Berlin, den 7.März t905.
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Die Epistel an Hollmann.
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letzteKarnevalswoche hatunseinSchauspiel beschert,dessenSchil- derungnureinemSwiftoderLaboulayevölliggelingenkönnte ;Stoff zustärkererSatire war selbstin den Ländern derLilliputanerundFliegen- schnapper,denberühmtestenFabelprovinzen,niemalszufinden. DerDeutsche Kaiser,der imReichhöchsterKriegsherrundinPreußensummus Episco—pusist, hatanHerrnFriedrichHollmann,Admiral, MitglieddesVorstan- des derDeutschenOrient-Gesellschaft,VorsitzendendesAufsichtrathesder AllgemeinenElektrizität-Gesellschaft,einenBrief geschrieben,derfürden Druckbestimmtwar undgedrucktwordenist,einenlangen Briefüber das ModethemaBabelundBibel. Dieser Brief— richtiger:derinBriefform gekleideteArtikel— wendetsichgegen denProfessor Delitzsch,dessenpersön-- licheAnschauungenschroffundspöttischabgelehntwerden;ergenügt,mit seinen disparatenErinnerungenanHarnack,DryanderundChamberlain, aberauchdemAnspruchderStrenggläubigenbeiderBekenntnissenichtund muß fromme Juden durcheinHohnwortüber den»Nimbusdesauser- wähltenVolkes« kränken.Zuerwarten war also, derArtikelwerde,je nach demStandpunktdesBetrachters, kritifirt und,wiefastalleDilettantenver- suche,überGlaubensnöthesichmitKompromissen hinwegzuhelfen,mehr getadeltalsgelobtwerden.AlsFriedrich WilhelmderVierte,dessenDrang, dieReligion»weiterzubilden«,nichtgeringerwarals derseinesGroßneffen, in einervonRadowitzausgearbeitetenDenlschristdenPlan enthüllte,auf Zions HöhediedreigroßenKirchenEuropas durchdreivoneiner internatio- nalenSchutztruppebewachteResidentenvertreten zulassen, schütteltennicht
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nur NesselrodepundMetternichsondern auch deutscheProtestanten dieKöpfe und die Liberalenhöhntendie»diplomatischeRom antik« desHerrschers.Nicht besserergingesdemKönig,alserspäterGetvissensfreiheitmit unerbittlichem Kampfgegen denUnglaubenvereinen,zwischendenWegenHengstenbergs, SchleiermachersundNitzschsseinerreligiösenBegeisterungeinenbreitenPfad bahnenwollte;dieRede,indererdieerste evangelischeGeneralsynodein Berlinbegrüßte,weckteaufkeinerSeitefrohen Widerhallundmißfielihm selbstbaldsosehr, daßer- anThileschrieb, sie sei »einneuer Beweis, daß Unsersummus Episcopuseinsehr bedenklichesKreatur ist«.Das war 1846. Heute weht,imdeutschenNorden wenigstens,ein anderer Wind.
WennderKaiser dieUrtheilederbourgeoisenPresseüberseinenArtikelliest, dürfteerglauben,eineGroßthatvollbracht,einerlösendesWortgesprochen zuhaben,dasalleHerzen,heißeundlaue, höherschlagenließ.Kaumeine SpurvonKritik;undgeradein liberalen Blätternmanchmalein Ueber- schwang,alsseiderMenschheitneuen HeilesKundegekommen. Gestern wurdederKaiseralsGlaubensgenosseDelitzschsgefeiert; heute preisendie Liberalenihn,weilernichtganzorthodox,dieOrthodoxen,weilernicht so liberalist,wiesie gefürchtethatten.WasderMonarch thut,istwohltgethan;
anLadhMilford mußman denken,dieaufdenLobgesangderloyalenZofe, derFürst seiderschönste,derfeurigsteundwitzigsteMann imLande,mit kühlerJronieantwortet: »Dennesist seinLand !«StolzcitirendieZeitung- schreiberdenAussprucheinesenglischenKollegen,derKaiser seieingebore- nerJournalist— andere ausländischeUrtheilewerden weise verschwie- gen——,undandasdeutscheVolkergehtdieMahnung, seinem gekrönten Vertreter fürdas»herrlicheBekenntniß«zu danken.PlatosWunsch, Philo- sophen auf Königsthroneerhöhtzusehen, sei jetzt, standirgendwo, endlich erfüllt;undanJulians epideiktischeRedenundSchriftenwurdeerinnert.
