M 28. J a h r g a n g I . 1833.
V on d iesem B la tle e r sc h e in t w ö c h e n tlic h 1 >n Q u arto, su oft e s d ie V e r stä n d lic h k e it d e s T e x te s erford ert, w ir d e in e
B e ila g e g e g e b e n .
D e r P r e is des Jahrg. ist '»th l.
der des hall). - - 5 - un d w ird das A bonnem ent |>rä- Dum eraiido e n trich tet. 3Ian un
te r z e ic h n e t a u f d ies IHatt. a u s
s e r hei dem V ertaner, a u f allen K . I'r. P ostäm tern timt in jeder
so lid e n B u ch han dlung.
M u s e ii m,
B l ä t t e r f ü r b i ld e n d e K u n st.
B
e r l i n, den 15. Juli.
Redacteur D r. F . Kugler. Verleger George Gropius.
E 9
L i e d e r b u c h
f ü r
d e u t s c h e K ü n s t l e r.
B e r l i n , 1 8 3 3 . V e r e i n s - B u c h h a n d l u n g .
An die Vereine der jüngeren Künstler zu Berlin und zu Düsseldorf.
Ilm c h , lieben F re u n d e, w ard dies B uch g ew eiht!
E in lu st’ger G arten ist’s, voll bu n ter Blumen, E m porgeblüht auf echtem deutschem G runde, Voll m untrer Vögel, die m it frischen T önen D as liebe V aterland gar hell durchziehn. —
W e n n Ih r vielleicht m anch eine Blume drin, D ie sich m it ihren R anken fest und fester Um E uer Herz geschlungen, missen w erdel,
W o h l glauben w ir’s, so zürnet drum uns n icht!
N icht Alles konnten w ir, Ih r seht es selbst, W a s unser eigen H erz m it L ust erfüllt, Umfassen in so eng beschränktem Raume.
D e r G ränzen w aren viele rings gesteckt, Und eigne m ussten w iederum w ir hegen, A uf dass der vollen Eichenbäum e S ch atten D ie zarten Blumen n icht des L ichts beraube, A uf dass der w eichen B lüthen bunte R anke N icht ganz um hülle kräftiger Stäm m e P racht.
U nd steckten w ir m anch eigen Reis hinzu, So w ollet N achsicht haben m it den G ärtnern, D ie, w as in fröhlichem Zusam m enw irken T>Iit E uch in ihrem Innern ist erblüht,
E uch in den G arten pflanzten, um ihn so A uch künstlerisch gar h eiter auszuschmücken, Zumal für jene frohen Festgelage,
D rin junger K ünstler Lust sich gern ergeht.
218
Ja ! j u n g e K ü n s t l e r sind w ir, lieben Freunde, Und w ollen’s bleiben unser L eben lang;
D enn n u r der Jugend k ann die K unst erblühn, N u r einem jugendfrischen Auge öffnet
D ie reiche W e lt ih r schönes Paradies, U nd nur ein k in dlichrein G em üth verm ag Mit from m er E infalt auch der Gaben kleinste, D ie sie uns beut, m it Liebe zu empfangen Und als ein K leinod re c h t zu w ürdigen. —
U nd solchen S inn uns zu bew ahren, lasst uns Auch fern er kein e volle L ust vcrschm ähn,
D ie gütig die G elegenheit uns b eut:
M it F r e u n d e n lasst uns in g e s e l l ’g ern T r e i b e n D as Leben re c h t m it aller K raft erfassen;
B; i vollen B echern, deren goldner W ein D as B lut uns k ü hner tre ib t in raschen Pulsen, L asst uns gedenken aller jen er G üter
D ie uns erfreuen, kräftigen, begeistern:
Lasst uns gedenken d er V ergangenheit, ^ L asst hoffen uns und träum en in die Zukunft! —
W e n n es des vollen w arm en W o rts bedarf, Um auszuström en in die blaue L u ft;
W e n n es n ach süssen Tönen sucht, die fort E s tragen zu verw andten Seelen:
D ann bieten w ir E uch dieses B üchlein d ar;
W a s hohe Sänger hochbegeistert sangen, W a s unser V olk aus seines H erzens G runde Zu S cherz und E rn st dem Liede h at vertrau t, W ir haben’s treu lich in ein klein Gehege Zusam m en E uch gebracht, auf dass es E uch E in ste te r F reund auf E u ren W eg en sei, D e r auf d er Töne vollem W ellenschläge D as reiche W o rt von H erz zu H erzen trage.
