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Die Zukunft, 22. März, Bd. 38.

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Academic year: 2022

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Berlin, den 22. März I902.

f? sls f s

Palmarum

FWetlsaniawar,alsinJudäaderrömischeProkuratorherrschte,einftilles

AKDörfchenamOstabhangdesOelberges; fünfzehnStadien nur von Jerusalem entfernt, aufdervonJerichoindieHauptstadrführendenRömer- ftraße.InderdüsterenjerusalemitischenWüsteneiwar dieses Fleckcheneine Oase. Feigenbäume,Oliven undPalmenlabtendenaufweitenStrecken dürren Steinbodens ermüdetenBlick;undinCedernwipfeln nistetenTauben- schwärme.Ausden engen Mauern derPriesterstadt,dieernicht lieben,in derernieheimischsein konnte, schritt Jesusgernhinaufin dieEinsamkeit.

Zweiderneuen Lehre zugethane Schwestern hausten da,diegeschäftige MarthaundMaria,diegläubigvertrauende Schwärmerin;mitihnen Simon derAussätzigeundLazarus,dendesGaliläers WortausdenGrab- tücherninsLebengerufen hatte. JmKreisdieser einfältigenFreundewar gut ruhen;keinSektenstreit noch Parteienhader störtedenFrieden·Und waren, beimNahenderNacht,derWortegenuggewechselt,dannlauschte dasAuge sinnenddemSchweigen großerNatur. Das Tote Meer und denJordan sahesvon derhellerenHöhe;undvom GipfeldesMaria leuchtetedasDachdesTempels herüber.WieausSchneeundGold gethürmt, glänztederHeiligeHügel,wenn die Sonne schied,wenn sie nachderWelt- wanderungwiederdemOsten aufstieg. In fahler Dämmerröthe lagda Jeruschalajim,die Stadt desstarren Gesetzes,dielängstkeine Stättedes·

Friedens mehrwar. UndJesus,dervondortoben miteinemBlick den miihoollenWeg seinesErlebens umfassen konnte, mochteinBitterniß

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oftderschlimm belohntenVersuchedenken,dieKinder derstolzenSchläferin um seinWollenzusammeln,wie diesorglicheHennedieKüchleinvordem Sturm unter schützendeFlügel birgt. Umsonst.ArnJordan hattees an- gefangen;unddrübensaßKaiphasbeiKerzenscheinwohl nochinHanans HausundBeidesannen,wiesieleichtundsicherdesVolksversührersledig würden...DenOrtsolchenDenkenslehrtdieGewohnheitlieben. Leise,

-alszögeeinzärtlichesSehnen siezur Mutter ihrerLebenskräftehinab,bebten diePalmenzweigeim Abendwind;zärtlicheAndachtschauteausdemAugeder kleinenGemeindezu demMeisterempor;undzärtlichgurrten sogardie Tauben,dieausderHanddesmildenMannes einKörnchenpickten.Hier

wargutruhen.HiermußteEinemwohl sein,der denArmengesendetward.

Bethania:DasistinJsraels SprachedasHausdesArmen.