Merkwürdigist eigentlichnur noch, daßvon solchemRittinsReichder AltennichtderVergleichmit MarcAurelheimgebrachtward. DasWir- kendieses Kaisers hinterließinderGeschichtedesChristenglaubens ja aucheinen·»Markstein«.AucherfandzumRuhmeinesHöchstseligen,An- tonins desFrommen,immer neueTöneinniger Pietät. Aucherhatüber Gewissensfragen geschrieben.Undwenn esauchLeutegeben wird,denen diezwölfHefteMarcAurels höhergeltenalsdieEpistelanHollmann, so werdendoch selbst siedemArtikelWilhelmsdesZweiten nichtdenWerth einesmenschlichenDokumentesund dasRechtandenTitelbestreiten,unter dem diefeinen,nie welkendenAphorismendesEpiktetschülersnachseinem Todeveröffentlichtwurden:Tci sieHaue-ich— »Uebersichselbst«.
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DenndieserArtikelentschleiertdieWesenszügeeinesMenschen, den, einenKaiserundKönig, ungeblendeteAugennur selten sehen;underbe- seitigteineLegende.Jahre, fast schonJahrzehnte langwurdenunsWunder- dingeüber die ganzbesondere GeistesartdesPrinzen,dann desKaisers Wilhelm erzählt.DieSeeleeinesMystikers sollteinihmdemruhlosen Spürsinn moderusten Erkenntnißdrangesgesellt, frommeInbrunstund scharfer Verstandzu nieerschautemBunde vermähltsein. HoheBewun- derungVetdienesein weithin reichendesWissen, höherenochdieniemalsver- sagende Originalität seiner Auffassung.ObereinenStadtbebauungplan, einenSchifsstypus,einGeschützmodell,einTextbuch,denEntwurfzu einem Denkmaloder denGrundrißeinesHauseskorrigire,mitGelehrten,Künstlern, Technikern,PfarrernoderSoldaten disputire: stets spreche,ausjedemTon undjederLinie,einegroße,vonallerherkömmlichenGewöhnungabweichende Persönlichkeit.DieberühmtestenForscher, hießes,brächtenaussolchenGe- sprächenfruchtbar fortwirkendeAnregung heimundesseinurnatürlich,daß einBegasund gar einEberleinoderLeoncavallosichdenWeisungendiesesMit- arbeitersdankbarfügten.Noch neulich sprachjaHeerelitzschekstatischvom
,,Adlerblick«WilhelmsdesZweiten; und dieGeniekraftdesKaiserswurdevon guterGesinnunglängstnicht mehr bestritten.NichtJederhörtedieBotschaft gern.Manchen quältedieFrage,ob esfürein inschwierigerLageschnellwach- sendes VolkeinGlück sei,wennaufderStaatsspitzeeinesobesondere,die Norm überragendePersönlichkeitschalte,einGlück,stattderersehntenEntfesselung allzu lange gebundenerKräfteeinenEinzigennun alsAllverwalter,Aller- halterzusehen.Anderefürchteten,die vorwärts stürmendeIndividualität desEinzelnen müssemit denForderungenderDemokratie einesschlimmen Tages hart zusammenstoßen.Erst durchdieausführlichenKunstbekenntnifse desKaiserswurdedasLegendengerüsterschüttert;leisezunächstnoch.Wasin feineOhren schonausfrüherenRedengedrungenwar,klangnun weiterund gabVielendietröstendeGewißheit,daßdieWesensfarbedesMonarchendem Massengefühlnicht so fremd ist,wieLoblieder undAngstsprüchleinbehauptet hatten. So,mitfrommem Ausblickzu denewigenGesetzenderSchönheitund Harmonie,redetenja,diemeistengebildetenDilettanten vonderKunst,ganzso vondenJdealen,derenZweckdieErziehungdumpssinnigerHeerdenmenschen zuchristlichsittsamen, strammen Staatsbürgern ist...Jetzt darfdieFurcht schweigen;dochauchdiePaneghriker solltendieStimmen nundämpsen.Es istkeinalltäglicherVorgang, daßeinKaisereinenlangenArtikel druckenläßt;
geschiehtes,bemühteinsolcherHerrsichgar,seinesGlaubens Wurzelder 28«·