Robert Reinick.
* *
*
D as eben erschienene Liederbuch für deutsche K ünst
le rw u rd e von den H erausgebern (dem Maler R einick und dem R edacteur dieser Zeitschrift) zunächst zusammen
getragen, um dem V erlangen nach einer passenden Sam m lung der A rt für künstlerische Zusam m enkünfte bestm öglichst entgegenzukom m en. Es besteht zum T heil aus L ied ern , w elche m it besonderem Bezug auf K ünstlerfeste gedichtet w u rd e n , zum T heil aus anderen, m eh r oder m inder bekannten geselligen, aus Volks- und volksthüm lichen L iedern. N am en d er er
sten deutschen L ie d erd ich ter, eines G ö th e, Uhland, Clemens B rentano, Eichendorff, Chamisso, Schenken- dorff, A rndt u. a. m. m ögen zur Em pfehlung des Büchleins genannt w erden. D en L iedern, 206 an der Z ahl, sind säm m tliche, m it T ypen gedruckte Melo- diecn beigefügt, und haben es sich die H erausgeber zum strengsten Gesetz gem acht, n u r solche Melodiecn aufzunehm en, w elche ohne Begleitung singbar sind.
Aus diesem G runde sind besonders Volksmelodieen in grösserer A nzahl benutzt und ihnen häufig, auch w en n das dazu gehörige O riginal-Lied n ic h t zur Auf
nahm e geeignet w a r , andere, entsprechende L ieder untergelegt w orden. Das B uch dürfte som it vielleicht auch noch eine anderw eitige Theilnalime in A nspruch nehm en.
D e r Inhalt desselben zerfällt, w ie im O bigen bereits angedeutet w urde, in drei A bschnitte: Gesel
liges Treiben, W anderschaft, L ust und Leid, w elch e durch in Holz geschnittene V ignetten bezeichnet w e rd e n ; eine Reihe anderer, grösserer und k leinerer V ignetten (im G anzen 44) dient zum Schm uck des Büchleins und zur w eiteren Sonderung. D ie Vig- D och steigt der Frühling von den Bergen n ieder
Und w in k t uns fo rt in’s w eite grüne Land, D ann soll er n ic h t vergebens w inken, folget D em frohen K naben, der vor allen w ohl
D u rc h sein verliebt G eschw ätz, sein trau lich Lachen, D u rc h seiner tausend Spiele W u n d erk raft
Uns seinem lieben S chw esterlein, der Jugend, Entgegenführt auf lust’ger W a n d e r s c h a f t .
Und endlich, F reunde, o versäum et nicht, So lang E u ’r Fuss auf dieser E rde w eilt, E uch zu vertrauen jenem schönsten S tern, D em goldnen, ew igheilen S tern der Liebe!
E rschliesset freudig E uer ganzes Herz
D e r L ie b e L u s t , der L i e b e s ü s s e m L e i d , L asst jene nicht E uch irren, die da sagen, Dass dem B ejahrten jener S tern erloschen;
D ass eigne S chw äche Solches sprach, bezeugen D ie E delsten der Menschen, die gelebt.
G länzt auf den L ocken gleich des A lters S chnee, H at auch das Leben der Erfahrung Stem pel D e r S tirn des Mannes aufgedrückt, — das A uge, Es strah lt in lichtem F rühling, w ah ret Ih r D ie reine G lut in reinem H erzen nur. —
N un denn, ihr Brüder, w enn in solchen F reuden
E u’r Herz erglüht des edelsten Gefühls;
a e ltc n , von verschiedenen K ünstlern und zum eist für das vorliegende B uch gezeichnet, sind vom Prof.
