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Die Zukunft, 21. November, Bd. 45.

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Jst

Berlin, den U. November 1905.

R Ils. A-

Kwilecki5.

WardemGroßen Schwurgerichtssaal sitzt, dichtnebenderEingangs-

«thür, aufdemHolzstuhldesGerichtsdienerseinfast siebenJahre alterKnabe.GanzinWeiß gekleidet.DcrweißeKlerikerhuthängtaufdem Rücken ; derBlondkopf ist sorgsamfrisirt,derVorderschopszierlichgekräuselt.

EinhübscherJunge,deraufderStraße jedem Vorübergehendenausfallen würde.Stämmigunddochsein; schwarzeAugen, sehr lange Wimpernund diemilchsarbigeHauteinesvondererstenLebensstunde anzärtlichgehegten, gepflegtenKindes. EinpaarDamen bewachenihn, nehmen ihn aufden Schoß,streichelnihn;undhinterdenHüterinnendrängt sichdieMenge.

GeputztePolinnen, auf Sensationen birschendeSchreiber, Rechtsanrvälte in derRobe,imLandgerichtheimischeKriminalstudentinnen, Freiherren, Kutscher,TaglöhnersrauemJeder will, JededenKleinensehen;recht lange, recht nah.DenHüterinnenscheintderDrang nicht unbequem, scheintdie Möglichkeit,ihr weißesSchätzchenzurSchauzustellen, sogarwillkommen.

Siehaben sichschnellakklimatisirtundfragenvonselbstschondenVerruchter, ausdessenMienebesondereanteresse spricht,vonwelcherZeitungersei;sie zeigenZuversichtundsindzuAuskunftenimmerbereit.AuchdemKnaben macht, seitersichentschüchterthat,dasGedrängoffenbarSpaß.Die Kinder- eitelkeitist erwacht;zunett,vonsovielen Leuten bewundert zu werden. Aus lustigenAugenblickterin dasbunte,endloswechselndeBilderbuchDas Näschenmerktnicht,wieschlechtdieLuft ist;noch schlechteralssonst. Theure undbill!geParfums,verschwitzteKleider,Tabak, Alkohol,Säuglinggerüche

—- dennmanche Zeugin trägt ihrinverdächtigeDeckengewickeltesKind 22

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mitsichherum—,dieAusdünstungarmer Leute,Kossäten,Wildwärter,Stall- wägde,Knechte,diesichdenLuxusderSauberkeit nicht leistenkönnen: der Nuntius sogar,einrothblonder Riese, klagtüberKopfschmerz.DieNeugier drängtweiter.NocheinzweiterKnabeist sehenswerth.JneinemZeugen- zimmer sitzterneben einereinfachenFrau.Seitgestern istergenauwie der anderegekleidetundsrisirt.Erstehtimneunten Lebensjahr,istaber viel kleiner als derSiebenjährige.DieUrtheile schwanken.Bis einemSchlauenderEin- fall kam, auchdenKleineren zukräuselnundinElfenbeinfarbezukleiden, gabswenig Zweifel. »KeineSpurvonAehnlichkeit.DerKleine einstumpf- sinniges, unschönesProletarierkind,derGrößereeinechterAdelssproßmit allenMerkmalen alterFamilienkultur;«JetztregensichBedenken. ,,Beide habenschwarzeAugenundlange Wimpern,Beide dieselbeApfelkopfform unddasselbeKinn,dasvorgebogenscheint; auchdieHaarfarbe ist beinahe

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gleich.DerganzeUnterschiedbesteht darin, daßderEinegut,der Andere schlechtgehalten is»UnsinnlDieBeiden können garnichtdenselbenVater unddieselbeMutter haben.Warum wäre der Aeltere dannimWachsthum so zurückgeblieben?UeberhauptmachtdiebessereoderschlechterePflegebei Kindern nichtsoviel aus. Seht Euchdie Kadetten unddieMilitärwaisen- hausschüleran!Nein: der JungeimZeugenzimmerbliebeauchim Brokat- gewandederSohneinerMagd,dieselig sein mußte,als einWeichensteller siezurEhe nahm;und denseinenKnaben,derim Korridormitangeborener Würde Cerclehält, müßte auchimBahnwärterhausdaskundigeAugeals Kind einesGrasenerkennen.«SolchesGeredebeweistnichts.MitKlasscnphy- siognomikkäme man,selbstwenn sie mehrwäre alsSpielerei, hier schondes- halb nichtaus, weilauchderNeunjährigevoneinemadeligenOffizier gezeugt ist,dieSpermatozoen,dieihn entstehenließen,also nichtausdemniederen Menschenreichstammen. TrotzdemsiehtderrachitischeIungewie einausge- putztesElendskindaus. Erhatauch weniger Zulaufundguckttrüber als dasweißeHerrchenim Korridor. Das lacht, giebtBekanntengnädigeine Patschhandund räkeltsichkokettaufdemHolzstuhL HinterderThürwird inzwischendieFrage verhandelt,obseineEltern insZuchthauskommensollen.

