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Wochenschrift des Architekten Vereins zu Berlin. Jg. 4, Nr 37

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IWOCHENSCHRIFT Dgs /m C H IT EKT EN -V ER EIN S IMBERLINl

MERflUSGECEBEN ^ V E R E I N E

^ E rsch ein t Son nabends. — B ezu g sp reis halbjährlich 4 Mark, p o stfrei 5,30 Mark, einzeln e Num m ern von gew öhnlichem U m fan ge 30 Pf., stä rk ere entsprech en d teu rer i

^ D e r A n zeig en p reis für die 4 g e sp a lte n e P e titz e ile b e tr ä g t 50 Pf., für B eh ö rd en -A n z e ig en und für F a m ilie n -A n z e ig e n 30 Pf. — N achlaß a u f W iederholun gen |

N um m er 37 Berlin den 11. September 1909 IV. Jahrgang *

Z u b e z ie h e n d u rch a lle B u c h h a n d lu n g e n , P o stä m te r u n d d ie G e s c h ä f t s s t e lle C a r l H e y m a n n s V e r l a g in B e rlin W . 8, M au erstr. 4 3 .4 4

A lle R e c h l e V o r b e h a lte n

Gedächtnisrede auf Karl Schäfer

gehalten im A r c h i t e k t e n - V e r e i n zu B er l i n am 23. N o v e m b e r 1908 vom Baurat Ludwig Dilim in Berlin

N ur durch n a ch h a ltig e V ertiefu n g in die B eson d erheiten un serer g esch ich tlich en S tile w ird die B eh errsch u n g derselben erm öglicht, und nur durch WicdernnknUpfon der zerrissonen F ä d en der Ü b erlieferu n g die A u sg esta ltu n g einer ech t m odernen, leb ensfähigen B aukunst. (Schilfer, Z en tra lb la tt der B au v erw a ltu n g . 1SS6. 257.)

Hochansohnlielie Versam m lung!

er zweite F eb ru ar des Ja h re s 1879 w ar ein großer Tag des A rchitekten-V ereins. An ihm h ielt Schäfer seinen ersten V o rtrag in diesem Saale. Obgleich e rst im Ja h re 1878 als ein der M ehrzahl seiner hiesigen Fachgenossen U nbekannter nach B erlin übergesiedelt, ging ihm

nun bereits, infolge seiner im F rü h ja h r desselben Jah res be­

gonnenen L e h rtä tig k e it an der damaligen Bauakademie, ein solcher R uf voraus, daß die Z uhörer, A lt und J u n g , in ungewöhnlicher Zahl diesen Saal füllten. Von den Größen der B erliner Fachgenossen fehlte wohl kaum einer, und ich sehe noch die strahlenden Augen des Geheim rats G ie r s - b e r g , m it denen er erw ar­

tungsvoll und siegesbewußt um sich b lic k te ; denn ihm w ar Schäfer durch seine am tlichen Beziehungen seit einer Reihe von Ja h re n als ein vielver­

heißender, aufgehender Stern am Kunsthim m el bekannt. Die W irk u n g des V ortrages w ar denn auch eine beispiellose.

Schon die äußere E rscheinung des jugendfrischen fünfund- dreißigjährigen, im posanten Mannes nahm wohl auch d ie gefangen, die sonst noch nicht Gelegenheit gehabt h atten , ihn kennen zu lernen. M it seiner kräftigen klangvollen Stimme gab er in freier frischer Rede ein durch die sachliche Fülle in Staunen setzendes Bild seiner Forschungen über die m ittel­

alterliche B au k u n st H essens und insbesondere M arburgs.

| H ier ging er dann ausführlich auf die B augeschichte des Schlosses ein, die er an der H and einer für diesen Abend w irkungsvoll ausgeführten farbigen Zeichnung von dor G egenw art bis in die rom anische Z eit zurück verfolgte. M it dem V orträge m it­

gehend, w andelte sich die Zeichnung von F all zu F a ll: der Zahl der Bauänderungen bestim m ter Stellen entsprach die Zahl lose übergeklebter Klappen, nach deren A breißen durch den Redner der n äch st frühere Z ustand sich tb ar wurde. Diese flott hingem alten B lä tte r der verschiedensten Größe bedeckten i schließlich den Fußboden um das L esepult herum , an der W and

blieb das kahle, wenig m ale­

rische Bild der rom anischen B urg zurück. Ein im Verein wohl noch n ich t dagewesenes, m inutenlanges Tram peln und K latschen folgte dem V ortrage, und um die auf den Boden v er­

stre u ten B lä tte r entstand ein eifriges Jagen, ein jed er wollte ein Andenken erhaschen. — Dem ersten V ortrage reihten sich im Laufe der Ja h re viele andere an, n ich t m inder ein­

drucksvoll, vor ste ts voll­

besetztem H ause. Schäfer wurde rasch eines der ange­

sehensten M itglieder des V er­

eins, er wurde in den Be­

urteilungsausschuß für Hoch­

bau und für den Schinkel­

wettbewerb gew ählt, das A m t des O berbibliothekars beklei­

dete er einige Jah re, das G ut­

achten über die W iederherstel­

lung des H eidelberger Schlosses w urde ihm übertrag en , am Schinkelfest im Ja h re 1883 hielt er die F estrede „Über das deutsche H a u s“. Auch in die D ebatte griff er jeweils kräftig ein. Und immer w irkte seine frische, klare A rt, die Dinge anzufassen, belebend auf die Versam m lung, er w eckte die G eister und zwang auch denen A chtung ab, die ihm als Gegner gegenübertraten. —

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176 Wochenschrift des Architekten-Vereins zu Berlin 11. September 1909 W oher kam nun dieser

seltene Mann, woher h atte er sein ungeheures W issen und Können, und wie erklärt sich aus sonstigen U m stän­

den seine überragende W ir­

kung als Reformator der deutschen B aukunst? Das zu schildern soll im folgen­

den versucht werden.

Schäfer wurde geboren am 18. Ja n u a r 1844; er ent­

stam m t einer kleinbürger­

lichen Familie, sein G eburts­

o rt ist Cassel. F rü h er­

w achte in ihm der Trieb, die ihn umgebende W elt

zeichnerisch festzuhalten, davon m ag Zeugnis ablcgon das hier ausgehängte Bildchen: es zeigt den kindlichen, für einen siebenjährigen Knaben immerhin beachtensw erten Versuch, das E lternhaus nach der N atur abzuzeichnen. Ueber seine E ltern is t nichts Näheres bekannt, er verlor sie in ganz jungen Jahren. W enn ihm daher der Segen elterlicher O bhut v ersagt blieb, so erwuchs dafür auf der ändern Seite der für ihn bei seiner E igenart nicht zu untorschätzende Gewinn, daß er, un­

gehemmt durch häusliche Einflüsse, den W egen nachgehen konnte, die sein vorw ärtsdrängender G eist ihn wies. Aus seiner Schulzeit werden W underdinge erzählt; um aber nicht zu ausführlich zu werdon, möge hier n u r eine U n terh altu n g m it seinem Sohne aus dem J a h r 1893 folgen, die dieser als­

bald m öglichst getreu zu Papier gebracht hat. Die N ieder­

schrift la u te t:

„W ir sprachen von den N ordshausener Pergam enten (Nordshausen bei Cassel).. Mein V ater sprach davon, er habe einmal in jungen Jah ren eine Monographie über das Klösterclien geschrieben, die in den „Baudenkm älern des Regierungsbezirks Cassel“ erscheinen sollte. Da dieso jedoch bald eingingen, so blieb das Scliriftchen ungedruckt. Mein V ater erzählte:

„ Ja in dem Ding, in der Monographie, da steck t ein ganzes S tück Lebensgeschichte von mir, und zwar h än g t die SacliQ so zusammen. D u w eißt ja, ich h atte, als ich etw a zwölf Ja h re a lt war, die A bsicht, N aturforscher zu werden; ich sam m elte eifrig Insekten, hauptsächlich D ipterae, und betrieb die Sacho durchaus w issenschaftlich. W ie ich gehört hatto, sollte der P farrer Hoffmeister in Nordshausen auch eine Samm­

lung von D ipterae besitzen. E r mochte der einzige im ganzen Ländchen, ja noch darüber hinaus sein, der sich gerado m it diesem Zweig abgab. Kurz, ich w auderto eines Tages zu ihm hinaus. E r empfing mich freundlich und gab sich viel m it mir ab. In der Folge besuchte ich ihn noch öfter und es bildete sich ein freundschaftliches V erhältnis zwischen dem alten Mann und m ir kleinem Jungen. Bald sah ich aber ein, daß ich, um N aturforscher zu werden, notw endig studieren m üßte. D a mir das n ich t möglich war, sah ich mich nach etw as anderem um.

