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Wochenschrift des Architekten Vereins zu Berlin. Jg. 4, Nr 1

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Academic year: 2022

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IWOCHENSCHRIFT Dg flRCHITEKTEN-VEREIMSIMBERLI

HERflUSGECEBEN ^ V E R E I N E

$ E rsch ein t Sonnabends. — Bezugspreis halbjährlich i Mark, postfrei 5,30 Mark, einzelne Nummern von gewöhnlichem Umfange 30 Pf., stä rk ere entsprechend teu rer i

^ D er A nzeigenpreis für die 4 gespaltene P etitzeile b e trä g t 50 Pf., für Behörden - Anzeigen und für Fam ilien - A nzeigen 30 Pf. — N achlaß auf "Wiederholungen f

^ Numm er 1 Berlin den 2. Januar 1909 IV. Jahrgang ^

Zu b e z ie h e n d u rch alle B u c h h a n d lu n g e n , P o stä m ter und d ie G e s c h ä fts s te lle C a r l H e y m a n n s V e r l a g in B erlin W . 8, M auerstr. 4 3 .4 4

A lle R e c h t e V o r b e h a lte n

Die Kunstgeschichte in der Neuzeit

D

ie B aukunst soll zum eist den w irtschaftlichen Bedürfnissen der Menschen genügen, ihnen leiblichen Schutz gegen alleU n- bill der W itte ru n g schaffen, in Gemeindeverbändon sic vereinigen können. Und doch zeigt die Geschichte der frühesten Völker, daß ein solcher Zweck der „ K u n s t zu b a u e n “ nicht die erste Aufgabe war. K u n st war im Anfang und immer die V er­

körperung alles dossen, was den Völkern heilig ist. E s würden K unstw erke nicht existieren ohne Völker, die dam it ihre besten Gedanken auszudrücken suchten, um das Geheimnis ihrer eigenen Schönheit zu empfinden. Die m ächtigen N aturgew alten, welche die Erde oft erschüttern, erregten bei den alten Völkern ein Ehrfurchtgefühl, den Begriff der außer ihnen, über ihnen w ir­

kenden G ottheiten. Sie verbanden zunächst die unerklärlichen, unheimlichen N aturerscheinungen m it hervorragend gezeichneten N aturm alen — Felsen, Bäumen, Quellen. S tätten, die sie geheiligt hielten als W ohnsitz der Gottheit.

A ls dann die geschichtlich heraustretenden Völker am M ittelm eergestade anfingen, sich auf eigenem Grund und Boden ansässig zu machen und sie den Acker, darauf sie gewachsen, m it Zuneigung und Vorliebe w ert hielten, gaben sie innerhalb ihrer Gemeinschaft ihren Bildform gewinnenden G öttern eine H eim statt. Wo des Volksstam m es H aus stand, war nun auch seine Heim at und die G ötter wohnten bei ihm. Sie waren ein Teil seines Daseins — ein hehres Tempelhaus wurde ihnen er­

baut, in das sie gern einzogen. Verließ der meereskundige Hellene wandernd sein Land, wie das immer geschah, um über das Meer hin Kolonien, Abzweige vom Stam m land zu gründen, so nimmt er das Abbild seiner G ottheit und ihres Tempelhauses m it sich hinaus, um an der neuen W o h n statt es als V erbindungsglied m it dem Stam m land wieder aufzubauen.

Den nördlichen Germanen aber begleiten die G ötter auf seinen W anderungen in den über ihm mitziehenden W olken, wohin er seine S chritte lenkt. Eine geweihte W o h n statt auf E rden haben sie nicht, sie -werden u nter freiem Himmel in heiligen Hainen verehrt. So is t die K unst zu bauen den Germanen eine späte Aufgabe, sie treiben sie e rst dann, als sie m it fremden Völkern sieh berührten.

Die Hellenen h atten dagegen frühzeitig den Anfang einer B aukunst. Sie schmückten ihr Land m it Denkmalen, oft ge­

w altige W ahrzeichen ihres Emporblühens in K u ltu r — Pyramiden, Obelisken, Tempel, Akropolen, an welche B auten das Schicksal ihres Volkes sich knüpfte. Indische Felshöhlen, planlose heilige B auten, an welche gern der Völkerschaften heiligste V orstellung sich band.

Die B aukunst u nter allen darstellenden K ünsten findet überall zuerst künstlerische B etätigung der Volksgenossen. Sie bildet fortschreitend zur K unsthöhe sich aus. Die P lastik da­

gegen b eh arrt unter priesterlichem D ruck lange in steifen, leblosen Gebilden. Nach und nach in den Zeiten übertrugen

hellenische K ünstler ihre im Leben gewonnene A nschauung der menschlichen Schönheit auf ih r religiöses Bedürfen. Die ägyptische, die asiatische P lastik dagegen blieb ganz ohne schöne K unst, ohne jeden individuellen Gedanken. Schwerfällig blieben auch ihre Bau-werke, wie es auch die ältesten griechi­

schen Tempel waren. Die alten W erkm eister lernten e rst all­

mählich ih r M aterial m eistern und ihre Technik auf die Höhe wie zur perikloischen Zeit bringen. Der hellenische Tempel wurde ein K unstgebild aus der E rkenntnis des aufgewendeten M aterials und der ehrfürchtigen, vorbildlichen B etrachtung der organischen N atu r heraus, im System seines Auf­

baues vollkommen logisch geordnet, wie ein von der N atur selbst geschaffener lebendiger Organism us. In diesem Schein der W irklichkeit die höchste Stufe der alten K unst. So wurde auch in der D arstellung des hellenischen Götterbildes die W irk ­ lichkeit des schönsten Menschenbildes erreicht. So schön in seiner Form , wie nie ein Mensch m it seinen Füßen die Erde b erührt hat. Beides, Bau-werk wie Bildwerk gleichen Schöpf­

ungen der N atur, die ihren Gebilden nicht die besondere A n­

weisung anhängt, sie zu bewundern und zu genießen sondern sich begnügt, sie wachsen und gedeihen zu lassen.

Das M ittelalter zeitigte dann eine zweite B lüte der B au­

kunst aus der E rkenntnis der K raftleistung eines zweiten neuen B aum aterials — die W ölbdecke aus Ziegel und W erkstein im Gegensatz zur alten horizontalen Decke des monolithen Marmor- balkens. Eine z w e i t e Stilform, die in gewissem Sinne als Neben­

bildung, wenn auch nicht in konstruktiv erkannter L eistung des M aterials, schon im A ltertum in um fangreicher Anwendung bei den asiatischen V ölkerschaften erschienen war. Eine kon­

stru k tiv nicht erkannte M aterialleistung insofern, als die Wölb- steine durch einen außerordentlich bindenden M örtel zu einem monolithen Baugliede verbunden und als Deckung frei über weite Räume aufgerichtet wurden. In neuerer Z eit sind solche B auten in den K önigsstätten von A ssyrien und Babylonien in außerordentlicher Größe ausgegraben worden. Ueber diese neuen R esultate w ird später noch zu sprechen sein.

