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Die Zukunft, 2. Dezember, Jahrg. XIV, Bd. 53, Nr 9.

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»xIV.Jahrg. Meiji«-den2.DezemberWW-.-.-- 1905.».»-»-»V -.«-.-.-.-»«.» Alt-.«-.---«-Vv.-« 9.-.

Herausgehen

Maximilian jzardenp

Inhalt:

Seite Kommerxirnrath Israel .............·.........

·311 Das Kinderkklxukigefeix. VonFuccne Himon ...............816

Einneuer Roman. VonDetlev von gilts-irren ............320

Einfälle. Vongrthnr Yettyotd ..........

....«......1321

Klaus Kuh-lva VonCwakdcpethqrt Heiliger-. .. .......’-823

The-kein VojtEsc. H............................326

Uachdruck verboten.

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Erscheint jedenSonnabend.

Preiseierteljährlich5Mart, dieeinzeer Nummer 50Pf.

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Berlin.

Verlag«der Zukunft.

Friedrichstraße10.

1905.

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mit den- grossen erstlclassigen, mit «- allen Bequemlichkeiten versehenen

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Berlin, den 2.Dezember 1905.

KommerzienrathIsrael.

MmzweiundzwanzigstenNovember 1902 istderWirklicheGeheime Rath Friedrich Alsred KruppinseinerVillaHügelgestorben.Erwar öffentlich,inEngland,Frankreich,Amerika, Italien, zuletztauchinDeutsch- land,krankhafterPerversiondesGeschlechtssinnesbeschuldigt,öffentlicheines Sexualoerkehrsangeklagtworden,denParagraph175unseres Reichsstraf- gesetzbuchesmitGefängnißundmit demVerlustderbürgerlichenEhrenrechte bedroht.Erhatte dieHilfederStaatsanwaltschast angerufen,ebenhattedas Ermittelungversahxenbegonnen:dastarber,plötzlich;undhatte, trotzdem eranEmphysemundastmathischenBeschwerdenlitt, dochnichtalseinSiecher gegolten,dernichtweitüber dieFünszigergrenzehinauskommen werde.Selbst- mord? Alleglaubtenes;undglaubensnochheute.Ungeschicktabgefaßteund durchkeineNamensunterschristlegitimirteBerichte gabenVonder Todesurs sacheeinrechtunklaregBildDie Sektion derLeiche,dieschonungloseVeröffent- lichungdesBefundes wurdegefordert,dochnichtgewährtUndseitdemistder Glaubenicht auszuroden, daßFriedrichAlfredKruppeinSchuldigerwar, denderSelbstmordderSchandeentziehensollte.Alle,dieihngenaukannten, setztenvergebens ihrWort undihrAnsehendafürein,daßKruppnie eine »un- züchtigeHandlung-«begangen,zuwidernatürlicherUnzuchtnieauchnur den geringstenHanggezeigthabe.DerKanonenkönig,sprachinEssenderlKaiser, warvon»unantastbarerJntegrität«;»dievergiftetenPfeilederVerleumdung haben ihnum seinen ehrlichenNamengebrachtunddurchdiehierdurch her- vorgerufenenSeelenqualengetötet.DasisteineThat,so niedertråchtigund gemein,daßsieAllerHerzenerbebengemachtundjedemPatrioten dieScham- rötheaufdieWangetreibenmußteüber dieunserem ganzenVolk angethane

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312 DieZukunft

Schmach«.Vergebens.Jetzt ist, fast aufdenTagdreiJahre nach Krupps Tod,derKommerzienrath HermannN.Israel gestorben,einrüstigerVier- ziger;unddiesmal istderSelbstmordverbürgtKeiandustriemonarch, doch einer derbeidensteinreichenChefsdesalten, berühmtenberlinerLeinwand- undWollwaarenhausesN.Jsrael. Aucherwar (inkleinenBlättern) homo- sexuellenVerkehrs beschuldigtworden. Einverabschiedeter Lieutenant,mit demergereistwar,hatte ihndesVerstoßeswiderden§17·5angeklagt·Wars

