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Die Zukunft, 7. November, Bd. 45.

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Berlin, den 7. November 1905.

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Ein neues Strafgesetzbuch?

In derVoßftraßestehteinschönesGebäude;wenn ichmichrecht erinnere,

)sinddaranMotive vonderZeccaverwendet. JndemGebäude be- findet sicheinEtablissementzurHerstellungvon Gesetzesparagraphenunter derFirma »Reichsjustizamt«.AlsdasBürgerlicheGesetzbuchsammt seinen Nebengesetzenvorbereitet wurde,war großerBedarfanGesetzesparagraphen.

Das hattezurFolge, daßdieFabrikvergrößertundeineAnzahlneuer Maschinen, genannt »BortragendeRäthe«, eingestelltwurde. Seitdem hat sichderAbsatz einigermaßenverringert. Zwar sind nachdemAbschlußder bürgerlichenGesetzgebungnoch mehralsgenugneue GesetzedemReichstag vorgelegtworden;aberimBerhältnißzu der vorangegangenen Zeit istdie ZahldergefertigtenParagraphen dochvielkleinergeworden. Export nach demAusland ist nicht vorhanden. DieFabrik ist daher nicht vollausbe- schäftigt. ZueinerVerminderungdesaufgestelltenApparates hatman sich bisher nicht entschlossen.Begreiflichalso,wenn sichdieDirektion nachneuen Absatzgelegenheitenfür ihre Fabrikate umthut. Dahabenwirnun einStraf- gesetzbuch,daszwarnoch nicht sehralt, aberunter dengrößerenReichs- gesetzendoch das-älteste ist.Das könnteman durcheinneues Gesetzbuch ersetzen.Dabei könnteman vier- bisfünfhundertsneue Paragraphenab- setzenunddieFabrik hättewiederauf Jahre BeschäftigungSoließdenn dieDirektionwährendderTagungderJuternationalen Kriminalistischen VereinigungimApril1902 durchdenGeheimrathvon Tischendorfurbi Storbiverkünden,daßman imReichsjustizamtandie»Vorbereitungenzu denVorbereitungen«Jzu einemneuen Strafgesetzbuchherangetreten sei.

Branchenwirein neues Strafgesetzbuch?

Gewiß haben sichbei derAnwendungdesgeltendenGesetzesMängel

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204 DiesZukunft.

herausgestellt.Jeder,dersichmitderStrafrechtspflegeaktiv oderauchnur alsBeobachter befaßt,kannan denFingern Urtheile herzühlen,die gegen dasallgemeineRechtsbewußtseingröblichverstoßen.Aberman muß sichvor demFehler hüten,allsolcheErscheinungenaufdieRechnungmangelhafteroder verkehrterGesetzesbestimmungenzusetzen.Ein guterTheilderanstößigen Urtheileberuht vielmehrauf unrichtigerAnwendungdesGesetzes.Was kann dasGesetzdafür, daß sichGerichtedazu versteigen, den berüchtigtenPara- graphenvom Groben Unfug,inWiderstreitmitfeiner Entstehungsgeschichte und wider alleAuslegungregeln,aufdieBoykottirungvonWirthschaftenoder Geschäften,aufdasAusstellenvon Strikepoften, aufeinenZeitungartikel, derüber-dieKrankheiteinesdeutschenFürstenberichtet,odergar aufeine Simplizissimus-Zeichnunganzuwenden,diedieauswärtigePolitikdesReichs- kanzlers persiflirt?Könnteman eineStatistikderauffalscher Gesetzes- anwendungundder auf mangelhaftenGesetzesvorschriftenberuhendenUrtheile herstellen,dieunserRechtsbewußtseinnicht befriedigen,sowürde dieZahl dieserimVerhältnißzu jenen gewißsehrkleinausfallen.

