abhängig. Deshalb begünstigt er das Schuldenmachen sogar bei seiner Gemahlin, deren Leichtsinn

„diesem Wunsche weit entgegenkam“, und vermeidet es immer, sie aus ihren Geldsorgen zu befreien. „Mehr aus dem Schlechten als aus dem Guten glaubte er Nutzen zu ziehen.“

So abstoßend diese Mittel sind, so bewundernswert ist die Meister­

schaft, mit der Napoleon sie handhabt, die Kunst seiner Menschen­

behandlung überhaupt. Die Verfasserin führt ihn uns vor, wie er seine Soldaten durch die Macht seiner Persönlichkeit mitreißt und durch die Leutseligkeit bezaubert, mit der er das Gefühl enger Verbundenheit mit ihrem großen Führer in ihnen zu wecken weiß.

Mit gleicher Sicherheit, wenn auch wieder auf andre Weise, ver­

steht er es, die Parteien zu behandeln. In der Absicht, durch allge­

meine Versöhnung seine Herrschaft zu festigen, weiß er sie alle, von den Jakobinern bis zu den Royalisten, vor seinen Wagen zu span­

nen. Den alten Adel ködert er mit Vorteilen und Auszeichnungen aller Art und zieht einen nach dem andren der anfangs Widerstre­

benden zu sich herüber. Zugleich bekennt er sich, noch als Kaiser, immer wieder laut und mit Nachdruck zu den Grundsätzen der Revolution, „deren Errungenschaften durch die Besetzung des Thrones mit einem Soldaten gesichert“ seien. Er beruhigt die um ihren fragwürdigen Besitz zitternden Erwerber der feudalen und Kirchengüter, weiß aber auf der andren Seite auch mit Kirche und Klerus seinen Frieden zu machen und erreicht es, daß er als „Wie­

derhersteller der Religion“ gepriesen wird. Ganz methodisch scheint er Gunst und Ungunst nach beiden Seiten gleich zu verteilen: er­

hält die eine Partei einen Brocken, so wird gleich darauf die andre bedacht; trifft diese ein Schlag, muß alsbald jene die Faust spüren.

Sogar die Erschießung des Herzogs von Enghien wird von ihm selbst in einer von der Verfasserin wiedergegebenen Äußerung mit dem Bedürfnis begründet, für die ungerechte Verschickung von Jakobinern nach dem Attentat mit der Höllenmaschine einen Aus­

gleich zu schaffen. In diesem Streben nach allseitigem Ausgleich sucht er auch die Einführung der Adelstitel und Majorate, deren Schein den Glanz seines Thrones erhöhen sollte, allen Teilen mund­

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gerecht zu machen. Der Aristokratie alten Schlages wird sie als Befestigung ihrer Stellung, den Revolutionären, wegen der Erreichbarkeit der neugeschaffenen Würden für jedermann, als Triumph der Demokratie, den Liberalen als Gegengewicht gegen die absolute Gewalt, den waschechten Jakobinern gar als end­

gültige Vernichtung des aristokratischen Prinzips hingestellt. Hier freilich verrät sich ein Zweifel am Erfolge in der ironischen Schluß­

bemerkung: „Man hörte das alles an und bemühte sich es zu glauben.“

Neben der Herrschsucht wird als einer der hervorstechendsten Cha­

rakterzüge Napoleons sein unbesiegbarer Argwohn hervorgehoben.

