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IIIL Itser sprun, den5. November 1904. Uc.6.
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Kermtxigebem Maximilian Hardem
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DieUeberfüllung dergelehrten Berufe. Vonwilhelm Hast-ach ....187 Dysttrilrlze Ieilalter. Vonwills Hellpach ..... ........191 Gesunde Inn-m VonRobert Hessen ................195 Prlbsiankekgew VonSala-, Christ-Weh Title-man-, Gan-. Strlndbcrg ...203 DieZulallungsttlle. VonPluto ............
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Uachdruck verboten T
Erscheintjeden Sonnabend.
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Berle Verlag der Zukunft
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1904.
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Berlin,den 5.November 1904(...
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Bellachinis Tochter.
VorhundertundzwölfJahren schriebSchillerisn die Vorrede zu einer
" -deutschenAusgabedervon denAdvokatenPitavalund-Richerge-
sammelten»MerkrvürdigenRechtsfälle«: »ManerblickthierdenMenschen in denverwickeltstenLagen, welchedie ganzeErwartungspannen; man-findet eineAuswahlgerichtlicherFälle, welchesichanInteressederHandlung,an künstlicherVer-wickelungundMannichfaltigkcitderGegenständebis zum Ro- man erhebenunddabeinoch den VorzugderhistorischenWahrheitvoraus haben.DasgeheimeSpielderLeidenschaftentfaltet siehhiervorunseren Augen; nnd über dieverborgenen GängederJntrigue,überdieMachinationen desgeistlichensowohlalslweltlichenBetrung mirdniancherStrahlderWahr- heitverbreitet«.DamalsWarFra«n(;oisGayotdePitaval schonfast fünfzig Jahretot. DerjenenserVerleger, derdenProfessorSchiller alsBorrednergeg wonnenhatte,wollteinseine»Auswahl auchvonanderenSchriftstellernund ausanderen Nationen wichtigeRechtsfällcaufnehmenunddadurchallmäh- lichdieSammlungzu einemvollständigenMagazinfür dieseGattnngerhe- ben«. DochvondemSammelwerk,dassichsandemTitelblattstolzeinen»Bei- tragzanesehirhtederMenschheit«nannte,erschienennurvierBändeDreizehn Jahre danachveröffentlichtePanlJohann AnselmvonFlc«uerbach-»Merkwür- digeKrirninalrechtsfälle«undspäter seine,,AktenmäßigeDarstellungmerk- würdigerVerbrechen.«AlsPräsidenteinesbayerixsehenAppellhofessioollteer aufdirRechtsprechungwirkenund,wosieunzulänglichblieli,bleibenmsußt.e«, demVerurtheiltendieGnade desKönigs-werbenAls einer derersten(und leider-auchsletzten)Psychologenunter dendeutschenKriininalistenwollteer
16
180 DieZukunft-
zeigen,wie dasVerbrechen entsteht,wieausdem»tadellosenMenschenund Bürger zuletztdochein Mörderwerdenkann«,unddieStaatsbüttcl lehren, daßsie nicht einedenGrenzenderMenschheitentrückteThat, daßsieMen- schean richten haben.BeideSammlungen erreichtendreiAuflagenzund dieser Erfolgweckte denMuthderVerleger.Ein,,Neuer Pitaval« e.schicn, brachteesaufmindestens sechzigBände, mußaber wohlnurkarganohnein- getragenhaben:dennerwurdenicht fortgesetzt.Seitzehn,zwölfJahrenhaben wirkeineSammlungmerkenswertherProzesfemehr·SindaufZeitungberichte angewiesen,anderenHerftellungnicht,wieinEngland,Rechtskundigemitwir- ken und derenhistorischerWerth deshalb sehrgering ist. Ausallen anderenGe- bieten,inNatur- undKultnrwissenschaften,KunstundTechnik,mußman die UeberfüilereindarstellerischerArbeitbeinaheschonbeseufzen; imStrafrechts bezirkfehltdiedcskriptiveLeistungvöllig.WirkennendenUrsprung,dieAnsänge derkleinstenHausindustrie,brauchennurMarxoderSchInoller,So1nba1«t-oder Ehebergnachzuschlagen,umzuerfahren,wasunsausderPhysiologiedesKa- pitalismus gerade wissenswerth dünkt, können,ohneaus demZimmerzu gehen,dienürnbergerSpielzeugfabrikation,dasLeben derfürtherSpiegel- belegcruns vorsAuge zaubern.NurvonderStrafrechtspflege erfahrenwir nichts. Wissen nicht,wie imdeutschenLandjudizirtwird,nndkönnenkünf- tigen Geschlechternkein alsähnlichbeglaubigtesBild unsererGerichtspraxis hinterlassen.AlleKriminalistenempfindendiesenMangel;fastalleersehnen eincZeitschrift,die,stattgrauerTheorieundfrostigerParagraphendeutung,ge- treue Darstellungen wichtigerProzessebrächte.Undichglaube, daßjetzt,dadas Feuer,daseinJahrzehntlangdenKomplexder»szialenFrage«umloderte, sachtverflackert,füreinefolcheZeitschriftwohldernöthigeNahrungspielraum zufinden wäre.NochaberhabenwirsienichtznndsomagauchdemLaienerlaubt sein,merkwürdigeRechtssälle,derenKonturerklarerkennt, getvisfenhastnach denausführlichftenBerichtendarzustellen;ohne persönlicheFärbung:nurin derAbsicht,zuzeigcn,ivasindenGrenzenderMenschheitheutenochmöglichist.
