• Nie Znaleziono Wyników

Die Zukunft, 15. März, Bd. 38.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Die Zukunft, 15. März, Bd. 38."

Copied!
38
0
0

Pełen tekst

(1)

Berlin, den IS.März 1902.

fd .-:s r s

Saturnalien

Wrinz

HeinrichivonPreußen ist aufdemHeimwegnachEuropa.Erhat dasRecht,müde zufein. Selbst fürdeninPullmans Luxus-wagen ReisendenbleibensechstausendKilometer einehübscheWegstrecke;undjeden Tag dejeuniren, diniren, soupiren, Vereinsausschüsseempfangen, Konzerte anhören, jeden Tag mindestenseine Redehalten:nur einKerngesunder darf sich solcheLeistungzumuthen.Jndenoffiziöfen also inssastallen berliner Blättern lasman dennauchdieergebenstenLobsprüche;die WiderstandsfähigkeitdesPrinzen seigeradezu bewundernswerthHier stößt desBetrachters Blick schonaufeineErscheinung, die,alseinSymptom neuer politischerSitte,zukurzemVerweilen ladet. Früher suchtendie zur LeitungderStaatsgeschäfteBerufenen Schwierigkeitenzu meidenundfür unvermeidlichedieVolkskraftzuschonen.JetztwirdimDeutschenReich Politik getrieben,alsgälteesdenSiegin einerSteeple-Chafe; künstlich werden-HeckenundGräben,Hügel,BächeundZäune geschaffenundder gedruckteJubelistdannjedesmal groß,wenn MannundRoßdieselbstbe-·

reitetenHindernissenehmen.Dashabenwirseit zwölfJahren recht oft erlebt. Bismarck wirdungnädig"entlassen,denHöerundDiplomaten derVerkehrmitihm untersagtundbalddaraufwerdendiestärkstenKünste angewandt,umeinwenigstens äußerlichkorrektesVerhältnisszu demjäh Gestürztenherzustellen.OhnedieallergeringsteNöthiguiigwerdendie Korn- zölle,andieallmählichderwüthendsteCobdenit,sogarderunfindbareNichts- alskonsument sichgewöhnthatte, herabgesetztundzweiLustrenspäterkostet

31

(2)

422 DieZukunft-

es,nacheinerverwirrenden,allepolitischeArbeitlähmendenAgitation,die größteMühe,die»rettendeThat«wiederrückgängigzumachen.EinHeer, dasdieHauptschuldigenstrafensoll,wirdnach China geschicktund unter FährlichkeiteneinemdeutschenMarschall derOberbefehlzugesprochen;keinem derHauptschuldigenwird einHaargekrümmt,derOberbefehlwirdnichtan- erkannt, schließlichist Jeder froh,wenn dieSache ohne allzuübleFolgen bleibt,undderneckischeHerr,derfür diePolitik verantwortlich ist,nenntdie AnstifterindesBoxeraufstandes,dieervernichten wollte, »einesehrintelli- genteDame«undtröstetdiesolchenSonntagsplaudererswürdigeHörerfchaar mit derHoffnung,nachdenLegionenauchdieMillionen einesTageswieder- zusehen,die dertragikornifcheKreuzzug verschlungenhat.Warsetwanicht schwer,dengrollendenGeniusdesSachsenwaldesinsSchloßzubringen, dieAgrarierfüreineWeilezubeschwichtigenundohne allzusichtbareSchlappe aus OstasieudieRückzugsliniezufinden? Nicht schwer,imVerkehr mit«