Nun is t nach allem bisher Gesagten zu bemerken, daß eine Entw icklungsgeschichte der B aukunst noch nicht geschrieben ist. Alles, w'as bisher über B aukunst g esagt worden, gleicht Sam m lungskatalogen und g ibt n u r K enntnis der Bauwerke nach ihrer äußeren Erscheinung, soweit die alles zerstörende Z eit sie erhalten hat. Es is t das eifrige Sam m lorarbeit und trockene Kompilierung, aber kein sachkundiges und produktives E in­

dringen in Leben und W esen der Bauorganism en. Innerhalb der neueren Archäologie sind h eu t zwei A nschauungen für die zu leistende A rbeit bervorgetreten. E s wird zur Gewinnung einer neuen K unstbetrachtung zunächst auf jede historische

| M itarbeit verzichtet oder sie w enigstens unterbrochen. Die

; Archäologen arbeiten dafür nur m it dem Spaten in der H and 1

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2 W ochenschrift des Architekten-V ereins zu Berlin 2. Januar 1909

an den geöffneten Fundstellen, um vor allem neues, breiteres M aterial für die B etrach tu n g zu gewinnen. E s werden in großem Umfang immer neue Ueberbleibsel von alten K ulturen auf antikem Boden angehäuft, die sich räum lich und zeitlich in sohr viele Momente scheiden.

Die von W inkelm ann und Goethe geschaute B lüte Griechen­

lands wird durch eine kaum übersehbare Reihe von Tatsachen, die säm tlich fragm entarischen C harakters, zur Seite gedrängt.

Die K unstanschauung W inkelmanns und Goethes ging m it dem fortschreitenden gesam ten geistigen Loben der alten Völker H and in H and. W inkelm anns Seele w ar der deutsche Spiegel griechischen Daseins, Goethe w ar der Kom m entator seiner Lehre.

E r zeigte was in ih r enthalten war. Die deutschen Geschichts­

forscher und Philologen hoben aus ih r eine Wiederaufbau -'de K raft, die den Tempel von Olympia als Symbol der zertrüm ­ m erten H errlichkeit Griechenlands herstellte.

Die neuere Archäologie aber erachtet die A nschauung W inkelm anns und Goethes als überwunden. Man sagt, il}re Epoche konnte nicht den wahren W ert der K unstentw icklung erkennen, weil sie beschränkt w ar auf eine gewisse A rm ut an K unstm aterial. Die von beiden so hoch angeschaute B lüte- opoche griechischer K unst sei heute nicht m ehr festzuhalten.

Die K unstentw icklung ste ig t und fällt vielm ehr nach der neuen archäologischen Annahme in dem natürlichen W echsel eines langgestreckten H öhenzuges, aus welchem sich in ge­

wissen Epochen n u r Teile über die D urchschnittslinie erheben, nicht aber so unermeßliche Gipfel, wie W inkelm annn und Goethe sie sahen. Doch wie gi'oß auch die Erfolge der neuen A usgrabungen an K un stresten sein mögen, das scheint heut schon gewiß, daß zukünftig sich aus den Resten nur F rag ­ mente eines zerstörten K unstkörpers ergeben werden, der als Ganzes für immer verloren ist. Und dann! E xakte Geschichts­

forschung scheint h eu t kaum möglich, nu r G ew issenhaftigkeit wäre zu fordern.

W elcher Cäsar is t der richtige — der Mommsens oder der R ankes!

Das M aterial W inkelm anns und Goethes w ar geringer als das heut vorliegende. D er Geist dieser großen M änner umfaßte aber einen solchen Reichtum an Ideen, daß ihre Gedanken dennoch von unermeßlichem W e rt bleiben. Die K unstgeschichte

— Geschichte der nationalen P hantasie — h än g t von der Indi­

v id u alität dessen ab, der sie schreibt, und wenn der höchste Gegenstand der menschlichen Beobachtung der Geist hervor­

ragender Menschen ist, wird auch das Gefühl wieder erstarken, j die W erke der ersten K ü n stler von neuem zum M ittelpunkt der geschichtlichen Forschung zu machen und von ihrem geistigen Gehalt zu erst auszugehen. Geschichte zeigt die E ntw icklung der geistigen A rb eit der vornehm sten Männer. In ihrem Spiegel muß die Nachwelt die W erte aller ausgezeichneten A rbeiten wieder- zuerkennen suchen, um Analogien daraus zu ziehen, u nter ge­

wissen gegebenen V erhältnissen etw a ähnlich zu verfahren, wie früher u n te r äußerlich gleichen V erhältnissen m it V orteil ge­

schehen. In der B au k u n st vor jed er anderen A rbeit sind analoge Vorgänge wohl denkbar, weil der A ufbau von Bauwerken aus natürlichen Stoffen erfolgen muß, welcho bei ih rer B enutzung den ewig gültigen N aturgesetzen unterworfen sind. Die zu einem K unstw erk aufgebaute tote Gesteinsmasse w irk t statisch m it lebend gewordener stets gleicher K raft zum festen sicheren K onstruktionsverband.

Des K unstforschers A uge muß diesen tektonischen Verband erkennen, um die kunstvolle L ösung der aus der N atu r des B aum aterials geschaffenen Form , den S til des Bauwerks, darzu- stollen. W enn P lastik und Malerei in der natürlichen Erschei­

nung der Dinge ih r Vorbild und Modell finden, gründet B au­

k u n st künstlerisches Schaffen auf der w issenschaftlichen G rund­

lage statisch er K räftew irkungen [in früher leblosen M aterialien, welche dem K ünstler als ein handw erklicher Brauch und an­

gelernte Regel hilfreich die schöpferische P hantasie leiten. Der Forscher, der des K ünstlers W erk würdigen will, muß diesen gedanklichen V orgängen bei dem E ntstehen eines B auw erks nachspüren, um seinen W ert voll erfassen und kunstgeschichtlich darstellen zu können.

In diesem Sinne is t eine Entw icklungsgeschichte der B au­

k unst noch nie geschrieben worden. Die vollendetsten, höchsten K unstw erke in der Entw icklung der B au k u n st sind nach tech­

nisch-künstlerischer H insicht noch nicht erkannt und heraus­

gehoben worden zur vorbildlichen L ösung neuer Aufgaben nach den verschiedenen K räftew irkungen, die nun doch einmal für

| die Existenz eines B auw erks gegeben sind. Den Forschern j m angelte, wie gesagt, das sachkundige und produktive E in ­

dringen in das Leben und W esen der Bauorganismen.