JchwillvoneinemProzeßerzählen,überden,weilersichinOester- reichc.bspielte,inunserenZeitungennichtvielzulesenwarund derdochanJn- teressederHandlung,nachSchiller-sWort, »sichbiszumRoman erhebtundda- beinochdenVorzugderhistorischenWahrhcitvoraus hat. «DessenThatbeftand andiewüstestenErfindungenderNickelheftliescrantenerinnert undzudessen Heldineinneuer Tertullian sprechendürfte:Tuesdivinae leg-is prima desertrix, tuesdjaboli jaan-L Schopenhauer hättesolchesKircherrvater- patyosfreilich verschmähtundvordemSchreckbilde dieserdonna dehn-
BellachinisTochter. 181 quente nur,niitskeptischemLächeln,gefragt,worüberhierdennzustaunen sei.Uebereines Weibes Trugspiel? »Es ist füreineFrau soselbstverständä lich,zulügen,wiefüreinThier, sichseiner natürlichenWaffenzu bedienen.«
OrtderThat:Mürzznschlag,derhübscheKurort undMarkiflecken in derSteiermark OrtderGerichtsverhandlung:Leoben,dieHaupistadtder- obersteierischenMontanindustrie. StrafoerfahrenwegenBigamie.
UmdielieblicheMaienzeitdesJahres1903 tauchte inMürzzuschlag einefremde Damean TamaraFreifrau vonLiitzow Nicht schön,nichtjung, nichteinmalelegant.BesondereKennzeichen:wolligerKrauskopf, semitisehe Nase, Doppelkinn.Siekommtaus Nizza, wohntimHotelundbenimmt sichso, daßeinHerr wagenkann,siekeckanzureden.Dasthutderk.k.-Bezirks- hauptmannFranzHervayvonKirchberg; undfindetGehör.Aufdenersten SpazirgängenbeichtetsieihmdasLeid und das GlückihresLebens. Ein Kind derLiebe;hochaoeligerLiebc. Die Mutter eineFürstin Gagarin.DerVater. ..
DieAngabensehwanken.Keiannder,dasichsumeinängstlichverhiilltesFa- miliengeheimnißhandelt. Angedeutetwird,daßderGroßfürsthadimirvon Rußland ihrVater ist.Dannwiedererzählt,dieFürstin habe sich,um ihrem Kind einen Vatersnamen zuhinterlassen,aufdemSterbebettnocheinem deut- schenMilitärbevollmächtigtenFreiherrnvonLiitzowin einerNotheheverbun- den.Tamara seiim pariserSactseå—Coer1re1«zogenworden,habevielefchwere Schicksaleerlebtund schließlicheinenVerwandten ihresNominalvaters gehei- rathet. DieserBaronLützowseizwareinschlechterMenschgewesen,habesieoft mißhandelt,auchgegenGesetzegesündigt,doehsieniebrünstigberührtKeinZexu- alverkehr.DerkeuscheSchatznochunversehrtausdemGraus dieserEhegerettet.