Buren undBriten, RuserundYankees,PolenundWelfen heutebisausdie letzteSpurzuvernichten,wasgesternausWortendesZornsundderZärt- lichkcitmühsamgezimmertward? Schwer mags gewesensein;nur wares ebenunnöthig,war nutzlos verthaner Aufwand. UndderStaatsniann, derfür solchePeneloprleistung Beifalleiwartet, hatniegelernt, daßder Große sichnicht ohne großenGegenstandregt.Die guteCensur,diePrinz Heinrichjetztbekommt,weilerbeiBanketten, aufderEisenbahn,vorGe- sangoereinenundPhotographendiefroheLaunebewahrtundaußereiner HeiscrkeitkeinUngemachmitgenommenhat, zeigtaneinem kleinen unddes- halb leichtzuüberschauendenBeispieldas ganzeSystem.Man müßte denBruder desKaisers loben,wenn erseine BequemlichkeitdemDienst einergroßenSache geopfert hätte;solchenDienst fordertdasVolkvonseinen Fürsten, für solchenDienst sollen sie ihreKraftsparen·Warsabernöthig, imGalopptempodesseligenHerrnPhileas Fogg durchdieVereinigten Staaten zu eilen?EinPrinz hat dochZeit;undein Admiral braucht auf demLandekeinenfrüherenRekordzuschlagen.Paul BourgetwarachtMonate langinAmerika, hatte vorherdieBüchervonTocqueoilleundBrycemit heißemBemühenstudirtundmußtenach seiner Rückkehrdennoch gestehen, erhabenur Momentbilder,nur eine zuabschließendemUrtheil untaugliche VisiondesjungenRiesenreichesheimgebracht. Prinz Heinrichwärege- wißgernlängerdrübengebliebenundhättedieWurzelnderneuen Macht gesucht,derentropischschnellesWachsthumdieWeltwirthschaftspürt.Viel hatdergeplagte-Herrnun nicht gesehen.VomSalonwagenundvomEhren-

(3)

Saturualien. 423

sitzauFesttafelnauskannauchderScharfsichtigstekein Landkennen lernen.

Dochwar demPrinzen ja nichtdieAufgabe gestellt,dieökonomischeKraft Ainerikaszuerforschen;um Alles,was Europa bedroht,um Getreidebau undViehzucht, ProduktionundExportmöglichkeitvonKohleundEisen, Kartellbil-dung,RhedereimonopolundTrusttyrannis, brauchteersichnicht zu kümmern.Ersollte, nach eigenerAussage, »AugenundOhren möglichst weitöffnenundsowenigwiemöglichsprechen«.NichtunsstehteinUrtheil darüber zu, ob derpersönlicheZweckderEilreise erreichtwordenist;undbe- sonderenDankfürdieUeberwindung selbstgeschaffenerSchwierigkeitenwird ein in ganz anderen Strapazen gestählterSeeinann gewißnichterwarten.

DasHindernißrennengeht weiter;undüber ein Kleineswerdenwir vielleichthören,man diirfenichtbehaupten, daßdiekostspieligeAktionDeutsch- landgeschadethabe.Der.Weisheit unserer Regirung sei ja gelungen,alle unangenehmen Folgenzubeseitigenundden status quoante wiederher- zustellen.SopflegendiegroßenweltpolitischenEreignissebeiunszu enden.

...Mancher LeserdesBerlinerLokalanz·eigers,deseinzigenBlattes,das ausführliche sehroft freilichläppische Berichteüber diePathensahrt brachte,maggestaunt haben,alseramviertenMärzin eineinnew-yorker Telegrammlas: »Wennesauchrichtig ist, daßdiehiesigePresseüber die Prinzenreise wenigundDiesanwenighervorragenderStellebringt, so trägt dazu dochwesentlichdasPrinzip bei, Dinge,dienicht mehrdasaktuellste Tages-interessebeanspruchen, stets beiläufigzubehandeln.Jn politischen Kreisen außerhalbderPresse stehtman genauwie zuvor zuderPrinzenreise.

Das heißt:mit abwartender Sympathie,derenBefestigung durchdenTakt desPrinzen auch nicht durchhämischenKlatschvongewisserSeiteerschüttert werdenkann.Jn diesen speziell amerikanischenKreisen herrscht allerdings häufigdieAnsicht,daßvielleichtein bedeutenderer AnlaßzuderPrinzenreise hättegewähltwerdenkönnen.Siebetrachtensichselbstverständlichals den ge- suchtenundgebendenTheil,erkennen aber genugihreneigenenVortheil,um ihrerRollenichtabholdzusein.«WerdiesemitWenn und Abergefütterten SätzeausderSchmockspracheinsDeutscheüberträgt,merkt: dieReiserepor- tageistdenraschlebendenAmerikanern nachein paarTagen langweilig geworden;ausden»politischenKreisen«wurde denüberschwänglichHof- senden abgewinkt;derNativistenhaßgegen dieDeutschenunddievomPrin- zenvielfach ausgezeichneten»Amerikanermit demBindestrich«regte sich wieder;undin derherrschenden GroßbourgeoisiebliebdasGefühlzurück, eineschmeichelhafteHuldigungerlebtzuhaben,dieamEndeauch nochein-

