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Die Zukunft, 28. November, Bd. 45.

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Zukunft

Berlin,»den 28. November 1905.

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Jmmediatbericht.

H enn demnach schondieRücksichtaufdenEtatempfahl,dieEin-

'''« ZberufungdesReichstagesnichtlängerhinauszuschieben,sosprachen.

dafürauchErwägungenandererArt.DasdeutscheBolthängtinfesterTreue anseinengroßenInstitutionenundeskannnichtdieAufgabederAllergnädigst mit derFührungderStaatsgeschäftebeauftragtenMännersein, diesesTreu- verhältnißzu lockern. Die NationwillvonZeitzuZeit ihrenHerzschlaghören, umdaraus dieGewißheitunverminderter Gesundheitzuentnehmen.Ihrem Jdealismus dieseGelegenheitzuverweigern,wäre ebenso falschwiejedeAn- wendung stimulirender Mittel,die denPulsschlag beschleunigen,dieTempe- raturderVolksseeleerhöhenkönnten.Dieser unwillkommeneEfsektwürdeaber zweifelloseintreten,wenn wir dasneue Parlamentsofortvorentscheidende Fragen stellten.EinjungerReichstagist nichtminderueroösalseiner,dem die Stunde derAuflösungnaht.Beidenwird diekühleStaatskunst vermeid- licheGemüthsbewegungenersparen.VondiesemGesichtspunktging,wie in denletztenJahren, auchdiesmalunserHandelnausundwirbrauchen,im BewußtseinredlicherfüllterPflicht,denfrivolen,nurvonlärmsüchtigenDe- magogen gegen unsgeschleudertenVorwurs,wir ließenesanschöpferischenAn- regungenfehlen, gewißnicht zuscheuen.Damitsoll nichtetwagesagt sein,die Volksvertretungwerdevomersten Tag ihres-LebensaneineEntziehungskur durchzumachenhaben.DerArbeitstosfwirdihr nichtmangeln;nur imTempo wird einweisesMaßnöthigsein.DieNovellezumBörsengesetz,dieEinführung derKaufmannsgerichte:diesewichtigen,wenn auchnichtzustürmischerAuf- wallung AnlaßbietendenVorlagenwerdenunsdiePhysiognomiedesHauses

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kennenlehren.DanebenwerdendieErörterungenüberdieHandelspolitikund dieinternationale StellungdesReiches fortgesührtwerden,diejanachkeiner Seitezu bindenden Entschlüssendrängen.DerHinweis-,daßwir zu allen GroßmächtenfreundschaftlicheBeziehungenunterhaltenundim Dreihund- vertragauchfernerhindieuneischütterlicheBasisdesWeltfriedenssehen,wird nichtzuentbehren sein. Auch glauben wir,einvorsichtigesWortüber den gedeihlichenFortgangderhandelspolitischenAktionempfehlenzudürfen.

GünstigeMomente erblicken wir in dererfreulicherenGestaltungdes deutschenWirthschaftlebens,derenRückwirkungauf dieReichssinanzenbereits fühlbarist,vorAllem aber in derThatsache,daßwir,wenn einförderliches Zusammenarbeiten sichnicht ermöglichenließe,in derbequemenLagewären, denReichstag aushungernzu können.DadiegroßengesetzgeberischenAr- beiten desabgelaufenen Jahrzehntes erledigt sindundzuletztauch nochder Zolltarifangenommen wordenist, zwingtunsnichts,umdenPreis werth- vollerOpferoderinnerer KriseneineVerständigungmitMajoritätenzu suchen,die,unmittelbar nachdenWahlen,gesonnen sein dürften,sichin dem Schein stolzerSelbständigkeitihren Wählermassenzuempfehlen.Wasdas ReichalsLebensbedarfbraucht,wirdunterallenUmständenbewilligtwerden;

unddarüberhinausgehendeWünschekönnen wir beim Eintritt schlechtenWet- tersin dasangenehmereKlimaderbundesstaatlichen Landtage tragen. Auch dieseErwägungriethzu derDiät,mit derjetzteinerster Versuchgemachtwer- densollundaufdiederVolkskörperschonwährendderparlamentarischenRuhe- pause sorgsamvorbereitetwordenist. Nicht ohneErfolg.DieLeidenschaften, dievorundin derWahlbewegungdenPatriotenerschreckenkonnten, sind spurlos verschwundenund demersahrenen Augekannnicht entgangen sein, daßdiepolitischenDebatten niemals mitruhigerer Nüchternheitgeführt wurdenals indiesemHerbst,fürden unskritischeTageangesagtwordenwaren.