Selber von Natur und grundsätzlich gesetzlos, setzt er auch bei an­

dren weder Treu und Glauben noch irgend welche Beweggründe sittlicher Art voraus. Er ist geneigt, solchen Regungen überhaupt jede Realität ahzusprechen. „Für keine edle Handlung“, heißt es,

„habe er Verständnis gehabt und Tugend nur gelten lassen, um sie ins Lächerliche zu ziehen.“ Er soll sich selbst seiner Fähigkeit zu lügen gerühmt und bekannt haben, daß er sich vor keiner Ehrlosig­

keit scheue, wenn sie ihm nützlich sei. Einen Freundesdienst er­

klärt er, als er sich von seiner Uneigennützigkeit überzeugen muß, für einen Narrenstreich. Angesichts dieser Verleugnung aller ethischen Werte begreift man, wenn auch bei den nicht durchweg von der Verfasserin selbst verbürgten Zügen Übertreibung im Spiele sein mag, ihr hartes Urteil, daß Napoleon „nichts von Edel­

mut, keine Spur von wahrer Seelengröße eigen gewesen“ sei. - Wir lernen Napoleon im täglichen Leben kennen: seine Gewohn­

heiten, seinen Tageslauf, seine Vergnügungen und seine Arbeit, diese Arbeit, die alles umfaßt und überwacht: von der großen Po­

litik bis zur Bespitzelung des Einzelnen, seiner Äußerungen und sei­

nes Briefwechsels, von der Heeresorganisation und Kriegführung bis zur Abfassung von Berichten und Aufsätzen für die Tagespresse, von Straßen- und Kanalbauten bis zur Verschönerung der Stadt Paris, von der Staatsverwaltung und Gesetzgebung bis zur Festset­

zung jedes Ausgabepostens im Voranschlag für die Hofhaltung;

diese Arbeit, die im Grunde keine Unterbrechung kennt, wie er denn mit der Rang- und Quartierliste seines Heeres zu Bette geht

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und die Gräfin Walewska in einer Schäferstunde über die Stim­

mung des polnischen Adels ausfragt. Wir sehen ihn im Verkehr mit Frauen, die er geringschätzt, deren Einfluß er auf keinem Gebiete dulden will und denen er es nicht verzeihen kann, wenn ihre Reize den Widerwilligen für einen flüchtigen Augenblick bezwungen ha­

ben. Eine Ausnahme macht allein seine Gattin, nach der Ansicht der Verfasserin das einzige menschliche Wesen, zu dem er wirklich Zuneigung empfunden habe. Zu ihr kehrt er nach allen Seitensprün­

gen, selbst nach begründetem Verdacht der Untreue immer wieder zurück. Sie zu verstoßen kann er sich, so stark ihn die Politik und der Wunsch nach einem Leibeserben zur Scheidung drängen, jahre­

lang nicht entschließen. Im Verhältnis zu ihr zeigt der harte, un­

beugsame Überwinder gelegentlich, wie in dem am Schlüsse des XVI. Abschnitts geschilderten Auftritt, überraschende Anwand­

lungen von Schwäche und Entschlußlosigkeit. Auffallend ist auch der den geborenen Italiener verratende Familiensinn, die Langmut, mit der er die ständigen Intrigen und Eifersüchteleien seiner Ge­

schwister duldet, die Verlegenheiten, die sie ihm bereiten, hin­

nimmt und, wenn er auch schließlich einmal mit harter Faust drein­

schlägt, ihren ungemessenen Ansprüchen am Ende immer wieder nachgibt.

Napoleons Unterhaltung wird geschildert, seine Redeweise und seine Sprache, die für die feingebildete Französin etwas Fremdartiges hat. Wir hören bedeutsame Bemerkungen des großen Heerführers über die Kriegskunst und deren Meister, hören seine Auffassungen über Aufgaben und Stellung eines Herrschers, für dessen Wirken ihm Friedrich der Große vorbildlich scheint, nicht selten auch seine Ansichten über Literatur, in der er selbst die Dichtkunst unter dem Gesichtswinkel der Politik betrachtet. Auch von seinem Verhältnis zur Literatur, zu Wissenschaft und Kunst im allgemeinen ist die Rede, und über deren Entwicklung unter seiner Regierung finden sich feinsinnige Bemerkungen. Das Leben an seinem Hofe spielt sich vor unsrem Auge ab mit seinem Prunk und seiner Öde.