81ab

(4)

424 DieZukunft

träglichwerdenkönne. DerPrinz muß selbst dieseStimmung empfunden haben.ErkühltedasFeuer seinerRede undsprach sogarvondemBankett derIournalisten,derenGastergewesenwar und denenerin einemvom BlattgelesenenToastdenRangKommandirenderGenerale verliehen hatte, nun mitspöttischgerümpfterLippealsvoneinem»Masseninterview«,das er,mitRücksichtauf seinenReisezweck,geduldig ertragen habe.DieWirthe werdenvon diesem seltsamen TafelepilogeinesEnttäuschtennicht sehrer- bautgewesensein. Trotzdem:imGanzenistdieArt,wie diedeutschenGäste aufgenommen wurden,dankbar anzuerkennen.DieAmerikanerhabendem HohenzollernguteTagebereitet. Das war zu erwarten. Erstens darf jederBesuchervoneinigem Ruf,magerBourget,LiliLehmannodernur Goldbergerheißen,drübenstetsdesbestenEmpfanges sicherfein. Zweitens istin demLande,woMrs.HumbuggerneinenBaron alsPortierund Mr.Snob einenGrafenalsSchwiegersohnmiethet,einPrinzauskönig- lichemHausenochimmereine»Sehenswürdigkeit«,einegreat attraction, diejederVanderbilt, AstoroderArmoureinmal inseinenvier Wändenhaben, jedervonFortunens GunstnichtsoGehätscheltevonfern wenigstensbegafsen möchte.Unddrittens hatderPrinzdenRepublikanernso ungewöhnliche Artigkeitengespendet, daß ihnen füreinWeilchenwarm umsHerzwerden mußte.lwant yourfriendship, »ichkomme,IhnendieFreundschaftmei- neskaiserlichenBruders anzubieten«:Daswareinsseinerersten Worte;und erblieblangeindieserTonart. Leisenur klangdasEchowider, so leise, daßman beinahe-wünschenmochte,dieFreundschaftwärenichtso seemännisch offen angebotenworden. VorderLandung telegraphirtederPrinzanden PräsidentenRoosevelt:»Ichhoffe,daßderGesundheitzustanddesjungen-Herrn Rooseveltgünstigfortschreitet,undwünscheihmbaldigeGenesung. Gestatten Siemir,SieunddasamerikanischeVolk zu demheutigenGedächtnißtage

vonWashingtonsGeburtzubeglückwünschen.Ichbedaure sehr,Siedurch eineverspäteteAnkunftzuenttäuschen,diedurch schwere,anhaltende West- stürme veranlaßtwurde,undsehemitFreudederZusammenkunftmit Ihnen entgegen«.Die Antwort desPräsidentenwar knappergehalten:»Ich nehme Ihren herzlichenGrußbeiIhrer glücklichenAnkunftanunddanke im Namen desamerikanischenVolkesfürdieMittheilung. Ich freue mich darauf,Siemorgenpersönlichkennen zu lernen.« Kein Wortvon demjungen- HerrnRoosevelt den derPrinz später dennochimKrankenzimmerbe- suchte ,vonWashington,vonEnttäuschnngundSturmgefahr.DemFräu- leinRooseveltwurden Ehren erwiesen,wieselbst aufdenHöhepunktender

(5)

Samrnalien. 425

franko-russischenFreundschaftnie derFrauoderTochtereinesPräsidenten.