Zweiter Theil, zwölfterAbschnittdesReichsstrafgesetzbuchesx»Ver- brechenundVergeheninBeziehungaufdenPersonenstand.«Paragraph169:

»Werein Kindunterschiebtodervorsätzlichverwechseltoderweraufandere WeisedenPersonenstandeines Anderen vorsätzlichverändertoderunter- drückt,wird mitGefängnißbis zu dreiJahren und,wenn dieHandlungin gewinnsüchtigerAbsichtbegangenwurde, mitZuchthausbis zuzethahren

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Kwileckis. 279

bestraft.«GrabeigniewWesierski-KwileckiundseineEhefrauJsabella, gebo- reneGräfianinska,solleneinfremdes-Kindfürihreigenesausgegebenhaben.

DenweißenKnaben,deraufdemHolzstuhlimKorridor Cerclehält.Den habeein armes Polenmädchenihrem Liebsten,einemösterreichischenHaupt- mann, geboren.DemSexualverkehrdieses Paares entstammen zweiKna- ben;dereine,derimZeugenzimmersitzt,ist nahbei derMutter ausgewachsen, der anderebald nachseinerGeburt,inderletztenJanuarwochedesJahres1897,

aneinevornehmeDameverkauftworden.AmzweiundzwanzigstenDezem- ber1896 hatteihnFräuleinParezazur Weltgebracht;sieheirathetespäterden WeTchenstellerMeyeyder das ältere der beidenvorderEhevonseinerCaeeilie geborenenKinderadoptirteundsichbereiterklärte,auchdasjüngerezusichzu nehmen«Wohl nichtganzfreiwillig.EinBahnwärter,dersichdanachsehnt, vom erstenTagderEheanseinBudgetmitdenUnterhaltskosten für zwei

—- nichtvon ihm gezeugte Kinder zubelasten,wärekeineAlltagser- scheinungzundselbstderedelsteSinn brauchtedenkleinenBastard nichtaus demwarmen Schloßin dieWeichenstellerhüttezuholen. DochdieRecherchen

mSachenwiderKwileeki undGenossenhatten begonnenund eingutes StückGeldmochtedemPaar sicher scheinen, dessenZeugnißdenkleinen Grafenaus demMajoratsrechtderHerrschaftWroblewo drängenwürde.

Wroblewo isteinvomGrafen JosephKrvilecki alsFamilienfideikommißun-«

veräußerlichfestgelegtesRittergutinderwronkerGegend,dasnachdem-Grund- sätzenderMajoratsordnungvererbtwird;zurErbfolge berechtigtsind,wenn ein direktermännlicherErbefehlt,dieAgnatendeserstenBesitzers,vonder Erbfolge ausgeschlossenunehelicheundAdoptivsöhne.DerStifterdesFidei- kommissessetztedenSohn seinerTochter,ZbigniewvonWesierski,zum Erben ein undbestimmte,derersteMajoratsherr sollesichWesierski-Kwileckinennen, jeder solgendenurNamen undTitelderGrasenKwileckitragen. Wahr- scheinlichmurrten dieAgnaten schondamals;denn dasHauptdesHauses

warnun jakeinechterKwilecki, hatteeinen Vateraus einfache-mAdel und konnteihnendieRasseverderben.AllmählichaberfandensieTrost.DerKnabe, denGräfinJsa ihremZbigniewgebar, starb früh,undals, nach standes- gemäßenPausen, ihrem SchoßdreiTöchterentbunden waren, schien,ander SchwelledesJahres1890,neue Nachkommenschaftnicht mehrzuhoffen, zufürchten.Zwar dachtederGraf nochalsFünfziger nichtanResignation.