Auch währenddesletztenAusenthsaltesimJudäerlandhat Jesusim HausdesArmen gerastet·Zögerndnur hatteer, der dieHeiligeStadt seit achtzehnMonaten mied, sichaufdieReise gemacht. DochdieGefährten,die Jünger drängten,wie immerdie imGlaubennochNeuenthun:nichtin der Stille,unter leicht gewordenen Galiläern, nein, auf Jerusalems offenem Markt nur,’imHerzenderfeindlichenWelt,könneerseinWerkkrönen,müsse erzeigen,was dieKunstdesMenschenfischersvermag.Bald eilte derRuf desThaumaturgen,desHeilandsderElenden,dersichdengesalbtenSohn Gottes zunennen wage,weithin durchdieGegendundwiderdenFeind überlieferterOrdnung waffnete sichderHaßderherrschendenPriester- familien. Schonwar dasfurchtbareLeitwortkonservativer Staatsraison gesprochen: »Eines MenschenTodist besserals eines ganzen Volkes Ver- derben.«SchonwardenHäschernbefohlen,denRabbivonNazareth,wenn erdemTempel nahe,zu sahen. Nocheinmal,in denerstenWochendesJahres 33, retteteJesus sichin dieEinsamkeitderWüste. JnEphronlebteerunge- fährdet,bisdasPassahfestundmehrnochdasGefühle erfüllenderPflichtihn genJerusalemlockte.Vielleichtwar dieSpröde,derenSünde zumHimmel schrie,diesmaldem Heilegewinnen. DieJüngerwarendesSieges,dergreif- barenNähedesGottesreiches gewiß-Ernstaberschritt, gesenktenHauptes, derMeisterin ihrerMitteund trüberdennje vorhertlang seineRede.Sonn- tag,amneunten Nisan,alseruntersichdie Stadt sah,in dieereinziehen sollte, grüßteersiemitheißenZähren. Jn Bethphage,einervonvielen Priestern bewohnten Vorstadt, bestiegerdieEselin,dieihmdieJüngerlos- gekoppelthatten; so sollte, hatteZacharias prophezeit,zurTochter Zionin Sanftmuth ihr Königkommen. DieherbeigelaufenenGaliläer spreiteten

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Palmarum 401 ihre schönstenGewänderaufden Rücken desThieres, daßderSitzdesHerrn würdigsei.Anderedeckten denWegderEselin mitFeftkleidernundPalmen- zwcigen. »DasVolkaber,dasvorangingnnd nachfolgte, schrienndsprach:

HosiannademSohneDavids! Gesegnet,DerdakommetimNamen des höchstenHerrn!« DersoGefeierteaberbetrachtetenur dasInneredes Tempelsundg’ngin derDämmerungdannhinauf nach Bethania.

Nichtsward vondieserNacht,derletztenvorderhebdomas nigra, uns berichtet. SaßdieGemeinde,bisderMorgengrante,beimMahl?

Lehrte derMeistersiekommendeSeligkeit demüthigtragen?Wurdeihmgar derStadtilatsch,dasneuste Pfaffengespinnst vorgesetzt?KeineLegendeweiß davonzu melden.Immernur hörenwirwieder,ausWortundGeberdedes Galiläers habetiefeTrauer gesprochen.Sowar erwährendderganzen Reise gewesen,sollteerbleiben bis zumletztenRöchelnaufGolgatha.Die SchattendesTodes, dessenNahenerahnte, verdüstertenseineSeele.Jhn täuschtederHosiannarnfnicht, nichtderPalmengrußraschbegeisterter,rasch beschwichtigterMassen·DieMenschenfurchtvordemletztenLebensmorgen stimmteihntraurig.Allesagenes,vondenSynoptikernbis zu den Natio- nalisten;Renan sogar,dersonsteinfeinererPsychologeist, siehtin demun- ruhvollen Trübsinn seinesHeldenune sorte d’ag0nieanticipåe.Und Keinerfühlte,wie kleinsolcheDarstellungDenerscheinenläßt,deralsBringer derfrohestenBotschaft,alsdet·KönigeKönig gepriesenwird.

Jeder darf,da dieLegendeschweigt,selbst sichdenWegdindasRäthsel dieser Nacht suchen.Und werweiß,obeinesTagesunsnichteinesDich- tersMund, soeindringlich, daßwirswie uralteSchriftverkündungglauben, sagt, daßzwischendem neunten undzehnten Nisan33aufBethaniasHöhe, imHansdesArmen, erstdieletzte,schwersteEntscheidung fiel?