einErpessungversuch?Darüberwissenwirnichts; wissenaber, daß selbstder Reichstenicht reichgenugwäre,umeinemsogerüstetenErpresserdenMund zu stopfenDaderKommerzienrathunterseinemEide denstrafbarenVerkehrab- leugnete,wurdeder Lieutenant a.D. wegenversuchterNöthigungverurtheilt;

undstelltenun denAntrag,gegenIsraeldasVerfahrenwegenwissentlichen Meineides zueröffnen.DieStaatsanwaltschaftamLandgerichtllehntedenAn- trag ab,weildieVerdachtsgründeihrnichtstarkgenugschienen.Diekammer:

gerichtlicheBerufunginstanzfanddenAngeschuldigtenderThat ,,hinreichend verdächtigfcAls derKommerzienrathdenEröffnungbeschluszerhalten hatte, gingeraufseineYacht,schoßsicheineKugelin denKopfundstürztesichsterbend insWasser.WennderSchußnichtgenügte,war derTodihmdennochgewiß.

Kein Mundzeugtefürihn.Freunden sollergesagthaben,erseiunschuldig, fühlesichaberzuschwach,umbiszumVerhandlungterminaufrechtzubleiben.

DerSelbstmordgiebtaufdieSchuldfragekeineunzweideutigeAnt- wort. Undist hier,wie imFall Krupp,vonSchuldüberhaupternstlichzu- reden?ObJsrael, nachKrasbebingsunterscheidenderDefinition,»blosper- v«ers«oder,,krankhafterPerversion«verfallenwar: nachmoderner Auffassung istderUrning nichteinVerbrecher,sonderneinKranker;wäreesanders,dann müßtenvieleDiplomaten,Höflinge,gekrönteHerrensogarihreHäupterin Schandebetten· DieAnklägerselbstbehauptetennur,Israel habemiterwach- senen,zusolchemVerkehrlängstwilligenPersonengeschlechtlichverkehrt.Da-

vonhätteNiemand Schadengehabt.Warsnöthig,denKinaeden in den Tod zu hetzen?Und dasVergehen istnichterwiefen.VielleichtglaubteJsrael,trotzder AbnormitätseinesGeschlechtsverlangens,ganzehrlich,in denGrenzenerlaub- tenVerkehrsgebliebenzusein;fühltesichvonSexualschuldvielleichtauchvöllig frei.UndsuchtedochdenTod. EinKommerzienrathundMillionär,derfür deutscheFlottenmacht schwärmt,auf seineKostenin einerJugendwehrKnaben fürdenMatrosendienstdrillenläßt,alsreicherErbevomSchicksalverzärtelt, einMann,derinEhrenämternsitztunddemdieberlinisch-israelitischeso- cietydieWünschevomBlickabliest:undnunvon derMeuteumstellt,von derSippe bewitzelt,von denFreundengemieden,desMeineides verdächtig.

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KommerzieurathIsrael. 313 Kannersichreinigen?Werbürgtdenndafür,daßnichtzwei,dreiGierigevor Gerichtwider ihn zeugen?Etwasbleibtimmer hängen.Dieschlechte,unfrucht- bareEhe,dasseltsameInteresseanderJugendwehr,dieRheinfahrtmit dem verabschiedetenLieutenant: nichtzuunterschätzendeVerdachtsmomente;und keineStraskammerwillsichin dasGerede bringen,sieseimit demreichenJu- denallzusänftiglichumgegangen.AllepaarTagewirdihmeinBlättchenins Hausgeschickt;dasSündenregisterrothangestrichen.Das Geschäftsperio- nal,Mädchen,Diener undKutscher habens sicherlängstgelesen.Undvon Allen,denenerWohlthat erwies,komtheiner undspricht:VorjedemTri- bunalbürgeichfürDeineUnschuld.Die stärkstenNervenkönnten dareißen.

Alle Martern eineslangwierigenKriminalverfahrensdurchmachen?Die Ver- fehlungunseligerStunden öffentlichbekennen?AmEndewars nur unvor- sichtigeZärtlichkeitWashilfts? JnderAkustikdesGerichtssaalesklänge dasBekenntnißwieeinesVerbrechens.MitdembemakeltenNamenins Aus- landfliehenunddortweiterzittern:ob mans erfährt,ob einKömmlingplau- dert,diegesellschaftlicheStellungzerstörtundzuneuerFluchtzwingt?Nein:

durchdieThatsachedesSelbstmordes istdieSchuld noch nicht erwiesen.