Der Hofstaat des Konsuls und dann des Kaisers wird vorgeführt, der, immer mehr erweitert, immer größere Namen aus der alten Aristokratie aufweist; das Zeremoniell, sorgfältig dem Muster des

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alten Versailler Königshofes nachgebildct und strenge gehandhabt;

das Ganze, in seiner kalten Pracht und steifen Gezwungenheit, ohne Geschmack und wahre Vornehmheit, eintönig und stets bedrückt von der Furcht vor dem Unwillen des schwer zufriedenzustellenden Gebieters. Mit der Verfasserin erleben wir die ständigen Kabalen, den Wettlauf um die Gunst des Herrn, die Parteiungen, die Rang­

streitigkeiten und Eifersüchteleien, die Festlichkeiten und die ver­

zweifelten Bemühungen, ihn zu amüsieren, der stets „l’inamusable“

bleibt. Wie ein prunkvolles Ausstattungsstück, dem freilich das Widerspiel mannigfacher Intrigen nicht fehlt, geht die Kaiserkrö­

nung mit dem Auftreten des Papstes und der Einsegnung der kai­

serlichen Ehe über die Bühne. Kaum minder glänzend ist das Nachspiel der Krönung mit der eisernen Krone von Italien, ein Spiel, hinter dessen prächtigen Kulissen schon der blutige Ernst des dritten Koalitionskrieges droht.

Die Großtaten Napoleons in diesem und dem folgenden Kriege ge­

gen Preußen spielen sich mehr im Hintergründe ab. Wie aus der Ferne schallt der Schlachtendonner von Austerlitz, Jena und Friedland in das höfische Getriebe herein. Dagegen erfahren wir bedeutsame Einzelheiten aus den Friedensverhandlungen von Preßburg und Tilsit, über die Abfassung der Kriegsberichte, der berühmten Bulletins, über ihre Wirkung auf die Stimmung in Frankreich und ihren Widerhall in den Versammlungen der Volks­

vertreter. Im Lichte des glänzenden Sieges über Österreich sieht die Verfasserin den Imperator auf der Höhe seiner Laufbahn. Im­

mer wieder aber fällt auf den Glanz der Siege der Schatten des aus­

sichtslosen Ringens mit England. Der mit großen Erwartungen vorbereitete, dann ohne Sang und Klang fallen gelassene Landungs­

versuch, die Versammlung der Flotte in Boulogne, dessen Lager die Verfasserin selber besucht hat, die diplomatische Werbung um die festländischen Mächte, der Federkrieg mit den englischen Zeitun­

gen, der Kampf zwischen Blockade und Kontinentalsperre werden verfolgt und mit allerlei Betrachtungen begleitet. Schon vorher war ein besonderer Abschnitt der Tragödie des Herzogs von Enghien gewidmet, die in wahrhaft dramatischer Spannung vor dem Auge des Lesers abrollt. Zum Schluß steigt drohend das Gespenst des

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spanischen Krieges auf. Von dieser Tragödie aber kommt nur das einleitende Satyrspiel von Bayonne zur Aufführung. Mit der Ah­

nung der verhängnisvollen Folgen bricht die Erzählung ab.

In all diesen weltgeschichtlichen Dramen ist Napoleon mehr als bloß der Held des Stückes. Die Ereignisse bilden nur den Hinter­

grund, von dem seine ragende Gestalt sich abhebt. Diese Gestalt zu zeichnen scheint die eigentliche Bestimmung der Aufzeichnungen, und fast jedes Blatt liefert einen neuen Zug für das Gemälde.

Gleich im Eingänge versucht die Verfasserin, die einzelnen Züge zu einem abgerundeten Bilde zusammenzustellen. Eindrucksvoller und aufschlußreicher ist die merkwürdige Selbstdarstellung, die Napoleon ihr bei dem zwanglosen Beisammensein im Lager von Boulogne gegeben hat und die hier im III. Abschnitt überliefert ist. In dieser Erzählung seines Lebensganges und seiner Entwick­

lung werden in überraschender Weise die Wurzeln seines ganzen Wesens bloßgelegt.