Hehres GefühlfürdieSachederMenschheittrcibtsieübersMeerzinsTrans- vaal. Um denausHofundHeimgejagten, für RechtundFreiheit fechten- denBurenHilfezubringen, rüstet,sie,auf.eigeneKosten,eineExpeditiondes Rothen Kreuzesundstellt sichselbstandieSpitzederSaniariterschaar. Jhr Augeerblicktfurchtbare Gräuel, doch ihre Handzittertnicht. Zittert nicht, auchalssieeinemdeutschenKriegerundStandesgenossen,demGrafenZep- pelin",denletzten Dienst leisten muß.SoGroßeswirktin derzarten Jung- frau das frommeMitleid.AlsdieseMissionbeendetist, kehrtTamara nach Europa zurückundläßt sichanderRiviera nieder.Siekanns.Zwarhatsie aufeinehoheRenteverzichtet;aberihrBarvermögenbeziffertsichaufeine MillionundihrFamilienschmuekistHunderttausendewcrthGroßeErbschaf-«
tensindnochzu erwarten.Ein steinreicherOnkelsicchtsehonimRollstuhldahin.
UndwenndiegeschiedeneFreifrauvonLützoweinenzweitenEhebund schließt, werden ihr,amTagederHochzeit,dreihunderttausendFranes ausgezahlt.
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182 TieZukunft.
FranzHervayvonKirchberg istinGeldnöthen.Bei den Eltern— der VateristRittmeistera.D.— gehts knappzu,vondemOnkelsindnur kleineBeträgezuborgenund einösterreichischerBezirkshauptmann,dersich anallenEckeneinschränkenmuß, ist,weil dieVerwaltungbeamtendortüp- piger leben, noch schlimmerdranals einpreußischerRegirungpräsident,der eineFlascheVixBaraalsLuxussiindebereuenmuß. Hier isteinereicheFrau.
DiemerkwiirdigsteFrau,dieerjemals sah. UngewöhnlichinjedemZugihres Wesens.DerReiz noch größerals derReichthunr.VornehmsteAbkunst. Ein DuftvonfernenLändernumweht sie.In ihremAuge gleißteinWurm, auf ihrer Lippe istdieSchmerzensspurerlebterBitterniß Ganzanders alsdie TöchterdessteierischenBeamtenadels. EineEnttäuschte.Einvon heißen LeidenschaftendurchrütteltcrLeib, der dennoch,weilersichnichtanden Un- wiirdigen wegwerfen wollte, jungfräulichblieb.UndeineSeele,diejedes Leidmitgelitten,einGeist,derdiehöchstenGipfelfurchtloserkletterthat.
Tamara hat auchBüchergeschrieben;denensienatürlichnicht ihrenNamen gab.»HabenSievonden,Briefcn,dieihn nicht erreichten-, gehört?«Der Bezirkshauptmannnickteifrigzweißaber,inMürzzuschlag,1903nochnicht,daß sichdie Baronin HeykingalsVerfasserindesBuchesbekannthat. »Das Meistedarinistvonmir.«FranzHervay glaubt Alles;dasUnwahrschein- lichsteamLiebsten.HeildemManne,der dieseFraudas Glücklehren dürfte!
Erdarfs. NachzweiwöchigerBekanntschaftverlobtsiesichihm.Unddasein Verlangen sichnicht geduldenmag, mußvierWochen nachdemseierlichen VerlöbnißdieHochzeitsein.DerBraut fehlen einige PapierezdieUrkunde, die beweisensoll, daßihr ersterMann verschollensei, istnicht soschnellher- beizuschaffen;siewirdspäternachgcliefertwerden. DerBezirkshauptmann drängt.WennderPfarrer Schwierigkeiten macht,tritt dasPaarausder Landeskircheundläßt sichvoneinemevangelischenPastortrauen.Einhoher Verwaltungbeamter,dersichdenLosvonRom-Leuten gesellt!Dasfehlte noch.VonsolchemHerrn ist ja nichts Unehrenhafteszu fürchten.Auchnichts JnkorrektesDerGemeindevorsteheristderselbenMeinungundgiebtdenHei- mathsajeinDerEhevertrag(mitGütergemeinschaft)istschongemacht.DieVil- lenbesitzerinFreifrauvonLützowwirdFranzHervayvonKirchbergangetraut.