Selbst auch der schaffende B aum eister von heut, dem w issen­

schaftliche E rfahrung die Augen für die .E rkenntnis der n a tü r­

lichen O rganisation eines Bauw erks geöffnet haben sollte, wird leichtlich nur die äußerere malerische, oft überreich und w illkürlich verzierte E rscheinung des W erkes sehen um1 für sich Vorbild lieh würdigen, a n s ta tt fachkundig das Prinzip des struktiven A ufbaues zu untersuchen und die technischen Verschiedenheiten abzuleiten, welche die System e der Bauweisen in den vergan­

genen Zeiten bei den sich folgenden V ölkerschaften kenn­

zeichnen. W ie erfolgreich würde eine solche kunstgeschichtliehe B etrach tu n g der Vorzeiten für die W eiterentw icklung der Bau­

k u n st sein und daraus ein analoges Verfahren, wie einst beim E n t­

stehen der großen Stilbildungen in der B aukunst der V er­

gangenheit, im A ltertum und im M ittelalter, für die V erwendung des gegebenen neuen B aum aterials — „E isen“, sich hieraus bilden lassen zum A ufbau neuer, von der w irtschaftlichen Ge­

staltu n g des neuzeitlichen Lebens geforderten Bauformen. Reiches neues Bedürfen der Z eit h a t bereits das Eisen als B aum ittel zur A usführung früher nicht gekannter w irtschaftlicher A uf­

gaben in den dafür verfügbaren M aterialbestand des B aum eisters einbezogen und in hervorragenden Vereinigungen der deutschen Bautechnikor wird eifrig nach Methoden seiner Verwendung geforscht — dazu auch die F rage nach den etw a gültigen ästhe­

tischen Rücksichten für den Eisenbau gestellt. Es is t ein­

leuchtend, daß wie bei den W erken der V ergangenheit, welcho auf zweckdienlicher B enutzung anderer B aum ittel im Prinzip beruhten, die vollkommenste A usnutzung derselben erreicht wurde, auch für W erke der Z ukunft das neue B aum ittel, das Eisen, sowohl nach innerer Beschaffenheit, wie L eistu n g s­

fähigkeit seiner la ten t ihm beigegebenen statischen K raft, ab­

solut rich tig zu erkonnen bloibt, um einer nouon d r i t t e n B au­

weise für neue bauliche und höchst bedeutende Aufgaben der Z ukunft dienen zu könnon.

E s w ar zu allen Zeiten und wird auch für die Z ukunft die vornehm ste und die künstlerischste Aufgabe des B aum eisters immer und immer wieder sein, für die w irtschaftlichen Zwecke der Menschen Räume durch W ände zu umschließen, auch dar­

über schützende Decken und D ächer aufzurichten. Diese A uf­

gabe erfüllte zur hellenischen Z eit die alte K u n st durch die sinnvolle G estaltung der horizontalen, monolithen Balkendecke auf Wand und Stütze. W enn neben dieser, den H öhenpunkt der alten K u n st bezeichnenden klassischen L eistu n g dos A lte r­

tum s, bei den nicht hellenischen Völkerschaften Kleinasiens, wie oben angedeutet, auch m it anderen M aterialien als Marmor, I gewölbte Räume gebildet worden, muß der diese K onstruktionen

prüfende Forscher bald orkennen, daß diese Decken n u r schein­

bar nach dem Prinzip der W ölbekunst bestehen, weil sie durch ein vorzügliches B indem ittel zu einer künstlichen Einheit, zu einer monolithon Baumasse fest vorbunden waren — ein ge­

bogener Balken, eine gebogene Fläche. Eine K onstruktion, die keinen A nspruch h a t auf ein aus Einheiten gegliedertes System einer W ölbung. Diese Nobenbildungen in der alten W elt w ur­

den dann e rst im M ittelalter zu einem neuen Bauprinzip im Gegensatz zu der alten Balkendecke auf dem Prinzip einer neuen statischen K raftw irkung, welche konstruktiv ohne irgend welchen die Einzelteile „die W ölbsteine“ bindenden Stoff be­

stehen konnte. E s wurde das kunstvoll gegliederte Decken- systom des M ittelalters, das auf Pfeilern ruhende von S trebe­

bögen g estü tzte und an den K onfliktpunkten durch Fialen be­

lastete Kreuzgewölbe gefunden, das vermöge seiner Gliederung über dem Raume im Gleichgewicht frei schwebte.

Die horizontale antike monolithe Balkendecke beruhte auf dem Prinzip der B ruchfestigkeit, die W ölbung des M ittelalters auf dem Prinzip der D ruckfestigkeit. Die Schw erlast der Decke und des Daches aber bleibt bei beiden Systemen außer Rech­

nung. Die Schw erkraft eignet nach dem Schöpfungsgesetz allen Körpern auf Erden und w irk t ohne Z utun des Menschen.

W enn so nach dem allgemein gültigen Entw icklungsgesetz für alle H ervorbringungen in der K u ltu rw elt, auch die W erke der B au k u n st in alter Z eit und im M ittelalter durch besondere, im W erte sich steigernde Bausystem e auf Grund der A u sn u t­

zung der statischen K räfte fü r ihren A ufbau, als eigenartige B auprinzipe sich scheiden lassen — fortschreitend eine immer höhere Potenz ihrer möglichen Raum bildung zeigen, wird, so­

fern es sich zurzeit um einen F o rtsc h ritt in der K unst zu

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Nr. 1. IV. Jahrgang Wochenschrift des A rchitekten-V ereins zu Berlin 3

bauen handelt, lediglich nur in F rage kommen, ob die von der K ultur der Neuzeit geforderten neuen Bedürfnisse m it Hilfe der im Eisen ruhenden d ritten statischen K raft „der Z ugfestig­

k e it“ neue reichere, als ehedem gegliederte Planschem ata ins­

besondere orfüllt werden können.

Ohne Frage! Ueber die rechteckige oder quadratische Grund­

form antiker Raumbildungen, über die viel reicher gegliederleForm der m ittelalterlichen K athedrale g e s ta tte t der Eisenbau heute schon die Uoberdeckung jedes denkbaren Grundrißschemas, und die D urchdringung der L eistungsfähigkeit des Eisens wird einen K onstruktionsfortschritt in V erbindung m it der zu gleicher Z eit nützlich erkannten M ischung des Zem entbetons im weitesten Sinn des W ortes herbeiführen. Ein n e u e r B austil ist dam it in A ussicht gestellt. Das Studium der E ntw icklung dor beiden Baustile dor V ergangenheit aus einer neu zu schreiben­

den B aukunstgeschichte heraus, ihrer technischen und k ü n s t­

lerischen Gesetze für ih r organisches Gebilde wird dem den­

kenden und schaffenden B aum eister ein Analogon bieten J u r die O rganisation des neuen Eisonbetonbaues, denn nichts' in der W elt is t vergeblich erarbeitet, und die Grundgesetze aller mensch­

lichen A rbeit finden sich in dor N aturorganisation vorgebildet.