G u b i t z und u n te r seiner L eitung geschnitten. W ir theilen in der Beilage*) die von A d o l p h S c h r ö d t c r in D üsseldorf gezeichnete S chlussvignette, den Ab
schied des Ju n k e rs von d er Kanne vorstellend, zur P ro b e m it. A ndere sind nach Zeichnungen von E.
Ilo lb e in , J. P e tz l, R. R cinick u. s. w . D en T itel schm ückt ein von R. R cinick erfundenes und radir- tes B la tt, w elches un ter und in einer gothischcn, arabeskenartig verschlungenen Laube das fröhliche T reiben junger K ünstler darstellt.
W ir überlassen das U rtheil über dies Büchlein, w elches n u r für einen fröhlich praktischen Z w eck, durchaus nicht als ein kritisch gelehrtes W e rk zu
s a m m e n g e s t e l l t i s t ,
dem U rtheil des kunstliebenden und sanglustigen Publikum s.
L I T H O G R A P H I E .
S e c h s de r s c h ö n s t e n und s e l t e n s t e n H o l z s c h n i t t e v o n A l b r e c h t D ü r e r in originalseitigen treuen Kopien mit der Feder auf Stein gezeichnet von A u g u s t K ü n t z e l in Be r l i n . Gedruckt in der lithogr. Anstalt von F. Storch.
U n ter diesem T itel w ird in K urzem die erste L ieferung eines W erk es erscheinen, auf w elches w ir die F reunde der älteren deutschen K u n st, insbeson
dere jenes grossen fränkischen M eisters, aufmerksam m achen.
H err A. K ü n t z e l h at schon in früheren B lä t
te rn , nam entlich in einem Johannes nach Dom ini- chino und einem P o rtra it M elanclithon’s nach Lucas C ranach, ein bedeutendes T alent für die Zeichnung m it der F eder auf S tein e n tw ick e lt; die zartesten Schraffirungen, besonders in den F leischpartien des letztgenannten P o rtraits, sind m it gleicher Sicherheit, F re ih eit und R einheit geführt, w ie die in den Ge
w ä n d e rn , w elche durch die stärk sten S trich e gebil
det w erden. D ie A rbeit w e tte ife rt m it dem Kupfer
stich. D och d ünkt u n s, h atte ein solcher W e tte ifer
*) E s w a r nich t m öglich , den D ru ck der B e ila g e fü r d ie se INummer des M useum ’s zu b e s c h a ffe n ; der g e n e ig te L e s e r m öge e n tsc h u ld ig e n , da ss d ie se lb e iu eiu em der u ä c h steu B lä tte r u a c h g o lie le r t w ir d . d. lt .
h ie r m ehr den Zw eck, zu zeigen, w as in dieser A rt der V ervielfältigung zu leisten sei, als dieselbe w irk lich m it dem K upferstich «uf gleicher Höhe fortzu- fiihren; le tz te re r w ird im m er, zum w enigsten durch die grössere Menge technischer Mittel, die ihm zu Ge
bote ste h e n , d er Federzeichnung überlegen bleiben.
W ir haben bereits früher (No. 25., S. 198.) G elegen
h e it gehabt, unsere A nsicht über die E igenthüm lich
k eiten der letzteren auszusprechen. Trefflich eignet sich dieselbe zur N achahm ung der H olzschnitte jen er älteren M eister Und der gleichzeitigen, dem H olz
schnitt verw andten F ederzeichnungen; die von S trix- n er nachgebildeten Randzeichnungcn D ü rer’s, deren O riginale sich in d er M ünchner B ibliothek befinden, bestätigen dies a u f’s Bestim m teste.
N och m ehr die uns vorliegenden B lätter des in der U eberschrift genannten W erk es. W as dessen Inhalt betrifft, so w ird dasselbe aus folgenden B lät
te rn bestehen:
E r s t e L i e f e r u n g .
1 ) Brustbild des Kaisers Maximilian I. Gross Folio.
(Nach einem, bis je tz t noch von keinem S ch rift
steller beschriebenen O riginal-H olzschnitte von A. D ürer. Mit B artsch No. 154 n ic h t zu v er
w echseln.)