DieEltern,derBruder,dieFreunde hattendenBräutigam vergebens gewarnt.JhnenwardieFremdewidrig.DerBruder,einOffizier,dersie oft auf Lügen ertappte, hielt sie füreinegefährlicheHochstaplerin.Sogehts immerindieserPhilisterwelt. DaßeinMensch,gar ein Weibihnenüber- legen ist, gebendieDutzendleutenie zu; lieberweisen siedieungewöhnliche ErscheinunginsVerbrecherreichDiearmen Narren! Jst Franzetwanicht
BellachinisTochter. 183 kglücklichTDGlücklicher,alsersjeerträumt hat.Diebeste,vornehmste,reinfte allerFrauen ist sein, öffnetihm, ihmalsdemErstendenheißenSchoß.Er ist doch nicht blind,keinunerfahrenerKnabe,«undweiß,wenerumarmt.
Dieseward nienochvoneinemManneerkannt.Einmal hater,in schwacher Stunde, gezweifelt;weilVerdächtigungihnvonallenSeiten bekrochDie Aermstewar einerOhnmacht nah;mitbebendenHändenkonntesienur noch denKruzifixusumklammern unddenSchwurliauchemReingab ich mich Dir! ... Seitdem trübt keinSchatten mehrdasGlück derjungenEhe.
JndemKurörtchenaberwirdweitergetuschelt.Die willausedlem
Hause-sein?MitdieserJudennase, dieser NeigungzurAufschneidereinnd Lüge,diesenSpelunkenmanieren?Ja,wennsdietheuren Kleideralleinthätenl Wennman,trotzallenParsums, denSchm utznicht röchc,ausdemsiekommt!
KurgästewerdenalsSachverständigevernommen zauchihnen scheintdieFrau desk. k.Bezirkshauptmannesnicht ganzsäubcrlich,,SehtJhr: wirhabens immer gesagt!«DasHotelpersonalwirdbefragt;undfestgestellt,daßdie Freisrau,alssie schonHervahs RingamFingertrug,zärtlicheZusammen- fünftemit einemOberlieutnant hatte,densiedemBräutigamdannalsihr
»Briiderchen«präsentirteEndlichwird,imKurhaus,beimKaffeklatschoderauf -e-inerLandpartie,eineernsthafteUntersuchungbeschlossen.Manforscht,schreibt anbefreundcteWürdenträger,läßtdiePolizeiarbeiten: undkann der Steier- markbaldeinartiges »Märchen«erzählen.EinSchlüsselmiirchen,alsdessen schmutzigeHeldinderBlödesteFrauHervayvonKirchbergerkennt.Jetzt darf sderBezirkshauptmann sichnichtlängertaubstellen. ErbemühtsichumAus-
»kunft,reistnachWienunderfohrtimPolizeipräsidium,doßAlleswahrist,was imOrisblättchenstand. DaßeinejüdischeGauklerinihn schmählichbetrogen hat.SeinersterGedankeist:Scheidung;dieEhemußfür ungiltigerklärtwer- den. Unddann?Er liebt dieFrau,dieseinenSinnen unbekannteWonnen ibot,kämeüberdenTrennungschmerzaberwohl hinweg. Auchüber dieLächer- lichkeitseinesWahnes?DieeigeneMutter hatergescholten,weilsieTamara nicht fürsechsundzwanzigjährig,nicht süreinevjrgointacta hielt. »Das Tropenklima—bisnach Kamerun undansKap führteihre Barmherzigkeit sie—hatihreJugend gefurcht;und daßicheinerUnberührtendenGürtellöste, willichdemHeilandinsAntlitz beschwören«.Erkönntenichtim Amt bleiben.
JedeKuhmagd würdeihnauslachen. »DerkanninderBrautnachteinMensch nichtvoneinerJungferunterscheidenundwill imMürzbezirkhierderHöchste seini« Wohinerauch ginge:derFluchderLächerlichkeitistanseine Sohle geheftet.Erhatverspielt...Franz HervahvonKirchbergerfchießtsich.
AuchTamara ist nachWiengereist.Am AbenddesTages,derihren sEhemanndieWahrheiterkennenlehrte, heucheltsiein derKärntnerftraße
18 L DieZukunft.
KrämpsenndgestehtdemherbeigerufenenArzt, sie habe sichmit Sublimat vergiftet.Bei derUntersuchungwird keineSpur irgendeinesGiftes gefun- denSechsTagedanach wirdsie,alsderBigamie unddesBetruges dringend- verdächtig,aus AntragderleobenerStaatsanwaltschaft verhaftet.DieBe- weiserhebung wirddurchdenSelbstmorddesBezirtshanptmannes erfchwert..