ErstrebtedemgroßenMusterweiland AugustsdesStarken nach,blickte stolz auf anderthalb Dutzend illegitimer Sprossenundkrähte,wie einvon brünstigenHosdamenumschmeichelterHahn,wenninMonte Carlodie then-

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renSeidenmädchenvonihm sagten:Ungajllard jnfatigable;un male;

faitpour la- reine Isabelle ...Doch dieihmangetrauterabellawarnicht dasZiel seiner eroiischenWünsche;mit derschönenUngenirtheitderSlachta pflegteerzuerzählen,die dralle WadeeinerKuhmagd reize ihn mehralsdie hüllenloseWohlgestaltderhochgeborenenGattin. Jeder Schürzeschniiffelte ernoch, aufdenheimischenGefildenundunter dem wärmerenHimmelder Azuriüste,fand, außerdenvomGesetzprivilegirten,alleGenüsseschmack- haftundseinem VermögenerreichbarundfühltesichwiderRechtuanstte gekränkt,wenn dieEhegefährtinvorGästenundDienerschaft ihneinSchwein, einen Bummler undLumpensackhieß. Vielleichtfolgte so unsanftenReden manchmaleinSchäferstundchemdasderGraf nicht eingestand,weilsihn interessanter dünkte,vonFreundenundBuhlen sichalsstarren Weigcrerder Geschlechtspflichtanstaunenzulassen. Sicherist, daßdieEhefürzerrüttetgalt;

und alsJsas fünfzigsterGeburtstagnahte, durften dieAgnaten aufathmen.

Baldwürdeüber Wroblewo nun wieder einechterKwileckiherrschen: Graf Hektor,Miecislaws Sohn,derbei denzweitenGarde-Ulanen Lieutenant ge- wesen,ReichstagsabgeordneterUndGeheimkämmererdesPapstes geworden war. EinehübscheAussichLDasGutistzwar argverwahrlost, bringtaber nocheinenJahresertragvonsiebenzigtausendMarkundwirdsichuntereinem gutenHaushalter,derKapital hineinsteckenkann, schnellheben. Fürdie persönlichenSchuldendesVorbesitzers hastetdieFamilieals Allodialerbin.

Stirbt Zbigniew Wesierski,dannmußJsamitihren TöchterndeinHofver- lassenundHektor,derBesitzervonKwilcz,wirdHerrvonWroblewo. Allzu zärtlichscheinendieBeziehungenderbeidenHäuserniegewesenzusein;nun mußtederGedankeandenBesitzwechselsienochmehr verbitternDerMajoratss herrkonntesreilichnochzehn,zwanzigJahrelebenzerstensaberliebtwohlselten Einerdenfremden Erben,der dieHausbrutvom Futternapf drängen will, undzweitens stocktderKredit,wenndieLeutewissen,daßdernächsteTagden Darlehnssucheraus derRechtswohnung werfenkann. UndausWroblewo brauchteman immerGeld.DerGerichtsvollzieherkamsooft, daß-Herrschaft undGesinde ihn traulichals Onkeibegrüßer,undJnspektoren sogar,Ren- danten,Wanderkrämer wurdenvondemGrafenpaarumkleineBeträgeange- pumpt.Dakomint,imLenz1896,vomGenferSeeherdieKunde, Frau Jsa sei in thefamilyway. JnPosen,inWronke,inKwilczundWroblewo erregt dieBotschastzunächstnurHeitirkeiL»Die?Seit1879 hctsienichtgeboren.

DerGrafrührtsielängstnichtinehran.Woheralso?UndvordreiMonaten ist sie Fünfzig geworden.«Einguter Witz.AmEnde,meintHerrStephan

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Kwielecki,hat siedasKindin derOhrmuschel; jedenfalls nicht da,woan- dereMenschenweiberdieFrucht tragen. Doch Jsa kehrt heimundbestätigt, vonWonnestrahlend,dasholdeWunder. Jn Montreux ists geschehen;die Sonne locktefrischeTriebehervor, ich sehnte mich nacheinemSohn,der Grafwar charmant, undunsereBettenstandenimHotelzimmerdicht neben einander. Nachundnachwuchs ihres SchoßesUmfang;undim Kreis derAgnaten verstummtedasLachen.DieGräfinwar stets excentrischge- wesen;die Rolledervernachlässigten,vonMägdenundCocotten aus der Geschlechtsgunstvertriebenen FraukonntederherrischStolzen nicht beha- gen undihre ungezügeltePhantasiescheutevordemabenteuerlichstenUnter- fangen gewißnicht zurück.Siewird, hießes, den altenSchwachkonzu einem Schwindelüberredethabenundwir könnenerleben, daßsieunsirgendeinen aufgelesenenBanlertinsMajorat schmuggelt.Verwandte, Dienstboten,De- tektioes,BeobachterallerArt werdennachWroblewo geschickt.Nichtszuer-"