Als Triebfeder seiner Natur enthüllt sich in diesen Aufzeichnungen der unbändige Wille, der sich jedem fremden von vornherein überlegen weiß, der gewalttätig an sich rafft, was ihm dient oder

„ihm gefällt“, der keinen Zwang leidet und niederschlägt, was sich ihm in den Weg stellt. Diesem Willen dient ein messerscharfer Ver­

stand, der, durchaus mathematisch organisiert, überall nach dem

„Warum und Wieso“ fragt, der selbst das eigene Wesen, die eigenen Leidenschaften zergliedert und in Rechnung stellt, der sogar das Unberechenbare errechnen will, alles dagegen, was sich der Be­

rechnung entzieht, am liebsten verleugnen, alles Ideelle als Ideolo­

gie abtun möchte. Mit diesem äußersten Rationalismus verbindet sich, überraschend genug, ein ausgesprochener Hang zur „Träume­

rei“, eine ausschweifende Phantasie, die sich in den abenteuerlich­

sten Vorstellungen gefällt — man denke sich nur das Bild, wie der Eroberer Ägyptens sich auf einem Elefanten in Indien einziehen sieht, um, einen neuen Koran predigend, den Orient zu unterwer­

fen ! — und die das Unmöglichste möglich findet; eine Phantasie, die aber doch wieder einen Zug ins Mathematische zeigt, indem sie die Wirklichkeit, statt sie organisch entfaltend zu erhöhen, lediglich

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durch Vergrößerung der Maßstäbe steigert und durch solche Aus­

dehnung ins Grenzenlose erweitert.

Soweit das Geheimnis der Menschennatur und vollends das des Genies sich in Begriffe fassen läßt, hat die Vereinigung dieser drei Seelenkräfte Napoleons Wesensart bestimmt. Folgerichtig läßt sich aus ihnen seine ganze Entwicklung, das Rätsel seiner uner­

hörten Erfolge, sein schwindelnder Aufstieg wie sein jäher Sturz erklären. Die übermenschliche Willenskraft des Mannes ließ ihn alle Hindernisse überwinden, zwang Menschen und Verhältnisse, zwang das Schicksal selbst in seinen Bann. Die unfehlbare Berech­

nung aller Möglichkeiten, die ihn, unbeirrt von System und Her­

kommen, die Gunst des Augenblicks erkennen und ergreifen ließ, sicherte ihm den Sieg, auf dem Schlachtfelde wie im Kampfe der Parteien. Seine Phantasie half ihm das Unberechenbare, das Wal­

ten des Zufalls und die Gegenzüge des Feindes ahnen. Ihrem Schwünge dankte er, was dem kalten Rechner unerreichbar ist, die mitreißende Wirkung seiner Persönlichkeit auf die Menschen: auf seine Soldaten, auf sein Volk - das nicht einmal sein Volk war! — auf die Welt. Dieselbe Phantasie aber, nicht auf das Mögliche, son­

dern ihrer Eigenart nach auf das Ungeheure gerichtet, verleitete ihn zur Ausdehnung seiner Pläne ins Uferlose. Sie hat ihm die Mög­

lichkeit der Niederwerfung Englands zur See, durch Handelskrieg oder in fernen Erdteilen vorgespiegelt, hat ihn schließlich in das russische Abenteuer gestürzt und ihn in Moskau, unwirkliche Er­

folgsmöglichkeiten vortäuschend, die längst gebotene Umkehr ver­

hängnisvoll hinauszögern lassen. Sein ungebändigter Eigenwille verbot ihm dort, den Zwang der Notwendigkeit, die klar vor Au­

gen lag, anzuerkennen und sich ihm zu fügen. Seine Berechnung wiederum hatte alles in Betracht gezogen, nur das nicht, was ihm wesenlose Ideologie zu sein schien: den Freiheitsdrang unterdrück­

ter Völker und die Macht ihres Opfermutes. An der Realität dieser ideellen Mächte, die sein Rationalismus wegzuleugnen suchte, ist er gescheitert.