...Am viertenTage danach stand JesusvorHanan.AlsGefangener warderdemgreifenanuisitor vorgeführt,ohne dessen klugenRathKai- phas, seinEidam, nicht handeln wollte;undEvangelienundTalmud lehren uns,daßder Galiläeralsmesith, alsVerführerderFrommen, angeklagt war. Daswürde inunserer Gerichtsspracheheißen:erwarbeschuldigt,den UmsturzderStaatsreligion geplantzuhaben; unddadieVerdachtsmomente hinreichendschienen,war dieFestnahme beschlossenworden. DasVerfahren war insolchemFall einfach.Zwei falscheZeugen undzwei brennendeKerzen genügten.DieStrafprozeßordnungfordertedieUeberführungdurchden Augenschein;also mußtendieKronzeugendenAngeschuldigtendeutlich

sehen. Spracher, dersichunbelanscht wähnte,ein übelanslegbares Wort, 34’«

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so forderten sie bündigenWiderrufzweigerteerden,so schlepptensie ihnvor dasTribunal,dasaufSteinigungzuerkennen hatte.Der Talmud berichtet, daßdiesesVerfahren auchgegenJesus angewandtwurde.Erhat nichtwider- rufen.SeinBlick bliebruhig.AlsHananihn verhörenwill, verweigerter jede weitschweifigeAussage; öffentlichhabeergelehrt,nieseinDenkenund Wollenmit desGeheimnissesSchleier bedeckt,undwerseineTendenzkennen wolle, brauchenur dieSchüler,dieGemeindederHörerzufragen.Deralte Hananwird mit demStolzen nicht fertigundschicktihnzuKaiphas.Die ge- dungenenZeugen sindda. Der GaliläerhatdenTempelgeschmäht.Das schonaberist nach Jsraels GesetzGotteslästerungDerAngeklagteversucht keineRechtfertigung;erschweigt, und derSanhedrin verurtheilt ihnmit StimmencinheitzumTode. Doch erst durchdesProkurators Spruch kanndasUrtheil rechtskräftigwerden. Abermals wirdderGefangene weitergeschleppt:imPrätorium sollersichvordemStatthalterdesJmpe- rators verantworten. Wieder schweigter. Pontius Pilatuswärefroh, wennerdiesejüdischeSache,dieihn"nichtinteressir1,unblutig erledigenkönnte.

EinenSchwärmer brauchtman dochnicht gleich hinrichtenzulassen;am Endekannsdemversteinernden Judenpack,aufdasder Römermit Ekelherab- schaut,nichtschaden,daßgegenihrenstarrenBuchstabenglaubenmitdesGeistes WaffenEinerzu fechtenwagt.Und derjungeRabbigefälltdemPontius Er möchteihn retten, ihn, unterdemVorwande derUnzuständigkeit,zuAntipas schickenoder, nachderPassahsitte, begnadigenlassen. Endlichabermußer nachgeben,weil derAngeklagteselbst jede Beihilfe versagt.Dasvon den PriesternbearbeiteteVolkfordertdieGnadefüreinenanderenJesus,der denZunamenBarrabas trägt. Ringsum heultdieWuth: Kreuzigetihn!

Und der Römermuß hören,erseiein lauerDienerdesCaesarTiberius, daerdenJudäergeistzurEmpörungtreibe,umeinenMenschenvorStrafe zuschützen,dersicherfrechthabe,mit dem TiteleinesKönigsderJudenzu prunken. SchoneinmalwarPontius in RomangeschwärztundvomKaiser gerüffeltworden;einezweiteAnklagekonnteihn seineStellung kosten.Und wenn Jesus sichwirklichdenKönigderJudennannte ..JmReichdes Jmperators darfeskeinen anderenKöniggeben.DasMärchenvomKönigs- titelwar schlau ersonnen,umdenRömerzornzuschüren.Der mesith mußte nachdemGesetzgesteinigtwerden; nach römischemRecht starben Sklaven, Diebe,Banditen amKreuz.WennJesusdieschändendeRömerstrafeerlitt, warderNimbus seinesNamens nicht mehrzufürchten,schiener, demdoch nur südischerHaßdenUntergangbereitethatte,von den Römernalsge-

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meinerVerbrechergerichtet.Pontius warschwachErgingindieFalle.Alles aber,waservermochte,ohnesichselbstbloszustellen,hatteerfürdenAnge- klagten gethan.Derwolltenicht Gnade, nichtAufschubderUrtheilsvoll- streckung.Erschwieg-.VorHanas,vorKaiphas,vor Pontius Pilatus.Ein Wort,eineRegungderReuekonnteihnretten. Er schwieg.Handeltso Einer,demdieFurchtvordemletztenLebensmorgendasHerzbebenläßt?