spähen.Jsa? SiesiehtauswiealleschwangerenFrauen.Wahrscheinlichstopft siesicheinKissenunterdenRock ;inParis, hatEiner gehört,werdennach Maß Gummibäuchegemacht,diesolchenTrug erleichtern.EineDepescheschürt denVerdacht;sieistinParisausgegeben,insposenerSlachtahotelanZbig- niewodeszabella adressirtundwird-zufällig?—demGrafenMiecislaw überreicht.Inhalt:Femme trouvtåe,maisdemande tropchåre. Da hättenwiralsodieSchmuggelsährte.Jsa sitztinParis,suchteinfürdie UnterschiebungbrauchbaresKind undtelegraphirtandenGatten,dEeVer- käuferinseigefunden, fordereaber zuhohenPreis. RechercheninParis.Die Hotellisten habenkeineGräfinKwileckagemeldet.Doppelt verdächtig:siehat, umhinter sichkeineSpurzu lassen, ihrenNamenverschwiegen.Undleugnet, mitmunterem Lächeln,daßsiejetztüberhauptander Seinegewesensei.Früher

·

warsiedort,—jazumeineguteHebammezusuchenzdaraufbeziehesichauchdas Telegramm,dasfür siebestimmtwarundihr anzeigensollte,dieempfohlene sage-femme verlangezu viel Geld. DieErklärungwirdhöflichangehört, dochnicht geglaubt;Hebammenbrauchtman ja nichtaus Frankreichzuholen.

Als dann garerzähltwird,dieGräfinwollenach Italien gehenunderstzu- rückkehren,wenn sieausdemWochenbettentlassen sei, schreibtHerrMie- cislaweinenfeierlichenWarnbriefanHerrnZbigniew.DerVerdacht,die Schwallgerschaftseisimulirt,könnedem-HerrnVetternichtunbekannt ge- bliebensein;dieAbsicht,daserhoffteKindderFrauBaseim Ausland zu entbinden,müssedenVerdachtzurGewißheitwandeln,dennsolcheAbsicht könnenurausdequnsch stammen,dieGeburtderKontrolezuentziehen.

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Jsabella lacht.DiezärtlichenVerwandten mögenum dasErbezittern, sie aber,eineBninska, tmitVorschriftengesälligstverschonen.Sielachtauch des Sippengetuschels: eigentlichmüsfeihrWochenbettaufdemposenerWilhelms- platzstehen;sonstkönneman Keinemzumuthen,dasKindalslegitimanzu- erkennen.Sich untersuchen,dieMutterschaftbescheinigenlassen?Dasfehlte noch. Ihr durftekeinDoktorjeandenLeibzundsie sollte jetzteineAusnahme machen,umdenNeidzuentwasfnenPDerfreut sie ja.Denmöchtesieum keinenPreis missen. Vielleichtwar derPlanderitalienischen Reisein den Klatschbezirkenausgehecktworden; vielleichtrieth Klugheit, ihn aufzugeben, nachdem seinZweck,dieAgnatenzuärgern, erreichtwar. EinesTages sagte dieGräsinzuihremHausarzt, HerrnDr.Rosinski: »Ich reisezurEnt- bindung nach Berlinundrechnedarauf, daßSiekommen,wenn ich rufe.«

BerlinW.10,KaiserinAugusta-Straße74.Da,wird demzustän- digenStandesamt gemeldet, habedieGräsinWesierska-Kwileckaamsieben- undzwanzigstenJanuar1897 morgensum FünfeinenKnaben geboren- LeichteEntbindung.DieHebammesollteeinePolin seinunddochnichtzur EinflußsphärederMiecislaw undHektor gehören.EineinRußlandbe- güterte Freundin Jsas hatte sich,weil dieEntbinderin ihrer Tochterver- hindertwar,nachWarschau gewandt und, durch VermittlungeinerHotel- wirthin, FrauCwellgemiethet,derenEharakterbild,vonderParteienGunst undHaß verwirrt,in derProzeßgeschichteschwankt.AmVorabend,alsdie Schmerzen begannen,warDr.Rosinski telegravhischgebeten worden, nach Berlinzu kommen;nachderGeburtwurdedie Bittedringend wiederholt.Die ersteDepeschemußinWronkeüberNachtliegen gebliebensein;beideerreichten denArzt erst,alservondenMorgenbesuchenheimkam.UmMitternachtwarer inBerlin. DieGräfinsahauswiealleWöchnerinnen.TemperaturundPuls normal. NochimmerdiealteAbneigunggegenärztlicheUntersuchung.Wozu?