DieserfürRegirung undVolkgleichbehaglicheZustandwärenichterreichtwor- den,wenn wirnichtmitäußersterGewissenhaftigkeitvermiedenhätten,dem InteressenstreiteinengroßenGegenstandzuliefern.SeitMonatenhatdie öffentlicheMeinung sichkaum miteinempolitischenThema beschäftigt,beidem dasAnsehenderRegirung irgendwie engagirtwar.DiesenErfolgkannauch dasBedenkennicht verkleinern, daßdierednerischenBedürfnisse,die keine AussichtaufandereBefriedigung haben, sichwährendderBerathungdes Reichshaushaltes geltend machenwerden. Hierwirddochnur wiederholt werden,wasvorherin denZeitungen standundschnellundwirksam zurück- zuweisen ist.SohabenwirdenndieZuversicht, daß unser Programm...

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Thomas undJaneCarlyle· 317

Thomas und Jane Carlyle

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darf vorausgesetztwerden,daßEarlyleinDeutschland unvergessenist.

JnvielenBeziehungen stehter zuuns. ZuSchillerundGoethe, zuFichte,HegelundKanthatersichinverehrender, stürmischerLiebe,wie esinseinerArtlag,bekannt. Ihnenverdankeerja,demAbgrundderVer- neinungunddesZweifels entrissenworden zusein,in dem,Jahre hindurch, seineSeelesichzermarterte. Auf Jean Paul,wenn nicht ans Novalis, führen mancheEigenthümlichkeitendesStiles zurück,indemCarlyle,dieGeißel seines unnachahmlichenWortes schwingend,sein Geschlechtzuzüchtigenskam Denn zumPropheten glaubte sich dieser Sohn schottischerBauern»berufen.

Nichtim Sinn derVerkündungzukünftigerDinge, sondernalsRichterder ZeitunddesGeschlechtes,denendie utilitarischeBotschaftmateriellenWohl- ergehenswieangenehmeMusikindenOhren klang. Nichtswar Carler verhaßteralseinesolcheMelodie. Sein ganzes Werk,obphilosophisch nnd kritisch,obhistorisch,dassichimErnst,derihnnieverließ, inZorn undUnmuth,in bittererSatire, ingrimmem Humor,inberedsamerSchwer- muthundleidenschaftlicherNhetorik Luft machte, istgegen dieUtopieirdi- scher Glücksäligkeitgerichtet. »DasWort desWeisesten unserer Tage«, daßLeben imeigentlichenSinn nur mitEntsagenbeginne,ist ihmaus der Seele gesprochen.Erfragt,was esdenneigentlichsei,worüberaucher

seitseinen frühestenJahren sich aufgeregtund erhitzt,sbeklagtundinQual verzehrt habe· »SageesmiteinemWort: istesnichtetwa,weil-Du nicht glücklichbist?WeilDeinDu (o süßer Gentleman) nicht genügendgeehrt, genährt,sanft gebettetundliebend besorgt ist? ThörichteSeele! Welche gesetzgeberischeMaßregelverbürgtedenn,daßDuglücklichseinsolltest?Eine kleine Weile:und DuhattestgarkeinRecht, überhauptzusein. Undwas hättestDu dagegenzusagen,wenn Dugeborenunddazu vorbestimmtwärest, nicht glücklich,sondern unglücklichzusein!BistDuwirklich nichtsAnderes alseinRaubvogel,derdasWeltall durchfliegt,um Etwas zumFressenzu finden,nndeinKlagegeschreierhebt,weil-nichtgenugAasvorhandenist?

SchlageDeinenByronzuund. DeinenGoethe auf. Esleuchtetmirein.