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Welt zuzeigen,denPurpurzulüften,der denMenscheninHerrscherhoheit hüllt,dannist anzunehmen,dasVedürfnißdernachAussprache drängenden LeidenschafthabeüberallehemmendenWiderständegesiegt,unddannmüssen indieser Seelenentblößungvielleichtdiefeinsten,sicherdiestärkstenGeistes- kräftedemAugeerkennbarwerden.DerLiteratschreibtheuteschlecht,morgen gut, je nachStimmungundStoff;derMonarch,derin derpersönlichsten AngelegenheitdesChristenmenschenvorallemVolke das Wortergreiftund seinGlaubensbekenntnißzu,,ausgiebigstemGebrauch«weitergiebt,darf sich nicht wundern,wenn dieseeineLeistungdasUrtheilüberseininneresAntlitz endgiltig bestimmt.Dielautesten HymnenderHofposaunistenverhallen rasch;dasGeschriebeneaberbleibt. Undspät noch,wenn diedeskriptive völligderpsychologischenGeschichtschreibunggewichen ist,wirdderArtikel widerDelitzschdenForschererkennenlehren, daßnur derlebhaftereTon des TemperamentesdenzweitenKaiser WilhelmvonderMassedesVolkes unter- schied.DerVerfasser diesesArtikelsmagsicheinesTagesalsMannstarker That,alsgewaltigenWillensmenschen offenbaren;zu dengroßenDenkern, denBringernneuer Visionwirdkünftigihnnur dieLakaienschastzählen.
Jnden»NotenundAbhandlungen«,dieerdem West-Oestlichen Divan ,,zubesseremVerständniß« aufdenWegin die Weltmitgab, sagt Goethe: »WasdemSinn derWestländerniemals eingehen kann, istdie geistigeundkörperlicheUnterwürfigkeitunter seinenHerrnundOberen, diesichvonuralten Zeiten herschreibt,indemKönige zuerstandieStelle Gottes traten. ImAlten Testament lesenwirohne sonderlichesVe- sremden,wennMann und WeibsichvorPriesterundHeldenaufs Angesicht niederwirftundanbetetzdenndasSelbe sind sievordenElohimzuthun gewohnt.Waszuerstausnatürlichemfrommen Gefühlgeschah,verwandelte sich späterinumständlicheHosfitteDerKotau,dasdreimaligeNieder- werfen,dreimalwiederholt,schreibtsichdorther.WievielewestlicheGesandt- schaftenanöstlichenHöersindandieserCeremoniegescheitert!«Heute ist der Weltostenuns nicht mehr so fernwie1820;und wasdamals »dem Sinn derWestländernichteingehenkonnte«,istGermanennunAlltagsereig- niß geworden.Amzwanzigsten FebruarwarderVriefdesKaisersin allen Zeitungenzulesen.Manmußtewarten. DasGeschlechtderLessing,Fichte, Grimm kannauf deutschemBodenja nichtganzausgestorbensein; irgendwo wirdim engeren oder weiterenVaterland Eineraufstehen,ein Natur- oder Kulturforschcr,eintapfererPfarrer,unddasNöthigstesagen.Dieharten, oftleidenschaftlichverdammendenUrtheile,die unter vierAugen fallen,wer-
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densichans Lichtwagen.Zwei Wochen gingen.Keinerstandauf.Aus zuckersüßenWortenkrochdaunddortmählicheinzagesBedenkenhervor, einsubmissesterEinwand,derimEntstehen schonVerzeihungerbat;und in derFülle gehäusterKränzewurdedasWürmchenkaumsichtbar.Die Ge- lehrten schwiegen;Naturforscher, Historiker, Theologen. Herr Professor HarnackergriffdasWort.Erhatdie in derEpistelanHollmannberührten Frageninlangen Unterredungenmit demKaiserdurchgesprochenundfühlt solcheGnadevielleichtalsFessel. »Wohlthuendunderhebend«nennt erdie WorteWilhelmsdesZweiten,der»denUeberzeugungendesGelehrtenvolle Freiheit läßtundnichtanMachtsprüchedenkt«;undfordertunsauf,dem Monarchen »dankbarzusein«.DankundLobscheintdemgelehrtenHerrn, deralsLutherdes modernen Protestantismus gepriesenwird, also schondie Thais achezuverdienen, daßderKaiser nichtkommandirt: Dasist fortanin Deutschlandzuglaubenundjededissentirende Regungwerdeichahnden; daß ernichtdasRechtdesEaesareopapates für sichfordert, nicht,trotz Montes- quieu, ThomasiusunddemKönig Fritz, Apostaten, Haeretiker,Schismati- ker mitstaatlichenStrafen bedroht.Soherrlichweithabenwirsimpreuß- ischen Deutschen Reichnun gebracht. Zur KlagewärekeinGrund,wenn dieöffentlichemit derprivaten Meinung übereinstimmte.DochnurFeig- heit, träge BequemlichkeitunddieTaktikerangst, durch Widerspruchden mächtigstendeutschenFürstenamEnde gareinerPartei oderlüsternenGruppe zuentsremden:siealleinlähmendenBekennermuth.Hundert Aufrechtehätten längst,tausend sonstgesagt,waszusagenPflicht ist: daßkeinWochenblatt undkeineTageszeitungdenArtikel desKaisersangenommen hätte,wenn ernichtmit demerstenNamendesReichesunterzeichnetgewesenwäre.