An derjerusalemitischenStadtgrenze hatte ihn,amneunten Nisan, dieRachsucht emfangen.SeinMaßwar längstvoll. DieFrommenvom SchlagedeshartenJoseph Kaiphas fiihlten, daßsieihnderSicherheit ihrer Machtopfern mußten.Und derTriumphvonBethphagesteigerteihreWuth, lehrte siezugleichaberauch erkennen, daßsieesnichtmehrmit einemarmen Schächerzuthun hatten,denman geräuschloswürgenkönne. DiePassah- tage sollten ruhig verlaufen.Weraberbürgtedafür, daßeinemManne, dem KnabenundGreise,JünglingeundWeiberFestgewandeundjunges Grün unter dieFüße breiteten, nichtinSchaarenHelfer erstanden,wenn diegeistlicheObrigkeitdenArmnach ihmreckte?MitsolchemManne wird derkluge Politiker, solangeersirgendvermag,stetsgernpaktiren.Undin denHäupternderaltenHohepriestergeschlechterlebte einstarkerpolitischer Jnstinkt.DasAlles-hat Jesus gewußt.Er konntenochzurück,noch, gerade jetzt,mit demFeind seinenSeparatfrieden schließen.SeinFußwanktenicht, aberseineWimperwarfeucht.FürchteteerdenTod?Demschritterbewußten Sinnes ja aufrecht entgegen.Nein: sich selbstnur konnteerfürchten,die innereStimme,seines WegesZielundseinesWerkesVollendung.

Erwahrzuehrlichgegensichselbst,umsichnicht schuldigzufühlen,—

schuldigimSinnseiner Anklägcr.Deren Glaubensannerja wirklichVernich- tung,derenTempelwar ihmkeinHeiligthumund Allesfast,wassie lehrten, dünkteihn frevlerAberwitz.Dennoch: ihrGlaubewar vonden Väternererbt, ihr TempelvoninbrünstigemErinnern geweiht,inihrerLehrelebte dersüße FriedealterGewöhnung.Wieneu, wiefremdklang dagegen sein Ruf!

Wohl wußteer,daßerdieWahrheit brachte. Doch auf ihreArtwar diese wimmelndeMenschheitimehrwürdigenWahn glücklichgewesen.Sollte er sieausdiesemGlückaufscheuchen?Dursteers,aufdieGefahr, daßihrever- krüppelteSittlichkeitindashoheRichtmaßnichtpaßteunddieWachenheulend undzeternddemErlöserbaldoorwürfen,erhabe ihnen dasAlltagsbehagen, diekleinenFreudenschmutzigenSchachers geraubt? Nichtimmermacht dasUeberraschendeGlück. Wereinesganzen VolkesGeistneu kleiden will,magsichsehr ernstlich prüfen,eheerdie altenGewänder,die miirb

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undfadenscheinigwaren, dochvorbittersterKälteschätzten,inFetzenreißt;

sonstkanns ihm begegnen, daßsein angepriesenerStoffnichtreichtundnaekte BlößedemschlechtenSchneiderdievomFrost gekrümmtenFinger entgegen- ballt. Solche Prüfung stimmtdenSinn nicht heiter.Nochwar esZeit.

AlleskonnteSektirerspielbleiben. Erstwenn dieLehrebisansqualvolle Endegelebtwar,wenn dasBlutdesMenschensohnessiegedüngthatte,war ihr unwiderstehlicheMachtüberMenschenherzengesichert.sTrauernd sah dasAugedes Galiläers dieMenge,dieseines Reitthieres PfadmitFeier- tagskleidernpflasterte,undkeinLächelndankteausseinemBlick demSegens- ruf.Hosianna!GiebihmHeil!..Ach,erbedurfte desHeils.Undnirgends leuchtete,im engenThal, seiner Sehnsucht nach KlarheiteinLicht.