Jch seheeinenLichtstrahldavon. Es istimMenschenetwas Höheresals die LiebezumGlück: erkann ohneGlückdurchkommenund statt dessen Segen finden! Waresnicht,um dieses Höherezu verkünden,daß Weise undMärtyrer,derDichterundderPriesterzu allenZeiten gesprochenund gelitten haben,um imLebenwieimTodeZeugnißfürdasGottähnliche imMenschenundauch dafürabzulegen,wieebenindieser Gottähnlichkeit alleinerKraftnndFreiheit finde? Undbist nicht auchDu dazuauser- wählt, diese gottgegebene Lehrezu empfangenund unter barmherzigen

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31 R DieZukunft.

Prüfungenzusammenzubrechen,bisDusiereumüthigverstandenhast?Beim Himmel:dankeDeinem Schicksaldafürundtrage dankbar,was zutragen bleibt. Es thutDirnoth,dasSelbstinDirauszurotten. Durch wohl- thätigexFieberparoxysmenwird das Leben über dastief sitzendechronischeUebel Herrund besiegtdenTod. Diebrausenden WogenderZeit verschlingen Dich nicht,sondernhebenDich inewige Klarheit. Das istdasimmer- währendeJa, indem allerWiderspruchsich auflöst:wer darin wandelt undarbeitet,Dem wirdeswohl ergehen.«

Dieser festeGlaube andieOffenbarungGottesinderMenschenseele, derihnzumAusspruch veranlaßt,Dem,derGottnichtinseinem Inneren finde,werdeerin derWelt derErscheinungniemalszumBewußtseinkommen, istderGrundton undInhaltderBotschaft Carlyles. Darauf ist sein Herer- kultusbegründet,seine VerehrungdesHeldenalsdesMannes, demeina göttlicheSendunganvertraut istunddersie,allenGefahrentrotzend,sieg- reichzuEndeführt. Nichtdieunweisen Vielen, sonderndieeinzelnen Weisen sinddiegebotenenFührer, gleichviel, ob aufdemSchlachtfeldoder sonstimgrellen Licht irdischerMachtstellungoderinderVergessenheitund WeltabgeschiedenheitderZelle;denn was denHeros kennzeichnet,ist nicht die intellektuelle,sonderndiemoralische Ueberlegenheit.DerHerrschaftder Majoritäten setzt Carler denKultus derSuperioritätenentgegen,—Derer, die iminnersten WesenderDinge,imWahren, Göttlichen,Ewigen leben, das, immervorhanden, denMeisten,dienur dasZeitliche,dasTriviale zu entdeckenvermögen,unsichtbarbleibt. Seineganze LebensarbeitisteineHeraus- forderung,eineKriegserklärungandieihn umgebendeZeitundWelt,»denn Gott derMammon, derenHerrder Gewinn is.« Carlyle,der sichin frühemMannesalter denvon frommenEltern ihm auferlegtenFesselnder strengsten kalvinischenSekteentwunden undnieeinemKirchenwesenange- schlossenhat, ist dennochbiszum EndePuritanergeblieben.SeinMeister- werk, der»Crornwell«,istdieVerherrlichungderpuritanischenSeele; sie beschränktsich darauf,denTextzukommentiren,den dergrößteihrer Söhne demBiographen hinterließDemachtzehntenJahrhundertbliebesebensoun-

verständlichwiebefremdend,daßHeerführer,die inThränendenHerrn suchten, inderBibelVerwaltung-undKriegskunstentdeckthaben sollten.DieAuf- klärunghielt Crornwell,wonichtfüreinenGaukler, so dochfüreinenehrgeizigen, zanksüchtigenFanatiker undseine puritanischenAnhängerfür traurigeNarren.

DieZeitgenossenBolingbrokesbegriffen nicht,wiediesevonGewissensängsten gesolterten,bornirten Köpfe dazu gekommenwaren, kriegerischeErfolgezu erringen,denKönigzurichten, dasParlamentzureinigen, EuropaStand zuhalten,dieFreiheitzuerkämpfen,die Meerezubeherrschen,neue Reiche undKolonien ins Daseinzurufen. Das Räthsellöste Carlyle.Erbe-

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ThomasundJaneCarlhle.l 319

kanntesichzuMännern,diedemRufdesGewissens gefolgtwaren und nachGerechtigkeitverlangten;ererklärte dieGröße ihrer Thaten durchdas Wesen ihres Pflichtidealsund begriffdenGeist,derdemseinenverwandt war. Taine,alserdiesen ,,Eromwell«las,wünschte,esmöchtekünftigalle Geschichtesowiediese geschriebenwerden, undwolltealleregelgerechtenAb- handlungen,alleschönen,farblosen SchilderungenderRobertsonundHume dafür hingeben.Dennhier seiderMensch selbst auferweckt.KeinBericht- erstattertretezwischenihnunddieThatsachenundversuche,statt seinerzu denken. DieWahrheit spreche.