Giebt dieForm diesemArtikelbesonderenWerth? Vergebens sucht man dieEinheitdesStils, ohnedie keineKunstsorm entstehenkann. In lautePathetik,dieamSpalierderJahwelehre wuchs, drängen sichWorte dergewöhnlichenUmgangssprache; altfränkischenWendungen folgen Jn- versionen,dienur im Amts-undGeschäftsstilleidernoch heimischsind. »Es isteben beiDelitzschderTheologemit demForscher aufund davon gegangen unddient derLetzterenur nochalsFolie fürdenErsteren«.Die»häßliche, UUOkganscheBildungErstererundLetzterer— einekomparativischeWeiter- bildung einesSuperlativs-«hatHerrWustmannostgerügtzvonder»Ju- version nachund«sagter,siesei »fürdensprachsühlendenMenschender größteGräuel,derunsere Sprache veranstaltet; siegeht ihm nochüber Der- selbe.« Ein andererSatz: ,,DelitzscherkenntdieGottheit Christi nichtan
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unddaher sollalsRückschlußaufdasAlteTestament dieseskeineOffen- barung auf DenselbenalsMessias enthalten.«Eine Materie wird»ange- schnitten«,»Lieblingsvorstellungen«,mit denen,,hsiligeundtheure Begriffe«
verbunden find,werden,,angerempelt«;dieserdemStudentenjargon ent- lehnteAusdruckmüßtein einerAbhandlung höchsterMenschheitsragennoch mehr überraschen,wennHerr HoustonStewart Chamberlain,denderKaiser ungemeinhochschätzt,ihn nicht vorher schon— in dem gegenDelitzschpole- mifirendenVorwort zur viertenAuflageder»Grundlagen«—inähnlichem Zusammenhang angewandt hätte· NichtderForm also,dienach diesen Proben wohlzubeurtheilen ist,kann dieBewunderung gelten. Jstnunder Inhalt so stark, daßerformale Mängel vergessenläßt?
Jn seinemersten Vortrag hatteHerrProfessorDelitzschgerufen,wir dürftennicht ruhen,bis dieReligionderProphetenund des Galiläers von denbabylonisch-assyrischenVorstellungen befreit sei. Dieser Vortrag gefiel demKaiserund wurde »auf AllerhöchstenBefehl«imSchloß wiederholt, damitdieHerrnundFraunamHofe ihm lauschenkönnten.Später, erzählt derKaiser, »hatte Professor DelitzschwährendeinerAbendgesellschaftbei unsGelegenheit,mitJhrer MajestätderKaiserinundGeneralsuverintendent Dryander mehrereStundenzukonferirenund zudebattiren,wobeiichmich zuhörendundpassiv verhielt.«WasderProfessor sagte, fand nichtdenBei- falldesHörers.»NebelhafteundgewagteHypothesen;bezüglichderPersonun- seresHeilandsentwickelteersoganzabweichendeAnschauungen,daßicheinen meinemStandpunktdiametral entgegengesetztenkonstatiren mußte; auf diesemGebiet kannichnurdringendihm rathen,nur sehr vorsichtigSchritt vorSchrittzugehenundjedenfalls seineThesennur intheologischenSchriften und imKreise seinerKollegenzuventiliren,unsLaien aber undvorAllem dieOrient-Gesellschaftdamitzuverschonen;vorderenForum gehörtdas Allesnicht«.Danach, sollteman glauben,wurdederProfefsorsicherersucht, inkünftigenVorträgenjedenSchrittinsLand derJudenchristenlegendenzu meiden, wurde,wiehöfischeSittevonje her befahl,dasManuskriptdes nächstenVortrages eingefordert, ehe derKaiser sichentschloß,mitseiner Frau hinzugehen.DerdreizehnteJanuartag kam,derVortragwurdegehalten undwiederlasen wir,derKaiser habedieHanddesRednersgedrückt,die Kaiserin ,,huldvolleWorteanihn gerichtet.«NeueshatteDelitzschnichtgesagt, neue »theologisch-religiöseSchlüsseundHypothesen«wenigstens nichtvor- gebracht;nurfrüherAngedeutetesunterstrichen. Dennochwirdernun un- sanst gerüffelt.DerKaiser,der denvonihmKritisirtenfüreinen,,Theologen