FrommeSeelen durftenanJsraels Leichevom Walten derNemesis Adrasteiareden. Voranderthalb Jahrenerzählteichhier,wie dieHäupter desHausesN.Israel zweiMänner,dievierzigJahrelangfürdieFirma gearbeitethatten, aufvagenVerdachtumFreiheitundEhre brachten.Die Herren JuliusundBertholdBesas, einstMündelundLieblingedesalten Jsrael,wurdenderUnterschlagungbeschuldigt.Zur FührungdesEntlastung- beweisesließman ihnenkeineZeit.DerKommerzienrathbehandeltesiewie übersührteVerbrecherundforderteaufderStellebrüsk einrückhaltlosesGe- ständniß;siesolltenschriftlicherklären,wie vielsieunterschlagenhättenund auf welcheWeisesieErsatzschaffenwürden:sonstwerdedieSache sofortder Kriminalpolizeiübergeben.DieBestiirztenweigerndieseErklärungund be- theuern ihre Unschuld;siewerdenweggejagtund demPortierwirdbefohlen, ihnenundihrenVerwandten dieSchwellezusperren.Strafverfahren. Nach neunmonatigerUntersuchunghaftwerdendieAngeschuldigtenfreigesprochen;

wirdfestgestellt,daß sie ihrVermögenehrlicherworbenhabenunddaßdie Unregelmäßigkeitennicht durchPersonen, sondern durchMängelderKassen- organisationbewirkt worden waren. Die BitteumeineEhrenerklärungwird vonJsraels abgelehnt.AlsihnendasBeispieldesGrasenHektorKwilecki vorgehaltenwird, der, ehenochdieJurysprach,seinenVerwandten alle Be- schuldigungabbat, sagtderKommerzienrath:»Derhatte auchkein Detail- geschäst!«Wer einDetailgeschäfthat, darf Jrrthum undUnrechtnichtein-

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314 DieZukunft.

gestehen.Balddanachkam dasübleGerüchtauf. HomosexualitätMeineid.

UndwiederKassirer,wurdenun derChefaufbloßenVerdachthin verurtheilt Erhatbittergebüßt; undichwillihmkeinenSteinins Grabnachwerfen.

Nurnochein Wortüber die Rollesagen,dieunserePresseindiesem Fallge- spielt hat.In einem»OsfenenBrief« hattendieHerren Besas erzählt,alle Versuche,BerichtigungenundaufklärendeNotizenin dieberlinerZeitungenzu bringen, seien gescheitert»Manwiesunsmit derlakonischenErklärungab, daßindieserAngelegenheitnichts ohnedieausdrücklicheZustimmungder FirmaNIsraelgebrachtwerdenkönne. Wirmußtendie betrübendeErfah- rungmachen, daßüber denKommandirendenGeneralen derPressenocheine Großmachtsteht:derannoncirendeWaarenhausbesitzer,dessenReklamen die Redaktionkassenfüllen.«Das, sagte ich damals, istdieschwersteBeschuldi- gung,diesicherdenkenläßt; darfein demHause Mossis verschwägerter,halbe und ganzeZeitungseitenmitInseraten füllenderGroßhändler sichAlleser- lauben,ohneeinAufflackernholzpapiernenZornesfürchtenzumüssen?Erdarf.

AuchalsichdieSache ansLichtgebrachthatte,blieb Allesstill.Keine Stimme sprachfürdieüberBordGestoßenen,inderSynagogesogarvoneinemRabbi als eineSchandein IsraelGebrandmarkten. DasOsterinseratderFirmaNJsrael hattebilligeGartenmöbelempfohlen.Undjetzt?DasselbeSchauspiel.Inden großenZeitungenhabeichkeinWortdarübergefunden,daßderKommerzienrath HermannN.IsraelhomosexuellenVerkehrsbeschuldigt,desMeineides an- geklagtwar und alsSelbftmördergeendet hat;keineSterbenssilbe.Ueber den Erpressungprozeß,in demeralsZeugeaufgetretenwar,wurdenichtberich- tet.ImJnseratentheil standensetztlangeTraueranzeigen;im redaktionellen Theilwar derwürdigeVerlaufderTotenfeierausführlichgeschildert.Nicht dieleisesteHindeutungauf dastraurigeEnde einesderreichftenundbekann- testenMännerderHauptstadt; selbstin den Blätternnicht,diesonst eiferud derwinzigstenSensation nachjagen.WerseinWissenausderPresse bezieht, mußheutenoch glauben, Israel seials einmakelloserEhrenmanneinesna- türlichenTodesgestorben.DasselbeunverbrüchlicheSchweigenwie imFall Besas.Nurwerdenin denisraelischenInseraten jetzt nichtGartenmöbel, sondernWeihnachtgeschenkeund wolleneWinterftoffe empfohlen.