AmFrühstückstifchschriebMißAliee dannandenDeutschenKaiser: »Me- teorist glücklichvomStapelgelaufen. Jch gratulire Ihnen,dankefürdie mirerwieseneLiebenswürdigkeitundsende Jhnenmeinebesten Wiinsche.«

DasTelegramm,beidessenStilisirnngVaterundMutter demFräuleinge- holfen hatten,konntenichtanders abgefaßtsein,wenn derBesitzerdergetauf- ten Rennyacht SmithoderCohn hieß.NeigungzubyzantinischerKnechtsälig- keitdarfman denAmerikanern nun nicht mehr nachsagcn; sie haben ihrer RepublikanerwürdenichtdasGeringste vergeben. Fast jederRedner er- innertedenPrinzenandieAnszeichnung,dieihm gewährtwerde,derMayor so gutwiederZeitungschreiber.EinStaatssekretärrief ihm kordialzu:»Bei Ihrer TüchtigkeithättenSiesalsBürgerderVereinigtenStaaten sicherzum Bürgermeister,vielleichtsogarzumChefderMarineverwaltung gebracht!«

ImmerwurdevonDeutschlandalsvon derHeimathgroßerDenkerund Dichtergesprochen,nievon einemeingeborenenAmerikaner denThaten WilhelmsdesZweiteneinHymnusangestimmt.DieganzeHaltungder beamteten VolksrepräsentantenmußtedenBetrachter mitAchtung erfüllen.

Zubedauern blieb nur, daßHerrvonHolleben,derBotschafter dervor versammeltcm Kriegsvolk seinenRückenvomPrinzenalsSchreibpultbe- nutzen ließ—,demBruderseinesKaisersnicht gleichimHafen gesagt hatte, welchenTemperaturgrad festlicherRednereierzu erwarten habe;dannwäre dieDissonanzin denvonWirthenundGastangeschlagenenTönenvonvorn hereinvermieden worden. PrinzHeinrich scheintleichtentzündlichenSinnes ; in derAdventzeitdesJahres 1897 saheraufseinesBruders Haupteine Dornenkrone undzog aus, »das EvangeliumEurer Majestät erhabener Person zupredigen«;undjetztnoch istervonderHöflichkeitderfranzösischen Regirung,die imvorigenJahr seinePostvonBordholen ließ,so gerührt, daßereinemHafenlootfeninCherbourg feindankbaresHerzausschüttete undihn bat,seiner GefühleDolmetschinFrankreichzusein. SolcheLeb- haftigkeitdesEmpfindens ist rühmenswerth.Nursollte siebeipolitischen Missionenvon kluger DiplomatenkunstderLandessitte angepaßtwerden.

RascherWechselderTemperaturen führt leichtzuErkältungen.

DieAmerikaner könnenzufrieden sein.Alssiedenverkümmerten SprossendesCidCampeadordieKolonien wegnahmen,töntenausEuropa FlächezuihnenübersWeltmeer; jetzthat diestärksteMilitärmachtEuropas ihnen gehuldigt,wie ausWestendieFiirsten einstder neuen, üppigenMacht vonByzanz,und diedeutscheBedientenpressehat ihnenWochenlangJubel-

(6)

426 DieZukunft.

liedergesungen.Einensichtbareren undbilligeren—- Triumphkannkein Volksichwünschen.UnddemerstenAktdesSchauspieleswerdenanderefolgen.

Schon hatderJudge,der»Kladderadatsch«vonNewYork,ein Bild ge- bracht, aufdeminderHaltungeinesSupplikantenderDeutscheKaisermit demgierigdengroßenMund aufreißendenJohnBull Um dieGunst desHerrnRooseveltkonkurrirtund dasdieUnterschriftträgt: »Treithurcht oderLiebediese Nebenbuhler?Das ist Witzblattstil,derdieAbsichtdes Kaisers entstellen muß,uns abererkennenlehrt,wie dasheißeWerben vonUncleSam aufgefaßtwird.DenWegdesPrinzen vonPreußenwerden baldwahrscheinlichGroßfiirstenundHerzogegehenundjederFürstenbesuch wird dasberechtigteSelbstgefühlder unterm Sternenbanner Wohneuden steigern. Deshalbwar derVersuch,dieTaufreisezu einemweltgeschichtlichen Ereignißaufzubauschen,einpolitischerFehler. GegendenPlanwarnichts einzuwenden,so langeman ihnalsprivate-HöflichkeitdesKaisers nahmund sichmit derHoffnungbeschied,diefrischeRegsamkeitdesenglischerzogenen PreußenprinzenwerdedenDollarkratcn drüka gefallen.Nurdurfteman derSportfahrt nichtdasGedröhneiner Staatsaktion geben.Die Ameri- kanersind nüchterneLeute,diesichnichtvorstellenkönnen,ihrer schönenAugen wegen werbe einFremderumihre FreundschaftSiesindvieltiefcrlultivirt, als dasEuropäervorurtheilglaubt, aber,wieselbstdiegenialsten Empor- kömmlinge,vondemHangzuUebcrhebung nicht frei." GrafBülowsieht zwar»selbstin derfernstenZukunftkeinenPunkt,andem dieWegeder DeutschenundAmerikaner einanderdurchkreuzenkönnten«;werabernicht unterso ewigblauemHimmellebt wiedieserBeneidenswerthe,Derweißauch, daßwirlängstvorsolchemKreuzungpunkt stehenunddaßvon demTag dieses ZusammentreffcnsdergrößteTheil unserer wirthschaftlichenNöthe stammt.Amerikawill—- undmuß vielleicht,umnichtimFettzuersticken