Alleswar ja glattgegangenundeineKomplikationeinstweilennichtzufürch- ten.DieHebammemißficldemDoktor ;schmutzigeNägelundCigarettengeruch imSäuglingzimmer.DasKindselbstkräftigundaufsallend hübsch.Nackt sahesderArzt nicht.Esseiebenerstfrischgewickeltworden.Rosinski fand weiteresDrängen nicht nöthig.ErmahntedieCzwell auch nichtzugrößerer Sauberkeit, fragte nicht nach Urin, Bettwäsche,Nachgeburt.Undwardoch, weilerandieSchwangerschastnierechtgeglaubthatte,mitstarkem Miß- trauen gekommen,dasJsas Weigerung,sichuntersuchenzulassen,natürlich noch mehrte. Ietzt schämteersichfastseinesZweifels. Nichtnur, weilFrau vonMoszczewska,JsasFreundin,eine Dameaus vornehmemHaus,ihm

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sagte,sie selbsthabedieEntbindung mitangesehen. Auch sonst schienAlles inOrdnung.DerHausarzt,der dieGräfin seit Jahrzehnten kannte, hielt siefüreineWöchnerin,denKnaben,denerimSteckkissensah, für ihrKind.

NurKonundHändesaherfreilich;undimSchwurgerichtssaalwurde vonSachverständigenbehauptet undvonJuristen geglaubt—,amGesicht könnemannichterkennen,obeinKindgesternodervorfüanochen geboren sei. Mütter,dievon dieserSache auchEtwas verstehensollten,hobendarob dieAugen entsetztzumHimmel.EinemWürmchen,dasman inMußebe- guckendarf, nicht anmerken,obesamzweiundzwanzigstenDezember1896 odergestern,amsiebenundzivanzigstenJanuar,geborenward?.. Der-Haus- arztschiedinfroherZuversichtvonseinerPatientin. VorherhatteerdemKind nochdasZungenbändchengelöst.NachhermeldeteerdenunruhigenAgnaten, erhabekeinenZweifel,daßdemGrafeanignieweinlegitimerErbegeborensei.

AuchAnderezweifeltennicht mehr. DasGräflein wuchs heranund wurde derMutter vonMonat zu Monat ähnlicher.EinechtesBninski- Gesicht,hießesinWroblewo,inWronkeundPosenzund:Die Leutehatten wirinfalschemVerdacht.JmAgnateneckchenergabman sichnicht so schnell.

DasEingeständnißdesJrrthums hättebewiesen, daßmanallzu leichtbe- reitgewesenwar,VermandteumdesliebenGeldeswilleneinesVerbrechens zuzeihen.Undnatürlichfehlten auchdieTüchtigennicht,die braoschürten, umandemFeuer ihr Süppchenzu wärmen. Fideikommißstreit,großesOb- jekt:wasparasitischzu lebengewöhntist, drängtzumMitfchmaus,——und, verstehtsich,aufdieSeitedcrPotenten, nicht dahin,woOnkelGerichtsvoll- zieherseineVisitenkärtchenanklebtundirgendein Subalterner aushelfenmuß, wenn zweiBläulinge fehlen.DerKwilczer ist hocheingefchätztundseinVa- terMiecislaw,dessenVerhältnissevonWeitemwohlmehralsinderNäheglän- zen,hatinGalizienreicheKunkelmagenGiltauch nichtalsvieuxmarcheur undBruderSausewind,wieZbigniew. Wiirdiger;vomScheitelzurSohlekor- rekt.Herrenhausmitglicdzsehrstattlichundfeudal-preußischsoignirt;Altwil- helmsbartundtreuer Blick unter hoffähigerTotyfrisur. Wahrscheinlich wurdeandiesemältestenAgnatenvonallenSeiten herumgekratzt.Familien- etJre aufdemSpiel;einfalscherDmitriimHausdeerileckis, dieseitfünf- hUUdcrtJahren...JedenfallskamderPeervonPreußenbaldwieder in Bewegung.ErbatSeineHochgeborenaufWroblewoum eineUnterredung

»untervierAugen«.Rundweg abgelehnt. Zweiter Brief·Miecislaw traue demMajoratsrummel nicht,wolleaber,wenanigniewihmdasVerbrechen derKindesunterschiebungoffen gestehe,schweigen,bisVerjährungeinge-