EinandererVorwurf,dergegendasgeltende Gesetz erhoben wird, behauptet,esentsprechenichtdemobersten Zweck jedes Strafgesetzes:der möglichstwirksamenVerhütungvonVerbrechen. NachdervonReicheswegen bearbeiteten Kriminalstatistik ergingenimJahr1899 vondendeutschenGe- richten478139 rechtskräftiggewordene VerurtheilungenwegenVerbrechen .und VergehengegendieReichsgesetze.DieVergehengegendieLandesgesetze

und diezahllosenUebertretungenderReichs-undLandesgesetzesinddabei nicht mitgezählt.Unterden478139 Verurtheilten sind47512 Jugendliche, also Personen,die zurZeitderStrafthat zwölf,abernicht achtzehnJahre alt waren, und195215 wegenVerbrechensoderVergehens Vorbestraste.

FürdasJahr1900 istein kleinerRückgangzuverzeichnen:469819 Ver- urtheilte,darunter 48657 Jugendliche,193857 Vorbestraste.Das sinder-

schreckendhohe Zahlen.Dazukommtabernoch, daßdie Kriminalität seit denerstenvon derReichsstatistikberücksichtigtenJahrenabsolutundpro- zentualzugenommen hat. Jm Jahr1882 entsielen auf100000 Straf- mundigederCivilbevölkerung1040, imJahr 1900 dagegen1195 (im Jahr1889 sogar 1244) Verurtheilte. VorbestrasteVerurtheilteentsielenauf 100000 StrafmündigeindenJahren1882 bis1886 durchschnittlich277, indenJahren1892 bis1896 durchschnittlich«452Personen. Mit diesen Zahlenwillman beweisen, daßdasinunseremStrafgesetzbuchkodisizirte Strafrecht nichts taugtunddaßwirdahereinneues Gesetz aufanderer

Grundlage schaffenmüssen. -

Man wird auch dieser BeweisführungmitZweifeln entgegentreten müssen.«Dieselbe Statistik beweistnämlich,daßdasAnschwellenderZiffern

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Einneues Strafgesetzbuch? 205 hauptsächlichderMehrungderVerbrechengegen dasEigenthumzuzuschreiben istunddaß namentlichdiegroßenStädte anderMehrungderVerbrechen betheiligtsind.BeiderHäufungderEigenthumsverbrechenspielt gewißdie indenletzten Jahrzenten eingetreteneSteigerungdesPreisesallerLebens- bedürfnisseund das damitverbundene AnwachsendessozialenElends eine viel größereRolleals dasStrafgesetzbuch.UndnocheinAnderes: dieZahl derstrafbaren Handlungen,wegenderendieVerurtheilung erfolgt,bleibt naturgemäß sehr"weithinterderZahlderthatsächlichbegangenenstrafbareu Handlungenzurück.AlljährlichwerdenTausendevonstrafbaren Handlungen begangen,vondenendieBehördenniemals Etwas erfahren,weilNiemand eineAnzeige erstattet.Undvon dendenBehördenangezeigtenVerbrechen gelangtwiedernur eingewisserProzentsatzzurAburtheilung,weilbeivielen derThäter nichtzuermitteln oderderermittelte Thäter nicht aufzufinden oder außer Landesist. Esist nicht möglich,dieDifferenz zwischenden begangenenDelikten unddenbestrafteningenauen Ziffern festzustellen,da die»Statistiknur diebestraftenDelikteverzeichnet;aberesist klar, daßdie Differenzum sokleinerwird,je besserdiePolizeieinrichtungensind,die zur Entdeckungund ErgreifungderThäter führen.Nun sindindenletzten JahrzehntendieEinrichtungenderKriminalpolizeiwesentlichverbessertworden.

Manbrauchtnur andie gewaltige AusdehnungdesTelegraphen-unddes Telephonnetzeszu erinnern, die dieAufspürungundVerfolgungvonVerbrechern erleichtert hat. AuchdietechnischeAusbildungderPolizeiorgane hat sich, wenigstensindengroßenStädten,nicht unerheblichgehoben. Diese Umstände machenessehr wahrscheinlich,daß·dieDifferenzzwischendenbegangenen unddenzur Aburtheilunggelangten strafbarenHandlungen abgenommen hat. UnddieseAnnahme findeteinegewisseBestätigungdarin,daßes namentlichdie Kriminalität in denGroßstädtenist,die das stärksteAn- wachsenaufweist;dennhier sinddieEinrichtungenderKriminalpolizeiam Meisten verbessertworden. AufGrund dieser Erwägungendarfman be- haupten,daßdieSchlußfolgerungvon derwachsendenZahlderVerurtheilungen undderRückfälleaufdieunzureichendeWirkung unserer Strafgesetzgebung nicht geradezwingendist.Siewäreesnur, wenn dasVerhältnißzwischen denbegangenenundden abgeurtheiltenDelikten konstantgebliebenwäre.