MehralsdreißigJahre lang,von derVeröffentlichungdesSartor Resartus bis zurVollendungderGeschichteFriedrichsdesGroßen,gehorchte CarlerdemRufinder eigenen Brust, Wahrheitzu verkünden. Damit war sein Schicksal besiegelt· Jm viktorianischenEnglandwurdederProphet nichtgesteinigtundauch nichtverbrannt. Erärgertenur undwurdewieder geärgert;undDas war dasSchlimmste,was einemMann, derzeitlebens

anDyspepsielitt,widerfahrenkonnte. Waresbillig,etwasAndereszuer- warten? WährendEarlyle seinen widerspenstigenMagenmitHafergrütze beruhigte,bereiteteerdenZeitgenossenmitzunehmenderregterGalle und bitterstem HumordieUnverdaulicheKost seiner ParadoxenundJnvektiven.

»Den siebenundzwanzigMillionen Menschen,meistNarren«, die dasEngland von 1830bis 1840 bevölkerten,erzählteermitnicht mißzuverstehenderDeut- lichkeitdieGeschichtevon denSchweinen, »den vierfüßigen«,wieer,jedes Mißverständnißausschließend,hinzufügte:

1.»Vorausgesetzt,·essei denkendenSchweinenmöglich,vonihremBe- griffdesUniversums, ihren InteressenundPflichtendarinRechenschaftzugeben.

Wäre Das nichtwissenswert,h,vielleichtauchüberraschendfüreinzurUnter- scheidungfähiges Publikumundanregend fürden etwas darniederliegenden Bücher- markt? DieStimmen allerGeschöpfe,so heißtesja, sollen abgegeben werden, damitesdadurch möglichwerde,mitbessererEinsichtfür sieGesetzezuschaffen.

,WieließesicheinDing regiren, ohne daßman vorher seinVotum einholte«?

fragen jetzt Viele..·Schweinevorschlägelautetcn inKürzeungefähr:Soweit nach gesunder Schätzungzuerkennen, istdasUniversumeinriesigerSchweine- trog,gefülltmitFlüssigemundFestem,auchanderem Zeugundsonstigen Gegen- sätzen,ganzbesondersabermitErreichbaremundUnerreichbarem, dasUn- erreichbareinfürdiemeistenSchweineüberwiegenderMenge.

L.Das moralisch Schlechte bestehtinderUnmöglichkeit,dasmoralisch GuteiU derMöglichkeitdesWälzens für dieSchweine.

3.Was istdasParadiesoderderZustand derUnschuld? Nachder MeinunggeistigfchwacherSchweinebestanddasParadies, auch Zustandder Unschuld, GoldenesZeitalterundnochanders genannt,in derunbegrenzten Fähig- keitdesGenussesvonSpülicht,inderErfüllung jedes Wunsches, so daßdie EinbildungskraftdesSchweinesdieWirklichkeit nichtmehr überbieten konnte:

eineFabel,eineUnmöglichkeit,wiejetzt allevernünftigen Schweine einsehen.

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. 4.Bestimmen Sie dieGesammtpflichtenderSchweine?Es istdieMission desgesammten SchweinegeschlechtesunddiePflichtaller Schweine,zuallen ZeitendieMasse des Unerreichbarenzuvermindern,diedesErreichbarenzu vermehren.AlleWissenschaft, FindigkeitundKraftaufbietung muß daraufund darauf alleingerichtet bleiben. Schweinewissen, SchweinebegeisterungundAus- opferung kennen kein anderes Ziel. Es begreiftallePflichtenderSchweineinsich.

5.DieDichtkunstderSchweine soll allgemeineAnerkennungundLob- preisungderVortrefflichkeitvonSpülichtundgebrochenerGerste,dieGlücksäligkeit derSchweine,diegesättigt sindundderenTroginOrdnung ist,zumAusdruck bringen.Grunzl«

6.Das SchweinkenntdasWetter; essollAusschauhaltenundsehen, woherderWindbläst.

