• Nie Znaleziono Wyników

Deutsche Volksbildung, Jg. 1. Dezember 1925, H. 2.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Deutsche Volksbildung, Jg. 1. Dezember 1925, H. 2."

Copied!
36
0
0

Pełen tekst

(1)

DeuMolksIsild

ung

Lzahrg Ur.2 ZEUUWollt-Heft Dez.1925

Zweimonatsschrisyherausgegebenvon GeorgKerlchensteineru.Karl Alexander v.Mäller Verlagvon R.Vlöenbourg«Münchenund Berlin

JühktikhM. z.— EinzelheftM. o.75

(2)

Bayerifcher Volksbildungs-Verband

l.

e.V., gegründet1906.

VorsitzendenGeheimer Oberstudienrat,UniversitätsprofessorDr.GeorgKerschen- steiner, München, Möhlstr.39.

Stellv. Vorsitzende: Generalintendant Clemens Frhr.v.Franckenstein, München, Oberreg.-Rat,Univ.-Prof.Dr.KarlAlexandero.Müller,München.

JuristischerBeirat: LandgerichtspräsidentM.Hahn,München·

Schriftführer: Georg Haunschild, München, Giselaftr. 28; Telephon:34877»

Schatzmeister:Dr.Alfred Rudolph, München,Lachnerftr.2,Tel.62064, Abteilungsleiter:

1.Volks- undJugendbüchereiemDr. Höpfl, Bibliothekarder Bayer.Staats- bibliothek, München,Ludtvigstn23(Büchereiberatungsstelle)Telephon:23885.

BekämpfungderSchundliteraturt Hauptlehrer AdolfEll, SüddeutscheLehrer- bücherei,München,«Rosental 7, Telephon20869.

Vortragswefen:Direktor Bohl, VolkshochschuleMünchen, Tal43(Jsartor), Tel.26618undDr.Mann,Padag.-Psychol. InstitutdesMünchnerLehrervereius·

Körperpflege:OberstudienratDr. ErnstKemmer, München, Jung-Bayern- Haus, Gabelsbergerstr.41.Telephon52260.

Wanderkunstausstellungen:a) Reproduktionen:OberlehrerKarlFrehtag, München, Winthirschule,Telephon61049. —- ds Originalkunft:GenossenschaftDeutsche Kunst, München, Winzererftr. 68, Telephon34457.

VolkstümlicheKunstpflege:LehrerWahl, Landesstelle fürVolksbildungundJugend- pflegedesBay.Lehrervereins,München,Harlachingerstr·38; Telephon:42567.

PIPPIP

6.

Beisitzert Landtagsabgeordneter OberstudiendirektorBurger, Ludwigshafena. Rh., Regierungsfchulrat Bogen stätter, Landshut, Professor P.N.Coßmann, Dr. Dolles, 1.rechtsk.Bürgermeister, Lauingena.D., MonsignoreDr.M.

Hart i g,Päpstl. Hausprälatu.Domkapitular, Stadtbibliothekdirektor Held, Pfarrer Langenfaß, KommerzienratArturRiemerfchmid, Pasing,Stadtrat Ritzer, Erlangen, Stadtschulrat Weigl, Amberg, Staatsminister a.D.Dr. Ernst Müller, Professor FritzErler und Dr.Robert Riemerfchmid, München.

Vertreter angeschlossener Verbände imengeren Ausschuß:

BayerischerStädtebund: OberbürgermeisterKnorr, Syndikus.

Bayerifcher Sängerbund: Stadtrat, ObervermessungsratDeisenberger.

Deutscher Sängerbund: Geh.Oberftudiendir.Dr.Hammerschmidt.

Frank.Sängerbund: Justizrat Morhard, EichstättundSchulrat Meyerhöfer.

Bayer.Landesverein vomRoten Kreuz: Staatsministera.D.Dr. vonBrettreich.

Bayer.Landesverein für Heimatschutz:DI-.Fr. Lüers.

Bayer.Berufsschulmännerverband:Städt. Studienrat Held.

Bayer.

ZunglehrerisArbeitsgemeinschaft:Lehrer Rudolf Mayr, Vors.