Dasistaber allerWahrscheinlichkeitnach nicht geschehen.Esist, sehr wohl möglich,daßdieZahlderbegangenenDelikte undnur aufdiesekommt esbeiderBewerthungderpraktischenWirkungdesGesetzesan nicht oderdochnicht erheblichgestiegenist,obwohldieZahlderVerurtheilungensich beträchtlichvermehithat.

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Darfman hiernachbezweifeln,daßeindringlichesBedürfniß nach einemneuen Strafgesetzbuchbesteht, sokönnteman trotzdemdieSchöpfung

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206 DieZukunft.

einesneuen GesetzbuchesmitFreudebegrüßen,wenn dabeiein wesentlich besseresWerkalsdasgeltendeGesetzbuchherauskäme.Aberdaraufist wenig Aussicht. DaßdieGefetzgebungskunstinDeuschland nicht aufbesonderer Höhesteht,davon kannman sichaus jederSeiteunseres BürgerlichenGe-—

setzbuchesüberzeugen.Dieses istdieSphinxunter denGesetzbüchern;es giebtdenJuristendieschwierigstenRäthfel auf.Fräßedie moderne Sphinx, wieihre thebanischeUrahne,Alleauf,dieihreRäthselnichtzulösenver- mochten, sowürdeeinargesBlutbad unter dendeutschenJuristen entstehen- ZudemallgemeinenMißtrauengegendieGesetzgebungskunstderGegenwart kommt aberspeziellfürdieStrafgesetzgebungnocheinbesondererUmstandhinzu.

JnderStrafrechtswissenschaftgiebtesheutezweiSchulen.Dieeine, diesichdieklassifcheheißt, fußt aufdemGrundgedanken, daß die-Strafe Vergeltung fürdasbegangeneUnrecht ist. DerVerbrecherwirdgestraft, weilersichgegendieRechtsordnung aufgelehnt hat.Ausschließungaus derRechtsgemeinschaftoderEinbußevon RechtsgüternsinddieElemente, aufdie nach dieserSchuledieAnalyfederStrafe führt.DieStrafe ist dasAequivalentdesVerbrechens.SiesolldasgestörteGleichgewichtin der Rechtsordnungwiederherstellen;dieAufgabederStrafgesetzgebungist,die StrafeindasrichtigeVerhältnißzu derSchwerederbegangenenMissethat zusetzen.Dieandere Schule man heißtsiediekriminalsoziologische verwirftdenGedanken anVergeltung. Vergeltung-durch Strafe sollun- möglichsein,weildieStrafe nichtsmitderMissethat Gleichartigesistund unsderfeste Maßstab fehlt, nachdemdieaufzuwiegendenWertheoder Un- werthemiteinanderverglichenundveranschlagtwerdenkönnten.DasAugen- merkderKriminalsoziologenist nicht aufdieGesetzesunterthanen,diedurch StrafandrohungvomVerbrechenzurückgehaltenwerdensollen, sondern aufden Verbrecher alsdensozialen Schädlinggerichtet.NichtaufdenErfolgder That, sondern aufdieantisoziale Strebung,dieGesinnung,kommtAlles an;daher sollderVersuch gleichdemvollendetenVerbrechenbehandeltwerden.