DerZweckdesSchweigegeboteswardnichtganzerreicht.Alle,derenUrtheil demKommerzienrathwichtiggewesenwäre,wissen,waserimletztenLebens- jahrgelittenhatundwieergestorbenist. Ich habekeinFamiliengeheimniß verrathen.DasKulturbildchendünktmichaber derBetrachtungwerth.Kranke Menschen,Märtyrereines verirrtenSexualtriebeswerdenbestraftundge- ächtet.Wer in derAngstum sein Bischen Ehre,in demBewußtsein,keines

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KommerzienrathIsrael. 315 MenschenRechtgekürztundkeinenSchadengestiftetzuhaben,die zu beei- dendeZeugcnaussagefärbt,kommtinsZuchthaus.Vor derLeichedesSelbst- mördershältderKorrektesichinfrommemSchauderdieNasezu.UnddiePresse VerschweigtgegenbareBezahlungprornpt jede Schande: Sexualverirrung, Meineidsverdacht,Selbftmord.Sieist nicht bestechlich.Kruppwar reicher alsIsrael und hättesichdoch vergebensbemüht,mitGeldopferndasDurch- sickerndesGerüchteszuhindern.AberJsraelssind Jnserenten,sichere,diePa- pierplantagenreichlichdüngendeKunden,denenman unterkeinenUmständen wehthun darf. Alsokein WortübeszraelsBedrängnißUnd davonderMo- ralunsererSatten nur derErtappte verurtheilt wird,kannderKommerzien- rathalseinhumanerHeld gefeiertundunter Weihereden bestattetwerden.

Gern gönne ichs ihm. HatdiePresseabernichtKunden von sehrverschie- denerArt? Sind Nachrichtennicht fastebenso wichtigwieAnnoncenauf- träge?Gehörtnicht auchdieRegirung zuihrenGeschäftsfreunden?Wie viel vonAlledem,wastäglichgefchieht,vondenFehlernundUnterlassungsäuden derdurchGeld oder andereMachtMaßgebendenmagunsverschwiegenwer- den?DiePresse, riefschonLassalle,,,istnichtnurzueinem ganzgemeinen,ordi- närenGeldgeschäft,wie andere auch,geworden,sondernzu einemvielschlim- meren, durchunddurchheuchlerischenGeschäft,das unter demScheindes Kampfesfür großeJdeenundfürdasWohldesVolkes betrieben wird.«

WüstesteUebertreibungWirwahrenderMenschheitheiligsteGüter undrich- tenstets ohneAnsehenderPerson.HerrRudolfMosfehatals beeideterZeuge

«

vor Gericht erklärt,einJnseratenauftrag könneniemalsbestimmend aufdie HaltungseinesBlattes einwirken;gewißoptimafide.Jn seinerBilderga- lerie,seinemWintergartenoderaufdenkahlenFeldern seinesRittergutessollte ersichabereinmal dieFrage vorlegen,wieermiteinemRedakteurverführe,der denLesernverschwiegenhätte, daßeinOffizier,einPfarreroderAgrarier deshomosexuellenVerkehrsundgroberVerletzungderEidespflichtbezichtigt worden seiundsicherschossenhabe.Allesverschwiegen:Prozeß,Anzeige,Er- öffnungdesStrafverfahrens, Selbstmord.Ob der Redakteurihm nichtder Bestechlichkeitverdächtigschiene?Wenner,der,alsZeitungbesitzerundfast ungefährdeterAlleinherrscherimJnseratenreich,anderAnnoncenspekulation doppelt verdient,die Antwort gefunden hat, sollteerweiterfragen,ob Der wirklichTadelverdient,derauchdiePresse,dietausendzüngigeRichterin,von ZeitzuZeit aufdenSünderstuhlzwingt... Jch möchtenichtpathetischwer- den. Kann aber den AusdruckderUeberzeugungnichtzurückhalten,daßder Fall JsraelinderGeschichtederberlinerPresseeinSchandfleckistunddaß ich Meinunghändler,diesolcheSchmutzspurnichtfcheuen,nichtzuachtenvermag.