Bayer. ehrerinnenverein: Oberlehrerin Helene Sumper, 1.Vorf.

Bayer.Gymnasiallehrerverein: ProfessorDI-.Weinrich, 1.Vors.

Bayer.Realfchulmännerverband: OberstudienratNik.Wührer, I.Vors.

Bayer.Seminarlehrerverein: StudienprofessorJunkert, Pafing.

Bayer. Volksschullehrerverein: OberlehrerDaniel Winkle, Augsburg.

Landes-verband derBayer.Presse: SchriftleiterC.Freund.

Münchener Volksbildungsverein: VerwaltungsdirektorA.Kling, Generalsekretär.

Vereinigungfür VolksbildunginAnsbach: OberbürgermeisterDr.Borkholder u.

OberarztDr.Lunckenbein.

Bayer. Kriegerbund:HauptmannFrank, Generalsekretär.

Deutsch-Nationaler Handlungsgehilfenverband,LandtagsabgeordneterL.Frühauf.

Verband der·Fachlehrer für Musikanden höh. LehranstaltenBayerns: Studien-

Professor J.L.Schanze. ·

Landesverband Bayerndes Vereins fürdas DeutschtumIm Ausland: Freiherr v.Witzleben, 1.Vors.,OberstudienratDr.Jobst, 2.Vors.

Volksbildungskurse fürnationale Außenpolitik:Kurt Trampler, Vorsitzenden

Verband derLandgemeinden Bayerns: Direktor Thoma, München.

Bayer.Landesverband für Heimatpflege: ProfessorDr.W.M.Schmid, Münchkw Uschriften,welche allgemeine Verbandsangelegenheiten betreffen,wollen andenSchtlfts

ährergerichtetwerden. DieVerhandlungen überInanspruchnahme derVerbandseinrich- tUUgeU sindmitdenAbteilungsleitern zuführen. Geldsendungenan: Bayer.Vereinsbank oderPostfcheckk.Nr. 4330München. Jahresbeitrag f. Körpersch.10M., für pers. Mitgl.3,-M.

(3)

p

DeutscheVolksbildung

herausgeben Geh.Oberstudienrat, Univ.-Professor Dr.GeorgKerschew steiner und Oberteg.-Rat, Univ.-Pros. Dr. Karl Alexander von Müller.

Mitarbe i ter:OberschulratDI-·WilhelmRohmede rundHauptmanna.D.von Witzlebe nfürdenLandesverband BayerndesVereins fürdasDeutschtumimAusland, OberstudienratD·Is.E. Kemme rfürdenLandesverband Jungbayern,Kunstmaler Dr.Rudolf G önnerfürdieGenossenschaftDeutsche Kunst, Oberstudienrat Dr.Wührerfürden Volksbildungsausschußderbayerischen Bildungsbeamten, Schuldirektor Hans Reiß für

denBildungsausschußder bayer.Gemeindebeamten.

LZahl-gnug e.Heft Dezember1925

Inhalt: JeanPaulalsBildner seinesVolkes.S.35-Quintus Fixlein.S.45JJean Paulunddas Vaterland. S.46-GrenznotistVollsnot. S.47XMitteilungen desLandesverbandes BayerndesBer- kiUSfürdasDeutschtumim Ausland. S.48-VonderErziehungzurdeutschen bildenden Kunst.S.49, DerTanzin derKunst.S.52JDieBamberger AusstellungderGenossenschaft»Deutsche Kunst««. S.53J Bücherschau. S.54!MitteilungenderAbt.f. volkstümliche Kunstpflege. S.54JInhaltdesFranckenstetn- heftes(1.hest der .,Deutschen Volksbildung«).S.55JBezugsbedingungen derZeitschrift.S.56.

Jean Paul als Bildner seines Volkes.

VonJohannes Alt.

