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Die Pressezensur in der Habsburgermonarchie (1862-1914)

W dokumencie Granice wolności prasy (Stron 139-147)

Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung

Art. 13 der Dezemberverfassung von 1867 (Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte derStaatsbürger) zurPressefreiheit besagt, dass die Presse „nicht unter Zen­ sur“ gestellt werden darf. Dies bedeutete jedoch lediglich das Verbot präventiver Zensur in den cisleithanischen Ländern der Donaumonarchie. Die Verfassung ließ jedoch repressive Zensur zu, wie sieseitdemErlassdes Pressegesetzes von 1862galt.

Dieses legte fest, dass die Freiheitdesgedruckten Wortes nicht rechtliche Beschrän­ kungen (hauptsächlich Straf- und Presserecht) übertreten dürfe. Die staatliche Ver­ waltungskontrolle der Presse wurde somit 1867 legitimiert. Obwohldie Dezember­ verfassung im Ansatzdie eines liberalen Rechtsstaateswar (Grundrechteund deren Schutz seitens desReichsgerichtes,ein unabhängiges Gerichtswesen,dasPrinzip der Rechtsstaatlichkeit und gerichtlichen Kontrolle), so waren doch die Reformbemü­ hungenbezüglichder Verfassungsverhältnisse inÖsterreichdurchdie Praktiken und Institutionen desvorangegangenen Systems belastet.

Dafür gab es im Wesentlichen eine Ursache: Der Systemwandel seitdem Okto­ berdiplom 1860 geht aufeine Initiative der Regierung zurück, die wiederum vom Monarchen und nicht vom Parlament eingesetzt worden war. Die politischenRegie­

rungen waren nur dem Kaiserverantwortlichund somitmusstendie vorgeschlage­

nen Reformen von diesem abgesegnet werden. DieGesetzesprojekte der Regierung wurden ab 1861 demReichsratvorgelegt und enthielten demgemäßBeschlüsse, die sichaufdiekaiserlicheLegislativeausderersten Verfassungsphase 1848-49bezogen.

Selbstdie liberale Parlamentsmehrheit,die 1867gegendieRegierungeinen grundle­

gendenUmbau des Staates forcierte, griffaufdiekaiserlichen Verfassungsdokumen­

tevon 1849 zurück. Trotzder Niederlage gegen Preußen 1866 bliebder Kaiser das Machtzentrumim Staat.Die Basisder Gesetzgebung während des Neoabsolutismus, die1867-70nurteilweisenovelliert worden war, bildete weiterhin die gültigeRechts­

ordnung, wenn diesesichauchmitderZeitaufdieneue, liberale Verfassungstützte.

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Dahermag es nicht sonderlich verwundern, dass dasPressegesetzund dasPresse­ ordnungsrecht von 1862sich an den kaiserlichen Patenten von 1849 orientierten und zumTeil sogar restriktiver ausfielen. Nichtnurwurdeauf dieStandardsdes liberalen Programms -nämlich diegesellschaftliche Kontrolle inFormvonGeschworene -in Pressesachenverzichtet (erst 1867 eingeführt), sondern auch in einemeigenen Ge­

setz der strafrechtlicheSchutz für Verwaltung,Staatsbeamte, Armee undMarineer­ weitert. Die Beschränkung derPressefreiheit durch die Einführung von Vorschriften, welche die Staatsanwaltschaft zur Verfolgungdes Verbrechens (Vergehens) der Ver­ leumdungoder Verunglimpfungstaatlicher Institutionen undihrerRepräsentanten von Amts wegen befähigte, erschwerte die Kritik anden Organen der Staatsmacht zusätzlich.Mit der Annahmedieser Vorschriften, handeltedie Regierunggemäß dem Wunsch der Krone, dieumeine Verteidigungder Autorität staatlicher Strukturen be­ müht war.Diesewaren seinerzeit zahlreichen und keineswegsimmer wohlwollenden Kommentarenausgesetzt.Im Österreichder 1860igern war unter dem Eindruck der militärischenNiederlagenund dem Bankrott des bürokratischen Regierungsmodells die Intensität der öffentlichen Diskussion deutlich gestiegen. Deshalb war die Ein­ führung eineshöheren Strafmaßes fürTaten, die denguten Rufvon Vertretern des Machtapparates gefährdeten, rational begründbar.