Die Hellenen vor allen Völker der Zeiten waren Söhne der N atur. W as sie ihrer Z eit erbildeten, suchten sie der N aturorganisation nachzuerfinden. Darum is t ihre das W erk­

gebilde charakterisierende Kunstform nachweislich analogen Gebilden der N atur in eine stilisierte Verwendungsform k u n st­

reich übertragen, durchaus entlehnt.

Das M ittolalter fand dieses schöpferische Gelingen der K u n st­

formen im Zusammenhänge mit den W erkformen für den Gewölb- bau nicht. U nverstanden hefteten die B aum eister ihren W erk­

formen reine N aturform en lediglich als Schmuck an die Bau- gliederungen. Die organische künstlerische V erbindung der Kunstform m it der W erkform, wie die Hellenen sie bildeten, erreichten die Gothiker nicht. D arum haben n u r hellenische Kunstformon ewig gültigen 'Vy’e rt in dor K unst.

In den m ittelalterlichen B auhütten herrschten des W inkels Maß und G erechtigkeit — aus dem dunklen Mönchssinn hervor­

tretende symbolische D arstellungen geheimen Inhalts. Ihro Be­

deutung m ußto m it den neuen Zeiten verloren gehen.

W enn nun bis je tz t nicht erreicht worden oine E ntw icklungs­

geschichte der B au k u n st auf Grund des technischen und k ü n st­

lerischen W ertes der Bauwerke zu schreiben, wie dieses zuvor g esagt ist, wird aus dem heutigen Betrieb in der B aukunst auch kaum eine solche zu erhoffen sein. Der heut schaffende B aukünstler schließt der V äter Erbe grundsätzlich aus. E r ste llt aus der Persönlichkeit des K ünstlers iließende Stim m ungsw erte in wunderlicher V ortäuschung naiven und natürlichen G estaltens als Bringer eines neuen Stiles vor — einer neuen Form enwelt, die alle früheren Schöpfungen überragen soll. Eine absichtsvolle Einfachheit der Form, die scheinbare W ürdigung des M aterials, endlich malerische Um rißlinien schreiben das neue, sogenannt künstlerische Bildungsgesetz vor.

■' Es gibt keine G ötter m ehr auf Erden — anders würden die modernen K ünstler sich als solche fühlen.

Dio Gewalt des K ulturfortschritts in aller menschlichen A rbeit des XX. Jah rh u n d erts aber w ird dies fundamcntlose Hervordrängeh persönlicher K unst bald genug hinwegfegen, denn es widerspricht die moderne K unst dem unverbrüchlichen E nt­

wicklungsgesetz, sie is t ein trügerisches Modegebild der Neuzeit.

Die echte K unst h at einen unmerklichen U rsprung und nur ein langsames gesetzliches W achstum in allen Zeiten gehabt.

W enn so in der B aukunst und der m it ihr verbundenen Gorät.ekuust der Zusam m enhang m it der T radition aufgehoben wie in dor Archäologie die V erbindung m lK lV inkelm ann und Goethe gelüst ist, wird sich kaum bei der lebenden Generation dor W ille finden, eine Geschichte der K unst, vor allem der alten Kunst, noch zu schreiben. Die in langjähriger A rbeit unter den Ruinen A ssyriens grabenden Archäologen, welche dort ihre geistige W ohnung aufgeschlagen haben, werden denn auch nur von einer kleinen wissenschaftlichen Gemeinde verstanden werden.

Die modernen K ünstler aber werden diese Forschungen in der Baukunstgeschiehte fast nur als ein überflüssiges Beiwerk zur praktischen A rbeit des B aukünstlers von h eu t ansehon, und in 20 oder 30 Jahren dürfte das Bedürfnis nach einer K u n st­

geschichte überhaupt geschwunden sein.

Doch tem pora m u tan tu r — es wird nach dem ewigen W andel aller Dinge auch einst die R ückkehr zur W ahrheit

gefunden werden. A. T ie d e

Der neunte Tag für Denkmalpflege in Lübeck

Professor

0 .

S tieh l in Steglitz bei Berlin

-V ereins am 19. O ktober 1908) (aus der Sitzung: des A rchitekten

M

eine H erren! Der neunte Tag der Denkmalpflege stand wieder, wie die vorhergehenden, unter dem Zeichen einer

■wachsenden Teilnehmerzahl, die als Beweis zunehmenden A n­

teils an seinen Bestrebungen freudig zu begrüßen ist. Einen besonders schönen H intergrund bot ihm diesmal die alte S tadt L ü b e c k . Von goldener H erbstsonne durchleuchtet, zeigte sie sich m it ihren tiefgefärbten großartigen B acksteinbauten, ihren grünen Kupferdächern, dem K ranze funkelnder W asserflächen und herrlicher Baum gruppen in einem strahlenden Glanze, so eindrucksvoll, wie festlich geschmückt. Es hat das m it dazu beigetragen, die Tagung ganz bosonders genußreich zu machen.

Die Verhandlungen erüffnete d er Vorsitzende H err Geheim­

r a t v. O e c h e l h ä u s e r m it einem Jahresbericht, in dem er die Vollendung der I l o h k ö n i g s b u r g als Abschluß eines groß­

artigen W erkes der Denkmalpflege erw ähnte, dio E rrich tu n g oines L e h r s t u h l e s f ü r D e n k m a l p f l e g e a n d e r T e c h n i ­ s c h e n H o c h s c h u l e B e r l i n als bedeutsamen F o rtsc h ritt an­

führte. Z ur H eidelberger F rage erklärte er, daß entgegen den letzten Zeitungsnachrichten die badische Regierung an der A b­

sicht festhalte, den O t t h e i n r i c h s b a u m it einem Daehe einzu- deckon, um seinem Verfall zu steuern, so daß die ganze Sach­

lage unverändert sei. Nicht verhandelt solle -werden über die Um bauung des D o m e s zu W o r m s , weil die A ngelegenheit noelt nicht reif zur Besprechung sei. Im richtigen Z eitpunkt, vielleicht schon im nächsten Jah re, -werde der D enkm altag aber m it der Sache sich zu befassen haben. N icht verhandelt wer­

den könne auch über den W iederaufbau der B u r g zu A l t e n a , weil die U nterlagen für eine Besprechung nicht zu beschaffen gewesen seien. Im übrigen sei es durchaus nicht nötig, daß j

T)ßr stenographische B ericht über den D enkm altag in Lübeck is t in Buch­

form (190 Seiten) erschienen und kann durch den V erlag der Z eitsch rift „Die Denkm alpflege“ W ilhelm E rn s t & Sohn, B erlin, bezogen werden.

der D enkm altag jode sogenannte brennende F rage behandle, er könne dadurch leicht zum Tummelplatz der Neugierdo und der Sensationslust worden.