DaderHanptzengefehlt,läßtdieBeschnldigungdesBetrnges sichnichthalten.
DasUrtheilwirdainletztenOktobertagegeiprochenzVier Monate Gefängniß.
Thatsächlichfestgestellt(ionennts unsereGerichtssprache)wurde,daß Alles,wasdieAngeklagteinMiirzzuschlagiiberihr Alter, ihren Namen, ihreAbknnft,SchicksaleundVermögenslagegesagthatte, erlogenwar. Alles..
Sieist1860inPosen geborenworden,jetzt also vierundvierzigJahrealt.
JhrBakerwar derTaschenspielerSamuelBellael),derunter demArtisten-«
namen BellachiniJahre langberiihmtwar. AuchampreußischenHofesehr beliebt;deralteWilhelm amnsirte sichköniglich,wenn dasfetteschwarzgelbe MänncheninseinemJargon versicherte,esarbeiIe,,ohne jedem Apparate«, oderiinengstenHoseirkel fragte,obzufälligJemandein reinesTaschentuch beisichhabe. UebrigensmachteBellachiniseineSachefamosnnd war, bei aller listigenVerschinitztheit,dieihn sogardenManschelreizfürs Geschäftverwer- thenhiej,einanständiger,redlicherMann.SeinejüngsteTochter,Hedivig(oder«
Ertra) Bellach,ließsich,alssicins achtzehnteJahrging,tausennndhießseitdem ElviraLeontineBellachini.MitihrerExistenzhatkeinGroßsiirst,keineRussen- prinzessin,keinDiplomat auchnur dasAllergeringstezuthun; sieistdaslegiti- nieKindachtbarerEltern, dieihrwohleineleidlicheMitgiftgebenkonnten.Ehe siedenBezirkshanptmann fing,warsieviermalverheirathet.Mit einemAgen- tenderChampagnerfirinaMummseCo. Mit dem Lieutenanta. D.Christian vonLiitzow,demans denMarichall- ProJessenbekannten Polizeispiondes KriniinalkominissarsvonTansch,einemManne,demManchesznzntrauen war,dochsicher nicht, daßerseine Ehcfrau unberührt ließ.Drittens mit einein verabschiedetenadeligenOberlientenant. Viertens miteinemfran- zösischenLandwirthDiebeidenletztenChenwurden wegenVerschuldens- derFrau geschieden.Elvira LeonlineTaniara sagtvondemErsten,erhabe ihr GelddnrchgebrachtundWechselgesiilscht;vondemZweiten (der heute noch- lebt),erhabesie mißhandelt,111-knndengefälschtnndinLondonunter denRä- derneinesLastwagensdenTodgefunden;vondemDritten,erhabe sieansdem Fenstergervorfen;vondemVierten,erhabe siehalbtotgepriigelt. Festgestellt iitferner ankerehelicherVerkehrmit-zweiOberlieutenants der-österreichischen Armee(fiirdieseCharge hat sieoffenbareineSchwäche).Dasistgewißnurein winziger Theil ihrer Sexualerlebnisse.Denn inNizza,wodochnichtdie-v
BellachiuisTochter. 185
HeimathkeuschsterTugend ist, hatte FrauvonLiitzowzwar keineVisla, auf demKonsulataberdenRufeinerAbenteurerin schmierigerSorte.Freifrau von Lützownannte sie fich, trotzdemdasGesetzihrnur denNamen ihres viertenGatten,LeosMeurin, zusprach.BonDem war sie nochnicht rechts- kräftig geschieden,alssie sichmitdemBezirkshauptmanntrauen ließ.That- bestand derBigamie. DieRichter(beiunskönnteariquchthausbis zufiinf Jahrenerkanntwerden)gingenkaum übersStrafminimumhinaus.Mit