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3 16 DieZukunft.

Das Kinderschutzgesetz.

VielArbeitundwenig Spiel,körperlicheNoth, geistigeundsittlicheVer- kümmerung:so sehenweite Streckenim LandeunsererKinderaus. Als Marksteinneuer Urbarmachungmagman dasKinderschutzgesetzvom dreißigsten März1903betrachten. Nebendenjungen Fabrikarbeitern,derenbeispielloses Elend vieleJahrzehnte früherdieersten Staatseingriffeerzwang, solldieaußer- halbderGroßindustrieinjederArtderWerkstätten,inHandelundVerkehr thätige Jugendvor AusnutzungundUeberbürdunggeschütztwerden. Dem ErlaßdesGesetzesvorausgegangene,doch durchaus nicht erschöpfendeErheb- ungen ergabenweitübereine Million schulpflichtigerErwerber. JnWirk- lichkeit ist ihre Zahl noch größer.UndkeineStatistik,ruft Agahd,derun-

ermüdlicheVorkämpferauf diesemFeld,intiefer Betrübnißaus,hatermittelt, wievieleKinder schonvor BeginnderSchulpflichtgegenLohnarbeiten.

Amersten Oktober 1904tratdasneue KinderschutzgesetzinKraft.Auf einJahrseinerGeltungblicken wirzurück.MitSpannung forschenwirin denBerichtenderGewerbe-Aufsicht nach seinen WegspurenHandeltessich dochnebeneinerderwichtigstenFragendesöffentlichenLebens—— denn was wärewichtigeralsdasWohlderKinder? um einenersten Eingriffindie Heimarbeit.DasGesetz umfaßt sowohldiefür fremde Unternehmeralsdie für ihreEltern erwerbend thätigenKinder. JndeneigenenHeimen auch,vor demMißbrauchderelterlichenRechtewillesdie KleinenschützenEinSchritt

von unabsehbarer Tragweite,derabernurZitenatürlicheFolge unserer heu- tigen sozialpolitischenErkenntniß ist. DieZunahme jugendlicher Verbrecher mahntinunheimlicherFeuerschriftiJhr müßtdemlastenden Fluch entgegen- wirken! Diegroße SchuldderZeitenward zumdrohenden Gläubiger.

Ausdiesem Geistwurde dasKinderschutzgesetzgeboren. Esverbietet- Erwerbarbeit fremderKinder unter zwölf, eigenerKinderunter zehn Jahren;

VerwendungnochnichtdreizehnjährigeroderschulpflichtigerKinderbei unge- eigneten Thätigkeiten, auf Bauten, ingesundheitschädlichenWerkstätten,an Sonn- undFesttagen, nachts, zwischenachtUhrabendsundachtUhrmorgens, vor Schulbeginnund längeralsdrei,in denFerienvierStunden; ferner forderteszweiStunden PauseamMittagundeineStunde Pause nachdem nachmittägigenSchulunterricht. Trotzdemhohen Werth dieserBestimmungen kannesnichtüberraschen,daß sieimersten Geltungjahr nochkeineallgemeine und,beiderDecentralisationdesdeutschen Aufsichtdienstes,vorAllemkeine einheitliche Behandlung erfahren haben.Die Ausgabe ist äußerst schwierig und man begreiftdiezuwartende HaltungvielerBeamten um so besser,als dieneuen, nicht leichten Pflichten meistmitdenvorhandenenKräften erfüllt

werden mußten.NurinSachsengriffman zueinerReformimAufsicht-

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Das Kinderschutzgesetz. 317

amt: fünf Jnspktorinnen wurden zurDurchführungdesKinderschutzesmit selbständigenBeFugnissenbetraut. AuchinWürttembergwaren Revisionen undBerichterstattungwesentlichindenHändenderweiblichenBeamten. Mehr oderminder eingehendeAuskünfte liegen fernerauseinzelnenpreußischenund bayerischenBezirkenvor,währendBaden undHessengenauere Mittheilungen aufGrund statistischerErhebungeninAussichtstellen.