Ich beschloß, Ingenieur zu werden. M it 14V2 Ja h re n kam ich auf das Casseler Polytechnikum . Es w ar Sommer und w ir be­

schäftigten uns viel m it Feldmessen. M it einem Bekannten zog ich in der Umgegend um her und m achte Aufnahmen. Da fiel m ir eines T ages der alte Hoffmeister wieder ein. Ich sagte m ir, du g eh st zu ihm

hinaus, da h a st du einen sicheren O rt, wo du die schönen Instrum ente aufbe­

wahren kannst. Gesagt ge­

tan. Ich w anderte oft nach N ordshausen, zumal der P farrer der einzige ältere Mensch war, m it dem ich mich mal unterhalten konnte.

Nach und nach maß ich die ganze Gegend auf. Einmal, wie ich m ir so die Kirche m it den Klostergebäuden be­

tra c h te , kam mir der Ge­

danke: W as sind doch die A rchitekten dumm, daß sie solche Gebäudeaufnahmen m it dem Bandmaß machen.

Abb. 163. A ufnahm e des K lo ste r s N ordsh ausen bei C assel. 1S62

Abb. 154.. K lostergeb äu de m it P e n sio n a t in Paderborn-

Das sollten sie auch m it dem M eßtisch machen. Es war j a eine K ateridee, aber ich probierte es. Ich nahm den G rundriß m it dem Meß­

tisch auf, bestim m te dio Höhen m it Hilfe des Theo­

doliten, und m achte mich nun daran, die Sache auf­

zuzeichnen. B ald m erkte ich aber, daß ich m it den D etails nicht so leicht zu­

stande kam, wie ich geglaubt hatte. Ich verschaffte m ir deshalb von der Bibliothek mehrore kunstgeschichtliehe W erko und begann sie zu studieren. Die Sache interessierte mich und ich vertiefte mich immer m ehr hinein. Schließlich kam en die Zeichnungen zustande.

Ich ging dam it zu U ngew itter und legte sie ihm vor. D er w ar aber nicht der Mann dazu, einen zu erm untern. Das w ar ein schwacher Zug an ihm. E r h ä tte mich auf jeden Fall loben müssen, daß icli eino solche Aufnahme ohne jede Schulung gem acht hatte.

Das ta t er aber nicht, sondern sagte: „Das is t g a r nichts. W enn Sie sich m it der Sache beschäftigen wollen, dann setzen Sie sich hierher und betreiben Sie sie g rü n d lich .“ Ich setzte mich also in seinen Zeichensaal, es machto m ir im m er m ehr Spaß, und bald war ich sein bester Schüler. So bin ich A rch itek t geworden. — W as dio Aufnahme von Nordshauson anbetrifft, so kam im J a h re 1861 oder 1862 D e h n - R o t f e l s e r zu mir.

E r wollte das genannte W erk herausgeben, h a tte von meiner Aufnahme gehört und bat m ich, sie ihm einmal zu zeigen.

Da sie ihm gefiel, sagte er mir, ich möchto die ganze Sache etwas kürzen, dam it sie in seinem W erk g edruckt werden könne. Ich vorkloinorte und verm inderte also dio Zeichnungen und arbeiteto den T ext zusammen, es waren immer noch dreißig sehr eng geschriebene Folioseiten. L eider stellte D e h n - R o t f e l s e r s W erk das Erscheinen ein und so blieb meine Monographie uugedruckt. Ich muß sie m al wieder hervorsuchen, vielleicht laß ’ ich sie je tz t noch drucken. Dio Forschungsergebnisse sind j a durchaus richtig; n u r stilistisch muß sie vielleicht etwas um gearbeitet w erden.“ Diese end­

gültige Z urichtung seiner ersten fachw issenschaftlichen A rbeit fällt also in Schäfers 17. oder 18. Lebensjahr.

Es war eine bedeutsam e Schicksalsfügung, daß Schäfer gerado in C a s s e l geboren wurde. So kam der so eigenartig begabte Knabe, wie w ir sahen, sofort als Fünfzehnjähriger in die richtigen Hände, in die Lehre U ngew itters. Das h a t er, in dankbarer H ochschätzung seines großen L ehrers, oft als ein besonderes Glück gepriesen. E r h ätte es nirgend anderswo finden können. Und wir, dio w ir nun Schäfers W irken und Einfluß auf die Entw icklung der deutschen B au k u n st über­

blicken, dürfen voll Freude hinzufügen, es w ar ein Glück nicht n u r für Schäfer, sondern durch sein V erdienst für die gesam te vaterländische K unst.

W ie sah es denn nun vor Schäfer und vor U ngew ittor in L ehre und K unstbetrieb in deutschen Landen aus? Ich möchte Ihnen darüber etwas aus einem V o rträg e vorlesen, den Schäfer im Jah re 1896 auf der Geworbeausstellung in Berlin

gehalten hat. D er V ortrag wurde, wie immer, frei ge­

sprochen, dio W iedergabo beruht auf der Nieder­

schrift eines Stenographen, sie la u te t so:

„M it der E inheitlichkeit der K unst, m it der K unst der Tradition, hört es auf im 18. Jah rh u n d ert. Es be­

g in n t da die eigentliche Neuzeit. Die M enschheit m acht nochmals eine be­

sondere Entw icklung durch, die im M ittelalter nicht en t­

fernt so da war. Man sollte die Periode, die man Neuzeit nennt, nicht beginnen m it den E ntdeckungsfahrten des

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ito ¿ri SmurrfintKiluuri i to® * wir in? rtfefflim

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Abb. 155 und 156. U n iv e r sitä t Marburg;

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178 W ochenschrift des Architekten-Vereins zu Berlin 11. September 1909

Abb. 157 b is 159. E hem aliger B ra u er e i-A u ssch a n k P fu n g sta d t in B erlin . 1886

Columbus, sondern m it denen des Cook. Die Sehnsucht und die Hoffnung der Menschen auf die Rückkehr der vermeintlichen paradiesischen Z ustände der Südsee-Insulaner kennzeichnet die neue Z eit und ihre Gefühlsweise. Sie w ird eingeleitet durch Jean Jacques Rousseau. In ihm verkörpert sich die B egeisterung für die unverdorbene N atur, der Haß gegen die bisherige Zivili­

sation und der V orsatz, gegen die T radition anzugehen.

U eberall re g t sich ein Neues, neue A nschauung der L and­

schaft usw. Es beginnt die Griechenschwärm erei und man fängt an, des Christentum s überdrüssig zu werden. M ächtig sind die Folgen der neuen W eltanschauung auf dem Gebiete der K unst. Auch bei den Baum eistern sehen w ir die Sehn­

sucht nach Neuem auftreten. Gegen die phantasievolle Rokoko­

k u n st erhebt sich eine all­

gemeine U nlust, sie w ird für gräulich erklärt. Man möchte eine B aukunst haben, die m it der Rück­

kehr in N aturzustände ko­

k ettiert. In den P ark s, die je tz t nicht m ehr nach steifen Linien angelegt werden, werden da er­

ric h te t Borkenhäusehen, Einsiedeleien, H äuser und Häuschen, von denen man sich vo rstellt, daß die W ilden sie haben möchten, nach deren Glück man die eigentliche Sehnsucht empfindet.

In der H auptsache aber möchte man zur griechischen A rch itek tu r zurückkehren, denn auch die Griechen h ält man für N aturkinder. Die Rück­

kohr zum Griechentum is t aber höchst m angel­

h a ft, weil m an von griechischer K unst und griechischem W esen zu ­ nächst n u r sehr wenig weiß. W as von „Grie­

chentum “ zunächst ent­

s te h t, von dem kann man wohl sagen, daß es schauderhaft anzu­

sehen ist. Ich habe noch eben die Biographie eines B aum eisters jener Z eit gelesen: E r m acht eine Reise nach Italien, sieht sich dabei auch die B auten in D eutsch­

land an, und wo eine rechte K aserne gebaut w ird, schw ärm t er für

: die Schönheit des „griechischen“ Bauw erks. Eine wirkliche Kaserne, m öglichst lang und m öglichst zahlreiche Fensterlöcher,

; das h ä lt die Z eit für „griechisch“. E r s t allm ählich lern t man diese G riechenkunst w irklich kennen.

Neben der griechischen Ström ung läuft nebenher noch manche andere R ichtung. Man b a u t wieder B urgen, besonders gern Ruinen. Zahlreich erblickt man noch in der Nähe größerer S tädte diese wunderlichen Schöpfungen. Man b a u t auch ja p a ­ nische Häuschen, chinesische und ägyptische, aber alles n u r im guten Glauben und in ganz unbestim m ten U m rissen. Im ganzen is t zu Ende des 18. Jah rh u n d erts auf dem K unstgebiete die völlige Auflösung angebrochen. Schwankend s te h t die ver­

meintliche K unstübung da. A uf diesem Gebiete h a t sich damals eine Revolution ereignet, wie sie größer in der Geschichte niemals da w ar. Im Anfänge des 19. Ja h rh u n d e rts haben w ir zwei R ichtungen, die niedere und die höhere K u n st, zu verzeichnen.