Wenn man überhaupt einen Sinn in der Geschichte gelten läßt, liegt in dieser Tatsache der Sinn des geschichtlichen Dramas, des­

sen Held Napoleon ist. Was dem großartigen Bau seines Weltrei­

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ches die Standfestigkeit nahm, war der Mangel einer grundlegenden Idee. Als Alexanders grenzenloser Ehrgeiz Persien und Medien un­

terwarf und bis nach Indien vordrang, folgte seinen Feldzeichen die griechische Kultur. So hat sein Werk, die Herrschaft des Hel­

lenismus über den Orient, seine Tage und den Zerfall seines Reiches um Jahrhunderte überlebt. Napoleons Adlern folgte kein Götter­

bild. Einst hatte sich Frankreich gleich Hellas zu einer Kulturmis­

sion berufen gefühlt. Der Barock des Sonnenkönigs war überall in Europa Vorbild für höfische Sitte und Prachtentfaltung, für Kunst und Literatur gewesen. Die Enzyklopädie hatte der ganzen Welt die Aufklärung gebracht. Noch die große Revolution hatte unter der Trikolore alle Völker der Erde mit Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit beglücken wollen. Zur Zeit von Napoleons Sieges­

zuge war die Mission von Barock und Aufklärung längst erfüllt. Die Ideen der Revolution aber hatte er wohlweislich auf Eis gelegt.

Wenn er, nach Elie Faure, „in den Munitionswagen seiner dahin­

rasenden Batterien das Götterbild der Freiheit mit sich führte“, so war es die Freiheit, die er den Völkern, den fremden wie dem eigenen geraubt hatte; seine Brüderlichkeit opferte ihr Gut und Blut für Pläne, die dem Gemeinwohl feindlich waren; und statt Gleichheit brachte er, wie Frau von Remusat treffend sagt,,Nivelle­

ment“ : eine oft schematische Gleichmacherei, die mit allerlei ver­

morschten Gebilden so manches organisch Gewachsene einstampfte, das fruchtbarer Entwicklung fähig gewesen wäre. Nicht einmal eine nationale Idee war in seinen Eroberungen lebendig. Sie waren nicht französisch, sondern napoleonisch. Dem Korsen, der in seiner Jugend, von leidenschaftlichem Franzosenhaß entflammt, alles an die Befreiung seiner Heimat vom französischen Joche gesetzt hatte, war Frankreich auch in der Folge, so heiße Liebe er ihm hei pas­

sender Gelegenheit beteuerte, - in unbewachtem Augenblick hat er selbst dafür ein recht zynisches Bild gebraucht - nicht mehr ans Herz gewachsen als dem Reiter ein gut gerittener Gaul. So blieb, um das ungeheure Gebäude seiner Weltherrschaft zu tragen, nichts als dies grenzenlose, unersättliche „Ich“, das ihm, wie wir sahen, Angelpunkt aller Dinge war. Dies Ich aber, so unbegrenzt seine Fähigkeiten, so übermenschlich sein Wille schien, es reichte doch

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nicht hin, um den Neubau einer Welt darauf zu gründen. So war der Bau zum Einsturz verdammt, noch ehe sich die Gegenkräfte gegen den Baumeister erhoben.

So stellt sich dem Leser der Erinnerungen das Phänomen Napo­

leon dar: abweichend von der seit Albert Sorel oft erörterten Auffassung, daß der Erbe der Revolution, durch den Gegensatz zu England zu allen seinen Kriegen gezwungen, als Ziel nur den Frieden auf der Grundlage der natürlichen Grenzen Frankreichs im Auge gehabt habe. Auch auf diesen Seiten zeigt sich das Ver­

hältnis zu England als Angelpunkt seiner auswärtigen Politik.