Für die Zukunft der verfassungsmäßig garantierten Rede- und Pressefreiheit war die Einführung des Pressegesetzes von 1862 kontraproduktiv. Zusammen mit dem Strafrechtvon 1852 wurden sie nämlich zueinem Maulkorb für die freie Pres­

se, die für jede mutigere Kritik an Staatsorganen und Beamten mit der Beschlag­ nahme des Druckwerksbezahlenmusste. Die Reform des Pressegesetzesvon 1862 war also unvollständig: Zwar wurde jenes mit der präventiven Kontrolle von 1852 aufgehoben, dafür jedoch die materiellenBeschränkungen der Pressefreiheitinfast unveränderter Form beibehalten. Diese wurde während des Neoabsolutismus mit­

tels der Strafrechtsbestimmungen von 1852 stark eingeschränkt. Die parlamentari­

scheOppositionprangerte allerdings die Folgen derBeschlagnahmungen durchdie Staatsanwaltschaft und nicht die Ursachen an. Dieselagen im geltenden Recht und deshalb blieben die parlamentarischenAnfragen hinsichtlich der Verteidigung des freien Wortes ohne Widerhall.

Die GeschichtederPressezensur in derkonstitutionellenHabsburgermonarchie war untrennbar mitdem objektiven Verfahren verbunden. 1862 war daseine Neuheit im österreichischen Pressegesetz. Die Entstehungsgeschichte ist ein seltenes Beispiel dafür, dass eine rechtliche Institution aufgrund eines Fehlersdes Gesetzgebers ins Lebengerufen wurde, derdierechtlicheBedeutung derGesetzesentwurfes missver­

stand. Das Parlamenthat der Bestimmung durcheinestilistischeKorrektur einen der Intention des Antragstellers nicht adäquaten Sinn verliehen. Das objektive Verfahren war in der Grundannahme einzig dienatürliche Ergänzung des Strafverfahrensprin­

zipsin Pressesachen, dasinder Feststellung der Schuld des Täters, der den Inhalt des Pressedruckwerks verantwortet, bestand (subjektives Verfahren).

Das objektive Verfahren, mit dem Ziel derBeschlagnahmenurdes inkriminier­

ten Textes unterÜbergehungder Forderung nach der Schuldfestellung der für den

Inhalt verantwortlichen Person, bezog sicheinzigauf den Fall,dassdie Staatsanwalt­

schaft nichtAnklage gegendieanderBegehung des Pressedeliktesschuldigen Person erheben konnte (zB.wegen Flucht, Aufenthalt im Ausland, Tod). Das objektive Ver­ fahren sollte demnach eine Hilfsfunktion erfüllen. Es ermöglichte dieEntfernungei­ nesstrafbarenTextes ausdem öffentlichenRaumauch dann, wenn derunmittelbare Täter nicht vor Gericht gestellt werden konnte.Vom rechtlichen Standpunkt aus war diese Lösung dielogische Ergänzung des praktiziertenrepressiven Kontrollsystems überStaat undPresse.