VermageinVolk,wenn esin Notist, sich aus feine wesentlichen Geister zubesinnen, so darfesauf Errettunghoffen.Nicht,weildieKenntnis der GroßenansichRettung bringt, sondernweileinVolk inseinen wesentlichen Geisternsichselbstreiner undwahrer faßtals imAlltagsgeschehen,dasdurch Augenblicksregungen und vorüberfliegende Meinungen entstelltist.Freie und große Selbstbesinnung istaber der erste Ansatzzuneuer fruchtbarer Erhebung. Nichtum historische Wissensbereicherung allein kann essich also handeln,wenn wireinen Großen unseresVolkes betrachten, sondernum Schärfungdes Blickes in den weiten, Jahrtausende umfassenden Raum, indem der moderne Mensch stehen mußund indemer sich unweigerlich verirrt, wenn ersich nicht bloßinirgendeinerEckeverkriechenwilloderwenn er nicht lernt, sich große Richtlinienundsicheren Orientierungssinn zuschaf- fen. Jnder Notwendigkeitsolchen Weitschauens und Klarurteilens,trotz ungeheurer Anhäufungvon WissenundLebensmannigfaltigkeiten,liegtder Sinn heutiger Bildung.

Darum hat auch,was WissenschaftoderlebendigesBedürfnis (beides sollteniegrundsätzlichvoneinander geschieden sein)aus derVergangenheit wieder emporhebt,nur dannwahren Wert,wenn esnoch nichttotist, sondern ineinem höherenSinne lebtundinGegenwart undZukunft fortwirkt.

Jean Paul lebtnoch under mußbeiuns Deutschen noch leben;

denn wiewenige ister mitdem deutschenVolkstum verwachsen, jaman darf sogar,.wennman dasnichtnur alsLobnimmt,sagen:eristderdeutscheste unserer Dichter. Eristes, weiler alles wahrhaft GroßedesDeutschenin sich trug,aberauchallsein Unzulängliches.WirspüreninihmalleQual unserer Weltfremdeundunserer Widersprüche,alleSchönheit unserer Inner- lichkeitundunserer Treue,wirfindeninihmalleUnsicherheit unseresäußeren WegesundalleStärkeunsererinneren Haltung. Wirerkennen inihmdie KleinlichkeitdesSpießbürgers,dieso ost unsere politische Bahnins Enge 35

(4)

trieb,aber auchdie Erhabenheit der Gesinnung, diedem Deutschen stets

von neuem zum Kampfum dasEwige antrieb,selbst auf Gefahr seiner prak-

tischen Schädigung.Undungreifbarer GlanzderEmpfindungundHeroismus desWollens undderTatsindbeiJean Paul soeng beisammenwienur jeindeutschem Wesen. Soalssymbolisch deutsche Erscheinungwurde er GoetheundNietzsche,den großenBildnern derDeutschenzurWeltgestalt, nicht seltenzumfeindlichenBilde deutscherUnzulänglichkeit.Abervor allem Goetheerkannte doch auchinJean Paul dieungemein wertvollen Mächte und heute steigter geradeals wesentlicherVertreter unseres Volkstums, mitallseinen MängelnundVorzügen, bedeutsamvorunserenAugen auf.

Zwei Eigenschaften sindes, dieihnindiesem volklichenSinne besonders auszeichnen:erstens daßerungemein lebendig reichundursprünglichwar, zweitens, daßerdasLeben inseiner Urkraft gegenüberallen Anfechtungen einer späten Zeitund eines schweren persönlichen Schicksals kraftvollver- teidigte,ohnedabei in einromantischesselbstgefälligesHerumschwimmen in dereigenenchaotischen Füllezugeraten. Jean Paul war empfindungs- reich, ohne sentimentalzusein,erwar vollerreicherMilde undduldender Liebe, ohnezuzerfließenundweichlichzu werden. Davor bewahrte ihndie starke Verbundenheit mit derErde unddem fränkischenHeimatboden,in dem erwurzelte, unddieHärte,mitdererdasLeben erfuhr, aber auch ertrug. Jean Paul war einMenschvon tragischem Geschickund christlich duldender Liebe zugleich (eineZusammenfügung,aus dersein herberund warm leuchtenderHumoraufstieg). Ersahalles Ode, Nichtige,Leere der Erde undspürtedieUnerfülltheit seines eigenenLebens biszurVerzweif- lung, dochüberalles breitete sich ihmdieleuchtende Glut einer rettenden und versöhnenden göttlichenLiebe. Somußteer,wenn ersich nichtselbst zerreißen lassen wollte,mitgroßerGewalt gegen dasBösedasGute setzen, gegen dieVerzweiflung an derRichtigkeitundVergänglichkeitderErde den ungeheuren Glauben andasEwige, anGott,UnsterblichkeitundTugend (umdes Dichters eigeneWorte zugebrauchen),gegen das Unbeständige, Zufälligeund Gemeine desmenschlichen DaseinsdasUnbedingteundun- erschütterlichFestederewigenWerte.