Recht.Erstens hattedieUntersuchunghaftvierMonategedauert.Undzweitens hatteHervahsLeichtgläubigkritdenSchwindel beinahe provozirt.Erwar unter denLegitimcnderFünfte; dieZahl derJllegitimen wäre,dazweiErd- theiledieSchanplätzediesesErlebens waren, sichernichtzu ermitteln. Und derk. k.Bezirkshauptmann glaubteAlles.DieFürstin Gagarin,denFa- milienfchmuck,diesechsundzwanzigJahre,denErbonkel,dieLiteratur nnd dieJungfernschaft.Glaubte dasAlleseinerunschönen,ungraziöfen,un- idisziplinirtenundwelkenFrau,von derenlärmsüchtigenGhettomanieren dieGerichtsoerhandlnng ekleProben gab. DieHauptsorge derVielerfahrenen war die Tranertoilette gewesen.Siebesaßnur nochfünfzehnGulden, hatte aberdasNöthige erpumptundparadirtenunimWitwenschleier, eleganten Trauerkleid undschwarzenHandschuhenaufderAnklagebank. Daß siein düsteremSchwarzdasBlauevomHimmel log,warverzeihlichNicht sodie Ausdrucksform ihres Wesens.Alsihre fünf Ehen sammtdemnizzaerLeu- tmundzeugnißschoninforofestgestelltwaren, nannte siesicheinunerfahre- nesGeschöpfundeineMärtyrerin.Dannriefsie: »MeineSeeleistsoreinwie -dasGlasWasser,dasSiehiervorsichsehen«;undbeschuldigteHervah,erhabe sie schnödimStichgelassen.Und als derPräsidentsieanihreVorspiegelung einerRiefenerbschafterinnerte, gellteausihremzarten Munde derostberli- nischeHohnschreidurchs alieDominikanerklosterx »DalachenjadieHiihner!«
TrotzAlledemhat sieeinentüchtigenBeamten,der wederblindnochdumm war,umgarnt, beseligt, getötet.GiebtsamEndedochsolcheThierchen,wie HerrFrankWedekind sieinfeinemCirtuszeigt? DawareinSchlängleinzu sehen,dasbaldLulu,bald Evahieß,auf deutscheundwelscheNamenhörte, manchmal sogareineWappenkrone trugunddemderBesitzernachrühmte:
»Siewardgeschaffen,Unheil auzustiften, Zu locken,zuverführen,zuvergiften,— Zu morden, ohne daßesEinerspürr.«
DieGerichtsärztehattenerklärt,dieAngeklagtesei geistignormalund fürdieFolgen ihres Thuns deshalb verantwortlich Bellachinis Tochter wollteauchnicht-als einepsychischDefekte freigesprochenseinundhätte-die AerzteamLiebstenausdemSaalgejagt.VierMonatesind raschüberstanden;
186 DieZukunft·.
dasThorderJrrenanstalt öffnetsichnicht so schnell·Jch glaube aber-,das- Urtheil hätteanders gelautet,wenndenRichtern nichtdasWichtigsteaus- demVorlebenderAngeklagtenunbekanntgebliebenwäre. Von Leobennach Berlinists nicht allzu weit;bisanunsereSpree scheints-dasErmittelungver- fahrenabernichtgereichtzuhaben. Hier hätteman festgestellt, daßElvira LeontinesichseitderKinderzeit eigentlichnichtveränderthat.Siewar das räudige Schafin der reinen Heerde.LastundKummer derEltern. Die Schwester-,die einesehrenwerthenHolzhänsdlersbraveHaussrauwurde,zog sichfrühvonihr zurückundwirdüberdenWurmstichdesschlimmenFrücht- chensnichtgestaunt haben.DasMädellog, daßsichdiedickstenBalkenbogen.