Auch hier, wo z. B. sein innerer Widerwille gegen den Bruch mit Preußen erwähnt wird, finden wir, daß seine kriegerische Politik einem Zwange gefolgt ist. Als letzte Ursache dieses Zwanges aber erscheint nicht sowohl die Lage England und überhaupt dem Auslande gegenüber, als vielmehr die Notwendigkeit, das franzö­

sische Volk durch immer neue Erfolge mit der Gewaltherrschaft zu versöhnen - und die Natur des geborenen Eroberers, dessen Urtrieb der Wille zur Macht ist.

Neben der übermächtigen Gestalt des Cäsars treten die mithan­

delnden Personen naturgemäß in den Hintergrund. Wir sehen sie um seine Sonne kreisen, die Sterne zweiter und dritter Größe, und sich den Platz in ihrem Lichte streitig machen: nächst den zu fürst­

lichen Ehren gelangten Verwandten des Herrscherpaares die Groß­

würdenträger, die Marschälle, von ihrem Kriegsruhm berauscht, den rauhen Ton des Feldlagers mühsam sich abgewöhnend, die Höflinge aus dem alten Adel, die sich schwer in die veränderten Verhältnisse finden, und die neuen Männer, die der große „Empor­

kömmling“ mit sich aus dem Dunkel emporgezogen hatte. Da ist Duroc, der Hofchef, der undurchdringliche, unbewegte, der nur seine Pflicht kennt; der Augendiener Maret, das stets beflissene Sprachrohr von Napoleons Befehlen und Kundgebungen; der hab­

gierige Savary, der dauernd bestochen werden muß; der verwe­

gene, aber zum Führer untaugliche Murat, der Mann seiner ehr­

geizigen Frau: lauter mittelmäßige Köpfe - denn bedeutende be­

kennt Napoleon nicht gebrauchen zu können - bis auf zwei:

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Fouch6, den „reichgewordenen Jakobiner“, der sich durch sein Polizeigenie und seine Beziehungen zu den Parteien unentbehrlich zu machen weiß, und - „Monsieur de Talleyrand“.

Sein Name wird weitaus am häufigsten genannt. Für die meisten Geschichten, die Frau von Remusat nicht selbst erlebt hat, ist er die Quelle. Seine in allen Farben des Regenbogens schillernde Per­

sönlichkeit ist gerade in ihrer Fragwürdigkeit die fesselndste der Gestalten, die hier aus dem Kreise Napoleons vorgeführt werden.

Die Verfasserin bekennt, daß ihr der gefürchtete Spötter, der skru­

pellose Intrigant, der abtrünnige Priester mit seiner offenkundigen Sittenlosigkeit und Frivolität lange Zeit unheimlich gewesen sei, so viele Beweise freundlicher Gesinnung er beiden Ehegatten ge­

geben habe. Seinem Geist und seiner bestrickenden Liebenswürdig­

keit habe sie indes schwer widerstehen können, und zuletzt habe ein unerwartetes Aufblinken echten Gefühls den Widerspruch ihrer sittlichen Grundsätze zwar nicht zum Schweigen gebracht aber doch entwaffnet. Mehrfach setzt sie an, sein Charakterbild zu zeich­

nen. Was sie nach seinen Selbstbekenntnissen über ihn sagt, gibt von all den verschiedenartigen Urteilen, die wir kennen, vielleicht den besten Aufschluß über das innerste Wesen des vielberufenen Mannes: dieses einzigen Gegenspielers, der Napoleon, in seinen Mitteln freilich nicht minder skrupellos, auf seinem Gebiete ge­

wachsen, ja überlegen war; dieses Menschen ohne Gewissen, der in dem einen doch von unbeirrbarer Gewissenhaftigkeit war, daß er in seiner Politik ohne Wanken und sogar mit einer ihm sonst völlig fremden Uneigennützigkeit das Ziel verfolgte, in dem er, scharf- und weitblickend, das Heil seines Landes erkannt hatte.