Kerschenfteiner siehtdasKennzeichen wahrer Bildungineinem ,,ausge- prägten, wohl organisierten Sinn für geistigeWerte und fürdie Güter, an welchen diefeWerte haften«.1) Jean Pauls Dichtung isteinununter- brochenerleidenfchaftlicher Kampfum folche Werte,um ihre Mehrung im Menschen,um ihre Herrschaftin derMenschenwelt,um ihre möglichstreine Fassungin Wort und Sprache. AlsDarstellerund Hüter reinster Wert- empfindungen sehenwirJean Paulheute nochalsFührer voranfchreiten.

Führer freilich nichtin dem Sinne, daßeruns die Werte unddasWert- volleindichterischvollendet gestalteter Wirklichkeit zeigt,diealsreife Form zugleichNorm eines großenundedlen Daseins seinkann. Nein! JeanPauls Dichtungen sind nichtgoethisch-klafsischvollendet. Seine Werkesind wie die Allnatur einständiger Kampfinsich selbstum dieGeburt derhöchsten Jdee undderGottheit,einunendliches Formenwollen, abernur inseltenen Augenblickenein Befitzdes Vollendeten. Dafüraber trägt Jean Pauls Sprachemitwahrer Urkraftin denÄtherderreinen Werte felbftempor.

W erhält sie ihre noch heute gültige Bedeutung. Hier verfucht I)«Der Pflüger-, Jahrgangl,Nr.l,S.

36

(5)

einMenscheinmal mitallen Mitteln, diedemDichtergegeben sind,die SchwingungenderBegeisterungam GroßenundErhabenen, am Schönen und Guten sorein wie überhauptmöglichzufassenund auszusprechen.

Chaotischer Reichtum, ungebändigte Fülle sindbeiJeanPaul Gegebenheit seines umfassendennaturnahen Menschentums. Aber seinenWert erhält esnicht durch seineFülle, sondern durchdieZaubergewalt,mitderesin dem armseligsten Menschen,inderdürftigsten Hütte,injedemStein undjedem Grashalm dengleichenmächtigen Zugzuerzeugen vermag, denesinder

Bahn1derSterne undinderfortreißenden Bewegungeiner großenSeele

erenn .