Europamit denMachtmittelndesKapitalismus unterjochen.Eshat überfließendesGeld, besseren Boden, billigere Kohleund kannbei der Lieferung fastallerMassengebrauchsgüterden älterenProduzentenunter- bieten. Solche Urzeugerkraft, nichtdieMörserbatterieeinesarmfäligen Dardanellenforts, öffnet heutedieThore zurWeltherrschaft.Undin der Stunde,wowir allenGrundhätten,unsdiesemfurchtbaren Bedrängcrstolz, kühnundnamentlich kühlzuzeigen, umschmcichelnwirihnundgeben, statt unsmit denNachbarnzu einemwiderstandsfähigenWehrbund zusammen- zuschließen,dasZeichenzuhastigemWettlausumdeseitlenRiesenGunst.

AuchdieseselbstgeschaffeneSchwierigkeitwirddieWeisheitderuns

(7)

Saturnalien. 427

Regirendenüberwinden,fürüberwunden erklären.Siesorgen fürAbwechse- lung,verbrennen heute,wassiegesternanbeteten,und werdenmorgendieAsche durchstöbern,umunterdenverkohltenResteneinenneuen Fetischzufinden.

Die Amerikaner könnenlachen.Wer aberhörtejedieSchaar jauchzen, diehinterdesWeltbezwingers Schimmelwagen durchdie Porta Trium-

phalisdemKapitol zuschritt? Dürfenwirwirklichfrohlocken,weil Amerika triumphirt?WirhabenFreundschaft angebotenundsorgsam abgemessene Höflichkeitals Antwort bekommen.Wirhaben zärtlichhinübergewinktund mitallzu stürmischemEiferdieSpottsuchtderZuschauergeweckt.Und ein Jubel schalltdurchdasLand,alsseieben dasPalladium derVolkheit gerettet worden...Die altenBräucheerbensichlängervonGefchlechtzuGeschlecht,als unser modernerHochmuthwähnte. Jn jedemJahrtauschten für eineWoche in Rom dieGünstlingeund dieStiefkinderdes GlückesdieRollen.DenGe- fangenenwurde die Kettegelöst,dieSklavenpraßtenanvollerTafel, hattendie Herrenvongesternund morgen alsgehorsameDienerhinter sichundalleder- benundfeinenBande sozialerZuchtwaren für dieFesttageabgestreift.Diesehn- süchtigeErinnerungandasGoldeneZeitalterwardsogefeiert,dasSaturnus- Kronos denLatiernübers Meergebrachthaben sollte. DieReichenbeschwich- tigten ihrGewissendurch mildeGaben, durchSpeisungderDarbenden und erkauften spielend füreinneuesJahrdieGewaltrechtedesSklavenhalters.