Log immer;konntenichtanders. In EbersivaldewegenchronischerUnwahr- hastigkeitundFaulheitausderPension entfernt.JnBerlinwegen derselben EigenschastausderHöherenTöchterschulederFrauBurtin gestoßen.Nachdem siediejüngerenKlassengenossinnenzukorrumpiren getrachtctundimSchul- zimmereinenSelbstmordversuchgeheuchelthatte.Den Vatererwähntesienie-;
nur dcrschwarzeDiener,der deinZauberkiinstlerwährendderVorstellungdas«
Handwerkzeugreichte, spielteinihren PhantasieneinegroßeRolle.Schonda- mals hatte sie sicheinevornehmeHerkunst zurechtgelogen. IhreMutter sei cinegeboreneGräfinTesta,sieselbstheimlichihremVetter,demGrafenAnatol Testa,verlobt; derSohneineshohenpreußischenOfsiziers (sienannte einen bekanntenAdelsnanien)werbeleidenschaftlichumihre Hand.Sietreteheim- lichauchalsSchauspielerinmitgroßemErfolg aufundmüssesichdann, trotz- demeswehthue,AtropinindieAugen träufeln,um die-Pupillezu erweitern undderenGlanzzuerhöhen.Sogings TagvorTagzschließlichwolltekein SchulmädchenmehrnebendemkleinenScheusal sitzen.Seitdemsind fast dreißigJahrevergangen :undElviraLeontine Tamara treibts,wieHedwiges- trieb. EinSchulbeispielvon pseud ologiaphantastica.Ueberdiesevondem;
PsychiaterAntonDclbrück getaufteGrenzkrankheitsprach ich,als dieGroße Thereseverurtheiltwordenwar;underwähntedenFalleinesDienstmäd- chcns,dassichfüreineTochterdesKönigsvonRuniänien,eineNichtedes- PrimusvonUngarn,einespanischePrinzessinausgabundlangebeiernsthasten LeutenGlaubenfand Dieser FallwurdevonklugenAerztenerkanntund- behandelt. DieBellachinikommtinsGefängniß.Unddochists ungefährdas- selbeKrankheitbildeinerlügendenundtritgendenhystericin Einreizloses, geistigträges,körperlichverbrauchtesFrauenzimmer wirktmitderSuggestiv- rast derHysterischenausdieMän1ichen,reißtsieinSchmachundVerderben..
.. .AberVernmthungen gehörennichtin denNeuenPitaval c
DieUebersüllnngdergelehrten Berufe. 187
Die Ueberfüllungder gelehrten Berufe
BerechtigteKlagenüber dieUeberfüllungdergelehrtenBerufesind in den letztenJahren hauptsächlichvondenAerzten erhobenworden; undda hatdieFurchtvoreinernochstärkerenZunahmederBerufsgenossenzueigent- thümlichenErscheinungengeführt.Dievon derheutigen Kulturentwickelung gebotene,von demreifen Urtheil hervorragenderSchulmännerundGelehrten geforderteZulassungderRealgymnasialabiturientensuchtendieAerzte, soweit esinihren Kräften stand,zuverhindern, obwohl vorauszusehenwar, daß einsolcher SchrittkeinenErfolg haben konnte;zustarkwaren dieGründe fürdieNeuerung,zudurchsichtigdiesozialenBeweggründederGegner. Jn- zwischenhatdiepreußischeRegirungdieThorederUniversitätenweitergeöffnet, alsman ursprünglichannehmen durfte.DieBefürchtungenhabenvonNeuem zugenommen undfindennun auchinRegionen Eingang,wosie bisher nicht zubestehenschienen.So wirdeseinedringendeAufgabe,diewahreUrsache derheutigenUebecfüllungzu bezeichnenund derdurchaus gerechtfertigtenAgi- tation gegen diesensozialen MißstanddasrichtigeZielzuweisen.
DieUrsachebestehtin denleichtenVersetzungender Mittelschulen. Durch dieKlassenderGymnasienundRealschulenverschlepptundendlichzu denHoch- schulenentlassenwirdeinegroßeZahlvonJünglingen,die in anderenBerufen befriedigenderwirkenwürden alsindenen,für diesievorbereitet worden sind.SieverlangsamendenGangdesUnterrichtes, sie sind gewöhnlichdie größtenSünder gegenOrdnungundDisziplin, sie erhöheninden Prüfungen denProzentsatzderDurchgefallenenundgehen späterzumTheilzu Grunde.
JnPreufenbestehendieerstejuristischePrüfungdurchschnittlich20bis25Prozent nicht;inBayern istdieZahlineinigenJahren auf 331X3Prozentgestiegen.Und inderzweitenPrüfung, nachdemdieUnfähigstenbeseitigtworden sind, fallen nochimmerungefähr15Prozent durch.DieEntfernungsolcherSchülerlägeso- wohlimInteresseihrer Mitschüleralsinihrem eigenen.Siewürden dann zeitig fürdenBerufvorbereitet werden, zu demihre Begabung sie bestimmt, währendsie ihnunter denheutigen Verhältnissenoft verfehlen, unzufrieden sindoderuntergehen. Jhre Beseitigungistum so wenigereinUnglück,als diemachtvolleEntfaltungdesdeutschenWirthschaftlebenseineFüllerechtgut besoldeterBeschäftigungengeschaffenhat, dievorzwanzig Jahrenunbekannt oder nochkaum vorhandenwaren. Undgeradeffür praktischeThätigkeiten, für technischeBerufe haben diese Schüler oftguteAnlagen-
Undwessen Schuld ist dieser Zustand?SiedarfwederdenLehrern nochdenDirektoren zugeschriebenwerden,sonderndemSystem,derTradition.