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vonFach« hältundauf diesenJrrthumdieHauptwuchtseinesAngriffes stützt,nennt dengestern nochvomheißestenStrahlderSonneBeschienenen heuteironischden»gutenProfessor«,den»vortrefflichenProfessor«,sieht inihmeinenMann,demleider dernöthigeTakt,daszum WirkeninsWeite unentbehrlicheAugenmaßfehle.HierstocktderBetrachter schon.Sowird derKaiservomHofstaat,vom Civilcabinet,von denMinisterninformirt, daßsolcherJrrthum möglichist?Daß derhöchsteVertreterdeutschenGeistes einJahr langeinen Mann durchpersönliche-Huldauszeichnenundihnvor allemVolke dannschrofftadelnkann, ohne auchnur zuwissen,welcherFa- kultätdieserMann,ein DirektorderKöniglichenMuseen, angehört?Und dererstenfolgt schnelleinezweite Frage. DerKaiser ist nicht TheologezDe- litzschists auchnicht, hatdasseiner Wissenschaft,derAssyriologie, benach- barteGebietderLogoslehreundderBibelexegeseaber,unter demZwangder Berufspflicht,eifriger durchforschtalsdergekrönteKritiker. Weshalbdarf derKaisernur,nichtderProfessor,den der Titel doch zum Bekennerweiht, theologischenFragenvordenaufmerkendcnVolksgenosscndie Antwort suchen?
DritteFrage:WerschufdemProfessordieResonanzPDerKaiser. Dessen Gunsteweisen hatDelitzschserste Schrift,diesonst nichtüber den kleinen Zunftkreishinausgedrungen wäre,zudanken, daß sieinsechzehntausend Exemplarenverbreitetwurde. UeberJesus Christus hat Delitzschöffentlich bishernichtgesprochen;indenBereichderchristlichenDogmatikwillich,sagt er,michnichteindrängen.NurausdemArtikel desKaisers wissenwir, daß derProfessor »dieGottheit Christi nicht anerkennt«;hier, heißtesdann weiter, »hörtderAssyriologeundforschendeGeschichtschreiberaufund der Theologemit allenseinenLicht-undSchattenseiten setztein«.Jst dicseAb- grenzungrichtig?Nein. Theologosnenntman Einen,derGeschichteund Wesen seines Gottes, seiner Götterzu ergründen sucht;woderGlaube andieInspirationdermosaischenBücherundandengöttlichenUrsprung des Galiläersgeschwundenist:dagerade,wirdManchen dünken,hörtder Theologe aufundder»forschendeGeschichtschreibersetztein«. Dieschlimmste SündedesProfessors rügtderKaiserin demSatz: »Er hatinsehrpolemi- scherWeise sichandieOffenbarungfrageherangewachtunddieselbemehr oderminder verneint bezw. auf historischreinmenschlicheDinge zurück- führenzu können vermeint. Daswar einschwererFehler.«Nur in einer
»purenwissenschaftlichenVersammlungvonTheologen«dürfeSolchesge- schehen,nur»eingewaltigesGeniesichansolcheThatheranwagen.«Stau- nendvernehmenwirs.Delitzschhat gesagt:»Es läßt sichkaumeinegrößere
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VerirrungdesMenschengeistesdenken alsdie, daßman die im AltenTesta- ment gesammelten unschätzbarenUeberrestedesalthebräischenSchriftthumes inihrerGesammtheit Jahrhunderte lang füreinenreligiösenKanon,ein offenbartes Religionbuchhielt.«Das soll Laien, solldenPatroneneiner OrientaliftengesellschaftwieeinegefährlicheEntdeckungverborgenwerden?