Soseheman inJeanPaulnichtnur die blindtreibende undwirkende Natur: man seheinihmvorallem auchdenbildenden Willen,dieungeheure Kraftdessittlichen Wollens,denReichtumanschöpferischerLiebeunddie Freudeanderganzreinen, schönenundhohen Gestalt. Man sehe alsodie menschlich-göttlicheKraftin ihm,ein Gegebenes im Reicheder Freiheit nachdenhöchstempfangenenWerten zuwandeln, dasimchaotischen Reich- tum sich Widerstrebende harmonischzu ordnen und zueinem einheit- lichenGebilde zufügen. Jean Paul liebte und verherrlichte nichtdie chaotische Welt,sondern die kosmische Harmonie, nichtden willkürlich reichen Menschen, sondern den gesetzmäßig strengen. Freilicherreichte erniemals vollkommen das,was ihm sein schöpferischerWille vorschweben ließ. Doch gerade darauf beruht seine besondere Bedeutung füruns. Wie viele besitzen ganz abgesehenvon derdichterischenund menschlichen Größe wahrhaftgoethische GlückhaftigkeitundErfüllung? Undistdie erhabene Strenge des Olympiers,leernachgeahmt,nicht mehr eine ver- führerischeundschädlichealsrettende und wahrende Geste? Goethewird immer Maß sein,andemkeinheutigerMensch,derGroßes erstrebt,vorbei- gehenkann. Aberdaßwiraufdem Wege durchdasirdischUnvollkommene undbeiderGefährdung durchdieUnzulänglichkeit unseres eigenen Wesens nichtverzagen, daßwirdenfreienundfrohenMut uns bewahren, auchim Unvollendeten an dieunbedingten Werte zuglaubenund für ihreVerwirk- lichungimMenschenreichezukämpfen, für diese harteaber wunderbar be- lebende undimTiefsten erfreuende Aufgabe ist Jean Pauleinstetsbereiter Helferund Vorkämpfer. Hierentspringt seine wahrhafterzieherische Kraftundseine Gabe,denMenschenzuerheben, eineGabe,dieseine Zeit- genossenundselbst Goethe mächtigergriffunddieihm Herderzumbegeisterten Freunde machte.Sieistesauch,die immer wieder diewertvolle Jugend zuJeanPaul führenwird: denninseiner Dichtung spürt sieden eigenen drangvollen ZustandzurKlarheiteinesewigjugendlichen Menschen geläutert, dieeigeneOffenheitdesHerzensundderSeele fürdieerhabenenSchwin- gungen desAllsundfürdiefeinsten RegungendesEmpfindensalsgöttliche Macht ausgesprochen. BeiJeanPaul findetderjunge MenschdenGlauben andasabsolut Große,andenHelden,andenhohen Menschenundandieun- verlierbaren Güter derMenschheitmit ebensolcher Beschwingtheit darge- stellt,wieer ihninsich selbst lebendig fühlt. Dieses jugendlichGläubige nichtnur vageausgedrückt,sonderninseinerganzen befeuerndenRealität gefaßtzuhaben, isteines derschönstenVerdienste Jean Pauls,mitdemer nichtnur dieJugend ergreifen, sondern auchdenreifen Menschenbildensollte, der sichetwa imFormelkram absterbenderNormen verfangen hat. Ihm

37

(6)

kannJeanPaul,wenn ersichnur dem Dichter willig hingibt, leichtdie blind gewordenenFenster einschlagen,um ihnineineweite undewigneu schaf- fendeNatur hinauszuführen.

Diebildende Kraft,dieJean PaulsDichtung innewohnt,wird freilich erst sichtbar,wenn wirsieinihrer Gesamtheitzunehmenvermögen. Denn inihren Einzelheiten ist siebeiihrer äußeren Uneinheitlichkeit leicht falsch zuverstehen,undfalsch verstanden ist JeanPaul geradezueine Verlockung fürdenDeutschen, sichinseiner chaotischen Fülle gehenzulassenodersichin bloßer Jnnerlichkeitzuverschwärmen. Jean PaulalsVorwand fürdasRecht desAusbrechens aus dem strengenKreis derschönen Geformtheitund des maßvollenKönnens darfniezurvorbildlichen Machterklärtwerden. Eine Verherrlichungseines Reichtums nach dieser Richtung hinwürde unserm Volkenur zum Schadengereichenundwärevon jedem,demeswirklichum dasHeildesDeutschenzu tunist,zubekämpfen.Mitsolcher Verherrlichung würdeman freilich auch JeanPaul selbst unrecht tun,denn erunterdrückte zwarnieetwas ursprünglichLebendigesum einer formalenBindung willen, aberersetzte dochalleseine sittlichen Kräfte dafür ein,eineallgültige göttliche Formzufindenundzuverwirklichen;undselbstalsihm nachbitteren und hartenErfahrungendieErde inihrerGesamtheit unbedingt unfähig erschien, die hohenWerte zugestalten, deren Schau ihn erfüllte, verzweifelte er nicht, sondern setzte seine kühnenund unerschütterlichenHoffnungennur auf einen anderen Stern,suchte also,was dieVergänglichkeitdeserischen ver- sagte,inder EwigkeitdesAlls.