WiederKrankeinderHeilanstalt,derJugendlicheinderZwangserziehung, derTrunkenbold undderMorphiumsüchtigeindenAfylen, so istder Ver- brecherinderStrafanstaltzubehandeln:denUnheilbaren machtman durch lebenslänglicheEinsperrung unschädlich,denHeilbarenkurirt man vonseiner antisozialenGesinnung durch Abschreckungund Erziehung.Die Begriffe SchuldundVergeltungscheidenaus;dieverbrecherischeThat istdasSymptom derantisozialenGesinnung; diese, nichtdasVerbrechen,bildetden Grund unddenMaßstabderStufe. ZweckderStrafe istderSchutzdesGemein- wesens nachdemMaßder antisozialen Gesinnung.DasStrafgesetz,das auf bestimmteArten von Handlungeneinegrößereodergeringere Strafe setzt, bezwecktnichtdenSchutzderBürgergegen denVerbrecher,sondernden

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Einneues Strafgesetzbuch? 207

SchutzdesVerbrechersgegendenMißbrauchderStrafgewalt. Das Jdeal wärediefreie AnwendungderStrafenach MaßgabederdurchdieThat bekundetenantisozialen GesinnungbiszurHeilung, AnpassungoderAus- scheidungdesVerbrechers.Dadieses Jdealpraktischnicht durchführbarist, verlangtman wenigstens möglichstweiteStrafnahmen fürdieeinzelnen Artenvon Delikten.·

Noch istderStreit zwischendenbeidenSchulen nichtausgefochten.

Hübenunddrübenstehen wissenschaftlicheAutoritäten hohenRanges. Man solltenun meinen,daßdieMänner,dieeinneuesStrafgesetzmachenwollen, zu denPrinzipiender einen oderderanderenSchuleStellung nehmenund danach ihre Gesetzesvorschlägeeinrichtenmüßten;dennesleuchtetein,daß dasGesetzganzverschiedenausfallen muß, je nachdemman von denGrund- gedankendereinenodervon denenderanderen Schule ausgeht.Aberdie HerrenvomReichsjustizamtscheinenandererAnsichtzuseinundzuglauben, daß solcheEntscheidungnicht nöthig sei.Dasschließeich nichtdaraus,daß zurVorberathungund BesprechungVertreter der beidenwissenschaftlichen Schuleneingeladenwurden Das war unter allenUmständenzurJn- formationdermitder Vorarbeit betrauten Juristen zweckmäßig—, wohlaber daraus,daßderStaatssekretärdesReichsjustizamtesbeidiesenVorberathungen VerbeugungennachbeidenRichtungen hin machteundsich füreineMittel- liniezwischenbeidenaussprach.Kann dabeieinWerkherauskommen,das denheutigen Rechtszustandwirklich verbessert?

ZudiesenBedenken kommtnochein weiteres: wirdesgelingen,einen Entwurfzueinem Strafgesetzbuchherzustellen,denderReichstaannimmt?

Bei derAbfassungeinesStrafgesetzbuchesspielteineMengepolitischgWomente

mitherein.Das gilt nichtnur fürdiepolitischenVerbrechen,wieHoch- verrath, Landesverrath, Majestätbeleidigung,sondernauch fürvieleandere Delikteohne spezifischpolitischeFärbung, fürdieVergehengegenReligion oderSittlichkeitund fürdaspraktisch sehr wichtigeVergehendesWider- standesgegen dieStaatsgewalt. Nunmüssenwirmit einemReichstagrechnen, dessenzerklüfteteParteienbei derBehandlungallerdieserDelikteaufganz verschiedenenStandpunkten stehen.Wird esmöglichsein,von einemsolchen ReichstagdieZustimmungzu einemneuen Strafgesetzbuchzuerreichen?

JmReichsjustizamtwirdman sichvielleichtmit demGedankentrösten- Etvoluisse juvabitl Jedenfalls habendieGesetzgebungmaschinenwieder Material. Sonstkönntensieja einrosten.UndDaswäredochjammerschadr.

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208 DieZukunft.

Seilliåres Gobineauks

WarhundertJahren mußtederkirchlichenund derunkirchlichenMeta- physikgesagtwerden,daßdasWissennur soweitstrengeWissenschaft ist,wieesMathematik enthält; heute brauchendiemancherleineuen Wissen- schaften,weilsiesichmitdemScheinderExaktheit schmücken,unter ihnen dieverschiedenenZweigederAnthropologie,dieMahnung noch nöthiger.