DieMahnungkommtum mindestens zwei Jahrhundertezuspät«SZZI Pierre BaerhatinseinemDictionnaire dasVertrauen in dieUnsehlbar- keit derHebräerbibelmitleisem,doch nachhallenden Spott angetastetund
— schonerin dem ArtikelüberBabylon—- gefragt,ob dieMenschenwirklich so früh nachderSintfluth, wiedie»HeiligeSchrift« lehrt, Astrologen gewesenseinkönnten.Jean Astruc,desSonnenkönigsLeibchirurg, fand, derPentateuch sei »aus sehrverschiedenartigenQuellenschriftenzusammen- gestellt«.DiesranzösischenPhilosophendesachtzehntenJahrhunderts wehr- tensichgegen dieUeberschätzungdesAltenTestamentes,dasallzu langeden Wahngenährt habe,dieChristensittlichkeitseidemdunklenStamm des Judenvolkes entsprossen.Jm neunzehnten Jahrhundertwurden dieErgeb- nisse wissenschaftlicherBibrlkritik GemeingutallerGebildeten. Einpaar Beispiele. Goethe (indenvorhin schonerwähntenRotenzumDivan):»Kein Schade geschiehtdenHeiligenSchriften, so wenigwiejederanderenUeber- ·
lieferung,wenn wirsiemitkritischemSinnbehandeln,wenn wiraufdecken, worinsiesichwidersprichtundwieoftdasUrsprüngliche,Besferedurchnach- herige Zusätze,EinschaltungenundAkkomodationen verdeckt, ja, entstellt worden« In »Zwo biblischeFragen«: »Es ist wahrscheinlich—- undsich glaube,esirgendwo einmalgelesenzuhaben—,daßdasfünfteBuchMosis in derbabylonischenGefangenschaft zusammengestoppeltworden sei.«
Jm ,,BriefeinesPastors«: »Ich weiß nicht,obman dieGöttlich- keitderBibel Einem beweisen kann,dersie nicht fühlt; wenigstens halte ichesfür unnöthig.DennwennJhr fertig seidundesantwortet Euch Einerwie dersavoyifcheVikar: ,Es istmeineSchuld nicht, daß ichkeine GnadeamHerzenfühle-,so seidJhrgeschlagenund könntnichts antworten, wenn Jhr Euch nichtinWeitläusigkeitenvom freienWillenundvonder Gnadenwahl einlassenwollt,wovon Ihr doch,Alleszusammengenommen, zuwenig wißt,um davondisputirenzu können«. Kant räth,vom blindenGlaubenandenJudengott sichzurNaturforschungzubekehrenoder
»vor demRichterstuhlderReligioneinefeierlicheAbbittezuthun«. Schleier- macher bestreitet, daßdie,,alttestamentischenSchriften«Offenbarungen Gottessind: »dieneutestamentischensindals NormfürdiechristlicheLehre
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zureichend«.NocheinmalGoetheüber die Biblia Jsraels: »DieseSchriften stehensoglücklichbeisammen,daßausdenfremdestenElementeneintäuschen- desGanzesentgegentritt;sie sind vollständiggenug,umzubefriedigen,frag- mentarischgenug,umanzureizen, hinlänglichbarbarisch,um aufzufordern, hinlänglichzart,umzubesänftigen«.Lagarde: »Paulns hatunsdasAlteTes- tament in dieKirchegebracht,andessenEinflußdasEvangelium, soweitDies möglich,zuGrundegegangenist«.Renan: La fausse sjmplieitedureeitbi- blique,l’horreur exageree qu’onyremarquepourles grandschifkres iet leslongues periodesontmasquelepuissant espritevolutionniste quienfaitlefond;mais legeniedesDarwin inconnus queBaby- loneapossedesil yaquatremille·ans s’·yreconnait toujours. Schon eralso sahdieSchriftspur babylonischenGeistes. HerrDr. WincklerinHel- moltsWeltgeschichte:»Das Judenthum ist nichtinJuda ausgebildetwor- den,sondern hat seine Entwickelungundseine Ausbreitung erst aufdem BodenderweitenaltorientalischenKultur errungen. Wieunsdie Bibeljetzt vorliegt, ist siedasWerkspäterZeit.DieEigenartderimAlterthumbe- folgtenQuellenbenutzunggestattetunsaber,dieBücherinihreeinzelnenQuel- len zuzerlegen,sodaßwir-im Standesind,dieZeugenzu trennen und gegen ein- anderzuverhören«.Der ungenannteVerfassereinerfür sozialdemokratische Leserbestimmten,seitzwölfJahrenweithinverbreiteten Exegese:»DieBibel ist heuteallgemeinalsMenschenwerkanerkanntundkeinwissenschaftlichGe- bildeternimmtdenheuchelndenoderbornirtenPfaffen ernst,der denihmvon derhohenStaatsregirunganvertrauten Schäfleingegenübernochdenalten Köhlerglaubenvonder,OffenbarungGottes« vertritt.