B erührt wurde ferner das B estreben, das malerische S t r o h d a c h für ländliche B auten zu erhalten und wiedoreinzu- führen. Ich kann nach den Verhandlungen des Bundes fü r H eim atschutz, der ebenfalls in Lübeck tagte, dazu anführen, daß dio Landesbrandkasse H annover das E n d e s c h e Strohdach nach dem Ausfall der Brandproben als feuerfeste Bedachung anerkannt, und daß dor R egierungspräsident zu Stade es zur E inführung in seinem Bezirk empfohlen hat. So dürfte diese Sache, die für die E rhaltung unserer L andschaftsbilder so w ichtig ist, auf g u te r Bahn sein. Näheres ist durch den V e r ­ s c h ö n e r u n g s - V e r e i n z u W o rp s w - e d e zu erfahren. Der H err V orsitzende schloß seinen B ericht m it dem Dank für die durch die S ta d t Lübeck erwiesene G astfreundschaft und die zahl­

reichen D r u c k s a c h e n , die uns g e stiftet wurden. Ich lege diese schönen, besonders reichhaltigen Gaben hier zu r A nsicht vor: ein reizendes H eft „A lt-L übeck“ m it Zeichnungen von U b b e l o h d e , einen Jah resb erich t des kunstw issenschaftlichen Vereins, eine ausgezeichnete Veröffentlichung des H eim atschutz­

vereins Lübeck, in welcher D r. S t r u c k die B ürgerhäuser der S ta d t behandelt; von der Zentralkom m ission zu W ien überreicht ein H eft „Z ur Denkmalpflege in P reu ß en “, ferner oinige Num ­ mern der „V aterstädtischen B lä tte r“ m it zahlreichen Abbil­

dungen von Sehabbelhaus und B u rg to r sowie der „Lübeekischen B lä tte r“, die äußerst nützlich waren durch dio auf die Besucher der T agung berechnete Schilderung einer sachgemäßen W ande­

rung durch die verborgenen Schönheiten, die malerischen W inkel und Ecken der S tadt. Hinzufügen möchte ich endlich die für die Tagung gedruckte Liedersam m lung, die durch eigenartige alte niederdeutsche L ieder eine besondere, derbe W ürze erhalten hat.

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W ochenschrift des Architekten-V ereins zn Berlin 2. Januar 1909

E inschalten möchto ich hier, daß außerdem eine sehr be­

deutsame A usstellung von Zeichnungen und Aquarellen lübi- scher Bauw erke sowie von lübischen U rkunden in der K ath a­

rinenkirche v eran staltet und uns zu freiem E in tritt geöffnet war.

Don ersten V o rtrag des Tages h ielt H err M inisterialrat K ah n -M ü n ch en über n e u e r e V e r w a l t u n g s m a ß n a h m e n a u f dem G e b i e t d e r D e n k m a lp f le g e in B a y e r n . D ort sind schon in sehr früher Zeit, im Ja h re 1826, die ersten behörd­

lichen Maßnahmen zum Schutze der Denkm äler getroffen wor­

den. Es haben sich in den sechziger Jah ren weitere A nord­

nungen angeschlossen, die der E rh altu n g in Gemeindebesitz be­

findlicher B auten dienten und die G rundlage für die neuer­

lichen Maßnahmen bilden. Bezeichnend is t das lebhafte Ein­

greifen privater T ätigkeit. Im Ja h re 1902 h a t sich auf A n­

regung von S e id l und T h i e r s c h der I s a r t a l v e r e i n g e­

gründet, um die wundersamen Schönheiten des O berisartales vor Verschandelung zu schützen. D er M ü n c h e n e r V e r e in f ü r V o l k s k u n s t u n d V o lk s k u n d e bestrebt sich m it bestem E r­

folge, die landschaftlichen und städtebaulichen Schönheiten des Landes zu pflegen, indem er den B auherren m it R at und T at zur Seite ste h t und sie im Sinne gesunder W eiterbildung der heimischen Bauweise beeinflußt. E r genießt dabei staatliche U n terstü tzu n g in jeder H insicht. Seit dem Ja h re 1900 besteht ein P o l i z e i b a u g e s e t z , das ortspolizeiliche V orschriften zu gunsten derDenkmalpflege ermöglicht, seit 1908 is t auch ein Zwang dazu g esta tte t, die Baupolizei is t auch befugt, eingereichte Entw ürfe in bezug auf die Schädigung von O rts- und L and­

schaftsbildern zu prüfen. Im W erke is t es ferner, ein V e r ­ z e i c h n i s d o r zu s c h ü t z e n d e n D e n k m ä l e r aufzustellen, eine Anw eisung an die Gemeinden i s t erlassen, daß sie Be­

bauungspläne durch geschulte A rchitekten bearbeiten lassen, nicht durch Landm esser.

B eabsichtigt w ird nicht A ltertum skräm erei, sondern frische W eiterentw icklung. Hilfe is t nicht durch behördliche V orschriften allein zu erreichen. E s gehört dazu rasches und zunächst opferfreudiges E in treten der K ünstler, das aber auch bald prak­

tische Erfolge erzielt, indem es w eitere K reise zur Schätzung künstlerischer A rbeit und zu der Gewöhnung, künstlerischen B eirat hinzuziehen, erzieht. Eine reichhaltige A usstellung von L eistungen nouester Zeit, m eist A rbeiten des genannten Vereins für V olkskunst und Volkskunde, sowie Beläge von den u nter dem Einfluß der Gebrüder S e id l geschaffenen reizvollen A uf­

frischungen der Orte T ö lz und M u r n a u gab einen Begriff von dem trefflichen Ergebnis, das diesem Zusam m enarbeiten behörd- j lieber und p riv ater K reise zu verdanken ist. D er V ortragende j

schloß seine A usführungen m it dem U rteil: „ D a s T i e f e r - i p f l ü g e n s t e h t n o c h a u s , a b e r d ie b e t r e t e n e n W e g e 'l h a b e n s ic h b e w ä h r t .

Es sprach sodann H err Geheimer H ofrat G u r litt- D r e s d e n über F r e i l e g u n g u n d U m b a u u n g a l t e r K ir c h e n . E r g in g i aus davon, daß die B auten der alten Griechen, auch die der Renaissance, auf das F reistehen berechnet gewesen sind. E r bezeichnete das m it einer kleinen W ortspielerei als „idealistische“ ' R ichtung, weil es aus dem Streben nach in sich abgeschlossenen Idealbauwerken hervorgegangen sei. (Als ob nicht auch dem anderen S tandpunkt ein I d e a l , nämlich das des m alerischen Stadtbildes zu gründe läge!) Die entgegengesetzte Anschauung, das heißt die Neigung, in dem Um bauen der K irchen einen V orteil zu sehen, h errsch t heute u n ter Berufung auf das M ittel­

alter. D er Redner ließ in Zwischenfragen, „sind w ir klüger gew orden?“ u. a. durchblickon, daß er der neuen A nschauung vielleicht im Herzen nicht ganz zugetan ist, führte aber doch

aus, daß malerische W irkungen, schon in Schinkels H in ter­

gründen auftretend, ihre künstlerische B erechtigung haben, daß die U m bauung m it kleineren Gebäuden geeignet ist, den Maß­

stab des H auptbaues für das Auge zu steigern, daß Ueber- schneidungen verschiedener Bauteile, wie sie die Um bauung er­

zeugt, ein starkes A nregungsm ittel für die P hantasie sind, und daß die nationale F ärbung, im Gegensatz gegen das typische