Seekrank wird,werdenkend zwar, aber deseigenenfestenHaltes entbehrend, im.rassentheoretischenFahrwasservonGobineau, Richard WagnerundDühring biszu Ammon,ChamberlainundWoltmann herabschwimmt. Exaktkönnen ja diese Wissenschaftennur sein, soweitsie Thatsachen beschreiben(womit Kants Satzvon derMathematikzuergänzen ist);mit derKombination derThatsachen fängtdieUnsicherheit,freilichaberauch erstderVersuchan, aus dem WissensmaterialeineWissenschaft auszubauen. Dochkannman

sichausThatsachenundWahrscheinlichkeiteneinGerüstzimmern,von dem ausman gesichertund inRuhezuüberschauenvermag,wasdievomForschung- drang (vonderpolitischen LeidenschaftdesTages, behauptet Seillidre)ge- schwellteWoge täglichNeuesvorbeiflößtzundmanchemLeserwird esnicht unangenehm sein,wenn ichihm, ehe ichzumeigentlichenThema übergehe, einpaarBretter desGerüstes vorlege,dasichmirgezimmert habe.

Mit Gobineau erkenneichan, daßdieRasseneigenschaftensehrbe- ständigsindunddaß RassenmischungeineTriebkraftderWeltgeschichteist.

Aberich haltedenRassencharakternicht füransichunveränderlich,leitenicht alleVeränderungenderRassen,alleEreignissederWeltgeschichteundalle KulturerscheinungenvonRassenmischungab. Mit Chamberlain glaube ich, daßdieUrsprungederDinge, so auchdiedesMenschengeschlechtesundseiner Rassen, unerforschlichsind,dasBemühen,dieletzten Ursachenaufzusuchen, eitelistunddaßimLaufderZeitimmer neue gute Rassen, also Menschen- arten von ausgeprägtem Charakterundvon guten Eigenschaften,entstehen;

aberichmeine,man dürfemitGobineau dieweiße,dieschwarzeunddie gelbe Rasse wenn auch nichtals dieUrrassen, so doch alsHaupt-und Grundtypen gelten lassen.BeideForscher fehlen dadurch, daß sie die sekun- därenUrsachenderRassenbildung,dieunter Umständendieprimären sein können, theils übersehen,theilsunterschätzemKlima,Boden (mancheBoden- arten,zumBeispiel: kalkhaltige,sollen Pferde, RinderundMenschenlang- leibig machen), geographischeLage, Lebensweiseund Beschäftigung,lange Zeit geübteHerrschaftodererlittene Knechtschaft.Die zuerst genannten,

·)LaPhilosophie do1’ImpörialismeI. LeComto doGobineau at 1'Aryanisme historique parErnest Sojllibre. Paris, Librairie Plan, 1903.

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Seilliåres Gobineau. 209 nicht sozialen dieser sekundärenUrsachensind ohne Zweifel ursprünglichdie primären gewesen,dennehedieRassenmischungihrWerkbeginnenkonnte, mußte vorherKlimaundBodendieRassenunterschiedeerzeugen. (Umder