Das bürgerliche und bäuer­

liche W ohnhaus is t ange­

kommen auf dem S tand­

punkte des ödesten N ütz­

lichkeitsbaues. Die Be­

wohner wollen n u r ge­

sch ü tzt sein vor Regen, K älte und W ind, K u n st­

ansprüchem achen sie n ich t mehr. Die L eute, die Ge­

ringen und B auern, stehen u n t e r dem Standpunkte eines besseren W ilden, denn dieser b a u t sich seine H ü tte , ohne den letzten A nspruch auf K u n st auf­

zugeben , er dekoriert sie und freut sich da­

rüber. In der h ö h e r e n K u n st h errsch t in dieser Z eit die griechische m askenhafte A rch itek ­ tu r. Man h a t die g rie­

chische K u n st besser

Ö X D Q ibmu v?

Raum C

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Nr. 37. IV . Jahrgang W ochenschrift des Architekten-V ereins zu Berlin 179

kennen g ele rn t dank den Aufnahmozeiehnungen reisender A rch itek ten ; man weiß bereits, wo und wie die B auten ge­

baut sind. A ber das griechische Tempelschema will zu den Anforderungen der Neuzeit g arn ich t passen; man kann das, was g ebaut werden soll, unmöglich in das Schema hinein­

zw ängen, und es entstehen die größten W underlichkeiten.

Besonders der U m stand, daß der Tempel keine F en ster hat, m acht den K ünstlern bei ihrem unnatürlichen Streben viel zu schaffen. — In P aris w ird die M adeleinekirche gebaut. Sie soll wie ein Tempel aussehen; sie is t aus M armor errich tet und h a t auch keine F e n ster; das L ic h t fällt ein durch Löcher, dio man oben in das Dach geschnitten uncl m it Glas überdeckt hat. In Potsdam habe ich ein Steuerhäuschen ge­

sehen, das w ar auch ein Tempel, der durfte auch keine F enster haben, deshalb h a tte man von den Dachziegeln einige in Glas horgestellt. Alles die reine U nnatur! W enn Sie die hiesige H auptw ache ansehen, so is t die auch in dieser B e­

ziehung interessan t; es sind zwei B auw erke zusam m engesetzt:

vorn eine Tempelfassade, dahinter abor, wo F en ster v erlan g t w erden, konnte m an in diesem

Griechenstile n ich t fortfahren, es is t deshalb ein stilloses B ackstein­

m auerw erk h in ter die F ro n t gesetzt worden. U nd schließlich noch an der N ationalgalerie kann m an sehen, wie der W iderspruch ein solches Gebäude d rü ck t und dieser W ider­

spruch darin begründet is t, daß m an eine moderne Aufgabe lösen will m it den M itteln der griechischen A rch itek tu r. D as D atum dieses letztgenannten Gebäudes zeigt, wie lange diese R ichtung m ächtig ist.

Sie h a t in der B au k u n st viel länger vorgohalten als auf anderen Ge­

bieten. W ie lange is t auf ihnen dieser hellenistische A p p arat bei­

seite gelegt, wo die Scharen von Nymphen und Oreaden und D ryaden, wo Zeus, V ulkan und Aphrodite, Mars, E ros und Genossen auftraten, wo die alte M ythologie die H au p t­

rolle spielte. 50 Ja h re länger hat es g ed au ert, ehe m an sich in der B au k u n st von dieser Tradition freimachte.

A ber w ährend das Griechentum in der A rch ite k tu r e rsta rrte , fängt

— e rst bescheiden — diese und jene andere R ichtung a n , m it dem Griechentum in K onkurrenz zu treten . Man v ersu ch t m itte lalter­

lich, rom anisch und gotisch zu bauen, auch schon in der ersten H älfte des Jah rh u n d e rts. S päter fängt man an, die Renaissance her­

vorzuholen und als Vorbild zu be­

nutzen. E s w ird griechisch, rom a­

nisch, gotisch, italienische Renaissance gebaut. Besonders die B auten jen er Z eit im m i t t e l a l t e r l i c h e n S tile haben aber alle etw as dilettantenhaftes an sich.“

In diese von Schäfer geschilderte W elt t r a t Gottlob U n­

g ew itter ein. Trotzdem er n u r ein A lter von 44 Ja h re n er­

reichte und bereits im Ja h re 1864 starb, is t er doch der Be­

gründer unserer A uffassung der m ittelalterlichen K u n st ge­

worden. E r h at den inneren Zusam m enhang von M aterial, K onstruktion und Form zu erst erkannt, er h a t zu erst das plan­

m äßige D urchforschen der B audenkm äler als die G rundlage eigener künstlerischer T ätig k eit gepflegt. Sein berühm tes

„Lehrbuch der gotischen K onstruktionen“ h a t da, wo m an ähn­

lichen B estrebungen nachging, große V erbreitung gefunden.

A ber die volle W irk u n g blieb doch aus, weil sich die neue L ehre rasch mohr oder weniger in einseitige, akademische G laubenssätze w andelte, die zu M ißverständnissen und zu r E r- j sta rru n g führten. Die E rkenntnis auf diesem Gebiete h a tte ja einen erheblichen S c h ritt vorw ärts getan, aber der Zwang der j

Schulw eisheit hemmte w eiteres F ortschreiten. U nd da kam Schäfer, der große Schüler U n g e w itters, als E rfüller und j

Vollender des von seinem großen L eh rer begonnenen W erkes.

E s muß h ier aber auch hervorgehoben w erden, wie Schäfer in seinen F orschungen durchaus unabhängig von U ngew itter ist. Daß or auch einige nicht unerhebliche Irrtü m e r bei jenom rich tig stellen m ußte, kann n atü rlich der hohen B edeutung U ngew itters, des ersten, der sich auf diesem Gebiete w issen­

schaftlich b e tä tig t h at, keinen A bbruch tun. — Ebenso unab­

hängig is t Schäfer in seiner künstlerischen E ntw icklung, er ste h t ganz und g a r auf eigenen Füßen. Seinem klaren Geiste w ar es selbstverständlich, daß nur unausgesetztes, von keiner Schulm einung befangenes Forschen an der H interlassenschaft vergangener Zeiten dem erstrebten Ziele näher bringen könne, daß jede Scheuklappe, nach rech ts oder links, auf Abwege führen müsse. So h at er auf Studienreisen gezeichnet und ge­

forscht, seine K onntnisse beständig verm ehrt und vertieft un­

ermüdlich sein ganzes Leben lang, ohne je das Ziel aus den Augen zu verlieren. Sein scharfer V erstand, verbunden m it einem geradezu fabelhaften G edächtnis, die glänzende Vereini­

gung des Gelehrton und K ünstlers in seiner Person, seine über­

ragende L ehrbegabung, seine allem Ueberschw änglichen abholde K ra ft­

n atu r, seine ganze gew altige, ein­

drucksvolle P ersönlichkeit bew irkte, daß er der Reform ator der deutschen K unst, ein L eh rer und F ü h re r in unserer K u n st w urde, wie ihn D eutschland noch nicht gesehen hatte.

E r h a t uns durch L ehre und Vorbild den W eg gewiesen zu einer gesunden V o l k s k u n s t für alle Ge­

biete des menschlichen Daseins, vom A rbeiter- und Bauornhaus bis zum P a la s t und G otteshause. Folgen w ir dieser Lehre, so sind wir, bei allem W andel der Dinge, einer stets natürlichen E ntw icklung unserer K u n st sicher. Folgen w ir der großen G e s i n n u n g Schäfers, der, selbst einer der größten K ünstler aller Zeiten, sich frei von jeglicher persönlichen E itelk eit ste ts dem hohen Ziele untorordnete, das er verfolgte, dann werden w ir bew ahrt sein vor den Gefahren, denen in unseren Z eiten so viel und leider auch so viel begabte Köpfe erliegen, die meinen, das Heil der K u n st liege vor allem darin, das unabhängige eigene Ich, „das Individuum “ zur G eltung zu bringen.

Ich lasse hier nun die Schluß­

sätze aus Schäfers oben teilweise vorgelesener Rede folgen, weil sie m it seinen eigenen W orten die Be­

gründung geben für die A r t seiner B etätig u n g als L ehrer, K unstfor­

scher und K ünstler. E r sagte:

„Die alten Z eiten h a tte n ihren bestim m ten Stil, für unsere heutige B au k u n st aber g ibt es keine bestim m te Bauregel. W enn w ir dieses Segens w ieder teilh aftig werden wollen, so können wir uns n u r an die historischen B austile halten. W as sind aber diese historischen Stile? Es sind Sprachen, deren sich ein ganzes Volk, eine ganze Zeitepoche als A usdrucksm ittels bediente. W ie die lateinische S p r a c h e einst das Röm erreich beherrscht hat, so h a t der lateinische B a u s t i l alle römischen B auten geregelt.