Die Rechtskonstruktion, diesichin derVorschrift des Regierungsprojektes verbarg, wurdejedoch von den Angeordnetender parlamentarischen Gesetzgebungskommis­

sion fehlerhaft interpretiert. Durch eine kleine Veränderung wurde schlußendlichdie Staatsanwaltschaft ermächtigt,imFalle der Feststellung eines Verbrechens durch ein periodischesDruckwerk die jeweiligeVorgangsweise auszuwählen.Die Staatsanwalt­

schaft konnte ein gerichtliches Verbot der Verbreitung eines Druckwerks, welches das Strafrecht verletzt, entwedermittels objektiven oder subjektivenVerfahren errei­

chen. Vermutlich herrschte die Annahme, dassdieModifikationdieser Vorschrift der Staatsanwaltschaft die Möglichkeiteines geringerenStrafmaßesermöglichenwürde, das nun gegen denInhalt des zu beanstandendenArtikels gerichtet wäreund nicht den Autor, respektive Chefredakteur, des Periodikums beträfe. Ob diese Änderung dem Willennach einer Abmilderung derVorschriften geschuldet, oderschlichtweg einMißverständniswar,bleibt zweitrangig. Schwerer wiegt dieTatsache,dassdiean­ geführte Interpretation dergesetzlichen Vorschrift bezüglich des objektiven Verfah­

rens sichinderBeschlagnahmepraxis derStaatsanwaltschaft durchsetzte und somit zurEinschränkung der gerichtlichgeschützten Rede- undPressefreiheitbeitrug.

DerGrund dafür lag in den Geschworenengerichten. In Pressesachen fällten sie beisubjektiven Verfahren in mündlichen und öffentlichen Verhandlungen nach ihrer eigenen inneren Überzeugung (freierBeweisbewertung) in zahlreichen Fällen Frei­

sprücheaufGrundfehlender Merkmale einer Straftat. Im Gegensatz zum objektiven Verfahren, bei dem eine Beweisvorlage nicht möglich war, sicherte das subjektive Verfahren dem Beschuldigten umfassendereGarantien zurVerteidigung der verfas­

sungsmäßigen Rede- und Pressefreiheitzu.Im Gegensatz dazukonnte der Staatsan­

walt auf Basis derVorschriftenzum objektiven Verfahren diePresse wirkungsvoller zensieren,da es typisch inquisitionsprozedurale Eigenschaftaufwies.

Das Verfahren war zum Großteil geheim und schriftlich. Ein bestimmter Bereich entsprach gar dem kontradiktorischen Prinzip, da derStaatsanwalteine privilegierte Position innehatte. DasGerichtentschiedin einernicht öffentlichen Sitzung - allein nach Anhörung des Staatsanwalts - über die Bestätigung der Beschlagnahmung. Eine öffentliche Verhandlung gab es erst nach eventueller Beeinspruchung (Opposition) gegen diegerichtliche Entscheidung von dergeschädigten Seite. Lautet die gericht­

liche Entscheidung aufVerwerfung des Einspruchs, dann war zwar eine Berufung beim Gericht der zweiten Instanz zulässig, aberdas Berufungsgerichterkannte aus­

schließlich aufGrundlage desBerichts derunterenInstanz und nurinAnwesenheit des Staatsanwaltes. Die Pressezensur auf Grundjener rechtlichenMittel, wie sie im

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objektivenVerfahren vorgesehenwaren, erwiesensich für die Staatsanwaltschaftat­

traktiver,da derStaatsanwaltbeigeringerem Arbeitsaufwand diegerichtliche Bestä­

tigung der Beschlagnahme erhielt und sich im Prinzip sicher sein konnte, dasssein Antrag vomGerichtpositiv beschieden würde. Die Berufsgerichte fälltenihreUrteile nämlich in Übereinstimmung mitder arriviertenRechtssprechung, diesichüberdies jabei einem überwiegendenEinflussder Staatsanwaltschaft etablierte.