Da, im zweitenDezemberdrittel,entstandzuerst vielleichtdieWeihnacht- stiinmung,die heute nochdenhärtestenAusbeutern dasgläubigeHerzerührt Undsie treibt,mitOpfergeschenkenAblaßzettelundDanksagung einzuhän- -deln.Saturnalien nennt man seitdemdieFeste,derenHauptwirkungin einerVerkehrungderAlltagswelt beruht.Sind fieunswiedergekehrt?Jo triumphe! schalltesherüber;Josaturnalia! hallteszurück.Jst während des WerbensumRepublikanerfreundschaftdieSehnsucht nachdenentschwun- denenTagen kronischerFreiheitundGleichheiterwacht?DieZahlderHun- geraden wächst,die altenExportgebietesperren sichunseremHandel,ganze StändezitternvorderGefahr,überNachtins Proletariat hinabzusinken:wir aberjauchzenbrünstigderSonnezu, derenerstesLeuchtendräuend eineneue Weltfärbt. Jedes Wort,dasdechpräsentant derDeutschenzudenSöhnen Washingtons gesprochenhat, lehrtuns denUnterschiedihrerundunserer Volksrechte,Bollsmächtefühlen.Und wirzischendasFreudengebrüllnicht zurRuhe.Josaturnalial ...Esmuß wohl so sein.Einmal mindestens injedemJahr muß auchderGermane,derRomsMachtseitJahrhunderten gebrochenzuhaben glaubt, Siege feiern,dieseinGegner erfochtenhat.

O

(8)

428 Die Zukunft-

Das Publikum

Weber

dasPublikum sindganz dieselben Vorurtheileverbreitet wieüber

km dieKunstunddieKünstler.Undsie haben auchdieselbe Ursache inderVerallgemeinerungundEinseitigkeit.Am Ende,meint man, wie

von denHelden guter Romane, müssen sie sich kriegen:dasWerkunddas Publikum. Es kannlangedauern und vieleHindernissekönnen zu über- windensein: zuletztendetesdoch, hiermiteinerHochzeit,dortmiteinem Erfolg.UnddabeiwirddasPublikum,wiederweiblicheEngelim Roman, zugleichüber- und unterschätztAls dergerechte Richter mußessein Urtheil schließlichderWahrheit zuwendenunddemguten WerkseineGunst bezeugen.NunistaberdasPublikumwedereinguterundgerechternoch einschlechter,sondern überhauptkeinRichter·Das istdieUeberschätzung Aber esistauchkein derKunst Fremder. Es stehtdemWerkso wenig objektivgegenüberwiederKünstler seinem Stoff. DasPublikum istein integrirender TheilderKunst,wie das WeibfürdieLiebeundwie Der, mitdemman spricht, fürdieRede. Oft stehtdasPublikumimVerhältniß desGegensatzeszumWerk;eingroßerTheilderKunstistpolemischerArt.

AberDer,mitdemich streite, stehtmeinemKampf ja auch nicht theilnahme- los, als bloßer Zuschauer, gegenüber.Das Publikum ist auchEtwas wie einResonanzbodendes künstlerischenInstrumentes Esist überhaupteine Marinichfaltigkeit, nichts Einheitliches, sondern vielfachZerklüftetes,undhat, genauwiedieKunst,unendlicheMöglichkeiteninsich.

·

DieabergläubigeVorstellungvom Publikum stammtans denaristo- kratischen ZeitenderKunst,alseinebestimmte KlasseoderGruppedas eigentlicheKunstpublikumbildete,dessenGeschmackfeststand,so daß,wenigstens für gewisseZeiten,einruhigesnndsicheresVerhältnißzwischenderKunst unddemPublikum sich herausbildenkonnte.Eswar derHof,die Akademie, eineJury,diebestimmte,wasgut,und,wasschlechtwar. Hier fielgute KunstunderfolgreicheKunst zusammen.WeilEiner Etwas schuf,dasfür gut befundenwurde,mehr noch,weilerarbeitetenach GesetzenundRegeln, die dasGuteschon festgesetzthatten, hatteerauchErfolg,wurde in-dieseni Kreise geehrtundmitdenhier geltenden Auszeichnungenbelohnt.Der Erfolg bestimmtedamals,zunächstwenigstens,nichtdiewirthschaftlicheLage desKünstlers.EinKranz erhob ihnzuden Göttern,dieAufnahmein eineGeselfchaft machte ihn unsterblich.DerErfolg hing häufigvon einer einzigenStimme ab. Werverlangtedenn,daß,was demAugustusoder denvierzig UnsterblicheninParisgefiel, auchdenBauern inEtrurien oder denSeidenspinnerninLyongefallen müsse?Damals war das eigentliche KunstpublikumeinesehrkleineGruppevonLeuten, diesichleicht übersehen,

(9)

DasPublikum. 429

berechnen,bearbeiten ließ. Wenigstens wußteman, was schlechterdingsnicht gefallenkonnte. Und wenn auchWillkür herrschte, Jntriguen gesponnen wurden und dieRichter nichtimmer aufderHöhederBildung standen odernur auf formale Bildung dressirtwaren: man wußte doch,wieDer beschaffenwar, derdenWertheinesWerkes zubestimmen hatte.