S päter entspricht dem A lthochdeutschen der romanische B au­

stil, dem M ittelhochdeutschen die gotische B aukunst. Jede S til­

m engerei is t deshalb etw as Törichtes. Man kann auch nicht halb altgriechiseh und halb italienisch reden. Die Versuche, die italienische K unst durch U nterm engung griechischen D etails zu veredeln, haben keine Berechtigung. Es wäre ebensolche S til­

mengerei wie bei den Sprachen, und die A nalogie erg ib t auch, daß unmöglich ein einzelner Mensch berufen und im stande sein kann, einen solchen S til zu reform ieren oder neu zu erfinden.

Solche Erfindung w ürde dem Volapück gleichen.

W enn ich deshalb sage, daß man in der W eise eines historischen S tiles bauen soll, so habe ich dabei n ich t etw a an

*

Abb. 160. E q uitable, L eip zig er und F ried rieli-S tra ß en -E ck e in B erlin

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180 Wochenschrift des A rchitekten-V ereins zu Berlin 11. September 1909 das Kopieren gedacht. Dazu lieg t auch g ar keine N ötigung

vor. W enn man gotisch bauen will, so brau ch t man deshalb nicht eine bestim m te gotische Kirche abzum alen und nach­

zubauen. M it denselben M itteln einer bestim m ten Sprache können in ewige Zeiten hinein die D ichter die herrlichsten W erke schaffen, m it derselben Gram m atik, derselben Syntax, demselben W o rtv o rrat. Ebenso können unzweifelhaft die A rchi­

tekten m it demselben Stile immer wieder Neues und Schönes schaffen. Ich denke also nicht an geistloses Kopieren.

W enn es nun dahin kommen sollte, daß die B aukünstler wieder allgemein historisch bauten, dann würde mir d ie Frago ganz gleichgültig erscheinen, ob und wie lange es bei dieser A r t bleiben, oder ob sich der „neue S til“ daraus entwickeln werde. D as kann man meiner A nsicht nach ru h ig in Gottes H and gestellt bleiben lassen.“

Schäfer fäh rt dann fo rt: Die A nsicht, daß man historisch stilg erech t bauen solle, muß zunächt durch die höheren B au­

schulen verbreitet werden. Die technischen H ochschulen sind g egründet in einer Zeit, als die B aukunst g a r sehr darnieder­

lag; es wäre daher m erkwürdig, wenn sie unserer immerhin fo rt­

schreitenden E rkenntnis noch Ge­

nüge leisteten.

Die Schulen haben den Man­

gel; daß dem Fachstudium zu wenig Z eit eingeräum t wird, und sie sind nicht ganz geeignet, die L u s t zum B austudium hervor­

zurufen und zu erhalten. Das liegt an Verschiedenem. Das eine Mal sieht es in den unteren K ursen so aus, als sollten da M athem atiker und Astronom en er- zogon werden. Ich für meine Person bin ein ingrim m iger Feind dieser Ueberbiirdung m it reiner und angew andter M athem atik. Ich sage das g ar nicht, weil m ir der W e rt dieser Dinge an sich zu gering erschiene; ich habe einst als ein Jü n g lin g gegolten, der eine gewisse m athem atische B egabung h ätte. A ber ich w ar auch der einzige, dem es Spaß machte, die anderen haben sich gelangw eilt und keinen N utzen davon gehabt.

I c h habe auch das m eiste nachher wieder vergessen. Ich habe aber auch die E rfah ru n g gem acht, daß von den da gelehrten Dingen für unser F ach rech t wenige nötig sind. D er Zeitaufw and is t zu groß, wenn die M athem atik in alle Tiefen verfolgt w ird; es wird anderen w i c h t i g e n Dingen die Z eit in ungebührlicher W eise entzogen.

W ie wenig diese theoretischen Studien nützen, davon will ich ein

Beispiel erzählen. Ein H auptgegenstand während der erston Sem ester ist die darstellende Geometrie. Da wird jahrelang wöchentlich 8 bis 10 Stunden und noch m ehr den jungen H erren die deskriptive Geometrie beigebracht. Die soll das Projizieren erleichtern. D as kann man aber bei m ittlerer Begabung immer in einer viortel Stunde lernen. D am it es dem jungen Mann aber leichter wird, w ird es ihm ein J a h r lang in theoretischen Spekulationen auseinandergesetzt. D as is t nicht richtig. Ich habe schon sehr viel Schüler gehabt, die Anzahl der Herren, die zu m ir kommen, m ultipliziert sich m it den Ja h ren meiner L eh rtätig k eit. Abgesehen von den Herren, die zufällig schon früher auf dem B ureau eines A rchitekten tä tig waren und dort die Sachen praktisch gelernt hatten, is t niemals ein einziger dagewesen, der nicht einmal g estrauchelt wäre trotz aller deskriptiven Geometrie. Diese W issenschaft reicht also noch n ich t einmal aus. D a muß man sich doch fragen, wozu h a t denn die ganzo langw ierige Sache gedient und genützt?

D as zweite, was ich für verbesserungsbedürftig halte, ist der U n te rric h t in der B a u k o n s t r u k t i o n s l e h r e . Man sollte die gewonnene Z eit d ie s e m U n terrich t zulegen. Es muß auch

nicht Form und K onstruktion gesondert werden. D as befördert n ich t die L u s t an diesen Studien. Es muß vielmehr gerade beides vereint g eleh rt werden. Eine K onstruktionsform is t heute in dem und morgen in dem S tile zu bearbeiten. Die F reu d ig k eit an diesen Dingen is t je tz t manchmal sehr gering, faßte man aber die Sache in dieser W eise an, so würde sie bald kommen.

D as D ritte, w as m ir n ic h t gefällt, ist, daß die griechische Form enlehre als die beste E inführung in die Baulehre gelten soll. Die griechischen Form en sind oft unverständlich, man kann manchmal n ich t einsehen, weshalb eine solche Form so und n ic h t anders g e sta lte t ist. Es w ird bei diesen Form en immer nur gelehrt: „so w ird das gem acht und so sieh t es a u s“, das „w arum ?“ w ird nicht gelehrt. Deshalb scheint m ir ge­

rade das Gebiet dieser K u n st wenig geeignet, die Jugend ein­

zuführen und ih r L u s t und Liebe zum B austudium einzuflößen.

Die H erren, die sich der M onate oder Ja h re erinnern, die sie m it dem Zeichnen solcher griechischen Formen zugebracht haben, worden m ir w ahrscheinlich in der großen M ehrzahl rech t

geben, daß die Sache n ic h t ganz in O rdnung ist. Man sollte des­

halb die griechischen K unstform en erst in den späteren Sem estern unter historischen G esichtspunkten vorführen; man sollte von diesen Form en n u r erzählen: „es w ar einmal so“, aber sie nicht als ele­

m entaren G egenstand hinstellen.

W enn in diesen drei P u n k ten der U n te rric h t in den ersten Sem estern neu geregelt würde, so m üßten in den späteren Sem estern vor allen Dingen w irklich histo­

rische G otik, historisches Ro­

m anisch, historische Renaissance gelehrt, nicht aber A ugenblicks­

erfindungen eines bestim m ten K ünstlers der Jug en d vorgosetzt werden. D as is t eine solche Schule der Jugend schuldig, bis vielleicht einmal ein U rgenie, ein Michel Angelo a u f d e r h i s t o r i s c h e n B a s i s in G ottes Namen an dieser Erfindung des „neuen S tiles“ das Seine tu n mag.

W enn so die jungen Bau- studonten orzogen würden in der allergrößten H ochachtung für die K u n st unserer V orfahren, und wenn sie in einer oder zwei S til­

arten w irklich sprechen lernten, würde es auf dem Felde der B au­

ku n st der Z ukunft besser aus- sehen, als es heute der F all is t.“

Soweit Schäfer.

Schäfer begann seine L eh r­

tä tig k e it in Berlin als P rivatdozent im F rü h ja h r 1878. Zum Professor für den von ihm geschaffenen L eh rstu h l wurde er im Jah ro 1881 ernannt. Bis dahin h a tte an der Bauakadem ie ein irgendwie nennensw erter U n terrich t in m ittelalterlicher B au k u n st über­

hau p t nicht bestanden. Im Kolleg über K unstgeschichte wurden zw ar auch die M eisterw erke des M ittolaltors vorgeführt und gepriesen, aber doch n u r als Zeugen vergangener Zeiten, die als V orbilder für unsere Z eit kaum in B e tra c h t kämen. Es herrschten damals in B erlin die A nschauungen der Schinkel­

sehen Schule, deren Bestreben der H auptsache nach bekanntlich dahin ging, durch Verschmelzen griechischer und italienischer A rt aus der Z eit der Renaissance zu neuen verfeinerten E n t­

wicklungen in der städtischen und kirchlichen B aukunst zu gelangen. Allm ählich zeigte sich aber m ehr und mehr, daß dieser W eg ins Leere führte. Man suchte vergebens nach A b­

hülfe. D a kam zur rechten Z eit der rechte Mann! Schäfers A uftreten an der B erliner Bauakadem ie bedeutete eine voll­

ständige U m w älzung des A lthergebrachten. E r w urde der R etter in der Not. Die Jugend, die damals in das Studium ein trat, nahm seine fruchtbaren L ehren als selbstverständlich hin, die A elteren empfanden sie als eine Offenbarung und B e­

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Nr. 37. IV. Jahrgang Wochonschrift des A rchitekten-V ereins zu Berlin 181

freiung aus totem akademischen W esen, m it dem man im Leben nichts anzufangen wußte. W ie ein Lauffeuer ging der R uf Schäfers von Mund zu M unde, A lt und J u n g ström te herbei, ihn zu hören. M änner in R ang und W ürden saßen in vollbesetztem Saale zu seinen Füßen, um nach M öglichkeit nachzuholen, was zu hören ihnen früher n ich t geboten war.