AuchimTempel nicht.Mitten imKerzenscheinbliebseineSeele finster.Soschritter, wieoftinBedrängniß,nachBethaniahinauf.

DalagdieentschlummerndeStadt. Jn üppigerSünde entschliefsie;

baldkamjadasFestderReinigung:bisdahin durfteman getrost Schuld auf Schuld häufen.DerGeizhals zähltedenWucherschilling.DerPriester überlegte,obseineMacht auch nicht bedroht sei, undspann,wenn ersichnicht ganzsicherfühlte,neue Ränke gegen denungeberdigen Geist. Auf heißem LagerpaartensichtrunkeneLeiber.UndhochüberAllem thronte schranken- los die GewaltdesEaesarAugustus.EinganzesVolkwarhier geknechtet;

undindiesemVolks wiedereinTheildes anderen Sklave. DennDie da in Höhlenhausten,weithinten,woderletzteLichtscheinverglomm, hattenan all derHerrlichkeitkeinenTheil, durftennur denUnrath wegräumen,den dieLustjagdderReichenaufMarktundStraße zurückließ.Spät sankensie auf ihr hartesBettundstandenimTagesgrauwiederzur Arbeitgerüstet.

Oft hatteersvon derHöhegeschaut.Nieso nah,mitsolchem Augenie wie indieserNacht. Hosianna!GiebihmHeil!..Diesen nahm erja nichts, gaberwirklichnur-HeilMiihsäligwaren sieundbeladengewesenihrLeben langundersah sieanZahl dochdieStärksten.EingroßesErbarmen be- schlichdesUnruhvollen Herz;desZweifels zuckendeFlämmchenverloschen undklarlag, obamHimmelauchkeinGestirnglänzte,vorihmderWeg.Er durfte ihnbisansEndegehen. FürdasGemimmeldaunten,dessenSeufzen inOstundWest widerklang,warderBefehl,denNächstenwiesichselbstzu lieben,eineFreudenbotschaft.Und trog seinGedächtnis;nicht, so hattennur Diese ihmmitPalmenzweigengewinkt,ihr FeierkleidaufdenWeg gespreitet.

JnderFrühe nachdemPalmensonntag gingerhinab,denTempele säubern,schritteraus demHausdesArmensicherenFußes nachGolgatha.

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DeutscheSoldaten inFeindes-fand 465

DeutscheSoldaten inFeindesland.’«·)

MaiKriege hat Preußen seitderNiedeiwerfungNapoleonsdesErsten zuführen gehabt; alledreihates,fast ausschließlichinFeindesland, siegreichausgefochten-·Das VerhaltenzuPersonenundEigenthum,die unserHeerdortvorfand,istnur ausAnlaßdesdritten, desdeutsch-französischen von70X71, Gegenstandlebhafterer Erörterunggeworden.

JmKriegegegenDänemark war imWesentlichendaskerndeutsche Schleswig-HolsteinKampsplatzundOkkupationgebiet. Fanatismus,Volks- erhebung, AusschreitungenderEinwohnerkamenkaumvor. DasHeeres- aufgebot hielt sichinmäßigemUmfange,denBedürfnissenderTruppen konntefastimmer auf geordnetemWege genügtwerden. Sogar zwischen denfeindlichenHeeren selbstwar dieErbitterung nichtso starkwieinanderen Kriegen.DieVriefedesGenerals von Goeben,derdamalseineVrigade kommandirte, bieten.dasBildeinesgesetzlich-friedlichenLebens, das,nur

unterbrochen durchdieeigentlichenGefechte,währendlängerenVerweilens im gleichenQuartier geraderinsdell übergeht:täglicheKroketpartiendes GeneralsmitderWirthsfamilie.