Dievorliegendenamtlichen Berichte bestätigen,wenige bayerischeBezirke ausgenommen, »miterschreckenderDeutlichkeit«dengroßenUmfangderErwerb- arbeitschulpflichtigerKinder. Oftwerden dieSchülerderuntersten Klassen besondersgernherangezogen,weilsie,beiihrer kürzerenUnterrichtszeit,leichter zur Verfügungstehen.So wirdderSinnderSchulregelung Unsinn.Kinder fandensichinjederArtungesunderIndustrien:inGlasschleifereien,Lumpen- sortirereien,beimSteineklopfenund beiähnlicheVerrichtungen Manchmal wurden sievom fünftenund sechstenLebensjahrandauernd beschäftigt,sehr oftbeiArbeiten, »denen die kleinenFingerkaumgewachsenwaren.« Nacht- arbeit bisZehn,Eins und länger, Arbeitzeitenvon acht,elfundüber vier- zehnStunden wurden festgestellt,so unglaublichesimLandealtenElementar.- schulzwangesund ineinerZeitklingen-mag, dievon derVertiefungder Pflichten gegenüberdemKind vielzureden weiß. Löhnevon zweiund vier Pfennigen fürfünf-undsechsstündigeArbeit! Siesteigenbis zufünf Pfen- nigen fürdieStunde. Jn Zwickau fädelteeinachtjährigesMädchentäglich

überneun, indenFerienüberzwölfStunden langNadeln einundbekam

dafürinjeder WocheeineMarkalsGesammtlohn.

Jm Wesentlichenhandeltessich hiernur umStichproben Jchdenke, sie genügen,umZweifelanderNothwendigkeitdesEingriffeszuwiderlegen.

AuchderindenBerichtenerörterteUnwille derHausindustriellen, selbstdie starkbetontetrübeThatsache, daßviele Eltern glauben, aufdenVerdienstder Kinderangewiesenzusein,änderthieran nichts. Hörenwirdochnur eine Variation desewigen Gesanges,derbeijederneuen Schutzmaßregelertönt.

Es geht nicht, riesman, riefenauch die Eltern vor fasthundertJahrenbei demerstenErbarmen mit denfurchtbarmißbrauchtenundmißhandeltenFabrik- kindem Esgeht nicht: so klangesbei derKürzungderFrauenarbeit,dem VerbotderSonntagsarbeit,derBäckereiverordnung·Undesgeht doch, geht sogar schließlichsehr gut,wenn esnur gehen muß. Freilich: ohnevorüber- gehende Härtenund Unbequemlichkeitenim EinzelnenkeinFortschritt Bald genugkommtaber,was derAllgemeinheitdient, auch demEinzelnenzu Gut Jm großenRadwerk desWirthschaftlebens ersetzt sich jede Ausscheidungun- gesunderElemente durch geeignetere Kräfte.Allesgreift hierineinander: wo diejämmerlichentlohnteKinderarbeit wegfällt,wird dieArbeitlosigkeitEr- wachsenervermindert, demsweating system Einhalt gethan, mußauto- matisch fasteinLohnausstiegsich vollziehen.

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318 DieZukunft.

TieferalsdergenannteEinwand stehtdasbesondersvon densächsi- schenJnfpektorinnen berührteBedenken, daßdieKinderdurchdiegrößereFrei- heit zuUnfugundzumUmhertreiben aufderStraße veranlaßtwürden. Unter diesemVorwande derKinderarbeit das Wort reden, heißt,denFuchszum Gärtner, dieAusbeutungzurFürsorge machen. ErscheintdieKlage nicht widersinnig gegenübereinemMindeftmaßvon BewegungundAusspannung, derkörperlichenundgeistigenNothwendigkeitdesSpielssHierkanndieFrage

nur lauten: Wiesind unsereVolkskinder, besondersda,wo dieMütterin derFabrikarbeiten, zubeaufsichtigenundwasmuß geschehen,umihnen Spiel- hallen undSpielplätzezuverschaffen,siezumSpielzuerziehen?