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tretensei.Dasheißt:umdesEtbes sicherzusein, also eigenenVortheilswe- gen,denVerbrecherderBestrafung entziehen.Einrecht gewagterVorschlagz wäreerangenommen worden,so hättederErbieter sichderBegünstigung schuldiggemacht. Allerdingseinerstraslosen;denndievoneinemAngehöri- gen demThäter gewährteBegünstigungistvonderStrafnormdes§257 StGB ausgenommen. Immerhin sollteeinMitglieddesHerrenhausessol- chenVorschlagnichteinmal als Köder verwenden. Wesierskis gingen nicht in dieFalle.UmdenSchreckenzuenden, klagensiegegen denGrasenMie- cislawausAnerkennung ihres Sohnes.TermininPosen. JsamitdemKna- benvorGericht:derAugenscheinzeigtdieAehnlichkeit FrauvonMoszezewska beschwört,sie sei währendderEntbindungimWohnzimmer gewesen·Nach dieserAussage beantragtMiecislaws AnwaltVertagungundschreibtfcinem Mandanten,dieSache scheineihm einstweilen wenigstens aussichtlos. Jm nächstenTerministderBeklagte nichtvertreten noch selbst anwesend.Ver- säumnißurtheilzuGunstendesKlägersDieAgnatcnhabendenkleinanoseph Stanislaus AdolfalsGrafenKwileckianzuerkennen.VonRechteswegen.

Inzwischen sind vierJahrevergangen. Diegerichtlichzum Anerkennt- niß Gezwungenen erzählenJedem,dershörenwill, daßsiedenKnirpsin Wroblewo nachwievorfüreingekauftesKindhalten.Wcsierskis sitzenso tiefin derKreide, daß siegezwungen sind,eineBankzusuchen,dieihnen, gegen dasRecht,dasGut zubewirthschaften,einehalbwegsauslömmliche Rentezahlt. Auch unterihrenLeutenmagin solcherKalamitätMancher wohl denken, daßesschließlichamBestenwäre,wenn deerilezer insSchloßein- zöge.EinelangeVormundschafthabellens,diestetsbuntePlänemachen,doch nierechnenkonnte:Dashättejust noch gefehlt.DieLegendewar nie ganz verstummt.EineKindesunterschiebungistaufallenHintcrtreppenein unge- meinbeliebterStoff. Jetztwar dieZeit erfüllt:die Mirakel konntenbegin nen. VonderSorte,die derskeptischeBlicknicht für unerklärlicheWunder nimmt. Siekamen, wuchsenim Wandern undhäustensich. JmCivil- prozeßhattedieHebammeKatharina Ofs owskabeschworen,siehabedieGräfin in denAnfängenderSchwangerschastmassirtundsichdabeiselbstüber- zeugt, daßeinKind zu erwarten war;dieFrauhattedieseWahrnehmung auch schriftlichbescheinigt.BaldmeldetesichinKwilcz"Jrgendwcr,der ganz, aber ganz genauwußte,dieOssowskahabein einerschwachenStunde aus- geschwatzt,ZeugeneidundAttest seien falsch.Dann tratHerr Hechelskiauf denKampsplatz. Kaufmann, Agent, Detektive;inalle Sättelgerecht.Der wußtemehr; soziemlichdie·Hauptsache:woher Jsas Spätfruchtgeholt,wem

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derBastard abgekauftsei. Zu Mirakeltagen gehörenvorallenDingenaber Hysterische.Für sie ists Festzeit. Endlich darf ihr Drang, sich wichtigzu machenundhöchstinteressantzuscheinen, sich fessellos bethätigen.Eine wenigstenswar im wronkerAmtsbezirkschongesunden. Fräulein Jadiviga Andruszewska,TochtereinerFrau,diein Wroblewo Jahre lang Wirth- schafterinundFamilienfaktotum gewesenwar. AnsehnlicheSymptome.