1866 waren die insFeldgerücktenHeere unvergleichlichstärker.Aber auchdamals trafendiePreußennichtnur aufdemjetztreichsdeutschenKriegs- schauplatz,sondern auchinOesterreicheinedeutscheBevölkerung,konntensich überallsprachlich leicht verständigen,hatten selbst gegenüberdenczechischen Elementen mitVethätigungvonNationalhaß damals kaumzurechnen, standennur organisirtenHeeren gegenüber.Vor Allemverhindertediekurze Dauer desKriegesfür dasaußergefechtlicheVerhalteneinstärkeresZurück- treten derFriedensgewohnheitenunddieLockerungstrikter Ordnung.

Anders imKriegegegenFrankreich.DasinddieFranzosen hinter- listigerTücke, dieDeutschenderGewaltthätigkeitgegenPersonenundSachen, derEntwendungvonKostbarkeiten,desPlünderns, SengensundBrennens, derunberechtigtenund unnützenGrausamkeit beschuldigtworden. Proteste undLeugnen haben nichtvielgenützt.

Leiderfehltes,trotz derFluthvon Schriftenüber denKrieg,an

wirklichtreuen,plastischenSchilderungendes Kleinlebens. Wiederdeutsche Soldat im Durchschnittsich, namentlich außerhalbdesGefechtes,gegen Personenund Sachen verhielt,inwelchemUmfange Ausschreitungenvor- kamen,istwederaus dengroßengeschichtlichenundmilitärwissenschaftlichen Werken nochaus den Berichteneinzelner Truppentheile nochaus den Veröffentlichungenindividueller Erlebnisseklarzuersehen·Das scheint

S.»Zukunft«vom 23.November 1901: »HuinanitätimKriege.«

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erstaunlich,daTausende gebildeterLeute denKrieg mitmachten. Doch bleibtdieZahlDem-,die gutbeobachtenundschildernkönnen, immerbe- schränkt.EingroßerTheilderOffiziere, namentlichderhöheren,stand auch imFelde,insbesondere sobalddasKantonnementsleben wiederanfing,dem intimeren Mannschafttreiben ziemlichfern. Jn derErinnerung haben sich garbalddieschärferenKonturen verwischt;einHelldunkel pietätvollenGe- denkens breitetesichüberdasganzeBild. Einen HangzumJdealisiren findetman nichtgarzuselten für diese Dinge auchbeidenfähigstenund erfolgreichstenOffizieren. SonstwäredieBehauptungdesKriegsmiuisters von Goßler nichtzu begreifen, daßderKriegdemgemeinenMann eine

»tiefere,ernstere, sittlichere Lebensanschauung«giebt.Das magbeivielen Gebildetenundeinzelnen Ungebildetenzutreffen,die derKampf fürsVater- landübersichselbst hinaushebt. Der großenMasse löstderKriegviele Bande frommer Scheu.Dashatauch 1870X71dienüchterneErfahrung biszumFriedenundnachher gelehrt.Der schlechteKerl wirdnochschlechter, derleichtsinnigenochleichtsinniger,derträge entwöhntsichderstetigenBerufs- arbeit,Allesindgeneigteralssonst,dem Augenblicksgenußzufröhnen.