Wie Alles,wurde auchdieKunstmehrund mehr dentokratisirt;

wenigstenswurden esihr Publikum,ihreRichterundihre Institutionen.

Heute identifizirtman geradezu PublikumundVolk. Manbildetsichein, dasPublikum sei so ungefährdieVolksseeleinBezug aufdieKunst,und verwechseltbeinahedieBedeutungvon PublikumundKunst. Oderman denktandenallgemeinenErfolg,dasvollständigeAufgeheneinerKunstin ein Volk. Volkskunst:DasisteineKunst,derenPublikumeinganzes Volkist, diefürein«ganzesVolkgeschaffenwird, Über die einganzesVolk zuGericht sitzt. Dieser Zustandaber wirdnichtnur eineTyranuisfürdieKunst, sondern auch fürdasPublikum: fürdieKunst,weilihrdamit alleFreiheit undEntwickelungfähigkeit,jedeTradition undJndividualisirung abgeschnitten wird: fürdasPublikum,weilesdamitzu einemgroßenTeig zusammengefnetet wirdundum jede Eigenartundjeden Geschmackkommt. Tyrannisirtdas PublikumdieKunst, sotyrannisirtdieKunstwieder dasPublikum;oder einTheildesPublikumsdenanderen. Es wirdeinKriegaufsMesser, ausdembeideKämpfer zerschundenhervorgehenmüssen.DasistderZustand, indemwir leben. UmmöglichstVielen UndAllen zugefallen,muß die Kunstthun,wasdieSchönheitthut: sich prostituiren.DieKunstnimmt indiesem ZustandedenmöglichstallgemeinenCharakteran, stößtbaldalles Lokale, Nationalc, Jndividuelleabundwird schließlichinternational, eine großeSchabloneoderHure. In Bukarest gefällt,was inBerlin gefällt;

inParis,London,München,Wien,BudapestdieselbenBilder,Bücherund Theaterstücke.Dabei wirdaberdemPublikumebensolcheGewalt angethan.

Jedes Volk undjede Klasse kommtum seinspezifischesAnrecht auf Kunst, Schönheit,Genuß.

Man bildetsichimmer ein:dasPublikum lassesichnichts aufdrängen.

Alsder passivereTheil istesaber sogar leichterzutyrannisiren.Das Publikumwird so aufdoppelteWeise gebrandschatzt:erstens durchdie Künstler,dienun nicht mehr füreinbestimmtes Publikum schaffenund von ihmeineSteuer ihres Unterhaltes verlangen, sonderndie,wieihre Matadore undMitinteressenten,einmöglichstbreites Publikumheranziehen müssen,ohne Rücksichtdarauf,obesdieseKunstoderdiesesWerküberhaupt angehtodernicht,undihmdocheineSteuer anGeldundRuhm abfordern:

durch ihre Maschinen (Presse,Reklame,Mode,Klatschu.s.w.)fangen siees ein. Zweitensaberthut sichüberallausdemPublikumeinAreopag auf,der

32

(10)

430 DieZukunft.

dergroßenMenge einfachvorschreibt,was sie schönzufinden hat,unddieses Recht auf seine sogenannteBildung, seinen Geschmack,seine Theilnahmean derKunst, seineintimere Kenntniß begründet.EsistdassogenanntePremieren:

publikum,dasman imBereichallerKunstgattungen findetunddas sichaus denKritikernund. dentonangebendenElementen desPublikums zusammensetzt

Zunächstist dieser Kampf noch nichtdas Schlimme.Es istder.

Kampfums Dasein aufdemGebiete desGeschmacksJederFortschritt undjede VeränderungundErweiterungderKunst istnur möglichdurch denzähenKriegdesKünstlersgegendasPublikum,dasimmerdieTendenz hat,zuverharren,undeinesTheilsdasPublikumgegenden anderen. Das Uebelbestehtvielmehrin derBeschaffenheitdesheutetonangebendenPublikums, dassichvielfachaus denschlechtestenElementen desVolkes zusammensetzt, LeutenohneTradition undInstinkt, oftganzohneBildungundAufnahme- fähigkeit,abereitelund nach Sensationen lüstern.