Hager,nervös,reizbar;die Rede baldwieeinGießbach,baldstockendundscheu, alsverblassedasGedächtnißbildwährenddesSprechens.MitspitzenEllbo- gendrängtsiesichin denMittelpunktdesGrasenzwistes.Sacht finges an.Un- glaublich,wiesieinWroblewo behandtlt werde!Z urückgesetzt,eingesperrt,ange- fahren, geprügelt,andenOhren gezaust.Warum? DieGräsin sei doch sonst nicht so schlimm; stolzzwar, dochgut zu den Leutenundgeradederalten Andruszewskabis zumletztenTagdiegnädigsteHerrin.Ja,warum! Weil ichebenmehr weißalsAndere. Wasdenn? Na,vondemKind.Nachund nachlamsheraus.MutterAndruszewskawar imAuftragderGräfin,deren Leib keineFruchttrug,inKrakaugewesen,UmeinenpassendenKnabenzu kaufen.Hatteihn auchbei einerHebammegefunden und, sammt Nachge- burtundNabelschnur, nachBerlingebracht,woerihrvonzweiDienerinnen aufdemBahnhof abgenommenund indieKaiserin Augusta-Straßebefördert wurde. DieMutter hatsderTochteranvertraut, sie aber,nmnichtwegen geleisteter Beihilfe strafbarzuwerden,verpflichtet,denMundzuhalten, so langedieAlte lebe.AlleshatMutter erzählt.DieGräfinwar 1897 nicht schwanger.KeinGedanke! Siewickeltesich Tücherum denLeib, hing Schrotbeutelum denTaillengurt,war auchinParis,um einenGummi- bauchzukaufen.Undehesiezu derWochenkomoedienachBerlinfuhr, ließ sie Schweine schlachtenundnahm sechsmitSchweineblut gefüllte Roth- weinflaschenmitaufdieReise.Damit BettzeugundUnterlagen hübsch röthlichseien.Bei Alledemhat Frau Andruszewskamitgewirkt.Und Alles.

derTochtererzählt;sogar,daßdieNachgeburtineinemSteintopsvonKra- kaunachBerlingeschafftwurde.UndaufdemTotenbett dasdurfte nicht fehlen ermahntedie Mutter ihre Jadwiga,demGrasenHektorKwilecki aufKwilczdasfurchtbare Geheimnißzuenthüllen.Dann starb sie;und weil dieTochterimVerdacht stand,dasVerbrechenzukennen,wurdesie Natürlichschlechtbehandeltundweggeärgert. Natürlich?Noch natürlicher, wirdMancher meinen,wäre derVersuchgewesen,einMädchen,dasEinen insZuchthausbringen kann,durch Wohlthatansichzu ketten undumkeinen PreisausdenHändenzulassen.VielleichtaberdachteJsa,mit der Aus-

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sageeiner Totensei-nichtsRechtes anzufangen.Einerlei. Die alte Andru- szewskamuß jedenfalls einewunderliche Heilige gewesensein.Siekonnte ein Vermögeneinheimsen denndieAussagederLebendenhättedenStreitfürden Kwilczer entschieden—- und hausteundstarbinKümmerlichkeit.Nuraus FurchtvorStrafe? Erstens mußtenWesierskis ihr geben,wassieverlangte.

Undwenn danichtviel zuerpressenwar: demGrafenHektorhätteeineno- tariell beglaubigte Aussage genügt,dieererst nachdemTode der Altenzu verwenden brauchte.Noch Wunderlicheres.BisanihrEndeschiltFrauAn- drufzewsla Jeden,derJsas Mutterschastzu bekritteln wagt,einenNarren undschlechtenKerl:undstiftetdann ihre Tochter,derenZerfahrenheit sie dochkenntundmitdersie manchenTanz hatte,an,dasGeheimnißnach Kwilczzutragen.OffenbarausreinstemRechtsgesühl.Jadwiga schreibt Allesauf;wassehr nützlichist,dennihr Gedächtnißvermagnichteinmal Erlebnissefesthalten, dic,man darfeswohl, ohnezuübertreiben,sagen, nicht ganzalltäglichsind. Schwarz auf WeißkommtdieGeschichteinHechelskis bewährteHände.Derrecherchirt,kombinirt,eruirtundhat schnellalle Ketten- gliederamblankenSchnürchen.DasPseudogräsleinheißtLeoParezaund istvon-einemösterreichischenHauptmannimSchoßderjetztdemBahn- wärterMeyer angetrautenCacciliegezeugtunddiewirklichegeheimeMutter hatdenJungen,densie fünf Wochen nachderGeburt für hundertGulden weggab,nachdemBildealsihrKindrekognoszirt.Die Stimme desBlutes!