„Ideal“, eine größere W ärm e der W irkung gew ährleistet. E r führte als typische Beispiele für den Gegensatz kurz aufein­

anderfolgender Zeiten neben vielen anderen die D o m e in K ö ln u n d U lm an, die man freigelegt h at und wieder umbauen möchte, gab eine Reihe w eiterer „Gegenbeispiele“, N o t r e D a m e zu P a r i s , den D om in M a i l a n d , streifte kurz die F rage der U m bauung des W o r m s e r D o m e s , von dessen Um­

gebung er ein prächtiges Gipsmodell großer A bm essungen zur Stelle gebracht h atte, und entschied sich schließlich zu dem W unsche „Heilige U n o r d n u n g , segensreiche, weile, weile über dieser S t a t t “, die E rh altu n g auch nicht regelrechter Um ­ gebungen als die beste A rt der Lösung für solcho Fälle be­

zeichnend. H err Geheimer B a u ra t H o ffm a n u -D a rm s ta d t sprach sich dahin aus, daß das V orgetragene m it den A nsichten der führenden K ünstler übereinstimme und daß eine E ntscheidung nur von F all zu F all möglich sei. H err O berbürgerm eister B u ls -B r ü s s e l erläu terte eine Reihe von Einzelfällen aus Belgien.

H err Geheimer O berbaurat S tü b b e n - B e r lin führte hieran an­

knüpfend aus, daß Freilegungen aus V erkokrsrücksichten selten viel U nheil stiften, weil sie maßvoll vorgehen. Große V orsicht sei dagegen bei solchen aus grundsätzlichen ästhetischen R ück­

sichten angebracht. D am it die A usg estaltu n g w ichtiger P lätze nicht der Privatspekulation ausgeliefert werde, befürw ortete er sehr den rechtzeitigen A nkauf der als U m bauung wirkenden H äuser durch die Gemeinde.

Es folgte m it dem d ritten V o rtra g , S c h u t z d e r G r a b ­ d e n k m ä l e r u n d F r i e d h ö f e , H e rr Professor C le m e n -B o n n . Die Grabdenkmäler besitzen hohen W ert als eine u n u n ter­

brochene E ntw icklungsreihe der P lastik , sind aber sta rk ge­

fährdet, da ihre B esitzverhältnisse unsicher sind und sie keinen praktischen Zwecken dienen. Sie wurden und werden daher oft

„kompagnieweise“ vernichtet. Die einschlägigen R echtsverhält­

nisse sind in Preußen folgende: Die Denkmäler sind durch die E rrich tu n g selbst in das Eigentum der Gemeinden überge­

gangen, die die Kirchhöfe besitzen. Diesen ist durch V erw al­

tungsgerichtsentscheidungen die U n terh altu n g von Gegenständen künstlerischen oder wissenschaftlichen W ertes zur Pflicht ge­

m acht. Kommen sie dieser Pflicht, wie so häufig, nicht nach, so k a n n F iskus das E igentum übernehmen, aber — er w ird es der entstehenden K osten wegen kaum tun. So bildet die U n terh altu n g dor G rabdenkmäler m eist ein „Rühr mich nicht a n “. W eiter als m it der F eststellu n g der U nterhaltungspflicht wird man m eist m it dem Anrufen des A nstandsgefühls kommen.

D er V ortragende gab ferner praktische R atschläge für das Auf- ricliten und Sammeln alter G rabplatten. E r erhofft eine Besse­

ru n g der ganzen V erhältnisse durch die gerade je tz t lebhaft einsetzendc neue Bewegung für Grabdenkm alkunst.

V erhandelt wurde ferner über den A nbau an das G e w a n d ­ h a u s i n B r a u n s c h w e i g . Dabei stellte sich heraus, daß die in der P resse erhobenen Vorwürfe weit über das Ziel hinaus­

gegangen sind, da die beanstandeten P u n k te des sehr schwie­

rigen Baues von dem B auausschuß und dem A rchitekten selbst durchaus noch nicht als endgültige L ösung angesehen, sondern der w eiteren P rüfung u nter H eranziehung bedeutender Fachge- nossen V orbehalten worden sind. (F o rtse tzu n g folgt)

Rechtswissenschaft und Technik

Dr. Conrad Bornhak

l’rofessor des S ta a tsre c h ts und preußischen

J

ahrzehntelang hat in unserem höheren S ch u lw esen der K am pf um die G leich berechtigu ng der klassisch en und der realistisch en B ild u n g für das U n iversitiltsstu d iu m oder vielm eh r der K am pf der R ealschulm änner um Erlangung von einzelnen w eiteren B erech tigu n gen für ihre A b itu rien ten g eto b t. D as Schulkom prom iß von 1900 hat diosem Kampfe ein Endo gem acht. D ie A b itu rien ten der R eal-

D er A ufsatz „R echtsw issenschaft und Technik“ erschien zu erst in der in te r­

n ationalen W ochenschrift für W issenschaft, K unst und Technik, herausgegeben von P ro fesso r D r. P a u l H i n n e b e r g , u n te r R edaktion von P ro fesso r D r. P a s z ­ k o w s k i , am 21. N ovem ber 1903.

V erw altu n g srech ts an d er U n iv e rsitä t Berlin

gym nasien und O berrealschulen sind auch zum ju ristisch e n und m edi­

zin isch en Studium zu g ela ssen , und es bleibt ihnen überlassen, durch B e n u tzu n g besonderer E inrichtu ngen, die für sie auf der U n iversität geschaffen sind, ihre m angelnden K en n tn isse in den alten Sprachen zu ergänzen.

N ich t ohne B e so r g n is hat m ancher, habe auch ich dem E rgeb nisse, das das Schulkom prom iß z eitig e n würde, en tg eg en g ese h en . E s schien, als w ürden die A b itu rien ten von S ta a ts w egen aufs G la tteis geführt, da sie nachher bei der Prüfung doch durchfallen m üßten. D ie Erfah­

rung hat es anders geleh rt. W er sich einem Studium zuw en d et, zu

(5)

Nr. i. IV. Jahrgang Wochenschrift des Architekten-Vereins zu Borlin 5

dem ihm sein e Schulbildung an sich n ich t den W e g gebahn t hat, I füh lt vor allem das Bedürfnis in sich, die Lücken sein es W issen s zu ergänzen. Und der innere Drang, der ihn zu dem ihm äußerlich fern- liegenden Studium getrieb en , die höhere R eife dos stu dentischen L ebensalters m achen ihm diese E rgänzu n g leich t. B ei den Prüfungen w en ig sten s im Referendaroxam cn zeig en sich trotz der übertriebenen W ertsch ätzu n g des röm ischen R ech tes die R ealabiturienten denen der G ym nasien m in d esten sg leich w ertig . D ie G leichberech tigu ng der k lassisch en und der realistisch en B ild u n g kann daher schon j e tz t als unverliorbares E rgebnis unseres nationalen U u terrich tsw esen s be­

trach tet werden.