Eine unrühmliche Rollespieltedas objektive Verfahren bei der Unterdrückung von Kritik an Amtsträgern in der Presse. Diese Kritik unterlag schließlich gegen Endedes 19. Jhs. einer regelmäßigen und intensiven Zensur. Die Staatsanwaltschaft interpretierte das Recht auf zulässige Kritikan der Staatsmacht, zwar in Überein­ stimmung mit den Erfordernissen der Verfassung, die jedermann Rede- und Pres­

sefreiheit garantiert, aber sehr eng undeigentlichetablierte sich erneut die neoab­

solutistische Konzessionierungspraxis. Die Gründe hierfür warenvielfach. Um die Jahrhundertwendemehrten sich die Anzeichen einerpolitischen Krise in der Do­

naumonarchie. Nationalistische und ideologische Auseinandersetzungen schwäch­ ten die Position des Parlaments als wichtigsten Gesetzesgeber. Immer öfter nutzte der KaiserseinRecht auf Erlässe im Gesetzesrang. Neue politische Bewegungensa­ hen ihr wesentliches Ziel in der Auseinandersetzung mit dem Staat und jenen ge­ sellschaftlichen Strukturen,diediesen legitimierten.Die Kritik anden Machthabern wurde zum täglichen Brot der sozialistischen, freidenkerischen, nationalistischen und antisemitischen Presse.

Die Staatsanwaltschaft als Regierungsorgan mit zensorischen Befugnissen war - nebender Polizei und den Verwaltungsorganen - Teildes staatlichen Sicherheits­ apparates und ihre repressive Zensur eines von zahlreichen Kontrollinstrumenten für gesellschaftlicheOrganisationen, welche die bestehende Rechtsordnungbzw. den politischen Status quoin Frage stellten. Die Staatsanwaltschaftwar alsoin ihrer Tä­ tigkeit vom politischen Wirken der restlichen staatlichen Verwaltungsstrukturen abhängig. Ihre verstärkte Aktivität bei der Zensur der nationalistischen, antisemi­ tischen, sozialistischen oder freidenkerischen Presse war die sichtbare Folgejener ständigen Überwachung, welche die Milieus, deren Handeln als Gefährdung der inneren (gesellschaftlichen) Ordnung und Staatsform betrachtet wurden, als Regie­

rungsagendaerfuhren.

Diek.k. Monarchie erlebte um die Jahrhundertwende nicht nureine tiefe politi­ sche Krise, sondern befand sich auch im „Kulturkampf“ und erfuhr eine Revolution der Werte (und Sitten). Die damit verbundene Erschütterung der innerenVerhält­

nisseführte schlussendlichzu einer Stärkungder monarchischen Macht. DerKaiser und seine Verwaltung wurden als wichtigste Faktoren für eine erfolgreiche Verteidi­

gung der staatlichenOrdnung angesehen.Die Österreichisch-UngarischeMonarchie vollzog alsodamalseine systemische Kehrtwendung hin zu einem konservativen und autokratischen Model. DieOrganederStaatsmacht kamen unter einen staatsanwalt-schaftlichen Schutzschirm, der faktisch sämtliche kritische Bemerkungen hinsicht­ lich derBewertung ihrer Tätigkeit eliminierte.Dermaßen limitiertedieStaatsanwalt­ schaft den Verlauf der öffentlichen Debatte, wie sie in der Presse ablief. Zu ihren

Gunsten mag teilweise sprechen, dass, wie eine Auswertung der Beschlagnahmebe­

scheide ergibt, sie hauptsächlich dann die Zensur anwendete, wenn die Kritik in der Presseüberwiegend demagogisch,populistisch oder unterstellendwar.

Trotzdem war jeglicheBemerkung zur Person des Monarchen und seiner Poli­

tik, zur Tätigkeit der Regierung oder Verwaltung mit herabwürdigender Färbung, Grundgenug für eine Beschlagnahme. Die Staatsanwaltschaft legte den Begriff der

„Majestätsbeleidigung“ sehr weit aus. Darunter fielen u.a. auchdie Kritik anThron­

reden. Als Majestätsbeleidgunggalt sogar die Forderung, dass die parlamentarische Mehrheit überdie Regierungszusammensetzung entscheiden möge. Solche zensori- schen Eingriffe warenein deutliches Warnsignal für diePresse,sie solle sich vor einer Bewertungder Verfassungsentwicklung hüten. Die Monarchie wandte sichin jenen Tagennämlicheindeutig von derliberalen Idee des Rechtsstaates, welchebis in die 1870iger die Antriebsfeder der Staatspolitik war, ab. Als die Regierung nacheiner (Ausnahme-)Gesetzgebungskompetenz griff, nutzte dies die oppositionelle Presse umdie öffentliche Meinung gegeneineWiederkehr des Absolutismus zu mobilisie­ ren. Die Staatsanwaltschaft reagierte mit zahlreichenBeschlagnahmungenvon Tex­ ten, die autokratische Anmaßungen der Obrigkeit suggerierten.