2) T rium phw agen des K aisers Maximilian I. Aus a c h t zum A neinandersetzen bestim m ten Gross- F o lio -B lä tte rn bestehend. (K opie nach der e r s t e n Ausgabe von 1522, m it deutscher Erklä- rungsschrilt. Bartsch, P eintrc-graveur, No. 138.) 3) St. C hristoph durch, das W asser schrcitend.
1525. Gross Folio. (Bartsch, No. 105.) Z w e i t e L i e f e r u n g .
4) B rustbild des Ulrich Varnbüier. 1522. Gross Folio. (Bartsch, No. 155.)
5) D ie heilige D reieinigkeit. 1511. Gross Folio.
(Bartsch, No. 122.)
6) D ie grosse Säule m it dem S atyr. 1517. Aus v i e r zum U ebereinandersetzen bestimm ten Folio- B lättern bestehend. (Bartsch, No. 129.)
Sämmtliche Originale befinden sich in der rühm lichst bekannten Sammlung des Königl. Preuss. G eneral-Post
m eisters und Bundestags-Gesandten H errn v o n N a g l e r , in Berlin.
D ie uns vorliegenden B lätter, No. 1 . und 2. und
die beiden ersten Stücke von No. 3. (den W agen
selbst m it den umgebenden allegorischen Figuren
darstellend) sind durchaus als getreue Facsim ile’s zu
'220
bezeichnen; die E igenthüm lichkeiten der Schraffirung, die S onderbarkeiten des G efältes, die Zufälligkeiten in gleichgültigen N ebendingen sind eben so sorgsam u n d m it unverkennbarstem Fleiss nachgebildet, w ie auch in w esentlicheren D ingen der hohe G eist des Meisters ung etrü b t w iedergegeben ist. S ehr angenehm w ird einem jeden V ereh rer D ü re r’s, einem jeden F orschcr und Sam m ler eine solche E rneuerung der genannten vortrefflichen H olzschnitte sein ; um so m ehr als ihre m eh r oder m inder grosse S eltenheit die Anschaffung sehr erschw ert. D enn von dem Brustbilde des K aiser M aximilian und von d er gros- sen Säule sind die O riginale so ausserordentlich sel
te n , dass von E rsterem n u r e i n E xem plar bekannt ist, und von L etzterer selbst öffentliche Sam m lungen nu r unvollständige A bdrücke besitzen. (Auch B artsch k e n n t n u r d r e i B lätter derselben.) D azu köm m t, dass nach diesen H olzschnitten, ausser dem T rium ph
w agen, keine t r e u e n K opien existiren, und dass die alte Kopie nach dem T rium phw agen dem O riginal an S elten h eit gleich steht.
Um das Anschaffen dieser K opien jedem Lieb
hab er und Sam m ler zu erle ich tern , h a t der H eraus
geber für dieselben den überaus billigen Subscrip- tio n s -P re is von V i e r R th lrn . (a u f chinesischem P a p ie r von 6 R thlr. 6 gGr.) festgestellt; nach geschlos
sener S ubscription t r itt der erhöhte Landenpreis von 6 R thlrn. (au f chin. P apier von S Rthlr. 12 gGr.) ein. D e r D ru c k der vorliegenden B lätter ist sehr sauber und k la r; starke Cartons von gedäm pfter Farbe dienen auf zw eckm ässige W eise als Untersatzbogen.
D e r Titel-Um schlag ist m it einer phantastischen Rand- A rabeske geschm ückt, w elche von dem Herausgeber aus den bekannten D ü re r’schen R andzeichnungen zu
sam m engestellt ist.
K U N S T - B E M E R K U N G E N a u f e i n e r R e i s e in D e u t s c h l a n d ,
im S o mme r 183!>.
( F o r t s e t z u n g .)
G o s l a r .