Auchdie krakauerZivischenhändlerinhatHechelskiermittelt. Leiderist sie schontot.Wie dieCzwellunddieAndruszewsta. DochHechelskisGeniehat Leichenscheuniegelerntundweiß,daßTotesehrberedtseinkönnen.Hechelski forscht, verspricht, droht, ist nirgendsundüberall undläßt sich,einRitter derWahrheitundLegitimität,von-Hektornicht vielmehrals seineAuslagen ersetzen.AndereHelfermeldensich, gewißvom BeispielselbstloserBürger- tugendangelockt,undneueSpur tauchtausdemDunkel.Jn Paris hateine Dame,diemirausländischemAccentsprach,thatsächlich1896 einen Gummi- bauch bestelltundgekauft. Jn Paris hat ungefährum dieselbe Zeiteine Damebei einerHebammeein Kind zukaufengesucht. Solche Gesuchesind dortnichtganzseltenunddempolizeilichenAufrufantworteten dennauch promptetwazwanzig Entbinderinnen,vondenenSäuglingezurAdoption verlangtwordenwaren. DocheineSucherin hatteunaccents allemand

daßdiepariserUnschuldDeutsche,Russen,PolennieanderSprache erkennt, istüberjedenZweifel erhaben-,—: warum also solls nichtdieSelbegewesen sein,diesichdieMutterkonturen ausGummianmessenließ?NachderHeb-

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Kwileckis. 287

amme dieWaschfrau.Diebezeugt, daßsievornimHemdederGräfinwäh- rendderangeblichenSchwangerschaft einenBlutfleck gefundenhabe,dernur vonderMenstiuationkommenkonnte.Katamenienz also nichtin derHofs- nung. AuchDienstbotenwollenMenstrualblutspuren gesehenhaben.Mira- kel überMirakel. FrauOssowska,diefrüher selbstschoninGemüthsruhe eineKindesunterschiebungarrangirt hat, erliegtderGewissensfolterundbe- kennt, daßsiederGräfineinfalschesAttest ausgestelltundinPosen, ohne angestiftetzusein,einenMeineidgeleistethabe. JadwigalAndruszewskaund Katharina Ossowska:Dasistviel.Mindestens zweineueThatsachen,diezur Wiederaufnahme desBerfahrenshelfenkönnten.DazuKrakau,CaecilieMeyer, dieStimmedesBlutes(auchdesinNachthemdengefundenen),diepariserPolin -mit demdeutschenAccent:überWroblewoziehtsichsdräuendzusammen.Und schließlichmeldetsichauch nocheinDroschkenkutscher,der 1903 ganz genau weiß,daßeramsechsundzwanzigstenJanuar1897zweiFrauen,dieernach derSprache für Polinnen hielt,vonderKaiserin Augusta-Straßenachdem SchlesischenBahnhofund, nach langerWartezeit,wiederzurückgefahrenhat.

Die Einehieltdie Arme unterm Mantel undschienEtwas zuverbergen.

An demselbenTage also,wodasinKrakau gekaufteKindnachBerlinge- brachtworden war. Nun fehltekeinGliedmehrin der Kette. FrauAn- druszewskawar mit derAmme,die denKnaben unterwegs säugenmußte, aufdemSchlesischenBahnhof angekommenundvonzweiDienerinnenJias empfangen worden,denensieKindundSteintopf übergab.DenTopfin dendazu mitgebrachtenHandkoffer,dasKleinein einemKörbchenunter den Mantel: nach Hause!...HechelskialsTriumphator. Einlückenlofer Beweis. GrafMiecislaw Kwitecki, MitglieddesHerrenhauses,hattedie- Staatsanwaltschaftaufgefordert,inSachenchWesierskisKwileckiundGe- nassenenergischundohne AnsehenderPerson vorzugehen.Das geschah- Hinreichender,balddanach dringender Verdacht. Voruntersuchungmitun- zähligenZeugen. DieAnklagewurdeerhoben,dasHauptverfahreneröffnet- ZuerstwardieGräfin,dannauch Zbigniew verhaftetworden.

Dasitzensie. Beinahe schonheimischaufderMarterbank derAnge- klagten.Seine Hochgeborennicht gerade überwältigendelegant.Grauer SakkoanzugundgelbeSchuhe.FürdenSchwurgerichtssaalkonnteermehr leisten.SchlotterigeHaltung.DieSprache fast unverständlich.Zahnlücken oderschwereZunge.Abererfüllt seinenTypusaus, wie dieFranzosensagen.

Jn Schönheitverlüdert. ManchenSturm erlebt, mancheDemüthigung hingenommen. Dochder TondesWesens klingt nicht schlecht.Undwenn er

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