D och der K am pf der R ichtun gen is t dam it nicht zur R uhe g e ­ kommen, er to b t fort in dor F rage der V orbildung unseres B ea m ten ­ tum s zw ischen Ju risten und T echnikern. Da, w o die T echniker schon in erheblichem Maße vertreten sind, w ie in der Eisonbahnvorw altung. fühlen sie sich g e g en die J u risten nam entlich bei B esetzu n g der höheren S tellen zu rü ck g esetzt. U nerfreulich ertönen die Iilagon, die den einheitlichen Charakter unseres B eam ten tu m s trüben. A n d ererseits verlangen die T echniker Z ulassun g zu den anderen Z w eigen der V erw altu n g und fragen erstau nt, w ieso in einem Z eitalter vorw iegend w irtsch aftlich ­ technischer E ntw icklu ng, an der doch auch der S ta a t und seine V er­

w altun g teilnim m t, gerade der J u r ist eine höhere B efähigu n g für die V erw altu n g haben so lle als der Techniker.

Daß die J u risten boim E n tsteh en des m odernen S ta a tes so itE n d e des M ittelalters auch dio Träger seiner V erw altu n g waren, ergab sich als eine g esch ich tlich e N otw en digkeit. D enn in dom m ittelalterlich en R e ch tssta a te m it seinen beschränkten Kulturaufgabon schloß sich alle V erw altu ng an dio R ech tsp flege an. A ls diese m it dem Eindringen j des röm ischen R ech tes, das durch w irtsch aftliche B edürfnisse veran­

laß t war, der studierten Ju risten bedurfte, wurden diese die V ertreter d es neuen B erufsbeam tentum s überhaupt, m it Ausnahm e der subalternen j

und U n terstellen . D azu kam en s e it dem Z eitalter dos großen K rieges die M ilitärs. Ihre Intendanturen, die K om m issariate, rissen die S teuerverw altu n g und einen Z w eig der inneren V erw altu ng nach dem anderen an sich. S e it Ende des 17. Jahrhunderts w ogte dahor in Brandenburg-Preußen der K am pf zw ischen den J uristen der G erichte und A m tskam m ern und dem M ilitärbeam tentum der K om m issariate.

Friedrich W ilhelm I . h at m it einem genialen S ch lage in dor V er­

waltungsreform von 1723 dem Kampfe der Am tskam m ern und K om ­ m issariate ein E nd e gem ach t, indem er die feindlichen Behürden- organisationen m iteinander verschm olz. D am it war die E in h eit des B eam ten tu m s in der staatlich en V erw altung w ied erh ergestellt.

Dor V ersuch, für die S te lle n in der V erw altu n g vorw iegend L eute des praktischen L eben s zu gew innen, „die offne Köpfo haben, w elch e die W irtsch a ft verstehen und sie selber getrieb en , die von K om m erziell, Manu­

faktur und anderen dahin gehörigen Sachen g u te Inform ation besitzon, dazu auch der F ed er m ä ch tig “, erw ies sich nur zum T e il als erfolg­

reich. Schon dio K am m erinstruktion von 1723 w ies auf die Annahm e ju n ger L eu te als A u sk u ltatoren hin. W o h l h a tte „der große W ir t in P reuß en “, Friedrich W ilh elm I., volk sw irtsch aftlich e P rofessu ren zu H alle und Frankfurt a. 0 . zur b esseren theoretischen A usb ildu ng seiner V erw altu ngsbeam ton begründet. D io E in rich tu n g verfiel aber sehr bald wieder. D ie H auptsache auf dor U n iversität blieb das ju ristisch e Studium , daneben etw as V olk sw irtsch aftsleh re, das S ch w ergew ich t wurde auf die praktische A u sb ild u n g g eleg t.

D abei is t es in allem W andel der D in ge im w esen tlich en geblieben.

D er kü nftige V orw altun gsbeam te m ußte eine ju ristisch e, daneben etw as staatsw issensch aftlicho B ild un g haben, die ersto P rü fung war gew öh n ­ lich die ju ristisch e, nur die praktische A u sb ildu ng g in g später zum T e il auseinander. Eine S o n d erstellu n g nahm en nur die sogenannten tech n isch en R äte, w ie B au-, F orst-, M edizinal- und Schu lräte ein. zur B earb eitun g derjenigen D ezernate, für die es einer besonderen Sach- kundo bedurfte. Sie m ußten natürlich die für ihren B eru f notw en dige A usb ildung haben und kam en gew öhn lich erst in vorgerückteren Jahren in ihre Stellu ng.

D ie w esen tlich ju ristisch e S chu lung der V erw altungsbeam ten en t­

sprach in der T at für don größten T eil des 19. Jahrhunderts einem praktischen B edürfnisse, dem B edürfnisse des R ech tsstaates.

M ochten die Id een von K ant, F ich te und W . v. H um boldt, den S ta a t auf den R ech tszw eck zurückzuführen und alle höheren K ultur- | aufgaben dem einzelnen oder freien G em einschaften zu überlassen, als R eaktion g eg en den P o lizeista a t verständlich sein, eine praktische B e ­ d eutu ng haben sie n ich t gew onnen. W äre diese A uffassu ng zum S ie g e i g e la n g t, h ätte die A ufgabe des Staates allein in der Durchführung der R echtsordnung bestanden, so h ätte sich selbstverständ lich die unab­

w eisbare Forderung orgobon, daß dio V erw altungsbeam ten nur J u risten und nich ts anderes sein konnten. Da sie es ohnedies schon zum grüßten T eile waren, fand dio an der herrschenden P h ilosop h ie g e ­ nährte öffentliche M einung diesen Zustand natürlich.

S e it der M itte dos 19. Jahrhunderts tau ch t aber der G edanke des R ech tsstaates, nam entlich durch G neist, in einer anderen Ideenverbindung auf, nicht mehr nach dem Zw ecke, sondern nach den M itteln der staatlich en V erw altu ng b estim m t sich der Begriff. U n v erm ittelt war die k on stitu tion elle V e r fa s su n g .auf die a b solu tistisch e V erw altu n g aufgepfropft, man stand den ersten E n t- ! täuschun gen des k on stitution ellen S taatsleb en s gegen über, indem die j V erw altu n g system atisch zu P arteizw eck en gem ißbraucht wurde. D a- ;

g eg en leh n t sich das ind ividu alistische B ew uß tsein der Z eit auf. U n ter H in w eis auf England verlangt man den R ech tsstaat, eine V erw altu n g nach G esetzen in dem Sinne, daß jed er Eingriff dor Obrigkoit in dio individuelle Sphäre nur auf Grund ein es G esetzes erfolgen darf, und daß auf A ntrag des Betroffonen eine Nachprüfung der R ech tm äßigkoit der obrigkeitlichen A nordnungen im W e g e einer V erw altu n gsgerich ts- barkoit zu erfolgen hat.