7.WererschufdasSchwein?Unbekannt; vielleichtderSchweineschlächter?

8.,GiebtesGesetzundOrdnungimSchweinereich?·MitBeobachtungs- gabeversehene Schweine habenherausgefunden, daßeinDing,dasman Ge- rechtigkeit nennt,existirtoderdocheinmalals vorhandenvorausgesetztwurde.

Wenigstens giebtesunleugbarin derSchweinenatureinGefühl, das,Entriistung, Racheu.s.w.genannt, inmehroderweniger zerstörenderArtundWeiselos- bricht,wenn einSchweindasandereherausfordert:in Folge Dessen sindGesetze, ja, isteineüberwältigendeAnzahlvonGesetzen nothwendig. DennStreitig- keitenziehenBlutverlust, EinbußedesLebens,vor Allem eineerschreckende AusgießungdesSpiilichtsunddamit den Ruin (den zeitweiligen Ruin)ganzer Abtheilungendesallgemeinen Schweinetrogs nachsich: deshalbmüssenRecht undGerechtigkeitwalten,damit solche Reibereien möglichst vermieden werden.

9.,WasistGerechtigkeit?«Deineigener Antheilamallgemeinen Schweine- trog,nichteinTheilmeines Anspruchesanihn.

10.,Aber worinbestehtmeinAnspruch?«Achja, darin liegtthatsächlich diegrößteSchwierigkeit,über die dasSchweinewissen, nachso langem Sinnen, noch durchausgarnichts beschlossenhat. Mein Antheil... Grunzl...mein AntheilistimGanzenAlles,was ichzuerwischen vermag, ohne gehenktoder aufdieGaleeregeschicktzuwerden«.

Durch solcheSpannungen satirischcrLaunemußtederHumoristCar- lyledemSittenpredigerundReformer Carler Gehör erzwingen.Dasging nichtohne harte Schlägeundnur um denPreisab, dieOpfer seiner Zorn- ausbrüchedurch gewollteUebertreibungendes Stils, durcheinunausgesetztes Feuerwerk, oft cynischerundbrutaler, ostgänzlichphantastischer,aberstets origineller, überraschenderGedankeninAthemzuhalten.Nurwenn er die MenschendurchdenAnblickihrerVerkehrtheitengedemiithigt,desJrrthumes überführtund zumLachen gebracht hatte,konnteesgelingen, siemitsich fortzureißenundfür Jdealezubegeistern,die,seiner pessimistischenWeltan- fchauung nach,derKircheund demStaat, derSchulweisheitderPhilo- sophenund derRoutine-der Gesetzgeber,vor AllemdensiegesfrohenBer- lündern derutilitarischenMoral verlorengegangenwaren.

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ThomasundJaneCarlyte. 321 Nachdenselben MethodenwieseineKritikundseineethischeLehre bauteEarlyle Geschichteauf. Esist bezweifeltworden, oberüberhauptein Recht darauf besitze,unter denHistorikernimeigentlichenSinn seineStelle einzunehmen. Nichtetwa,weilerunterlassen habe,Dokumente zuprüfen, TexteundDaten zuvergleichen,Quellen auszunutzen. Die Massedes historischenDetails hat vielmehrdieWirkung seiner vielbändigenGeschichte desgroßenFriedrich, diese ,,lebendeBildsäule«,wie Bismarck sienennt, be- einträchtigt,weilendlichdieKraft versagte, sovieleeinzelneZügezu einem einheitlichenBildzugestalten.Aber um offizielle,diplomatische,politische oderökonomischeGeschichteallerdings istesdiesemSehernichtzuthun.Die ThatsachensindderAusbau fürdasVerständnißdesMenschen;dergroße Mann verkörpertdieZeit. Die SeeleLuthers erschließtdasGeheimnißder Reformation;denCalvinistnus verkörpertKnox;dieRevolution ist Fleischge- wordenundverurtheiltin Mirabeau,inRobespierre.NichtsvonAllern,was dazu beitragenkann,solcheMenschenzu erklären,ist gleichgiltig;umsiezu verstehen,istesnothwendig, ihr Genossezu werden,inihreEmpsindungwelt sichzuversetzen,mitihremHerzenzufühlen,zu leiden,zuwollen, ihren Schatten auszuweckenund niemals zuvergessen,daß diese Menschen ewig leben undwieerselbst, ihrBiograph, Rechenschaftgeben müssenvon den Thaten,diesiehieniedenvollbrachten. Jn diesem Licht geschaut,wirddie Geschichtelebendig.Sieist fürCarlyledieChronik Dessen,was dergroße Mensch aufErden gearbeitet, gethanundgeleistethatimDienstederge- heimnißvollenMacht,dieihnvorwärts triebnachunbekanntenZielenundin ihm sich offenbarte: »Siewaren dieFührerderMenschheit,diese Großen«, rufterbegeistertaus,»dieBildner,dieMuster,imweitestenSinndieSchöpfer Dessen,was dieMassederMenschenzuthunund zuerreichenvermochte;