A uf grünen, frisclibethauten W aldpfaden w an delte ich rüstig w e ite r nach Norden, im m er am Saume der H arzberge hin. In den nördlicheren Gegenden verliert der H arz jene H eiterk eit, ich m öchte sagen,
Ju g en d lich k eit, die ihn m ir in den südlicheren S tri
chen lieb gem acht h a tte ; h ie r bedecken sich die Berge m it düsteren T annenw äldern, die m it ihren bleichen Stäm m en einen ernsten, fast m elancholischen A nblick gew ähren. U nd eben so ernsthaft blicken die w enigen T rüm m er der H arzburg, w elch e der hohe K önig H einrich I. h ie r als seine W ohnung er
baute, auf den W a n d e re r nieder. A ber die dunklen Berge tragen reiche Schätze in ihrem In n ern , und d er Pflege des Bergbaues verd an k t die alte S tadt G oslar, w en n nich t ihre E ntsteh u n g , so doch be
stim m t ihr erstes Aufblühen.
Goslar liegt in einem , rings von hohen Bergen eingeschlossenen T hale; es besitzt keine ausgezeich
neten K irch th ü rm e, deren es auch n ic h t bedarf, da m an keinen Blick aus der F erne auf die S lad t hat,
— solche T hürm e sind w esentlich ein Bediirfniss der Ebene. A ber die kurzen massigen M auer- und T h o r-T h ü rm e , deren es in alter Z eit gegen '200 ge
h ab t hat, bezeugen, w ie sicher und fest es zw ischen seine Berge hineingeram m t w ar. D ie eigentliche B lüthe der S tad t fallt insbesondere in das cilfte und zw ölfte Ja h rh u n d e rt, in die Z eit der Salischcn und d er nächstfolgenden K aiser; sie b e w a h rt viele An
denken an jene Zeit, sow ohl in Bezug auf k irchliche A rchitekturen, als selbst auf bürgerliche W ohnungen.
So sicht man noch an m ehreren H äusern rund- bogige und rundbogig gebrochene F enster und ähn
liche V erzierungen. Ausserdem bem erkt man ein
zelne grosse spitzbogige Thiiren m it schönem Profil, und schöngearbeitete F en ster aus der späteren Z eit des Spitzbogens. D ahin gehört insbesondere das R athhaus m it seiner spitzbogigen V orhalle, w elches am M arkte lie g t, und zur S eite desselben das soge
nannte W orthgebäude m it der noch späteren, bereits w ie der rundbogigen Vorhalle und m it den gepanzer
te n K aiser-S tatuen zw ischen den F enstern; beide ge
ben dem M arkte ein e ig e n tü m lic h m alerisches A n
sehen. Sodann sind die P rivathäuser in ih rer B auart zum T heil denen von Q uedlinburg und H alberstadt ähnlich; andere endlich, und zw a r neuere, machen durch die m it schw arzen S chieferplatten benagelte W e tte rse ite einen w enig behaglichen Eindruck.
D e r alte Kaiserdom von G oslar, ein h o chw ür
diges geschichtliches D enkm al, ein Zeugniss von der M ajestät und Fröm m igkeit des edlen K aiser’s H ein
rich III., w elc h er selbst, so w ie seine Nachfolger,
ihn seine „L ieblingskapelle“ und den „R u h m der
221
K ro n e “ n an n te, eins der grossartigsten Beispiele für die E n tw icklung der K unst in unserem V olke, ist von der E rde vertilgt. Und cs w ar n icht ein Melac, der, auf Befehl seines
a l l e r c h r i s t l i c h s t e nKönigs, etw a eine Brandfackel in dies Gotteshaus gew orfen; es w a r kein sogenanntes w cstphälisclies Königthum , das diese ehrw ürdigen S teine auf den A bbruch v er
k a u ft; — dasselbe, obgleich es die einzelnen w e rth vollen Effekten m it Irc u d e n versteigerte, duldete w enigstens, dass der D om selbst in Trüm mer fiel, denn auch Trümmer können ja dem E nkel noch von seinen V ätern erzählen! — — noch im S pätjahr 181/, nachdem jenes K önigthum lange geendigt h atte, stan
den diese, w enngleich entheiligten Hallen! E in sin
niger
A lt e r t h u m s f o r s c h e r ,B üsching, w elch er sie da
mals besuchte, h at uns eine Beschreibung des G e
bäudes hintcrlassen*), die um so w ich tig er für uns ist, als es selbst an herausgegebenen Rissen desselben fehlt. — N ur eine kleine Vorhalle h a t m an stehen lassen, als P röbchen dessen, w as niedergerissen w o r
den; man h at sie, zufolge einer m it grossen Uncialen geschriebenen lateinischen In sch rift, im Ja h re 1824 dem S c h u t z e der alten deutschen Monumente (deren einige w enige darin aufbew ahrt w erd en ) gewidm et.