Dieser erhabene Wille,dersichinJean PaulsDichtungenwie inseinem Lebenauswirkte,sollnun inseinem Kampfundinseiner Bewährung durch Notund Enttäuschung gezeigtwerden. Denn geradefürdieVolksbildung kann Jean Paulnur inBetracht kommen,wenn dieRichtung seiner Kräfte eindeutig festgelegt ist.Er,der zukeiner vollendeten Gesamtform kam, weder alsMensch nochalsDichter, muß,wenn eraufdenzu Bildenden ge- sundund klärendwirken soll,inder Richtungseines Flugeserkannt sein, damit dochdieSonne, aufdieerzueilt,immer alsklarer Richtungspunkt sichtbarbleibt,dasichdergeistig Ungeschulte, ohneeinensolchen,in desDichters Fülle unweigerlichverliert. Einmal indiesem Reichtumaberverirrt, läßt sichderLesernur allzu leicht durch Jean Paulssprachliche Kraftzuroman- tischer Schwärmerei verlocken,wenn ernicht—- in derunverstandenen Häu- fungvon Bildern hilflos seine Dichtungalseinebloße Anhäufungzu- fälligen Wissens,alseine wahllose Vermischungvon schönenStellen und Geschmacklosigkeitenoder gar als Entschuldigung eigenen schwächlichen Nichtkönnens durch bloßen regellosen Überfluß empfindet.

Jean Paulselbstwar zuerst seinem naturhaft überreichen Wesen preis- gegeben. Erst allmählicherkannte erdas Gesetz seinerMitte immer klarer, um dann aberalleKräfte seiner Persönlichkeit aufdieErfüllung seinerwert- vollsten Notwendigkeitenzusammeln.

Jn Wunsiedelwurde Jean Paulam 21.März1763 alsSohn eines Lehrers (Tertius) undOrganistengeboren.Zwei Jahre späterwurde sein Vater alsPfarrernach Joditz,einem kleinen DörfchenimSaaletal nördlich von Hos, berufen. Eingeengt undweltverschlossenwaren dieVerhältnisse, in deneneraufwuchs.Doch spürteerdiesen Mangel überhaupt nicht,weil über seiner frühen Kindheiteineinziger großerTraum lag,derihm wohlinneres 38

(7)

Zauberempfindenund SeelenglanzbiszurSteigerung ins Magischeund Spukhasteerleben ließ,derihnabervon derWirklichkeitwiedurcheineun- durchdringbareGlaswand abschied,dieihnalles sehen,abernichts leibhast greifen ließ. DieseTraummachtundFerne vonallem bluthaften Sein gab JEAN Pauls Jugend jenesGespensterhafte, dasdurchdasganze Werk des Dichters fortwaltete. VoneinerBildungdesKnaben imgesamtmenschlichen Sinne konnte unter solchen UmständenkeineRede sein.Alles von außen Herantretende wurde jasofortinseelischen Glanz aufgelöst, nicht leibhaft verarbeitet undunverwandelt, was jede wahre Bildungfordert. Verstärkt wurdediese Wirkung dadurch, daß Jean Pauls Vater, derden Unterricht lemek Söhne fast ausschließlichleitete,dem lernbegierigen Knaben nichts gabalsEinzelwissen,eine Unmassevon Lernmaterial, aber nirgends ein geistiges Ganzes.SomußtedieJnnerlichkeit Jean PaulsinihremTraum- reichesichimmer mächtiger ausbreiten, währendder Verstandund Leib isoliertundohne organische Verbindung mit der Seele, dem eigentlichen JeanPaul fremdundfern heranwachsen. Als derVerstanddann einegewisse Reife erlangthatte, sprengteer plötzlichdiebloß innerlich wirklicheWelt JeanPauls,undnun fand sichderKnabe aufeinmal in einerkalten rauhen

Außenwelt,vor dererschauerte. .