Ungemein anziehend ist es schließlich, aus den Erzählungen und Betrachtungen das Bild der Verfasserin selbst hervorblicken zu sehen, die Züge der gescheiten, feinsinnigen Frau, die zwar, wenn sie ins Moralisieren gerät, in ihrem doktrinären Liberalismus ein wenig preziös wirken kann, durch ihren Geist, aber ihr gesundes Urteil und ihre treffenden, nicht selten beißenden Bemerkungen immer aufs neue erfrischt; der vollendeten Weltdame, die durch das nichtige Treiben, das erniedrigende Streben dieses Hofes, unberührt von Lüge und Niedertracht, geraden Sinnes hindurchschreitet.

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Bei ihrem Tode hat Frau von R6musat das unvollendete Werk ihrem Sohne hinterlassen und ihm, dem Vertrauten ihrer Gedan­

ken, die Entscheidung über die Veröffentlichung und deren Zeit­

punkt übertragen. Er hat sich dazu, aus einem vielleicht übertrie­

benen Zartgefühl nicht entschließen können. Erst ihr Enkel hat es im Jahre 1879, zunächst auszugsweise in der Revue des deux mondes, dann in der jetzt vorliegenden Form als Buch herausge­

geben. Gleich bei seinem Erscheinen erregte es großes Aufsehen und erreichte in Jahresfrist mehr als ein Dutzend Auflagen. Die Kritik hat sich, in Zustimmung und Widerspruch, von Anfang an lebhaft mit ihm beschäftigt. Im Gegensatz zu der schon erwähnten Anfechtung von bonapartistischer Seite wurde in angesehenen französischen und auch in englischen Zeitschriften die Bedeutung der Memoiren als Geschichtsquelle sowohl wie ihr literarischer Wert gewürdigt. In den 1890er Jahren erschien eine deutsche Überset­

zung - richtiger: eine Umarbeitung, denn es steht vieles im Text, was die Verfasserin nicht gesagt hat und was sie in dieser Fassung nie gesagt haben würde. Da sie vergriffen ist, lag der Gedanke einer neuen Verdeutschung nahe. Die Kürzung des dreibändigen Werkes auf einen Band empfahl sich, weil ein beträchtlicher Teil der Er­

zählung und der Betrachtungen für den heutigen Leser ohne we­

sentliches Interesse ist. Auch mehrfache Wiederholungen konnten gestrichen werden, während dem Zusammenhang zuliebe einige Umstellungen wünschenswert schienen: Änderungen, die vielleicht die Verfasserin selbst vorgenommen haben würde, wenn ihr die Zeit zu letzter Durchsicht geblieben wäre. Außer der hierdurch gebo­

tenen Neueinteilung ist der Urtext im übrigen unverändert ins Deutsche übertragen worden. Auch dessen sprachliche Form hat der Übersetzer sich bemüht so getreu wiederzugeben, wie es der verschiedene Geist beider Sprachen gestattet, damit auch die eigen­

artig anziehende Schreibweise der geistvollen Frau nach Möglich­

keit zur Geltung komme.

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N A P O L E O N UND D I E S E I N E N

Im Begriff, die Niederschrift dieser Denkwürdigkeiten zu beginnen, möchte ich einige Beobachtungen über den Charakter des Kaisers und der verschiedenen Persönlichkeiten seiner Familie voranschik- ken. Das, scheint mir, wird die nicht leichte Aufgabe vereinfachen, die ich mir gestellt habe und mich den Weg finden lassen inmitten so vieler und verschiedenartiger Eindrücke, die ich in dieser Zeit­

spanne von zwölf Jahren empfangen habe. Ich beginne mit Bona­

parte selbst. Nicht immer habe ich ihn in gleichem Lichte gesehen wie heute. Im Gegenteil: meine Meinung von ihm hat mit seiner Entwicklung Schritt gehalten. Aber ich fühle mich so frei von An­

wandlungen persönlicher Gehässigkeit, daß ich keine Gefahr sehe, das Maß zu verlieren, das die Wahrheit allezeit zu wahren verbunden ist.