Das Publikumverliert alleFreiheit, jedesSelbstbestimmungrecht,jede JndividualitätzundalleZwischenstufenwerdenbeseitigt. Daß diesesWerk nichtHerrn KrauseinChemnitz gefällt,solltegegenseinenWerth sprechen?

Aberwenn esnun einmalHerrn KrauseinfChemnitznicht gefällt, muß

eresdurchaus kaufenoderrühmen? Herr Krause isteinDummkopf.Gut.

AberisteinDummkopfkeinMensch, haterkeinRecht mehr aufLebens- genuß,dadochjederLebensgenußheute geradefürdieDummköpfeeingerichtet wird? OderHerr Krause istnur inseiner Bildung nicht aufderHöheder

»Modernen«,ihmgefällteinälteresWerkbesser:erliestGoetheundbe- wundert Raffael. HaternichtdasRecht dazu? JhrkönntihmdenGoethe undRaffael javerekeln,sofernesdieGoethe-PhilologenundKunsthistoriker nichtschon gethan haben;aberverschafftJhr ihm deshalb schondenGenuß

anHauptmannoderUhde?OderHerr Krause istnurvonmangelhafterBildung;

erergötztsichanFamilienromanen,jubeltbei denBlumenthalsderaltenund

neuen Schuleundwirdbegeistert,wenn erAnton von Werner sieht.Es

ift traurigimwirthschaftlichenInteressederKünstler,wenn einKleistver- hungert,einHebbelvon derGnade zweierWeiberlebt,währendklotzige Plebejer reich werden;aber schließlichist HerrKrause inChemnitz nicht verpflichtet,diesozialen ProblemederKunstzulösenundsichwegen der wirthschaftlichenInteressenderKünstlereinenGenußzuversagen,zumal

erja dochkeinen anderen dafür eintauschenkann. Machtman dasPublikum inseinem weitesten UmfangzumRichterund·Kriterium derKunst,dann ist Herr KrauseinChemnitzgewißimRecht,wenn erdieWahl hat zwischen HebbelundOttoErnstundJenen ruhighungern läßtundDemzujubelt, derihmam Geschicktestenschmeichelt. LassenwiralleUnterschiedezwischen guter undschlechter,alter undneuer Kunst.DaisteinVerehrervonGottfried

Cytaty

Powiązane dokumenty

men wieder zurückzunehmen, und es wird nicht, wie gehofft, an die Gewerkschaft RimasMurany übergehen. Die eben genannten huldschinskyschen Hüttenwerke haben die Königliche

vom Charakter der großenApostel und ihrer Schulen in Verwirrung. Döllinger nennt Fichte als den ersten,«der die Kirchengeschichte in die petrinischePeriode

4. Die Hauptsache: Auch Großbritanien hat sich das Recht vorbehalten, beliebig hohe Zuckerzölle auflegen zu dürfen, und es hat sich das Recht gewahrt, das durch die Konvention

Ein Titularprofessor, Herr Meyer,der leidlicheZeitungartilel zu einem dickenBande vereint,über unzählige Bücher, die er nicht kennt, Urtheile gefällt,Klatschgeschichten und

Das Duell gehört zur Moral der : Kriege.rkaste, und da ein echter Liberaler dieser Kaste niemals angehören kann — es ,- sei denn, daß seine Eitelkeit ihm mehr gilt als sein Prinzip

»Die ausschlaggebeude Bedeutung, die der Körnerban noch immer fiir den landwirthschaftlichen Betrieb besitzt, bringt es mit sich, daß die Forderung einer für die

gen wir täglichausgesetztsind. Nochneulich hat der AbgeordneteRichter.. Und ichfinde es betrübend,daß man ihm immer die dankbare Rolle läßt. Auch ichvermisse bei Ihrer Aktion das

Die Kerzensind herabgebrannt. Auf dem Tisch die Reste eines Mahles, bei dem der Hausherr mit florentinischrnMetzentröstendenRauschgesucht hatte. Und da liegt der Schleier; aus