DiesesErlebnis traf Jean Paul, alsseinVater 1776nach Schwarzen- bachanderSaale berufenworden war, underin derneuen etwas weiteren UmgebungeinigeLehrer fand,dieihmdieKenntnis derrationalistischen Welt vermittelten. Jndem kleinen Orte herrschte noch Orthodoxie und Rationalismus unerschüttertnebeneinander. Dererwachende Knabe warf sich aufdieSeite desRationalismus unddamit begannenseine ersten großen Anfechtungen. DerKnabe inseinem TraumreichehattedieHerrlichkeitder Weltinwahrhaft göttlicherGlorie gesehen.Alleshattesich ihmzubeseligen- derHarmoniegefügt; All, Menschheitund Natur schien ihmineinem herr- lichen Ganzenzusammenzufließen nun aberschossen aufeinmal von allen Seiten kalteseindliche Mächte aus ihnzu. Das Vaterhausselbstwurde ihm fremd, fremddievertraute Heimat. Kaum kannte ersichselbst mehr. Die Zweifeldesausbrechenden Verstandes erschütterten ihnmitäußersterGe- walt. Waralle innere Beglückung,die inihm sortglühte, nichtnur Gefühls- täuschungaufgewühlter Leibeskräste?Wardiejugendlich freudige Anschau- ungeines liebenden Gottesnichtnur eineWunschspiegelungimWesenlosenund derGlaube an unbedingtevon der Gottheit ausstrahlendeWerte,inderen Erfassungderhohe MenscheinüberdenAlltag hinausragendes Ziel sieht, nichtnur eineTäuschungderPhantasie? Diese Zweifel brachtenbeiJean Paul VerstandundGefühl,Glaube undEinsichtin ein wirres Durcheinander, und was eines Knaben Herzbeim Austritt aus derKindheit je bewegte, durchzuckteundvernichtete fastdenzartenundeinsamen Psarrsohnimfrän- kischenLande. Dazu untergrubdiefranzösischematerialistische Philosophie derdamaligen Zeitmitihren scharfen Argumenten seine letzten Stützen.

Auchstarb1779Jean Pauls Vater unddamit brach äußereNotüber des jugendlichenDichtersLebenherein. EineHoffnung schien nochdieUniversi- tätzubieten,dieJean Paul alsStudent derTheologieinLeipzigvon 1781—1784bezog.Aberauch sie brachte ihmnur furchtbareEnttäuschung.

Einsameralsje fühlte sichderJüngling«derdieidyllische Geborgenheit seinerHeimat gewohntwar, indemGetriebe derModestadt.Ergewann

39

(8)

zwareinzelneAnregungen,abernirgendseine wesentlicheundumsassende geistige Beziehung. 1784 mußteder KandidatSchulden halberLeipzig fluchtartig verlassen.

Allesschiengescheitert.Derhochbegabte jungeMann hatteden An- schlußandieBildungderZeit verfehlt. VerftoßenvonderGegenwart kehrte erins abgesperrteVogtland zurückundverbrachte fastdieganzen nächsten zehn JahreinHofundfeiner Umgebung, wohin seineMutter inzwischen gezogen war.

Daaber geschahdas Große.Mit einer Willensanspannung,diefast unbegreiflich ist,bildete ersichnun, da allesverloren schien, selbst. Außerlich zwarversankerinjene verzopfte Umwelt,in dieerhineingeborenwar und die wir inmanchemseinerWerkespüren.Esentstanden während dieser Zeit sogar zwei Werke,diekaum etwas von derGrößederspäteren Dichtung JeanPaulsahnen lassenundwiezweiödeFelsenvordemFruchtland seiner übrigenWerkestehen:die»GrönländischenProzesse« (1783)unddie»Aus- wahlausdesTeufels Papieren« (1789), Zeugnisseeiner grenzenlosenVer- bildungbeiaußerordentlichnatürlicher Begabung.