«Schopenhauerund Nietzsche,Semler, Strauß, Bauer, Bender, MaxMüllerundJacolliot, diePhilosophenvonFerneyundSanssouci, Schrader, Maspero,Nöldeke wurden nicht erwähnt;unddochistsderBeispiele fast schonzu viel.Nur ein«frommer Katholik,einFührerdesCentrums, sei noch citirt;in der Rede»überdieAufgabenderkatholischenWissenschaft«sagtederFreiherr vonHertling: »Diehistorisch-kritischeForschungwill dieGlaubwürdigkeit desUeberliefertenprüfenundsie hat,wirleugnenesnicht, manches früher alsglaubwürdigHingenommenealsLegendeerrviesen.«Dasdurftevorzehn JahreneinGünstlingdesVatikansin derGottes-Gesellschaftaussprechen.
Jetztabersollesein»schwererFehler« sein, daßin derDeutschenOrient- GesellschafteinPhilologedenGlauben an dieInspirationderJudenbibel eineVerirrung genannthat.DerKaiserhat hundert ExemplarevonChamber- lains»Grundlagen«verschenkt;indiesempopulären,nichtfürdieTheologen-
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zunstgeschriebenenBuchwird derreligiöseundethischeWerthderThoraviel geringeralsinDelitzschsVorträgengeschätzt;indiesemBuch stehtderSatz:
»SelbstderJude, sobalderdieSehnsucht nach Weltanschauungverspürt, wendetsichmitSpinozaundMendelssohnvomAltenTestamenthinweg.«
WilhelmderZweitekannnicht zweifeln, daß dieses Buch »Lieblingsvor-—
ftellungen angerempelt«hat. VielleichterklärendieHofpanegyristenuns nächstens,warum eingelehrter Orientalist sündigt,wenn erthut,was vor ihm,unter demBeifalldesKaisers,eingeistreicherDilettant thun durfte.
Bishierher hatderKaiser alsogesagt:Wer inder Bibel einfehlbares Menschenwerksieht, soll dieseAnsicht nichtvor»einemgroßen,allgemeinen Publikum« aussprechen.Dashat schonderHauptpastorGoezeverlangt;
undLessinghat ihm geantwortet: »Wergegen dieReligion schreibenwill, sollnichtanders alslateinischschreibendürfen,damitdergemeineMann nicht geärgertwerde.« DereinfacheVibliothekarfügtesichnicht; mitRecht..
WennAlles,wasErkenntnißundGewissengegen,,heiligeundtheureBe- griffe« zusagen trieb, aufden engen KreiszünftigerTheologen beschränkt geblieben wäre,dannhättederMenschheitnie einLuther gelebt.
DochderKaiser— deruralterTheologendialektikdieLehrevonden zwei Offenbarungenentnimmt — unterscheidetselbstim AltenTestament inspirirtevon»reinmenschlichhistorischen«Abschnitten. »DerAkt derGesetz- gebungamSinai kannnur symbolischalsvon Gottinspirirt angesehen werden«.MoseswolltedaslockereGefügeseinesVolkes festigenundfrischte
»altbekannte,möglicherWeisedemKodexHammurabisentstammendeGe- setzesparagraphen«wiederauf.Sehr glaublichz so haben nichtim Orient nuresdieHerrschergemachtundimmerhabensiesichdabeiaufdie Erleuchtung berufen,dieihnenvom Himmel herkam. DenndenvonGottesGnadeGe- weihtengehorchendie Völker gern. Warum abersollgerade dieseStelle, nicht jede andere, symbolischzunehmensein?Und wiedenktderKaiser sichdieihm heiligeSchrift entstanden?WervonGlaubenundSkepsis sichzugleichden Weg weisenläßt,wirdnichtweitkommen;in trübesHalbdunkelhöchstens.