Die für die studierende Jugend gehaltenen Kollegs gehörten rasch zu den am stä rk ste n besuchten, und so is t es bis zum Ende der L e h rtä tig k e it Schäfers, e rst h ie r, später seit 1894 in K arlsruhe, geblieben. E r w ar in D eutschland der gefeiertste H ochschullehrer auf seinem Gebiete.

In welch’ ganz besonderem Maße Schäfer die B efähigung zum L e h r­

beruf in sich tru g , g e h t schon daraus hervor, daß er bereits als 18- und 19 jä h rig e r Jü n g lin g an der B au­

gew erkschule in Holzminden vor m eist älteren Schülern als erfolgreicher L eh rer tä tig war. Seine Lehrgogen- stände waren d o rt B aukonstruktionen, M athem atik und Form enlehre der an ­ tiken B aukunst. Ein Beweis seiner überragenden P ersönlichkeit ergibt sich zugleich aus der T atsache, daß er, tro tz seiner Jugend, auch Vor­

sitzender des dortigen A rchitekten- Vereins war.

S päter nahm er seine L eh rtätig - koit w ieder auf in Cassel, wo er als Nachfolger U ngew itters an der höheren Gewerbeschule seit 1868 bis zu deren Eingehon im Ja h re 1870, noch immer in ungewöhnlich frühem L ebensalter u n terrich tete im E n t­

werfen, in Form enlehre, in Geschichte der A rch itek tu r und in Perspektive.

Seine g r o ß e Z eit als L ehrer be­

g in n t dann in B erlin im J a h re 1878, wo er, wie w ir bereits wissen, der B egründer des L eh rstu h ls für m ittel­

alterliche B au k u n st wurde, der seit­

dem zum festen B estände des L e h r­

plans gehört. E r le h rte : 1. „Form en­

lehre der rom anischen und gotischen B a u k u n st“, verbunden m it Uebun- gen im E ntw erfen; 2. „Geschichte der deutschen H olzbaukunst“ ; und 3. „A usbau und ausstatten d e K unst im M itte la lte r“. Seine L e h rtä tig k e it wäre h ier n o c h um fassender ge­

worden, ivenn der übrige Lehrplan der Hochschule es zugelassen hätte.

Z uletzt, seit 1894 bis zu_ seiner E rk ra n k u n g im J a h re 1906, h ielt er dieselben Kollegs in K arlsruhe, fügte ihnen aber noch folgendes' hinzu:

1. „M alerische P erspektive“ ; 2. „A n­

lage des K irchengebäudes“ ; und

ferner: „Zwanglose V o rträg e “ aus den verschiedensten Gebieten der B au k u n st und des K unstgew erbes, wie z. B. über „Eiserne G itter und deren B em alung“, über „K leidung“, „T rach ten “,

„Waffen im M ittolaltor“, „Schrift- und Bücherwesen im M ittel- a lte r“, „K irchenglocken“, D achkonstruktionen“ u s v \ —

Schäfer w ar ein Mann der T at, er wollte keine S chw är­

mer, keine G eistreichler, er wollte tüchtige, für ihre Z eit brauchbare W erkm eister und K ü n stler erziehen. Alle A lte r­

tüm elei war ihm zuwider, er w ar in Tun und Denken ein durch und durch m oderner Mensch. So h a t er auch im U n te rric h t nie m it philosophisch-ästhetischen B etrachtungen die Z e it ver- i tan, sich nie m it theoretischen E rörterungen über den Begriff

„ S til“ aufgehalten. A ber er brachte den H örern durch den In h a lt seiner Lehre das bei, was Stil i s t , er brachte es ihnen bei durch den eindringenden U n te rric h t in der K unstübung des M ittelalters und der anschließenden Zeiten. — N icht n u r die G e g e n s t ä n d e seines U n terric h ts waren f a s t überall, der V or­

tra g über „Die G eschichte der deutschen H olzbaukunst“ ü b e r ­ h a u p t etw as durchaus Neues, auch die A r t zu lehren w ar es.

B is dahin w aren K onstruktion und A rch itek tu r gesondert von

verschiedenen L ehrern, unabhängig von einander vorgetragen und geübt worden. Die von Schäfer oben betonte Zusam m en­

gehörigkeit beider kam dem Studierenden n ich t zum B ew ußt­

sein. W urde sie j a doch auch im allgemeinen von der a l t e n B e r l i n e r S c h u l e m indestens als unw esentlich vernachlässigt, die eben der A uffassung aus Schinkels Z eit.noch zu nahe stand.

Gewiß wird kein Unbefangener, auch wenn er andere W ege geht, jem als leugnen, daß Schinkel in seiner R ichtung ein w ahrhaft großer K ü n stler w ar; das darf aber n ich t hindern, auch s e i n e n S tandpunkt abzulehnen, wenn er uns in seinen

Folgen verhängnisvoll erscheint. In diesem Sinne will ich einen A bsatz aus einem G utachten Schinkels vo r­

lesen, das m ir vor kurzem zufällig in die H ände fiel. D er „V erein zur Beförderung der Gewerbefleißes in P reu ß en “ h a tte in seiner „A bteilung für B au k u n st und schöne K ü n ste“

eine P reisaufgabe g estellt, „ b e t r e f ­ fe n d e in e V e r m e h r u n g d e s V e r ­ b r a u c h s v o n Z i n k “. Den P reis erhielt ein H err Geiß. In dem im Ja h re 1838 im D ruck erschienenen Berichte*) sa g t Schinkel u nter an­

derem: „ V o r H errn Geiß h a t man sich beschränkt, n u r kunstlose Ge­

w ichtstücke, einige A rten Rosetten, Lampenfiißo kleinerer A r t und Me­

daillen in Z ink zu gießen. H err Geiß h a t den Guß auf große A rc h ite k tu r­

teile, H auptgesim se, K apitale großer Säulen, Vasen von allen Größen und besonders auf alles große baroque A rchitekturornam ent ausgedehnt, und in letzterem der K u n st einen beson­

deren D ienst dadurch erwiesen, daß den K ünstlern die verderbliche lan g ­ weilige A usarbeitung in Stein bei der H erstellung großer Gebäude dieses S tils abgenommen wurde, der A us­

guß solcher Gegenstände in Zink, aus einer über die O riginale erhaltenen Form , m it großer L eichtigkeit und geringen K osten zustande k am “.

Schäfers dem M ittelalter ent­

nommene L ehre bildet, wie w ir g e­

sehen, zu solchen A nschauungen den schroffsten Gegensatz. M aterial und Form stehen in inniger V erbindung, sie bilden eine E inheit. Die Form is t abhängig von ih rer Zweckbestimmung und von den Gesetzen, die das M aterial vorschreibt. So kom m t ste ts in n a tü r­

licher und charak teristisch er W eise zum A usdruck, m it welchem M aterial gearbeitet wird. Gesetzloser W illkür und gefährlichem Surrogatw esen w ird der W eg verlegt.

Ohne auf andere Einzelheiten des Schäferschen U n te r­

rich ts einzugehen, von denen noch viel zu sagen wäre, soll hier n u r hervorgehoben werden, daß w ir ihm auch, durch L ehre und Vorbild, die W iedereinführung der kräftigen frischen F arbe in die B au k u n st verdanken. B ereits in den siebziger Ja h ren des vorigen Jah rh u n d e rts h a t er m it der ihn kenn­

zeichnenden m utigen E ntschlossenheit die alte, zum Teil von ihm neu entdeckte Ueberlieferung, auch für die Außonbemalung der Bauwerke, wieder aufgenommen: E iner gegen fast alle!

Daß Schäfer aus den früher vorgelesenen, von ihm selbst entwickelten G ründen auf den zweifelhaften Ruhm des Erfinders neuer Form en verzichtet und davor gew arn t h at, kann auch im Hinblick auf die neuerdings in F luß gekommene Denkmal- und Heimatpflege n u r segensreich w irken. In zahllosen alten Städten und Dörfern sieh t man je tz t neben manchem Guten schlimme Bilder m oderner N euerungssucht, die nicht w eniger abstoßend, aber m eist aufdringlicher wirken, als die philiströsen kunstlosen Gebilde aus den Z eiten des V erfalls in der ersten

*) „V erhandlungen des V e re in s zur B eförderung d es ß ew erb eileiß es in P reußen“

J a h r g a n g 1838. S e ite 21.