Napoleon Bonaparte

Bonaparte ist von kleiner Gestalt, der das rechte Ebenmaß fehlt:

die unverhältnismäßige Länge des Oberkörpers läßt den übrigen Teil zu kurz erscheinen. Er hat dünnes, kastanienbraunes Haar, graublaue Augen; seine Gesichtsfarbe, gelblich, solange er mager war, wurde später ein fahles, völlig farbloses Weiß. Die Linien sei­

ner Stirn, die Umrisse des Auges, die Form seiner Nase, das alles ist schön und erinnert an antike Medaillen. Sein Mund, wenn schon die Lippen ein wenig schmal sind, wird angenehm, wenn er lacht, seine Zähne stehen regelmäßig, sein Kinn ist etwas kurz und die Kinnbacken schwer und eckig. Er hat schöne Hände und Füße;

9 Rimusat 3 3

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ich hehe es hervor, weil er selbst großen Wert darauf legt. Seine Haltung ist stets ein wenig vornübergeneigt. Seine Augen, für ge­

wöhnlich ohne Glanz, geben seinem Gesicht, wenn er ruhiger Stim­

mung ist, einen schwermütigen und nachdenklichen Ausdruck.

Wenn ihn Zorn in Erregung bringt, wird sein Blick leicht finster und drohend. Das Lachen steht ihm gut, es entspannt und ver­

jüngt sein ganzes Wesen. Der einnehmenden Wirkung dieses Lä­

chelns kann man sich schwer entziehen, so verschönt und wandelt es den Ausdruck seines Gesichts. Sein Anzug ist immer höchst ein­

fach gewesen; er pflegte die Uniform eines seiner Garderegimenter zu tragen. Reinlich war er mehr aus Grundsatz als aus Neigung;

er badete oft, zuweilen in der Nacht, weil er diese Gewohnheit für seine Gesundheit zuträglich glaubte. Sonst aber ließ ihm die Hast, mit der er alles betrieb, keine Zeit, sich mit Sorgfalt zu kleiden.

Wenn die Ordnung des Tages Gala und Festkleid erforderte, muß­

ten seine Kammerdiener sich untereinander verständigen, um den Augenblick zu erhaschen, ihm dies und jenes Kleidungsstück über­

zuwerfen. Keine Tracht, keinen Schmuck verstand er recht zu tra­

gen. Der mindeste Zwang ist ihm immer unerträglich gewesen.

Was ihm die leiseste Unbequemlichkeit verursachte, riß er ab oder zerriß es, und manches Mal bekam der unglückliche Kammerdie­

ner, der ihm solch augenblickliche Unbequemlichkeit verursacht hatte, einen ziemlich handgreiflichen Beweis seines Zornes zu spüren.

Ich sagte, es habe etwas Verführerisches in Bonapartes Lächeln ge­

legen. Aber all die Zeit, daß ich ihn gesehen habe, machte er selten Gebrauch davon. Ernst war der Grundzug seines Wesens, nicht der Ernst, in dem Hoheit und Würde des Benehmens zum Ausdruck kommen, sondern einer, der aus tiefem Nachdenken kommt. In seiner Jugend neigte er zur Träumerei. Dann wurde er schwermü­

tig. Noch später ging das alles in eine fast andauernde Übellaunig­

keit über. Als ich ihn kennenlernte, hatte er eine große Vorliebe für alles, was in Träumerei versinken läßt. Er liebte Ossian, das ge­

dämpfte Licht, die Dämmerung, schwermütige Musik. Ich habe ge­

sehen, wie ihn das Flüstern des Windes entzückte, habe ihn mit Be­

geisterung vom Meeresrauschen sprechen hören. Ich erinnere mich,

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DieKauffmånner hatten einen Rittmeister - einen Cornettx und» einen Leutenantx Z. Fiorporatesximd ei- nenWachtmeisteer.Paiicker nnd 3. Trompeten Vor- dero wurden 8.

Beschreiben den Einzug Ca Johann Jacob Kienast, Abraham Schrödter, Johann Gottlieb Brodowski, Philipp Jacob Neumann,· « Gottfried Gutbe, &#34;« - » Israel Peterson,. Carl