W ie bei jedem S taatsid eale blieb auch hier die V erw irklich ung hinter dem erstrebten Z iele zurück. A ber m it äußerster F o lg e rich tig ­ k e it hat nam entlich die proußische V erw altu n gsgosetzgeb u n g von 1872 dem Id eale des R ech tssta a tes nachgostrebt. N icht überall, aber m eisten s haben wir eine V erw altung nach G esetzen , und diese dehnt sich auf dem bisher nicht von der G esetzgeb u n g ergriffenon G ebiete im m er w eiter aus. N ich t überall, aber in den w ich tig sten Punkton, wo S ta a tsg ew a lt und individuelle Sphäre sich in ihren rechtlich g e ­ sch ü tzten Interosson kreuzen, haben w ir auch eine V erw a ltu n g s­

gerichtsbarkeit. U n d d ieses preußische V orbild wurde maßgebend für die m eisten übrigen deutsch en Staaten.

E s lie g t auf der Hand, daß mau für eine solche V erw altu ng nach G esetzen nur Ju risten brauchen konnte. W o h l verband sich von A n ­ fang an m it dem Gedanken an die Verw altungsreform dor der S e lb st­

verw altung, der H eranziehung des L aien elem en tes im ehrenam tlichen D ien ste für den Staat, nam entlich in den V erw altu n gsgerich ten. A ber d ieses L aien elem en t wurde doch nur brauchbar, w eil es unter ju r isti­

scher L eitu n g stand.

Zwar brachte dor am röm ischen R ech te geb ild ete J u r ist g e w ö h n ­ lichen S ch lages für die V erw altu n g sehr w en ig K enntnisso des öffentlichen R ech tes und insbesondere dos V erw altu ngsrcchtos m it. Abor er erlernte es allm ählich durch dio Praxis. T heoretische und praktische R ech tsw issen sch aft durchdrangen sich hier w ech sel­

seitig . W ie die kon struk tive M ethode des S ta a tsrech tes seit Gerber und Laband die öffentlichrechtlickon B egriffe und E inrichtu ngen ebenso in ihrer ju ristisch en Isolieru n g zu erfasson su ch te wio die dos Privatrechtes, so bildete die P raxis des O berverw altungsgerichtes aus dem W ü ste von G esetzen und V erw altungsvorsch riften ein reich g e ­ g lied ertes, stilg er ec h te s Gebäude des V erw altu n gsrech tes aus.

N ich t spurlos is t dio T ä tig k eit der Ju risten in der V erw altung vorübergegangen. S ie hat reiche F rü ch te gotragen und den A usbau unseres öffentlichen R ech ts gefördert. N och sind w ir n icht am E nde dieser E ntw icklu ng, sondern dürfen auf w eiteres hoffen.

M it der Id ee des R ech tssta a tes kreuzte sich aber s e it den letzten Jahrzeh nten oin anderes Staatsidoal, das des so zialistisch en Zukunftsstaatos. N och utop istisch er, noch w’eniger durchführbar als der R ech tsstaat, war doch der so zia listisch e Z uk un ftsstaat auch sein er­

se its das E rgebnis konkreter B edürfnisse des G em einschaftslebens, w ie solch e sich aus den d erzeitigen w irtschaftlichen und sozialen Zu­

ständen ergaben. Uebor dem B ild e des Z uk un ftsstaates schw eb t ein geheim n isvoller Schleier. Nur so w e it is t er g e lü ftet, daß wir w issen : D er S taat soll ein ziger U nternehm er sein und dadurch dom oinzolnon Staatsan geh örigen einen ausreichenden L ebensu nterh alt gew ährleisten.

Gerado weil das sozialistisch e S taatsid eal in den w irtsch aft­

lichen und sozialen Zuständen seiner Z eit w u rzelte, konnte es auch in gew issem Maße V erw irklichung linden. D as 19. Jahrhundert war ein Z eitalter g ew a ltig ster w irtsch aftlicher U m w älzun g und Erhebung, wio ihm allenfalls das R eform atiouszoitalter an die S e ite zu stellen ist. D ie neuen B edürfnisse des W irtsch aftsleb en s stellto n auch höhere A nforderungen an don S taat. G ew isse w irtsch aftliche A ufgaben konnte er allein am besten erfüllen. Im G egon satze zu der Id ee des R ech ts­

staates, die den A n fang des Jahrhunderts beherrschte, habon sich die Staatsaufgaben in keinem Zoitaltor derart erw eitert wio gerado im 19. Jahrhundert. Dor moderno S ta a t hat zw eifellos bereits starko so zia listisc h e Z üge in sich aufgenom m en. E r is t n ich t der ein zige U n ternehm er, aber der größte, den es gib t, in den T ransportgew erben der P o s t und Telegraphie, der Eisonbahnen, in den B orgw erken, donou vielleich t bald andere U nternehm ungen w ie das V ersich eru n gsw esen folgen w erden. D er S ta a t is t n ich t der ein zige A rbeitgeber, aber der größte, den es gibt, und er en tfaltet über den K reis seiner A rb eit­

nehm er hinaus eine um fassende F ürsorge in allen W ech selfä llen dos L ebens durch die m oderne A rbeitorversichorung.

Fern muß uns dor m aterialistische G edanke liogen, den S taat einfach als ein w irtsch aftliches U nternehm en zu betrachten. A b er er führt im In teresse der G esam theit die grüßten W irtsch aftsbetrieb e.

N eben der V erw altu n g des R ech tssta a tes ste h t in im m er zunehm en­

dem U m fange die des W irtsch a ftssta a tes.

Ein großes W irtsch aftsun ternehm on zu leiten , is t an sich ein Jurist^ sehr w oh l g eeig n et. Nur muß er sich in das ihm fremde G e­

biet oinarboiten. Sein e R ech tsk en n tn isse w erden ihm dabei in der B eu rteilu n g m enschlich er L eb en sverh ältn isse m annigfach zu sta tten kom m en. A uch die großen Privatunternehm ungen der Banken und Fabriken beschäftigen denn auch m annigfach J u risten . A b er gerade unbedingt n otw en dig is t die ju ristisch e B ild un g für die L eitu n g eines großen W irtsch aftsb etrieb es nicht. I s t B ild u n g und A n sch au u ngs­

w eise ein e vorw iegend rom anistische, so wird dadurch sogar leic h t eine form alistische B etrachtu ng der L ebensverhältnisse befördert.

D ie se leb en en tfrem dete Jurisprudenz des grünen T isch e s h ält man sogar vielfach für das K ennzeichen dos Ju risten überhaupt, während sie nur ein so lch es des schlech ten J u risten ist.

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