..•f: A-

Abb. 102. D om zu Brem en

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182 W ochenschrift des A rchitekten-V ereins zu Berlin 11. September 1909

Abb. 163. E n tw u r f zum A usbau der R öm erfront in F ra n k fu rt a.M . 18S9 (M otto: „W ie kann nur ein M ensch“)

H älfte des 19. Jah rh u n d erts. Diesem Hebel is t ohne | w eiteres abgeholfen, wenn die Lehren Schäfers beherzigt werden. Schäfer selbst, als unübertroffener M eister auf diesem Gebiete, h a t uns in N eubauten und W ieder­

herstellungen zahlreiche Beweise für die R ichtigkeit seiner G rundsätze gegeben. Es s te h t auch fest, daß die Vor- trefllichkeit, die je tz t so manche A usführungen auf diesen Gebieten zeigen, vor allem dem großen Einfluß von Schäfers Lehro zu danken ist.

Bei Schäfers schon in früher Jugend hervorgetretenem D range nach w issenschaftlicher B etätig u n g kann es nicht wundernehmen, daß er auch auf dem Gebiete der K u n st­

w i s s e n s c h a f t eine hohe Stellung einnimmt. Zw ar ist die Zahl seiner im D r u c k erschienenen wissenschaftlichen A rbeiten vergleichsweise gering, aber, was ihnon an Zahl fe h lt, ersetzen sie durch ihre m eist grundlegende B edeutung; auch in W o rt und Zeichnung sind sie von klassischer Vollendung. A ber der K un stg eleh rte er­

schöpft sich bei Schäfer n ich t in den im B uch­

handel erschienenen W erken und den vielen in Z eit­

schriften zerstrouten A ufsätzen. Man muß hier alles liinzuroehnen, was er in den Kollegs als E r­

gebnis e i g e n e r Forschungen, in ständig w achsender Fülle niedergelegt hat. U nd das is t von solch ungolieurem Umfange und inhaltlich von solchem W ert, daß es, gedruckt, das berühm te W erk des großen Franzosen V iollet le Duc an U m fang m in­

destens erreichen, an W ert vielfach übertreffen w ürde. Ganz abgesehen davon, daß Schäfer, der V iollets V erdienste sehr hoch einschätzte, ganz unabhängig von ihm ist, und naturgem äß das d e u t s c h e M ittelalter in die erste Linie rückt. So b etrach tet s te h t Schäfer in der vordersten Reihe der K unstforschung

seiner Zeit. E r h a t für unsere heim atliche Baugeschichte, die, wie er selbst einmal ausspricht, e rst noch begründet, fundam entiert werden muß,*) den festen Grund gelegt, auf dem nun von Berufenen nach und nach der stolze B au errich tet werden kann.

So fließt bei Schäfer w issenschaftliche B etätig u n g m it der B e­

lehrung der Jugend in eins zusammen. Sein H auptw erk is t ja ungedruckt geblieben; aber is t nicht die Annahm e berechtigt, daß es, lebensvoll vielen Tausenden aufm erksam er Schüler vorgetragen, un-

; gleich eindrucksvoller und nachhaltiger gew irkt h at, als es das beste Buch verm öchte? W äre Schäfer ein längeres Leben bescliieden ge­

wesen, so h ätte er uns wohl auch noch manches wissenschaftliche W erk beschert. D as h ä tte man auch um deswillen wünschen mögen, als dadurch für alle W elt sein geistiges Eigentum in größerem Um­

fange festgelegt worden wäre, als es nun der Fall ist. Es wurde g a r manches, wie man so sagt, „m it ruhigem D ank in den großen Bau der K unstgeschichte eingereiht“ ; es is t A llgem eingut ge­

worden, ohne daß man den F inder nennt oder kennt.

Ich darf hier nicht g a r zu ausführlich werden, es möge aber w enigstens d a r a u f hingewiesen w erden, daß Schäfers Iforschungen und V orträge übor H o l z a r c h i t e k t u r ein Gebiet erschlossen und in der H auptsache wohl erschöpfend und ab­

schließend behandelt haben, das vor ihm so ziemlich un b erü h rt geblieben w ar. W ohl alle späteren Veröffentlichungen auf diesem Gebiete haben daraus zum Heil der Sache den größten N utzen gezogen. Einige gew ichtige Veröffentlichungen h a t uns Schäfer selbst hinterlassen. Es w ürde eine große Lücke in der W ürdigung Schäfers bedeuten, wollte man den außerordentlichen Einfluß unerw ähnt lassen, den er auf die H ebung des H and­

werks ausgeübt hat. Wie schon sein akadem ischer U n te r­

ric h t so ganz und g a r n ich t „nach der L am pe“ duftete, sondern fa st das Gefühl erw eckte, als befände man sich auf dem B auplatze, so gin g auch seine B auleitung w eit übor die übliche A r t hinaus. Es genügte ihm

*) In der V orrede der M onographie „die A b tei Eberbach“.

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Nr. 37. IV . Jahrgang W ochenschrift des A rchitekten-V ereins zu Berlin 183

n ich t eine äußerlich richtige, den Zeichnungen entsprechende A usführung, er legte zugleich den größten N achdruck auf die A nw endung der richtigen technischen M ittel. Bei seiner ge­

nauen K enntnis des gesam ten H andw erks bis in die letzten W inkel hinein w ar es ihm ein leichtes, überall, wo es n o t ta t, persönlich einzugreifen. Die W e rk stä tte n wissen davon zu er­

zählen. Ueberall legte er selbst H and an und brachte so, nicht m it W orten, sondern durch das Vorbild, M eistern und Gesellen die richtige B enutzung des W erkzeuges und das vergessene H andw erk bei. E r stand deshalb bei ihnen in hohen Ehren. Auch auf dem Bau, wie überall ein A rbeiten aus dem V o llen ! Auch auf dem Bau ein L ehrer!

Und so erste h t nun für uns Schäfer in einheitlichem, glanzvollen Bilde als Mann der W issonsshaft, als L ehrer, als K ünstler! U nd welch’ ein K ünstler! W elch’ reiche P hantasie, in Schranken gehalten durch einen scharfen V erstand, befruchtet und g ek lärt durch das Studium großer V ergangenheit.

Ich darf mich über den K ü n stler einigerm aßen kurz fassen angesichts der hier v eran stalteten A usstellung, die einen kleinen B ruchteil seiner E ntw ürfe und ausgeführten W erke in Zeich­

nungen und sonstigen D arstellungen vorführt. Daß diese bei aller L ückenhaftigkeit doch so w ertvolle A usstellung möglich wurde, verdanken w ir dem bereitw illigen Entgegenkom m en der B esitzer, Behörden und P rivaten. Z u r richtigen B eurteilung nach ihrer äußeren E rscheinung muß vorw eg bem erkt Averdon, daß Schäfer n u r da W e rt legte auf zeichnerisch vollendete D arstellung seiner E ntw ürfe, wo es sich darum handelte, dom B auherrn eine klare V orstellung des B eabsichtigten zu ermög­

lichen, oder bei W ettbew erben und für Zwecke der Veröffent­

lichung. E r w ar ein M eister der D arstellung, besonders ge­

hören viele seiner Federzeichnungen zum schönsten, was A rchi­

tektenhand darg estellt hat. A ber die Zeichnung w ar ihm im allgem einen nie Selbstzweck, sondern n u r das M ittel zur N ieder­

sc h rift seiner Baugedanken.

In diesem Sinne verfuhr er auch beim H ochschulunterricht.

E r h ielt bei den U ebungen im Entw erfen auf genaue, fehlerlose Zeichnung und schöne D a rstellu n g m it einfachen M itteln, aber verpönt w ar es, auf den gemeinsamen Studienreisen die Skizzen­

bücher m it n etten Bildern zu füllen; es m ußte ern sth aft A rchi­

te k tu r gezeichnet und gemessen werden, Einzelheiten k o n stru k ­ tiv er und künstlerischer A r t; die E rw erbung positiver K ennt­

nisse w ar das Ziel.