In der unmittelbaren Vorkriegszeit wurde die Pressezensur hinsichtlich der Kri­

tikan der Außen-und Verteidigungspolitik verschärft. Die erwähnten Staatsagenden erfreutensichdazumals ebensoeines verstärktenRechtsschutzes, gehörtensie doch zu den persönlichen Prärogativen des Kaisers. AufGrund der staatsanwaltlichen Vorgehensweise blieben Militär und Diplomatie außerhalb des Wirkungsbereiches der wenig zimperlichen österreichischenPresse.Die Zensur betraf allerdings in ers­ terLinie radikal programmatische Zeitungen und Zeitschriften,diemit einer negati­ venBerichterstattungüber das Heer, die öffentliche Meinung gegen die militärische Staatspolitikzuaktivieren gedachten.

DieStaatsanwaltschaft in ganz Cisleithanien tratenergischgegenjede Formvon Diskriminierung auf Grund nationaleroder religiöser Zugehörigkeit auf undführte folglich einen entschiedenen Kampfgegen antisemitische Propaganda. Angesichts des untersuchten Quellenmaterials zeigt die Vorgehensweise der österreichischen Staatsanwaltschaft gegen die antisemitische Presse,dass aufdem gesamten Staatsge­ bietantijüdische Meinungsäußerungen mit aller Härte und unabhängigvon ihrem Hintergrund(wirtschaftlich, kulturell oder rassisch) verfolgt wurden. Die Schmiere­

reien galizischerodertschechischsprachiger antisemitischer Gazetten zu jüdischen Themen, die denwirtschaftlichen und religiös-ideologischen Hintergrund desKon­ fliktesoffenbaren, wurden genauso beschlagnahmt wie jene der deutschsprachigen Presse,welchesich hauptsächlich auf das rassische Element in der Judenfrage kon­ zentrierte (erste Entwürfeder NürnbergerGesetze!). DasParadoxe in der innenpo­ litischen Situation der Donaumonarchie gegen Ende ihrer Existenz bestand also da­ rin,dass die Staatsanwaltschaft mittels des antiliberalen Instruments der Zensur das Prinzip des liberalenRechtsstaatesverteidigte.

ZuBeginn der 1890igertraten in Österreich politischeGruppierungen auf den Plan, die eine feindliche Haltung gegenüber denHabsburgern und derkatholischen

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Kirche einnahmen. Diese radikal antikatholische Offensive der Presse - sowohl von linker (sozialistischer) als auch rechter(deutsch-nationaler) Seite- führteverständ­ licherweise zu einem informellenBündnis der Kirche mit denbürokratischen staat­ lichen Strukturen. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg kam es zur Bildung eines kon­ servativen Blocks nach Vorbild des Systems der 1850iger Jahre, als die Monarchie sich nach Niederschlagung der Revolution auftraditionelllegitimistischeStrukturen stützte: die Bürokratie, das Militär und die Kirche. In Folge erhielt diese im Kon­

kordat eine privilegierteStellungund ein halbes Jahrhundert später verteidigteder SouverändieKirche und denkatholischen Glauben auf jeglich erdenkbare Art. Die katholische Kirche blieb im Grunde die einzige Verbündete zum Erhalt der Staat­