alleDinge,die wirinderWelt vollzogen sehen, sind nichtsAnderesals dasäußerematerielleErgebniß,diepraktischeVerwirklichungundVerkörpe- rungderGedanken, die ingroßen Menschenlebten...Versucht immerhin dasWerkeinessolchenMannes unter GuanohügelnundExkrementenvon Eulen zubegraben:eswird nicht,kannnicht untergehen.WasvonHelden- muth,wasvom LichtderEwigkeitimMenschenundinseinemLeben war, DaswirdmitgenauesterMessungdenEwigkeitenhinzugefügt,bleibtfürimmer einneuer göttlicherTheilderSumme aller.Dinge...Deshalb istder HeroenkultuszudieserStunde,zuallenStunden diebelebendeKraftdes menschlichenDaseins;dieReligion beruht aus ihm,dieGesellschaftstütztsich auf ihn. Dennwasbedeutetesonst Loyalität,diederLebenshauchallerGesell-

·schaft ist,wenn nichtdenAusdruckdiesesKultes,dieunterwürfigeBewunde- rungfür Solche,diewahrhaft groß sind?«

Nichtswar unpopuläreralseinesolcheTheorie·Sieverurtheiltedie

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DieZukunft.

französischeRevolution Dasmochte hingehen—, abersie brach auchden Stabüber das moderneEngland;undCarlyle wußte,was erzugewärtigen hatte,alsermitunbändigemZornsichanschickte,allevaterländischenGötzen zuzerschlagen:die moderne Philanthropie,dieparlamentarische Uebermacht, dasSelf-Government,dasökonomischeEvangelium,dasStimmrecht,das den»Quashee NiggerSokrates oderShakespeare gleichsetzt«,dieJagd nachdemGolde,dieUeberschätzungdesKomforts,dieUnersättlichkeitim Genießen,Horseh00d, Dogh00d, wieersagt. DieLeutehielten ihn für wahnsinnig.Esbestärktesienur indieser Absicht,alsernachdemKrim- kriegdieEinführungder allgemeinen Wehrpflicht empfahlundin»Past andPresent«· nichtdasgeringsteHehlausseiner Ueberzeugungmachte, daß, wer nichtarbeite,auch nicht besitzensolle. »Ein richtigerTageslohn füreine richtige Tagesarbeit gehörtzu dengerechtfertigstenForderungen,dieRegirte jemalsanihre Regirer gestellthaben«,schrieber,abererfügte hinzu,der gerechteAnspruchdesArbeiters seidamitnicht erledigt,Geldentlohnungnicht daseinzige Bindeglied zwischenMenschen. »Um Gerechtigkeitringtder arme Arbeiter,um einengerechtenLohn, nichtnur inMünze. Obwohler esselbst noch nicht weiß, möchtederan dieArbeit gebundene Unterthan einenweisen und liebenden Vorgesetztensinden. Jst nichtetwa auchDas billiger Lohn für geleistetenDienst? EinemännlichwürdigeStellungund BeziehungzurWelt,inderersichals Mann fühlt: dafür kämpfter. Denn Liebe kannnicht durch Quittungen erkauftwerden und ohneLiebe können MenschendasZusammenfein nicht ertragen«.