A us solchem S tandpunkt heraus e rk lä rt es sich, daß nur verhältnism äßig wenige der hier zufällig zusam m engestellten B lä tte r als B ilder w irken. D as w ird freilich den W e rt der andoren B lä tte r für den Fachm ann nicht verringern. Daß Schäfer ein B a u k ü n s tle r ersten Ranges w ar, is t von aller W elt, auch seinen Gegnern anerkannt. Viole der hier aus­

gestellten B lä tte r werden es auch denen u n ter den V er­

sam m elten beweisen, die etw a noch nicht Gelegenheit hatten, ausgeführte W erke von ihm zu sehen. Eines freilich dürfte Ihnen allen bekannt sein und ich will es deshalb hier als erstes nennen: Das H aus der Equitablegesellschaft in B erlin an der Ecke der Friedrich- und Leipzigerstraßo. W onn man bedenkt, m it welcher A usführlichkeit viele andere N eubauten in Zeitungen und Zeitschriften besprochen werden, so muß es allerdings doppelt auffallen, wie wenig dieser P rach tb au g enannt worden ist. Sollte dazu schon die M onum entalität seiner vornehmen Fassade, die künstlerische D urchbildung der Ecke m it der wundervollen schlanken Kuppel, einer der schönsten Berlins, herausfordern, um wieviel m ehr vielleicht noch der U m stand, daß dieser Bau den Typus des m odernen G eschäftshauses ge­

schaffen hat. E r is t der erste in Berlin, dessen F ro n ten voll­

stän d ig in Pfeilerstellungen aufgelöst sind. In technischer Be­

ziehung bedeutet er endlich einen großen F o rts c h ritt für unsere S ta d t dadurch, daß die Fronten aus geschichtetem Quader­

m auerw erk bestehen, w ährend bis dahin n u r B ekleidung m it hochgestellten W erksteinplatton üblich gewesen war. — Schäfers E ntw ürfe und A usführungen für kunstgew erbliche Dinge aller A rt, für inneren A usbau, für N eubauten und für W iederherstellungen auf dem Gebiete der bürgerlichen und kirchlichen B au k u n st sind schier zahllos. E s is t nur weniges davon in w eitere K reise gedrungen, woil er selbst n u r ganz ausnahm sw eise m it einem und dem anderen an die Oeffentlich- k e it g etreten ist. Gar manches w ird überhaupt n ich t m ehr nachzuweisen sein. Seine B edeutung als Neusehaffender und W iederhersteller is t an sich wohl gleich groß, ste ig e rt sich

aber, zum Teil durch die G unst der äußeren Umständo, auf dem zweiten Gebiete zum höchsten Glanze. S tilistisch is t die g rößte M annigfaltigkeit festzu stellen : er h a t gebaut romanisch, gotisch aller Perioden, früho und späte deutsche Renaissance, Barock und Rokoko; vielfach noch in den charakteristischen U nterschieden der einzelnen L andesteile. Alles m it gleicher M eisterschaft. Seinem innersten Empfinden am nächsten h at wohl die m ittelalterliche und die K unst der deutschen Re­

naissance gestanden. E r h a t gebaut Gutshöfe m it allem Z u ­ behör, B ierbrauereien, W Urtshäuser, S tadt- und L andhäuser, Schlösser, öffentliche Gebäude, K irchen; und in allen diesen B auten h a t er den Beweis erbracht, daß für m o d e r n e B e ­ d ü r f n i s s e z w e c k m ä ß ig bauen und in seiner A uffassung s t i l ­ m ä ß i g bauen keine W idersprüche enthält. Auch sind alle seine W erke nichts weniger als Kopien alter V orbilder; sie sind von frischer selbständiger Erfindung und nehmen es in dieser Beziehung m it jedem auf.

Man kann Schäfers Leben und dem entsprechend seine künstlerische E ntw icklung in vier H au ptabschnitte teilen;

I. Von 1844—1870. K indheit und Z eit der E ntw icklung zum M eister. — Kassel, Holzminden, Paderborn, München, und w ieder Kassel.

II. 1870— 1877. Die M arburgor Zeit.

III. 1878— 1894. Die B erliner Zeit.

IV. 1894— 1908. Die K arlsru h er Zeit.

Nach diesen vier A bschnitten w urde auch die A usstellung angeordnet.

Es soll hier aus jedem A bschnitt n u r das aus der endlosen Zahl von E ntw ürfen und ausgeführten W erken herausgehoben werden, w as man etw a w issen m u ß .

A u s d e m I. A b s c h n i t t .

Die W iederherstellungsarbeiten am Dom in Paderborn. — Die in W erkstein und H olzarchitektur ausgeführten N eubauten auf Schloß H innenburg bei B rakei in W estfalen. Ein E n t w u r f für die „höhere Gewerbeschule“ in Kassel. Ein W ettbow erb- entw urf für die Johanneskirche in A ltona.

A lles im L ebensalter von 20 bis 25 Jahren.

A u s dom II. A b s c h n i t t .

D a s U n i v e r s i t ä t s g e b ä u d e in M arburg, frühgotischen Stiles. D as H auptw erk Schäfers aus seinen jungen Jah ren , das ihn zuerst in w eiteren Kreisen bekannt gem acht hat. Ein M e i s t e r w e r k in E rfüllung des Program m es, in A npassung an den B auplatz, in E inordnung in das Stadtbild, in künstlerischer D urchbildung, eine glanzvolle B ereicherung der baugeschichtlieh so hervorragenden, malerischen alten S tadt. — D as H aus Grimm, ein gotischer Fachw erkbau, der ersto seiner A r t aus neuer Zeit. D er durch besondere Schönheit ausgezeichnete gotische A u ssich tstu rm für M arburg. D as Schloß Stum m in H olzhausen in den Form en deutscher Frührenaissance. N ur der W irtschaftshof is t unverändert nach den P länen Schäfers zur A usführung gekommen.

A u s dem III. A b s c h n i t t .

A us der großen Zahl, m eist im M inisterium der öffentlichen A rbeiten angefertigter E ntw ürfe für Kirchen, U n terrich ts- und G erichtsgebäude seien hier n u r gen an n t: D as Aulagebäudo für Schulpforta, das K üsterhaus für den Dom in M erseburg, die K irche für F ried rich g rätz, die Kanzel und sonstige A u ssta ttu n g s­

stücke für die W iesenkirche in Soest. Das fü r den S tich ge­

zeichnete B la tt der Kanzel m ag zugleich einen B egriff von Schäfer als Zeichner geben.

D as G eschäftshaus E quitable in B erlin w urde bereits be­

sprochen. E s is t leider das einzige, was die S ta d t von Schäfer besitzt. Viele der hier V ersam m elten w erden sieh noch des entzückenden, im gotischen Stile ausgobauten A us­

schankes der B rauerei P fu n g sta d t in B erlin erinnern, der leider nach einigen Ja h re n zum A bbruch kam. Von den großen K irchenbauten der R eichshauptstadt is t dem größten M eister, den w ir hatten, nichts zugefallen. Es lieg t aber der schöne, leider auch nicht ausgeführte E n tw u rf für eine K irche in M oabit vor. A ls letztes W erk, w enigstens in nächster N ä h e B erlins, in Zehlendorf, sei der Umbau des Landhauses Moser genannt.

D ieser B au is t besonders auch durch die nach alter U lm er A rt durchgeführte, reich gem usterte B ehandlung der Putzflächen interessant.

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Abb. 164. St. S la rtln sto r (S ta d tse ite ) in F reib u rg /B r. 1893

sich, was die Neuzeit auf diesem ]k Gebiete W ochenschrift des Architekten-V ereins zu Berlin 11. September 1909

A ußerhalb B erlins seien angeführt: die W iederherstellung der roma­

nischen K irche in M ünchenlohra im H arz, der gotischen Johanneskirche in N eubrandenburg. D er Neubau des schönen barocken Turm es für die bis dahin turm lose altstäd tisch e evangelische Kircho in Thorn. D as Schloß Stum m in Ramholz bei Gießen, im S tile der deutschen Renaissance. — Schließlich zwei H a u p t e n t w ü r f e , die auf Schäfers allereigenstem Gebiete, dem der Denkmalpflege liegen: D er E n tw u rf für die W iederherstellung des D o m e s in B r e m e n und der für den A usbau der R ö m e r f r o n t in F r a n k ­ f u r t a. M. Beides gehört zu den glänzendsten L eistungen Schäfersclien Geistes. Es is t ein w ahres V erhängnis, daß ihnen die A usführung v ersag t blieb.

A u s dem IV. A b s c h n i t t .

Es is t die größte Z eit Schäfers als K ü n stler. Seine B au tätig k eit g ilt je tz t in erster L inie dem Lande Baden, und sein durch den A nschluß an die in diesem Lande altheim ischen Bauweisen vorbildliches W irken h a t auch hier, im V erein m it seiner L e h rtä tig k eit, den Grund gelegt fü r die W ieder­

g eb u rt einer gesunden B aukunst. Von seinen Bauten seien genannt: Die frühgotische altkatholische K irche nebst dem malerischen P farrh au se in K arlsruhe. Die m onum entale gotische U n i v e r s i t ä t s b i b l i o t h e k in F r o i - b u r g . Sie fordert besondere B eachtung durch dio charakteristische, dem Innern angepaßte Fensterbildung des eigentlichen Bibliothekflügels, sowie durch das in seiner K onstruktion, R aum bildung und reich farbigen A us­

schm ückung gleicherm aßen fesselnde Treppenhaus m it der schönen vor­

gelagerten Halle. Die S tad tto rtü rm e S t. M a r t i n nebst anschließender H äusergruppe und S t. J a k o b in F r e i b u r g , die auf alten U nterbauten hoch und stattlich in dio L üfte ragen; eine herrliche B ereicherung des Stadtbildes. — Zahlreiche Gebäudeanlagen für B ierbrauereien, m ustergültige Beispiele für die künstlerische G estaltung solcher N utzbauten m it einfachen M itteln. Es seien genannt: D er „Kühle K ru g “ bei K arlsruhe: Bierablagen, W ohnhäuser, G asthäuser m it Zubehör, in verschiedenen O rten für die B rauerei Meyer in Riegel.