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ausThatsachengezogenenFolgerung, daßdieproletarischeLage nichtimmer durch angeboreneUntüchtigkeitverschuldet, sondern umgekehrtoftgenugdie EntartungganzerBevölkerungeneineWirkung aufgezwungenerproletarischer Lebensweiseist,zuentgehen,nehmendieRassentheoretikerzu dervonWeismann angeblich bewiesenen,inWirklichkeitnur angenommenen Unveränderlichkeit derZeugungstoffe,dessogenannten Keimplasmas, ihre Zuflucht-)Mit den genanntenForschernunterscheideichedle undunedleRassen, haltedieedlen Rassen fürdie Kultur erzeugenden,dieweißeHauptrasse füredleralsdie anderen beiden,ohne jedochallenNegern jedenLeibes-und Seelenadel ab- zusprechen—- dennesgiebt körperlichwohlgebildete,geistig hochbegabteund von Gemüth gutartigeunter ihnen—, beschränkeaberdenVorzug nicht aufdengermanischenStamm undfindedieVersuche,diegemachtworden sind,denCharakterdesEdelmenschenzudesiniren,sehr unbefriedigend.Dühriug sieht ihnin denedlensittlichen EigenschaftenderGermanen, spricht diese EigenschaftendenRomanen und denSlaven inminderem Maßezuund denniederenRassen,zudenenerauch manche weißerechnet,ganzab;die Judenmalterbekanntlichkohlschwarz.Dasistnun thatsächlichfalschund Gobineau hatganz richtigerkannt,daßesnichtdiesogenannten sittlichen Eigenschaften,am WenigstendieEigenschaftendeschristlichenHeiligen sind, wasdenvornehmenVölkernMacht verleiht. Ehamberlain schiltzwarauch dieSelbstsuchtunddanebendieWeltlichkeitderJudenundpreistdiemeta- physischeAnlageunddieechte Religiositätderarischen Judex-,kannaber dochnicht behaupten, daßdieInderihreBefähigungzumHerrschenbewiesen hätten,undmußinBeziehung aufdieälteren Germanen unddieneueren Angelsachsengestehen,daßesnicht gerade aufopfernderJdealismusgewesen ist,wassie groß gemachthat. Dabei passirt ihm, daß seineSchilderung desJudencharaktersZug für Zug (deneinen Zugdergeistigen Unsrucht- barkeitausgenommen)ausdieAngelsachsen,dieHolländer,dieSchweizer, überhauptaufdie Stämme paßt,die das reformirteBekenntnißangenommen habenoderihm zuneigen.Esisteben einegewisseMischungvon Eigen- schaften,was politischeundwirthschaftlicheErfolge sichert;zudieserMischung gehörenauch solcheEigenschaften,die derChrist für böseerklärenmuß,und dieMischung ist nicht konstant, sondern je nachdenwechselndenUmständen werdenimmerneue Mischungenerfordert; manchmal isteinstärkererZusatz vonbrutaler Gewaltnöthig,manchmal sind GeschmeidigkeitundHinterlist mehr angezeigt. Jchdenke mirdieSache so:

Eine eigenthümlicheCivilisation entsteht,wenn einVolkan Geist,

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Willen und Leibstarkgenugist-,diein seinen Bereich gerathendenEr- scheinungenseinem Vorstellungskreiseinzuverleiben,sichdieihm erreichbaren materiellen Güteranzueignen,denReichthumanIdeen,Gütern undEin- richtungen,denessoerwirbt,zu einem geordnetenGanzenzu verbinden, daseinunterscheidbaresGeprägezeigt,unddiese seine Daseins-undLebens- formin einemgroßenGebiet zurHerrschaftzubringen.VonderCivilisation unterscheideichmitEhamberlain (und habe ichvon je her unterschieden)die Kultur. .Wilhelmvon Humboldt hatalsderen unterscheidendeMerkmale KunstundWissenschaftangegeben.Nun:sauchdieChinesen haben Kunst und Wissenschaft, aber was füreine! Es handeltsich hierum den Kernder Wissenschaftvom Menschenund eswäre Anmaßung,wenn ich mireinbilden wollte, ihn erfaßtzuhaben.Aberichglaube, ihm wenigstens nahegekommenzusein,indemichimhellenischenWesendasHumanität- ideal verwirklichtsehe,denHellenen daher echteundhöchsteKulturzuschreibe- Man wirdalsodenBegriffderKultur gewinnen,wenn man dashellenische Kulturleben inseineElemente zerlegt.DieGriechen habendieMethoden begründet,nachdenenunsere heutige,vonchinesischenundsonstigenasiatischen ,,Wissenschaften«himmelweit verschiedeneWissenschaftarbeitet, undsie haben uns unsterblicheMusterwissenschaftlicherUntersuchunghinterlassen.Siesind dieeinzigenunter denalten Völkern, alsodieerstenvon allen,die in der Kunst Schönheitidealeverwirklichthaben,undsindwenigstensin einemZweige der bildenden Künsteunübertroffengeblieben.Bei ihrenDichternund Philosophen sindenwirdieäußersteZartheitunddenfeinstenTaktdessitt- lichenEmpfindens, so daß noch heute Jeder HerzundGemüthan ihnen bildenkann.« UnddiesedreiGebietedesSeelenlebens erscheinenunter sich undmitdemLeibesleben zurharmonischen Einheit verschmolzeninvielen ihrergeschichtlichenwiedervonihren Dichtern geschaffenenGestalten;denn esgehörteja bekanntlichzumWesen ihres Volksthumes, daß ihre Geistes- undHerzensbildungnichtzurVerkümmerung,sondernzurVollendung ihrer leiblichenKraftundSchönheitführte. Dieses Humanitätidealkonntedeshalb nur kurzeZeitundnur ineinemwinzigenBruchtheilderweißenRassever- wirklichtwerden,weil,wieauchGobineau richtigbemerkthat,dieAufgaben, die derwechselndeStrom desLebensden Völkern stellt,einander fürge- wöhnlichausschließen,so daßman die einefahren lassen muß,wenn man die andereergreift. Deshalb erscheintdie Kultur-der Völker wie derEinzelnen einseitig,dieGesammtkultur stückweiseanihre Trägervertheilt; daß diese Träger TheilhaberderechtenKultur sind,dieman alsdieeuropäischebe- zeichnendarf, habensie immer wieder aufsNeuedadurchzubeweisen, daß ihnendieSehnsucht nachdemimhellenischenVorbildeverwirklichtenGanzen unddasVerständnißfür diesesVorbild nichtverlorengegangenistsDas