lichkeit in der multinationalen Habsburgermonarchie. Angesichts einer weiteren innerstaatlichen Krise wandte sichdie Obrigkeiterneutan die Kirche und rechnete mit deren EngagementbeiderVerteidigung traditioneller Werte,der hierarchischen Gesellschaftsordnung unddes monarchistischen Grundsatzes. Der Einsatz der Zen­ sur gegen diekirchenfeindlichen Druckwerkenahm umdie Jahrhundertwende ein derartigesAusmaßan, dass man meinen konnte, der katholischeGlaube hätteinof­ fizielldes Status einerStaatsreligion. Von da an bekam der Prozentsatz der Beschlag­

nahmungen wegenHerabwürdigung derKirche bzw.des katholischen Glaubens eine steigende Tendenz, die bis zumKriegsausbruch anhielt.

Der Schutz von Kirche und katholischen Glauben führte auch zu einer strik­

ten Zensur von Verlagen, die programmatisch den Klerikalismus der konservati­

ven Machtelite kritisierten. Die Vorgehensweise der Krakauer, Brünner oder Prager Staatsanwaltschaft gegenüber derfreidenkerischen Presseähnelteneinander: Ausga­ ben von Periodika, dieeine laizistischen Staat anstrebten,wurden regelmäßig konfis­ ziert unddie Redakteure strafrechtlichverfolgt. Die Taktikder kleinen Stichegegen Aktivisten der Freidenkerbewegung seitens der Staatsorgane (Polizei - Versamm­

lungsverbot; Statthalter - Vereinsauflösung; Staatsanwaltschaft -Pressebeschlagnah­

me) zielte aufdiegesellschaftlicheIsolationdieserGruppierungab,diesich für einen laizistischen Staat aussprach.

Auch die Repressalien gegenüberjenen Periodika,diezur Jahrhundertwende et­ was freizügigere Ansichten in sittlicher Hinsicht hatten, stehen in Zusammenhang mit der allgemeinen Staatspolitik. Die höfischen Eliten übten Druck aufdie staat­ lichen Verwaltungsinstanzenaus, damit die katholische Kirche vor Angriffen von linken und nationalistischen Gruppierungen erfolgreich geschützt würde. Die Ver­ teidigung des traditionellen Werte-und sittlichenKanons seitens staatlicher Einrich­ tungenwarnicht nur im Interesse konservativer Gesellschaftsgruppen,sondern auch ein Kniefall vor der Kirche.Außerdem war das staatsanwaltschaftliche Engagement, die literarischenund Gesellschaftszeitschrifitenwegen des Schutzesder Moral unter Zensur zu stellen, der BeamtenpragmatikausdemAbsolutismusgeschuldet:Aufgabe der Obrigkeit sei es auch, für die wahren religiösen und moralischenÜberzeugungen der Untertanen zu sorgen.

Im repressiven k.k. Zensursystem machte das objektive Verfahren mit Beginn der 1890iger deshalb so eine Karriere, weil es sich in Händen der konservativen

Staatsmacht alsbrauchbares Instrument zur Beschränkung des Einflussesder oppo­

sitionellenPresseauf dieöffentliche Meinung sowiezur Marginalisierung extremer Ideologien erwies. Die Entscheidung zur Beschlagnahme, unter denen in der Re­ gel periodischePrintmedien mit eindeutigen ideologischen bzw. programmatischen Profil litten, informierten dieGesellschaft darüber, welcheWerte der Staat gutheißt und was nicht. Beschlagnahmungen beeinflussten die Herausgeber von Druckwer­ ken mit radikalem undkontroversen Hintergrundundmäßigten deren feindseligen Duktus in der politischen Bewertung der Habsburgermonarchie. Unabhängig von der Beurteilung hinsichtlich der Funktionderk.k. Zensur während der Verfassungs­

ära gereicht ihr eines zum Vorteil: Sie bekämpfte die Propaganda dreier Ideologien in der Presse, die ihre zerstörerische Krafterst nach dem Zusammenbruch der Mo­ narchie entfalten konnten - Deutschnationalismus, AntisemitismusundMarxismus (Kommunismus).

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