Es wirdvorausgesetzt,daßvon einergegebenenZthlanSchülerneinbe- stimmter hoherProzentsatzdasKlassenziel erreichenkann. DieTüchtigkeit
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183 DieZukunft.
desFachlehrerswirdnachderZahlderSchüler seines Faches bemessen,die
erfür reiferklärt, dieTüchtigkeitdesKlassenlehrersnachderGesammtzahl deraus seiner Klasse-zu Verfetzenden,dieTüchtigkeitdesDirektors nach derZifferderSchüler,dieinjedem JahrineinehöhereKlasse gelangen oderzurHochschuleentlassenwerden.DerFachlehrer stehtunter derKontrole desOrdinarius, derOrdinarius unter derdesDirektors,derDirektor unter derdesSchulrathesunddesMinisteriums.DerganzeSchulmechanismus arbeitetaufdiemöglichstreichlicheVersorgungderHochschulenmit Studenten hin.Ueber dievollenHörsäle freut sichdann derProfessorundmitihm freuensichdieGemeindenundfeiern,wenn dieGelegenheitsichbietet, den tausendftenStudenten. SofreutensichdieStädte,wenn siewiederumeinige tausend Einwohnerzugenommen hatten.Aber esist schoneinige Zeit her.
Die kindlicheFreude übergroßeZahlen,dieindenGeographiestundenin Quarta übersie gekommenwar,hat sichin andereEmpfindungenverwandelt, nachdemsiezurEinsichtgelangtsind,wasesmit derAgglomerationauf sichhat.
UnterdenangedeutetenVerhältnissenkannderLehrer nichtmitder Härte austreten,die imJnteressederAllgemeinheitläge;ermuß in vielen FällenFünf gerade sein lassen,womit dannJedermanneinverstandenist.
Nichtnur dieSchülernennen den»milden«Lehrerdenbesten: auchdiekurz- sichtigenEltern betrachten ihnalsihren Wohlthäter,obwohl siedie üblen FolgendesSystems späterameigenenLebenverspüren:in derlangean- dauernden Sorge fürdieSöhne,dienichtzu AmtundBrot kommen, in derspäterenundseltenerenVersorgungderTöchterdurcheinestandesgemäße Heirath,in derNothwendigkeit,überjede Altersgrenze hinaus für ihreFa- miliezu arbeiten,wodurchdie materielleSelbständigkeitderSöhne nochweiter hinausgeschobenwird. DieuralteSchlange,diesichindenSchwanz beißt.
Jnden letztenfünfzehnJahren istesnoch schlimmergeworden.Der weichlicheZug unserer Zeit,alsdessenReaktion diePhilosophie Nietzsches verständlichwird,offenbartesichimGebietedesSchulwesensin derErleichte- rungderAnforderungen.Der Entrüstungüber dieUeberarbeitungunserer Mittelschülermußte dieses Opfer gebrachtwerden. DerStatistiker iftzurück- haltend undvorsichtig,wenn erdieUrsachenbestimmter, zahlenmäßigfestge-«
stelltenErscheinungenbezeichnensoll; nichtso derstatistischeZeitgenosse.Die ZunahmederNervositätunter denMittelschülernist konstatirtworden. Ob siefrüheringleichhohemGradebestand, ohnedaßman sichdieMühe gab, dieErscheinungzuuntersuchen,wollen wirdahingestelltfeinlassen.Wirwollen sogar annehmen, siehabeinunserenTageneinengrößerenUmfangerreicht.Dann
war dieFrage,wodieUrsachendieserunerfreulicher-.Thatsachezusuchenseien.
DervorsichtigeForscherkonnteaufeineganzeAnzahlvonVeranlassungen hinweisen, ohne sichzuderausschließlichenWirkungeiner einzigenzube-