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SeillicäresGobineau. 21 l

AesthetischebleibtdabeidasEntscheidende,wiesichJederklarmachenkann, -wenn«er überlegt,was uns denneigentlichdieexotischenKulturen niedriger erscheinen läßtalsdieunseren;nichtetwa, weilleibliche Schönheitdas Höchste,aber, weilesdasunmittelbar Wahrnehmbare ist, Das,worinsich uns dasWesendesMenschen offenbart. AuchGobineau hebt hervor, daß von wirklicherSchönheitnur bei derweißenRasse gesprochenwerdenkönne.

EineRasse aber,derenMitgliederkeineMenschenschönheitzusehenbekommen, kannvonSchönheitüberhauptkeinenBegriff haben;undschondarum fehlt ihremSeelenleben einwesentlicherBestandtheil, schondarumleidetihr ganzes Daseinan einerUnvollkommenheit,diealsHäßlichkeitoderMangelan SchönheitzuTagetreten muß.AusdemGesagten geht hervor, daßunter denweißenVölkern keins dasMenschheitidealvollständigverwirklichenkann, daßaberdie Theilhaberfchaftan diesem Jdeal keinem ganzabgesprochen werdendarf. JmKunstgeschmackundinderallgemeinverbreiteten Schön- heitdesGesichtesbleiben wirNordländer hinterdenRomanen zurück,obwohl inallenGebietenderKunsteinzelne DeutschedasHöchstegeleistethaben.

Zuwirthschaftlichenund politischenErfolgen gehörenvor« AllemWillens- kraftundStetigkeit;darinsinddieGermanen undnamentlichdieAngelsachsen denRomanen unddenSlaven überlegen.(Die russischePolitikwirdnicht vonRussen gemacht,sondernvonrussifizirtenDeutschen.) DaßdieEuropäer zurBeherrschungderFarbigen befähigtundberufensind, lehrtjeder Tag;

ob undwie weitdieDeutschen heute nochdenübrigen Europäernindem Grade überlegensind,wiesieesinderZeitvon 1000 bis1300 waren, mußdieZukunft lehren.HöchsteKultur sichert keineswegsdenpolitischen Erfolg,kannihm sogar hinderlich sein,wieklassischeBeispiele beweisen, abernur die zurhöchstenKultur befähigtenVölkersind auch befähigt,dauer- haftepolitischeHerrschaftzubegründen. (Der schwankendeSprachgebrauch erschwertdieVerständigung;wenn von denKulturen der«Naturvölkerund der Barbaren gesprochenwird, so istDas gemeint,wasich Eivilisation nenne. Hohe Civilisationkannmitniederer Kultur, ja,mitUnkultur ver- bundenseinundumgekehrt.) ZudenStücken,indenenich vollständigmit Ehamberlain übereinstimme,gehörtfein UrtheiltiberdieEntwickelungtheorie.