Doch trotz dieser schlimmen Zeichenwandelte Jean Paulmitderin- stinktiven Sicherheit des Genies seinen Bildungsgang fort. Kein Mittel stoischer Selbsteinschränkungschien ihmzuhart,wenn esihm helfen konnte, seineinnere Beseligungzuwahren. Diese Selbstzucht,diesichimWerke Jean Pauls sowohlinseinen Jünglingen,vor allem inAlbano (Titan), wie in seinen humoristischen Gestalten, z. B.in Leibgeber (Siebenkäs), Schoppe (Titan)undinKatzenberger gestaltete,wurde dieGrundlage,auf derJean Paul seine spätere Größe gründete.Undesdarf wohlbehauptet werden, daßohne ähnliche Strengekeintiefes Bildungsstreben an sein Ziel gelangenkann. Zehn Jahrebeharrte Jean Paulbeiseinem Wollen,arm- seligmitMutter undGeschwisternzusammenhausend, oftkaumdiedürftigste Nahrungbesitzend.Niemand verstandinHofden Sonderling, nichteinmal dieMutter,die dieSorgen zerdrückten.EinjüngererBruder soll sichwegen dieser scheinbarniemehrendenden Notinder Saale ertränkthaben. Und auchdieübrigenBrüder Jean Pauls scheineninderlangen Bedrängnis deninneren Haltundjedes höhereStreben verloren zuhaben. Denn einer verkam später,die anderen versankenvollkommen insengste Kleinbürgerliche.

Nur Jean Paul wahrte seinGut durch seine ungemeine sittlicheGewalt.

Ununterbrochenarbeitete eranseiner Bildung fort,undindergrenzen- losen Verlassenheiterkannte erdochimmer wieder unter allem Wust,dener mitderGierdeseinsamgeistig Ringendenansich riß, das,was für ihnent- scheidendwertvoll war. Kants Lehrevonderabsoluten Gültigkeitdeskate- gorischen Jmperativs gabihm gegenüberdem Zweifeldes französischen Materialismus dieGewißheit menschlichen Wertbewußtseins zurück. Platon half ihmdielebendige SchauderWerte trotzallersophistisch-rationalistischen Ablenkungenwieder zugewinnen, Herder gab ihmdielebendige Begeisterung füreinegöttlicheHarmoniedesAllswie dessittlichenLebens. Alsihmdann derPhilosoph Friedrich Heinrich Jacobi schließlichauch nochdieErkenntnis vermittelte,daßderMensch nichtnur denVerstandzur Welterfassung habe- sondern mehr nochalsdiesendieschauendeundwertende KraftderSeele, dasabsolute Empfinden,dawarJeanPaul aufeinmal erlöstvon denBanden derZopfweltmitihrer Enge, ihrem Rationalismus, ihremMaterialismus 40·

Cytaty

Powiązane dokumenty

153.. er auch in seiner Aufsatzreihe ,,Volksbildung und Volksgemeinschaft«1) ein- gehende Betrachtungen, und es müßte sonderbar zugehen, wenn sie nicht dem Leser die Augen zu

»Die Symphonie Anton Bruckners« und »Von Grenzen und Ländern der Musik« von grundlegender Bedeutung für die Musikauffassung, für die Er- kenntnis ihrer Wesensgesetze geworden.

Eine Steigerung der gesundheitlichen Volksbildung bringt nicht nur wirtschaftliche, sondern auch ideelle Vorteile; denn eine gesunde Lebensführung ist immer auch eine

Bayerische Staatszeitung, Nr. 237: Der Bayerische Volksbildungs-Verband kündigt gleichzeitig eine Reihe von Konzerten an, deren erstes Clemens v. Francken- stein dirigiert hat.

Friedrich qultls Weint-ich von Kleist«. Beck-Berlag, München). Kleist würde viel bedeuten, dürfte fast Wende sein. Schon deshalb sei dies Buch willkooxmellx noch mehr aber, weil

Wenn wir so das Wesen der Bildung verstehen, so ist die Frage, wie erschließen wir nun dem Erwachsenen die Welt der Werte und Güter. Nicht nur die geschlossene Struktur des

War vor dem Kriege eine besondere Fürsorge privater Vereinigungen für die Erhaltung unserer Volksgesundheit und Steigerung der Volkskraft nicht so vordringlich, so stellte sich nach

Man kann nur still werden, voll Sehnsucht, vor diesem neuesten Buch von Toni Schwabe, das uns Goethes letzte Liebe zu der jungen Ulrike von Levetzow kündet, die ihn ergreift »wie