Bei G ott ! das W o r t T V TA N D IS au dieser S telle ist übel gew ählt.
D as P o rta l dieser V orhalle ist durch eine Säule in zw ei Hälften g eth eilt, deren jede im H albkreis
bogen überw ölbt ist. D e r Säulenschaft, dessen Base durch eine verstüm m elte T hierfigur gebildet w ird, ist auf’s Z ierlichste m it flachgearbeitetem verschlun
genem R an k en - und B la tt-O rn a m e n t bekleid et, das K apital phantastisch durch m enschliche K öpfe, um geben von ineinandergeschlungenen geflügelten D ra
chen, geschmückt**). Auch der Abakus ist m it zier
lichem B lattw e rk geschm ückt, und eine an dem sel
ben befindliche Inschrift n en n t den K ünstler: lla rt- mannus. Ucber dem P o rta l sind zw ei R eihen von halbkreisrunden N ischen m it Figuren, die in starkem R elief gearbeitet sind. D iese haben etw as U nter
setztes in ih ren V erhältnissen und plum pe Köpfe,
*) S. Büsching s Reise durch einige Münster und Kirchen des nördlichen Deutschlands, S. 274.
Die Flügel gehören augenscheinlich zu den Drachen, Dicht, wie Büsching und Fiorillo meinen, zu dem zwischen ihnen befindlichen Kopfe; somit sind Fio- rillo’s weitere Bemerkungen darüber unnothig.
auch ist die A rbeit ro h ; d er S ty l der G ewandung h a t aber byzantinischen C harakter. Es befinden sich u n te r ihnen die S tifter <fes D om es, K aiser und K ai
serin , Modelle desselben tragend. V ielleicht sind diese F iguren gleichzeitig m it der E rbauung des D o
mes (1040 — 1056), vielleicht aber auch später.
D enn für den S tyl, w elcher in den B ilderw erken des eilftcn Jah rh u n d erts herrscht, lässt sich n ic h t w ohl eine feste N orm angeben; er zeigt sic h , w ie w ir später sehen w e rd e n , auf die m anierirteste sow ohl, als auf eine m erkw ürdig reine und freie W eise. Ich m öchte dies Ja h rh u n d e rt in seinen m annigfaltigw ider
sprechenden, altüberlieferten und neugebildeten K unst- crscheinungen fü r den G ipfelpunkt einer grossen G ährung halten, daraus sp ä ter jene edle, klare K unst des M ittelalters sich entw ickelte.
D ie V orhalle im Innern ist rundbogig gew ölbt;
die w e it aus den S eitcnm auem hervortretenden P fei
ler, zw ischen denen sich einzelne geräumige Nischen bilden, haben ein einfaches, m it schw achem B lätter
relief verziertes Gesims. D ie h in tere S eite dieser Halle bildete den eigentlichen Eingang in den D o m ; sie w ird je tzt durch ein grosses Glasgemälde vom E nde des sechzehnten Jahrhunderts ausgefüllt. D as
selbe ist fast ganz v o r die Bogenstellung des Eingan
ges gesetzt, so dass auch dieser höchst interessante und n ic h t abgerissene T heil des D om es für den Be
schauer doch beinah so gut w ie verloren ist. D ie B lätterkapitäle an den Säulen dieser Bogenstellung haben ein e ig e n tü m lic h e s, aus einer grossen H ohlkehle m it drüberliegendcm V iertelstab bestehendes Profil.
(Fortsetzung folgt.)
K U N S T L I T E R A T U R ,.
K u n s t r e i s e d u r c h E n g l a n d und B e l g i e n v o n P a s s a v a n t .
( F o r ts e tz u n g von N o . 2 4 .)