JstdieBibel»Gottes geoffenbartes Wort«,dann darfman ihr nichtmit
sMesserundSonde nahen; enthältsie,wiederKaiser meint, ,,eine großeAn- zahlvonAbschnitten, welchereinmenschlichhistorischerNatur sind«,dann wird diefortschreitendeKritik dieZahl dieserAbschnittefrühoderspät noch vergrößernundvondem»geofsenbartenWort« wirdnichts übrigbleiben.
Eine derfrömmstenStunden im LebenLichtenbergswardie,da erim Traum sichvoneinem,,verklärtenAlten«vordieAusgabe gestellt wähnte,denJn-
DieEpistelanHollmanm 379 halteinesBuches chemischzuuntersuchen.Dem Träumerwurdeinseinem Laboratorio bang. »Der InhalteinesBuches ist ja seinSinn;undchemische Analysewärehier AnalysevonLumpenundDruckerschwärze.Alsicheinen Augenblicknachdachte,wurde esauf einmal hellin meinemKopfund mit dem- LichtstiegunüberwindlicheSchamrötheauf.O, rief ichlauterundlauter,ich verstehe!UnsterblichesWesen,vergiebmirlJch fasseDeinengütigenVerweis«.
Mildfandersichdafür bestraft, daßermituntersuchendemStahldie Erd- schichtzersplittert hatte. HoftheologensolltendenTraum zu deutenversuchen.
DerKaiser glaubt»aneinen, einigen Gott, der,umdasMenschen- geschlechtweiterzuführenundzufördern,sichbald indiesemgroßenWeisen- oderPriesteroderKönigoffenbart, seiesbeidenHeiden,Juden oderChristen.«
Hammurabiwareiner, Moses, Abraha1n,Hotner,KarlderGroße, Luther,.
Shakespeare,Goethe,Kant, Kaiser WilhelmderGroße·« Wirklich: »Kaiser WilhelmderGroße.« Manchervonuns,standin denDain News,würde zögern,seineVerwandten in dieGesellschaftMosisundShakespeareszu bringen.DergutealteWilhelm,der nichtKönigbleiben,nichtKaiserwerden- wollte,denBismarckzu jedem wichtigenSchrittdrängenmußteund der weder vom Heiligen nochvomGenieeinenBlutstropfen hatte,würdesichgewiß ameeistenwundern,wenn ersichneben Kantgenannt hörte,—-nebendem
»Alleszermalmer«,dcrinderMenschheitgeschichtemehrbedeutetalssämmt- licheHohenzollernundnocheinDutzend großmächtigerDynastiendazu.Wo sinddieTagedesWest-Oestlichanivans?DasBürgerthumdesDenkervolkess hatgegcndieHeroenlistedesKaisersnichtprotestirt.UnddieseListebleibtdoch, selbstwennman denGroßvaterwegstreicht,merkwürdiggenug.DenMode-;
babylonier Hammurabiwollenwir denKeilschriftgelehrtenüberlassen,die selbstnochnichtvielvonihm wissen.Abraham hatin Egyptennichtgeradeeine Heldenrolle gespielt.AlserandieGrenzedesPharaonenreiches kam,sprachs erzuseinemWeibeSara(1. Mose 12): »Siehe,ich weiß,daßDu einschön Weibvon Angesichtbist.Wenn Dichnun dieEgypter sehen,werdensie sagen:Dasist fein Weib;undwerdenmicherwürgenundDich behalten- Liebersage doch,«DuseiestmeineSchwester, auf daßmirsdestobessergehe.«
Undihm gehtesgut:Sara wirdin denHaremdesPharao gebracht,der umihretwillendemBruderGutesthut. »UndAbrahamhatte Schafe,Rin-«
der,Esel, KnechteundMägde,Eselinnenund Kamele.«Saras Frauenreiz hat Abrahams Wohlstand erkauft.Handeln sodieEmpfänger göttlicher Gnade,dannsolltedasdeutscheStrafgesetzarme,vonkeiner Glorie erhellte Menschenkindermilderbehandeln. Duldsam istder»eine,einzige Gott«,