Natürlich»verwandelt sichder Durchschnittnichtaus harmlosenLeutenin bestialischeWütherichezsie thun ihre Pflicht,abersie sehnen sich nach Hause und befinden sich besten Fallesin derStimmungdes Reiterliedes aus Wallensteins Lager,diedocheine»tiefere,iernstere, sittlichere«nicht istund nicht sein soll.VondemmannichfachenSchmutz,dendasKriegsleben auf- wirbelt,istderReineundEdlegeneigt,denBlick abzuwenden. Deshalb findetman davon wenig auchindensonst so schätzbarenFeldbriefenvon Rindfleisch,derdamals Obergerichtsrathund Landwehr:Offizierwar und alsDirektor imJustizministerium starb. Wietreu schildern sieaber die SorgenundFreudendesTages für Mannschaft, Subaltern:Offizierund Eompagnie-Führer,dasVerhaltendesEinzelnenbeiStrapazen, Hitze,Kälte, Hunger, Durst,Elend,Luxus, SchmausenundZechen.Wierührenddas BilddespreußischenMusterbeamten(im gutenSinn): ohne jedeEitelkeit auf seinKönnenindermilitärischenGastrolleund dochBedeutendesin undaußerdemGefecht leistend,vollstolzen, todesmuthigen Patriotismus unddochnie Weibund Kinddaheim vergessend,Monatelanginernst-freudig gehobenerStimmung,mildgegendieFehlerdesKameraden,die derkluge Mann wohlbemerkt. Und dieganze Tragikomikdesneuspartanischen Beamtenthumesvon dazumal wehtEinen anbeidenKlagen, daßwegen ReinfallsbeimPferdekanvondenungeheurenKriegsemolumentendesPremier- lieutenants weniger nachHause geschicktwerdenkann, bei derbrieflichenBe- rathungmitderGattin über eineneue Hose.

VielleichtdasBesteundGerechtesteüber dasVerhaltenderDeutschen

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DeutscheSoldaten inFeindes-land. 467 gegenPersonenundSachenin Feindeslandhat Gustav Friytag geschrieben, derdemStabe desKronprinzen angehörte.DerPlander»Ahnen«ist ihm damals aufgegangen.Seine unter den»PolitischenAufsätzen«von 1870 bis73

zufindendenArtikel zeigen, aufdieGegenwart angewendet,die Gabedestreuen BeobachtersundplastischenGestalters,dendie»Bilder aus derdeutschenVergangenheit«unsAllen liebgemachthaben.Erkargte nichtmitdem Lobe, aberermahnte doch,dieGewissenlauterunddieHände reinzuwahren, schonum deseigenenVolkes willen,dessen bestenTheile verwildern könnten.Gleichihmwirdjeder wahrheitliebendeAugenzeugeneben vielLichtauchdenSchatten nicht vergessendürfen.

DieVerschiedenheitgegenüberdenfrüherenKriegen beruhte zunächst saufdenungeheuren ZiffernderKombattanten. VomJuli1870 bisEnde Januar 1871 haben HunderttausendedeutscherSoldaten alsFeinde auf französischemBoden geweiltzimMärz1871,zurZeitdergrößtenEffektiv- stärke,betrugdieZahlüber600000; späterbliebnochMonate langein starkesOkkupationheer.Allerdingswurden nur festorganisirteSoldaten- körper aufgestellt;derRahmenvon Linien-, Reserve-, Landwehr-, Ersatz-, Garnison-Truppenwar soweit,daßerAllesumfassenkonnte,wasirgend waffenfähigwar. Deutschlandbliebfreivon Jnvasion; immerhin zeigten sich auchbeiuns, fürdiebeabsichtigteKüstenvertheidigung,einige Ansätze allgemeinerBewaffnungzundvon obenherwurde dafür sogardieParole ausgegeben:»Jeder Franzmann,derEureKüstebetritt,sei Euch verfallen.«

Bliebenauch unsereFeldarmeenungebrocheninHaltungundMannszucht—

sie wurden sogar innerlichimmerstärker—, soerlittdoch ihreBerpflegung undBekleidung nothgedrungen mancheStockungen.DerWinter wurde ganz ungewöhnlichstrengunderzeugtedadurch besondere Bedürfnisse.Die gegen- seitige UnkenntnißderSprache schufvieleMißverständnisseundSchwierig- keiten. DiefranzösischenHeerewaren balddurchdieunaufhörlichenNieder- lagen demoralisirt;siehabennotorischimeigenenLandegeplündert.«Siewurden dannvernichtet. Unaufhaltsam drangendieDeutschenindenreichen, hoch kultivirten Bezirkenvor; dieOrtschaftenwurdenzumTheilvonderBe- völkerungverlassen.NebendenneuzubildendenHeerenwurdedie 1e—v(åeen masse versucht,die einZwitterding zwischenFreischaarenundVolksbewaff- nungschufunddenUnterschiedzwischenKombattanten undfriedlichenEin- wohnern verwischte.EsbildetensichGruppenvonmehroderminderlockerem niilitärischenGefügeundHabitus,diegegenüberstärkerenTruppsauseinander liefen,kleinereoderEinzelne überfielen,heutedieUniform,morgen dieBluse desBauern trugen.Mit allenMitteln wurdederNationalhaßbei Männern undFrauenentflammtundzum—- mindestenspassiven Widerstandegegen alleAnordnungendesFeindesaufgereizt· DaßinderPressedieaus-