Nachdem w ir unseren Lesern aus dem obenge
nannten inhaltreichen Buche das Bild eines der in
teressanteren Paläste von London und der darin auf
gestellten K unstw erke m itgetheilt haben, so lassen
w ir nunm ehr eine w ichtige und bezeichnende S telle
aus dem bereits erw ähnten U c b e r b l i c k d e r b i l
d e n d e n K ü n s t e in E n g l a n d folgen. Sie enthält
die A nsichten des Verfassers ü ber den Mangel einer
e i g e n t h ü m l i c l i
höhern R ichtung in d er neueren eng
lischen M alerei (vornehm lich in der Historien-M alerei) und die Gründe dieser Erscheinung.
Indem derselbe näm lich gegen den Schluss des Lieberblicks von den R ichtungen und Leistungen des gegenw ärtigen akadem ischen Künstler-V orstandes, — des S ir M artin A rchcr Sliee,' Präsidenten, des II. H o
w ard, Secretairs, und des W illiam Hilton, Inspectors der Akadem ie — gesprochen h a t, sucht er sich ge
gen die Meinung zu v erw ah ren , als ob in diesem T rium virat die R epräsentanten der jetzigen Malcr- schule Englands erblickt w erd en sollten. „D ieses (fä h rt er fo rt) w ill ich n icht dam it angedeutet ha
ben, vielm ehr bin ich der A nsicht, dass dieses über
h au p t n ic h t durch die H istorienm aler in England ge
schehen k a n n , da es in diesem Fache do rt sehr m a
ger aussieht. A uch u n te r den P o rtraitm alern ist k ein er von dem Range, w ie R eynolds oder L aw rence.
D agegen ist die Genre-, ich m öchte sagen A necdoten- und Landschafts-M alerci bei w eitem ausgezeichneter, und in diesem Fache finden w ir Talente des ersten Ranges. D ieser Umstand d arf um so w eniger auf- fallen, als auf dem F estlande fast derselbe F all ein- t r itt (?). W o llte m an aber für E ngland, w elches nie eine eigentliche H istorienm alerei aufzuweisen h atte, einen besonderen G rund für diese Erscheinung auf
suchen; so liesse sich folgendes darüber sagen:
Z w eierlei Bedingungen kann man angeben, w elche für die Ausübung einer höhern K unstrichtung als unerlässlich erscheinen. D ie eine fordert bei einem für die K u n s t b i l d u n g f ä h i g e n V o l k e einen in sich gekehrten S in n , der in die geistigen Tiefen zu dringen verm ag, sich m it dem Zusam menhang der innern höhern V erhältnisse gern beschäftigt, genug tie f poetisch ist; die zw eite Bedingung ist, dass bei einem solchen Volke die hohen und höchsten Insti
tutio n en auch der künstlerischen Ausübung einen W irkungskreis eröffnen und diese nich t der Laune eines Hofes und der P rivatleute oder den T räum e
reien der K ünstler überlassen w erden, kurz, dass die bildende K unst n ic h t als eine für sich bestehende, abgesonderte Sache b etrach tet w ird , sondern in das L eben selbst eingreift und dessen höchste Interessen zu v erherrlichen berufen ist.
W a s nu n die erste Bedingung anbelangt, so sehen w ir, dass die englische N ation viel m ehr zum activen als zum conlem plativen Leben sich hinneigt. K ann
m an den E ngländern auch einen grossen E rn st und seltene E nergie n ic h t absprechen, so haben sic doch seit undenklichen Z eiten im m er m ehr die m echani
schen K ünste und W issenschaften in dieser B ezie
hung ausgebildet, als die aus einem contem plativcn L eben hervorgehende bildende K unst. O efters ist diese R ichtung der Engländer und die dam it verbun
dene grössere körperliche T hätigkcit in der clim ati- sclien Eigenschaft ihres Landes gesucht w o rd e n , in d er schw eren feuchten L uft und dem m eist trü b en H im m el, w odurch eine sehr thätige Lebensw eise er
fordert w ird , dam it G eist und K örper frisch und kräftig bleiben. A llein dieser G rund ist n ic h t halt
b a r: zeigt doch F lan d ern , w elches ein dem engli
schen ganz ähnliches Clima h a t und eben so durch Industrie und Handel blühend w u rd e , dass sich die
ses recht, w ohl m it der Ausübung der bildenden K ünste v erträg t; ja gerade dieses L and g ew ä h rt das seltene S chauspiel, dass cs zw eim al die höchsten Gipfel in d er M alerkunst erreic h t hat, näm lich un ter Joli. van E y ck und P. P. Rubens.