WiderspruchkonnteeinenMann,derso dachtewieCarlyle,nur im Bewußtsein,daßihmeineSendunggewordensei, bestärken.Dieletzte seiner Schriften,derenTiteldenInhalt verräth,war heftigerundzürnenderals alle vorhergegangenen. »shooting Niagara and After-«nannte erselbst

»höchstgrimmig,übertrieben,rauh, ungekämmtundmangelhaft.«Aberer

freute sich,»demheulendenHundepack«,dasihnherausforderte, sein letztes Wort überDas, waservon ihm dachte,zusagen,nndbliebdabei,daß England sichdemTeufel verschriebenhabe.Waserwollte,waren offene, ehrlicheUeberzeugungen,einestarke RegirungderFähigstenund Bestenim Dienste göttlicherGesetze,einereinlicheScheidungzwischenRechtundUnrecht, dieHerstellungeinesGemeinwesens,dem dieethischenAufgabenalsdie höchstengalten. Was er sahoderzu-sehenglaubte,war eineskeptische, utilitarischeWelt,die zumEvangeliumdesGoldesund zu einer konventionellen Sittlichkeit sichbekannte, derkorrekteManieren mehrals guteThaten galten, diesichunterhaltenundgenießenwollteundderenpraktischeWeisheiterdie VerneinungGottes nannte. Man schrieb1867. D’Jsraeli,bald darauf Gladstone regirten;odervielmehr:nachAnsicht Carlhles regirteNiemand.

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ThomasundJane Cur-Ihren i 323

WhigsundTories überboten einander im Werben um Majoritätenund wiegten sichinderangenehmenSelbsttäuschung,esgenüge,,einigeMillionen Stimmen unwissender Tölpel«zugewinnen,um dieRäthselderStaatskunst mitHilfeeinesParlamentes zulösen,dasCarlylemiteinersprachlichen Windmühleverglich,inderJntrigantensichdieLungen ausschrien,um Lärmzumachen.EraberwollteeinenHerrscher,dessenWilleüberseinem Willenstand,denCharakter, FähigkeitundBerufzumFührervorbestimmtem Ohne Unterwerfungunter einen solchen AuserwähltendesHimmels sei Freiheit nichtdenkbar.

Eshieße,Carlyleverkennen, wollteman voraussetzemesseietwapersön- licheBitterkeit oderdieEnttäuschungdesAltersgewesen,dieihn veranlaßten, sozu reden. JnderJugendsprachernichtanders. AufderHöheseiner schriftstellerischenLaufbahnwinkte ihmderRuhm. Einekleine, aberbe- geisterteGemeindeschaarte sichum ihn. Ein großes Publikum,dasder Prophet nicht überzeugte,ließ sich durchdenKünstler gewinnen. Carlyles

»FranzösischeRevolution« errang einenungeheurenErfolg. So plastisch,so lebendig hatte,beiallenExzentrizitäten,nochKeiner zuerzählengewußt.

Man verglichCarlylemitMicheletund dasWort desfranzösischenMeisters:

»Ichnenne GeschichteAuferstehung«galt auchvomenglischenGenius. So

hingerissenwurden dieMenschenvon dieserDarstellungskunst,dielängst VergangeneswieeinGegenwärtiges,Selbsterlebtes, Selbsterfahrenes schauen ließ, daß nichtWenige,unter ihnen hervorragendeMännerderZeit,dieMühe nicht scheutenund, den Bandder»Revolution«,der»Varennes« enthielt,wie einenMurrayoderBädekergebrauchend,denWegvonParisüberChalons, Saint-9JienehouldbiszumStädtcheneinschlagen,andessenBrückenkopfder PostmeisterDrouet mitderNationalgardeam zweiundzwanzigstenJuni1791 imHinterhaltgelegenunddieKutsche abgefangenhatte,worin derarglose LudwigXVImitdenSeinen zumHeerBouilleås zufahrenglaubte und, stattdorthin,in die Falleseiner Feinde gerieth. Nicht Enttäuschungalso wars,die den1795 geborenen,1865,nach zweiunddreißigSchaffensjahren, nochleistungfähigenMann bewog,dieihmzugewiesenensechzehnletztenJahre inSchweigenzuverbringen.Vielmehr standüber denwahrenGrunddieses SchweigenseineEnthüllungbevor, dienur wenige nähereBekannte geahnt hatten.Carlyle starbam fünftenFebruar1881. Bereits zweiJahre später, 1883, veröffentlichtesein jüngerer Freundund Biograph,der Historiker J.A.Froude, auf Carlyles Wunsch,wieersagte,die»BriefeundErinne- rungen von Jane Welsh Carlyle«.Die Weltwurde von derKunde über- rascht, daß Carlyle nichtnur seitdem1865 erfolgtenTodeseinerGattin sichinGram um sie verzehrte, sondern auch, daßdertiefsteGrunddieses Grams Reuegewesen sei.Man standvor einemRoman,richtiger-gesagt:

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324 DieZukunft.

vor einemDrama, daszwischenderGattin,einerMärtyrerin,und dem Gatten,ihrem Quäler, sich abspielte.Derunerbittliche Sittenprediger,der dasMeneTekelbevorstehendenZusammenbrucheseinemverderbten Geschlecht

an dieWand geschriebenhatte, flüchtetezurBeichteundthat öffentlichAb- bitte. DerSkandal war ebensogroßwiedasErstaunen.

ThomasCarlyle,derSohndesstrengen,indürftigenVerhältnissen, nichtinArmuthlebendenMaurers vonEcclefechan,hatteeineungewöhnliche FrauzurMutter gehabt.Der Junge,der, wie dieSeinen,vonHafermehl, KartoffelnundgesalzenerButter lebte,erhielteinevortrefflicheBildung,die ihn befähigte,dieUniversitätEdinburg,kaum fünfzehnjährig,zubeziehen.

DerWunschderMutter, ermöge kalvinischerPredigerwerden,ging nicht inErfüllung· Gegen Theologie empfand Carlyleeinen ebenso großen Widerwillen wieeineniemals ganz erschütterte,begeistertwiederaufflam- mende Liebefür aufrichtig geübteReligion.NurinMathematikleistete der Student Ungewöhnliches.AlsLehrerindiesemFacherwarbersichzuerst Unabhängigkeitundverwandte siezurUnterstützungderFamilie,derermit rührenderLiebe undAufopferungzugethanblieb. AberselbstdenLehrberuf empfanderwie eineunerträglicheFessel. NachJahren schmerzlichengeistigen Ringens, nachKrankheitundmaterieller Noth, durchdie einvorwurfsfreies, strengesLebenzurinneren BefreiungundWiedergeburt hindurchhalf, ent- schloßersich,denunabhängigenBerufdesSchriftstellerszuwählen.Um dieseZeit,1821,führteihn sein Freund Jrving,einTheologe,indasHaus derWittwe einesangesehenenArztes,Mrs. Welsh,ein. Seit demkurz vorhererfolgtenTodihresGatten lebtesie aufdemihrer TochterJaneBaillie Welsh gehörigenBesitz Craigenputtock,inHaddington nahebeiEdinburg.

Mrs.Welsh,einenoch schöneFrau,galtalserregbarundeigensinnig; diese EigenschaftenhattedieTochter geerbt,war aberdabeiaußerordentlichbegabt, sehr unterrichtet,vom Ehrgeiz, sichin der LiteratureinenNamenzumachen, beseeltundvon großemSelbstbewußtseingetragen. Sienannte sich,,drei Viertel Römerin,einViertel Fee«.JnderGegend hieß sie»die Blume vonHaddington«undwurde wegenihrer Schönheit,ihres Geistesundihrer Mitgiftvielgefeiertundumworben. Jrvingwar ihr Lehrer gewesenund hatte für sieeineleidenschaftlicheNeigung,dieeben soerwidertwurde,ge- faßt.AberJrving hatte sichbereitsvorJahrenmiteinemanderenMädchen verlobt, dasihm seine Freiheit nicht zurückgabund daserspäter heirathete.

Miß Welsh wußtees;Jrving gingundanseinerStelleversah jetztCarler diejungeDame mitRathschlägenundBüchern, erhieltdieErlaubniß,sie öfter aufznsuchen,undkorrespondirtemitihr.Eswährtenicht lange, sotrat

er auchmitdemHerzendieUeberlieferungenseines Vorgängersan. »Ich habe geträumtundgehofft,aberwelchesRecht hatte ich,zuträumen undzu

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