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fchweifendstenVorschlägehervortraten,bis zur absichtlichenJnfektionder DeutschenmitansteckendenKrankheiten, ist nicht erstaunlich.Aberauchvon offiziellerSeite«kameszuAufforderungen,wiederdesPräfektenderCote d’or: »Es ist nicht nöthig,daß JhrinMasse versammeltundoffen Euch demFeinde widerfetztzmögennur jeden Morgen unauffälligdreiodervier entschlosseneMännerihr Dorf verlassen, sich verbergenundohneGefahr auf diePreußen schießen;Prämienund öffentlicheBelobigungen sollen solche heroischeThaten belohnen.«

DieGegenwirkungaufdeutscherSeite bliebnichtaus. Befehleund ProklamationenderOberkommandos versuchten,denKreisderals Soldaten zubehandelndenfeindlichenGruppirungen scharfzu umgrenzen. Eswurde Uniformirung verlangt, mindestens Kennzeichnungdurchuntrennbare Ab- zeichenauf Schußweite,sogar, daßjederEinzelnedurcheinenanseinePerson gerichteten BefehlzudenWaffen gerufen,indieListeneinesvon derRe- girungorganisirten Eorps eingetragen sei.Anderesollten nichtalsKriegs- gefangenebehandeltwerden, wurden wohl auchmitvieljährigerZwangsarbeit bedroht.EinpaarHundertsinderschossenworden, diesichalsEivilperfonen gabenundverrätherischdeutscheSoldaten überfallen,Eisenbahnen beschädigt, derfranzösischenSeitemilitärischeDienste geleistethatten. Ortschaften,von denenaus oderindenenDergleichenverübtwar, wurden mitGeldstrafen oderanderenLasten belegt,inschweren Fällen,derenvielleichtfünfzigvor- gekommenseinmögen,auchwohlzumTheilniedergebrannt.Die An- drohungen gingennoch weiter; so kündigteanfangsOktoberinBeauvais einofsiziellerAnschlagBrandlegunganfürdenFallderNichtauslieferung von WaffenundeinesUeberfallesindenQuartieren.

WodasdeutscheMilitär seine Anforderungen nichtanfranzösische behördlicheOrgane richtenkonnte,weilsolche nicht vorhandenwaren oder sich nicht willig zeigten,damußtendieBewohnerundderenHabedirektin Anspruchgenommen werdenfürQuartier, Berpflegung, Vorspannus.w.

DasbrachtedemAnschein,aberauchderSache nach mancheHärtemitsich, diesonstvermieden wäre. ZumTheilwaren dieKlagenallerdingskindisch;

noch jetzt, nach dreißigJahren, erklingen solcheLamentationen selbstin Schriften,dieobjektiv-seinwollen.Die BrüderMargueritte (in Des Tronqous duGlaive)scheinenesalsbarbarischeRoheitzubetrachten, daß deutsche Offiziere,dieaus blutigen Schlachten, SchmutzundKälteineinSchloß kamen,sich nichtwieJungfräuleinauf Logirbesuchaufführten,nicht auf Filz- sockenumherschlichen,ihre Pfeierzurauchen,ihreAbendefröhlichbeim Wein

·zuzubringen,sogarvon deminMenge vorhandenen Champagnerzufordern wagten.Ebenso, daßdiemiteinquartirten Mannschastensichnichtdesselben Refpekteswie diedortigen DienstleutegegenPersonenundSachen befleißigten.

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