(SeinDarwinismus ist Züchterdarwinismus,also eigentlichvordarwinischer Darwinismus).ErkenntwederFortschritt noch RückschrittimWeltganzen, sondernnur Entfaltungdereinzelnen selbständigenWesen,zumBeispiel- derVölker,und bemerkttreffend, daß geradediedarwinische Theorieden Fortschritt eigentlichausschließe,weildieMonere dasimdarwinischenSinn -vollkommenste,nämlichdaswiderstands-und anpassungsähigsteWesen·ist, daß Naturforschervon HaeckelsArt vielmehrReligionstiftersindunddaß Darwin.,,immerfortmit einemFußinunverfälschterEmpirie,mitdem

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anderen inhaarsträubendkühnenphilosophischenVoraussetzungenbreitbeinig fortschreitet.«Weismann hatdenMoneren sogardieUnsterblichkeitzuge- schrieben. FreilichwerdenMillionen gefressenund verdaut, aber Daswürde nicht geschehen,wenn sie nicht sodumm gewesenwären,größereundkom- plizirtere Wesenaus sichzuentwickeln, die derIdealistvollkommener nennt- Die Rassentheoretikerdarwinischer Richtung unterschieben gewöhnlichdem darwinischenBegriss»angepaßt«dieidealistischenBegriffe »höher«und»voll- kommener«und lassen durch Anpassungund Naturzüchtungzuerstaus niederen Thierarten höhere,dann aus Thieren Menschenund zuletztaus niederen Menschenrassen höherehervorgehen;dabeiverkoppelnsie manchmal mitdemunechtenidealistischenDarwin gedankenlosGobineau,indemsiemit JenemdieEntwickelungvom Niederen zumHöherenlehren, zugleichaber mitDiesemüber diefortschreitendeEntartungderweißenRasse jammern.

Mit Ehamberlain halte ichGobineaus Pessimismus,dernur zunehmende undunabwendbare Entartung sieht dieweißeRassemitihrenedlenEigen- schaften sollimeklenVölkergemischverschwinden—, für unberechtigt,erkenne an,daßesguteundschechteMischungengiebt,undfüge hinzu, daßeine weise und kräftigeSozial-und Kolonialpolitikder Entartung,wosolche droht, vorbeugenunddieRasse verbessernkann.WasdenFortschritt betrifft, so beschränkeich ihn aufdieTechnik, aufdieAnhäufungdesWissens,der FertigkeitenundderGüter und aufdieVermehrungdes geistigen Reich- thumes durchdieVervielfältigungderKombinationen, dagegen glaube ich nicht, daßder-Menschennaturneue Kräfte zuwachsenoderdie,diesie hat, sich erhöhen,noch daßdieMenschenmoralischeroderglücklicherwerdenoder einemGesellschaftzustandeentgegengehen,der allenfrüherenZuständenund Staatsverfassungen vorzuziehenseinwird. Einletztes objektives Zielder Veränderungen,dieman heute Entwickelungzu nennen liebt,erkenneich nichtan; alleVeränderungenhabennur denZweckdenMenschen jeder Zeit undjedenOrtes dieEntfaltungundBethätigungihrer Anlagenzuermög- lichen,unddiesemreinsubjektivenZweckdienenauchdiewechselndenobjektiven Zweckeder EntwickelungwiedieSchöpfungneuer Rassenund Kulturen unddieGründungneuer Staaten.

DieAbsicht,seinen LeserneinenfestenHalt darzubieten, hatden Ver- fasserdesBuches,dasuns nun einWenig beschäftigensoll, nicht geleitet.

Erverwirrt sievorläufignur· noch mehr (ich.sage vorläufig,weilman ja nicht weiß,was diefolgendenBändeseinerPhilosophiedesJmperialismus bringen werden),indemerGobineaus TheorienundGeschichtkonstruktionen kritisch zerfetztunddurch Aufdeckungihrer Widersprüche,ihrer Willkürlich- keiten, ihres phantastischenCharaktersdemSpott preisgiebt, ohne ihneneine andere Lehre entgegenzusetzen.Damit soll nicht gesagt sein, daßdasBuch

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