W ir kommen nun zum Schluß unserer A ufzählung: S traß b u rg - Heidelberg — Meißen! — D as dort G eleistete h ä tte allein genügt, Schäfer unvergänglichen Ruhm zu sichern. In S traß b u rg die W iederherstellung der K irche J u n g S t. P e t e r , in Heidelberg die W iederherstellung des F r i e d r i c h s b a u e s und der E ntw urf für die W iederherstellung des O t t o H e i n r i c h s b a u e s , in Meissen der Bau der D o m tü r m e .

Die W erke sind durch die zum Teil in die b reiteste Oeffent- lichkeit getragenen Kämpfe um sie so oekannt, und die ausgehängten Bilder gew ähren immerhin so ausreichende A n­

schauung, daß ich mich auch hierüber langer M itteilungen enthalten kann. J u n g S t. P e t e r und der F r i e d r i c h s b a u sind in voltem Glanze or- standen, wie sie der M eister erschaut. Des O t t o H o i n r i c h s - b a u e s schöne T rüm ­ mer stehen noch un­

g esch ü tzt da, allen M ächten des V erder­

bens preisgegeben.

W as w ird ihr Schick­

sal sein? W ie es auch kommen m ag,niem als wird der packende E n tw u rf Schäfers durch eine andere L ösung übertroffen oder auch nu r er­

reich t w erden.—- U nd

■nun als letztes und grö ß tes W erk der A usbau d e r T u r m ­ f r o n t d e s D o m e s in M e is s e n ! E r lä ß t alles w eit hinter

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Nr. 37. IV. Jahrgang W ochenschrift des A rchitekten-V ereins zu Berlin 185

Modell nach S ch ä fers W ied erh erstellu n g M odell nach Schäfers W ied erlierstellu n g sen tw n ri

Friedrichsbau. 1897 G läsern er. S aalb au m it G lockenturm . 1900 O tto H einrichsbau (2. E n tw u rf a ut Grund des W etzlaren Sk izzenbu ch es). 1902 Abb. 165 und 106. H eid elberger Schloß

geschaffen. N ur dem Genie konnte solches W erk gelingen.

E s w irk t in aller seiner P ra c h t so selbstverständlich, daß m an sich nicht denken k an n , wie es anders sein sollte. Es s te h t auf der vollen Höhe der ersten M eisterwerke alter Zeiten. D eutschland kann stolz sein auf seinen Besitz. —

A us solcher Stim m ung heraus h a t ein F reund des M eisters in Meißen zu der vor wenigen W ochen erfolgten W eihe der Türm e eine D ichtung verfaß t, die ich Ihnen auch deshalb vorlesen möchte, weil sie zugleich zeigt, wie im beston Sinne volkstüm lich der M eister und sein W ork dort geworden sind:

Modell nach S ch äfers W ied erh erstellu n g sen tw u rf M odell nach S ch ä fers W ied erherstellun g

G lockenturm G läsern er Saalbau. 1900 Friedrichsbau. 1897

e

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180 Wochenschrift des A rchitekten-Vereins zu Berlin 11. September 1909

„N icht w ar es ihm v erg ö n n t sein W erk zu schauen

In der V ollen d u ng kön ig lich er Praclu.

D a s A u g ’ erlosch, v o r d essen F euerb lieb Sich to ter S tein belebt; sta r r lie g t die

Hand

U nd sch reib t nicht mehr die Zeichen edler K un st

In s W eltenbuch, der Mund, der (lberfloß V on goldn er W eish eit, is t fdr immer

stumm.

D er Mann des V olk s, w ie oft in un srer M itte

S a n g er die Lieder, die dem V o lk en t­

stam m t,

Vom „Sandw irt von P a s s e ie r “, „Prinz E u g en “,

Zum E nde: „M orgen muß ich fo rt von hier“.

Nun Ist er fort in s unbekannte Land E in sto lz e rL e n k e r g lU h ’nderJugendkraft, F reim ü t'ger Freund den M ännern sein er

Jahre,

A llz e it ein S tre ite r fdr der Schön heit R ech t! —

N ach tiefer Trauer bleib t die Freude uns A n sein em le tz te n k ö stlich en Gebild;

D a s w ird noch leuchten in J ah rtau sen d­

ferne,

W enn un srer T age k einer m ehr gedenkt.“

Wem solche vom Herzen ström ende W o rte nachgerufen werden, der w ar n ich t n u r ein ganzer K ünstler, der w ar auch ein ganzer Mann. Und das tvar Schäfer! Eine V ollnatur seltenster A rt. Ihm, dem zähen kraftvollen Hessen, konnten die kleinen A lltagssorgen den fröhlichen Sinn, die Freude am heitern Lebensgenuß nicht viel stören. Seine treue Lebens­

gefährtin, eine kluge seiner w erte F rau , die die hohe Be­

deutung ihres Mannes wohl zu würdigen wußte, w ar zudem sorgsam darauf bedacht, ihm alles Störende fernzuhalten; sie w ar ihm eine heldenhafte Helferin in schweren Stunden. — Schäfers beweglicher G eist bedurfte reicher A rb eit, nicht R uhm sucht und Ehrgeiz trieben ihn dazu. Die K u n st diente ihm nicht zur Erw erbung großen Besitzes und A nsehens, stets diente er i h r in begeisterter H iugabe; er setzte sich, wenn es darauf ankam, für sie ein m it der ganzen W ucht seiner starken Persönlichkeit. Seine heitere unverfälschte und grundgütige N atu r zog ihn von selbst zu den K indern und der Jugend. Und sie entgalten es ihm durch reiche Liebe und Verehrung. Seinen eigenen Kindern gab er sich ganz hin und heim gemeinsamen Spiel wurde er selbst zum ausgelassensten Kinde. Die studierende Jugend stand zu ihm w eniger im V erhältnis des Schülers zum L ehrer, als des Sohnes zum V ater. Sie nannten ihn daher

auch stets den „alten H e rrn “ ; das „M otiv“ brachte ihm “ die höchste E hrung, die E rnennung zum Ehrenm itgliede, dar. — W ie er bei dem der Erholung gewidmeten zwanglosen Bei­

sammensein m it der Jug en d oder anderen guten Freunden in übersprudelnder L aune, in freundlichem Humor, in scharfer Satire, in ernsten W orten in unerschöpflicher Beredsam keit überfloß, das sind unverlierbare köstliche E rinnerungen für die B eteiligten. E r konnte erzählen wie wenige; und er konnte reden über alles, überall w ußte er Bescheid. Seine Belesenheit auf weiten Gebieten, nicht nur der schönen L ite ra tu r, w ar grenzen­

los, und sein Riesengedächtnis ließ ihn nichts vergessen.

A ls ihm im März dos Ja h re s 1906 sein zum 25jährigon Lehrjubiläum von zahlreichen V erehrern gestiftetes B ildnis überreicht w urde, h a t er es m it soinem goldenen H um or be­

g rü ß t. „Meine H erren ,“ sagte er, „zu einem solchen schönen Bilde gehört dreierlei; erstens ein großer M eister, wüe Sam- berger, der es m alt, zweitens ein schöner K erl — wie ich, und d ritte n s die L eute, die es bezahlen.“ Nachdem alsdann die feierliche U ebergabe m it einer huldigenden A nsprache erfolgt war, ergriff er das W o rt zu einer großen Redo über D enkm al­

pflege, wie er sie auffasse. E r ging dabei auch auf die Kämpfe ein, die um sein Schaffen auf diesem Gebiet entstanden waren, und betonte in seiner würdevollen Schlichtheit seine eigenen V erdienste um die K enntnis und W ertschätzung der alton K unst. M it einer M ahnung an die um ihn versam m elte Jugend, das E rbe der V äter zu ehren und sich zu eigen zu machen, schloß er seine inhaltschw eren W orte. Dam als ahnte keiner, daß es der A bschluß seiner reich gesegneten T ätig k eit war.

E r starb nach langen Leiden am 5. Mai d. J . Die Saat, die er a u sg estreu t hat, wird nicht vergehen, und so lange deutsche K u n st gepriesen wird, ivird u n ter ihren großen und treuen D ienern als einer der ersten genannt w erden: K a r l S c h ä f e r .

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Abb. IßT. H eid elb erger Schloß. O tto H einrichsbau. 1. W ied erh erstellu n g sen h v u rf

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