D a rf m an nun aber den E ngländern den S inn für K unst absprechen? haben sie nich t ihre D ichter, die m it denen der anderen N ationen um die P alm e ringen? S icher w ird dieses N iem and d er englischen N ation absprechen w ollen. D ie Poesie und die bil
denden K ünste verlangen aber sehr verschiedenartige und oft ganz getrennte Eigenschaften. D ie ersteren finden w ir bei allen (?) N ationen, die sich in ih re r S prache auszubilden strebten und in Bildern auszu- driieken suchten, w as ih r Inneres b ew e g te; die A n
lage zur bildenden K unst hingegen, so w ie auch zur Musik, die ih r m eist zur S eite geht, scheint in ihren h öheren A nforderungen n u r einzelnen (?) V ölkern anzu
gehören. In d er antiken W e lt w aren es die G rie
ch e n , w elche diesen Vorzug besassen. Sie strebten fast ausschliesslich nach der S chönheit und C harak
te ristik der F o rm ; daher ihr Vorzug in der P lastik.
Im M ilteialter, nach dem W iederaufleben der K ünste, sind es die Italien er und die D eutschen, w elche ein eigenthüm liclies T alent für die bildenden K ünste en tw ickeln nnd nach dem Einfluss des C hristenthum s m ehr den A usdruck der Seele beachteten; daher das V orherrschen d er Malerei, w odurch das Gefühlsleben vollständiger darzustellen ist. Bei allen übrigen N a
tionen der C hristenheit sehen w ir im M ittelalter keine eigenthüinliche bildende K unst sich entw ickeln.
E rst nachdem sie die höchste Stufe der Vollendung
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bei genannten V ölkern erreich t h a tte , blühte sie gleich einem eingepfropftcn Zw eige und durch die E igenthüm liclikeiten der V ölker m odificirt, in S pa
nien und F ra n k re ich auf. In England w a r noch n ic h t daran zu denken.
W a s nun zw eitens die Anregung von aussen be
trifft, den W irk u n g sk reis näm lich, w elcher den bil
denden K ünsten durch die höheren Institutionen er
öffnet w ir d , so w a re n diese allerdings in England v o r der Z eit der R eform ation dieselben, w ie in allen ändern L ändern, w o die röm ische K irche herrsch te.
D ennoch haben die E ngländer gleich allen ändern christlichen N ationen, ausser den Italienern und D eut
schen, keine e ig e n tü m lic h e , nationelle K unst, selbst k ein en n e n n e n s w e r te n Maler oder B ildhauer jener Z eit aufzuw eisen, w as allerdings au f einen innern Mangel h in d e u tet, den sie m it ändern N ationen theilten.
Nach dieser Z eit indessen, w o in Spanien und F ran k reich die bildenden K ünste der M alerei und
S c u lp t u rzu blühen anfingen, besass England nich t m ehr die k irchlichen Institu tio n en oder lange im F ried en lebende, die K unst liebende F ürsten, w elche durch vielfache A ufträge zu bedeutenden W e rk e n die Ausbildung einer K unstschule im alten Sinne h ätten b ew irken können. D ieser U m stand entschul
digt die E ngländer, dass sie erst so viel später sich selbständig in den bildenden K ünsten zu entw ickeln suchten und nun durch die E rric h tu n g einer A kade
m ie d e n W eg einschlugen, w elc h er nach der gros
sen V ersunkenheit in den bildenden K ünsten auch von den ändern
e u r o p ä is c h e nN ationen b etre ten w o r
den ist. Im voraus bestim m en zu w o lle n , w ie w eit u n d in w elchen R ichtungen die E ngländer ihre neu aufblühende K unst entw ickeln w e rd e n , scheint m ir voreilig; doch w ird sich aus dem bis jetzt D argeleg
te n und aus dem nun folgenden B ericht ih re r L ei
s t u n g e n