AuchdieJnspektoren freuen sichderjetzt gegebenen Möglichkeitzum KampfgegenKrebsschäden,diesieunangreifbar wuchern sahen.Und schon, obwohldasGesetz meist nocheinFremdling ist, dessen Bekanntschaftman durch offene FehdeoderListzuentgehen strebt, macht sich hierunddasein Wirkenzwanglos geltend. FreiwilligeEntlassungderKinder ausverbotener Thätigkeitkamoftvor. Mehrfach etsetzteeinArbeiterzurZufriedenheitdes UnternehmerseineAnzahlKinder. Und schon bestätigtesichauchdiealte Erfahrung, daßmitdemMaßhaltenEiferundArbeitkraft wachsen:oftward indreiStunden nun dasSelbe geleistetwiefrüherinfünf.

AlleReferenten klagen,diemeistenEltern wollten dasGesetzfürdie eigenenKinder nichtgelten lassen;und dieBeaufsichtigungderhäuslichenAr- beitstättesei nicht geordnet. Hier liegtAllesnoch im Dunkel. Besteht doch die beiBeschäftigungfremderKindervorgeschriebeneMeldepflichtnicht gegen- überdenAngehörigen.Undauss GerathewohlinalleSchlupfwinkelder Heimarbeit hineinzuleuchten,istderüberlastetenAuffichtbehördeunmöglich.

Dieerste GrundlagefystematischerUeberwachungistgenaue Terrain- kenntnißDerzahlenmäßigeAnhalt,wieihndiehessischenund badischenEr- hebungen bezwecken,ist deshalb zunächstfüralle Bundesstaaten zubeschaffen.

Unerläßlichist aberauch dieVerpflichtungderEltern,diefür sieerwerbend thätigenKinderanzumelden.VonunüberschätzbaremWerthwäredie Aus- dehnungderMeldepflichtaufalleUnternehmer,dieHeimarbeiterbeschäftigen.

Mit derenergischenKontrole derMeldungenundmitpeinlich geführtenHeim- arbeiterlisten hättedieOrtspolizeidenGewerbe-Jnspektoren vorzuarbeiten.

Alssittliche PflichtbezeichnetAgahddasMitwirken derLehrer.Mit Recht verurtheilterdieMeinung, ihr Nachweis ungesetzlicherKinderarbeit könne alsSpionage gelten. ThatsächlichabersinddieLehrer, obgleichsiedie UeberbürdungderKinder beklagen,vor nähererAuskunft oft zurückgescheut.

Diese Scheuwirderst schwindenoder docherheblich nachlassen,wenn neben diesittlichedie amtlicheVerpflichtungtritt. Schonsind inBayernundWürttem- bergdieLehrerangewiesen,GewerbeaufsichtundPolizei durch Mittheilungen und Anregungenzuunterstützen.

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DasKinderschutzgesetz. 319 VorAllemmußzurBewältigungderneuen Aufgabemitihrermühe- vollenKleinarbeit diestaatliche Aufsicht verstärkt,ergänztundmöglichstin ge- sondertenZweigen organisirtwerden, wobeiwesentlichFrauenundAssistenten aus demArbeiterstandinBetrachtkommen. Ansichwar indiesem Sinn dersächsischeBeschluß,einebesondereweiblicheBehördemitderDurchführung desKinderschutzeszubetrauen,einentschiedenerFortschritt Nurwurden die Jnspektorinnennach derPudeltaktik—— werftihninsWasser,erwirdschon schwimmen ohne genügendeVorbildungundohnejedeVorarbeit auf ihren verantwortlichenPosten gestellt KeinWunder, daß sie ihnnoch nichtaus- füllen konnten. Dagegen lagdieAufgabebei derwürttembergischenBeamtin indenbesten Händen LängerimDienst,ingünstigererAtmosphäreauch, griff sie ihre PflichtmitBestimmtheitundfeinemTaktanundließ sichnicht, wie dieSächsinnen,durchUnkenrufe schrecken.Dochauchsie istderAnsicht, daß einerascheHeilwirkungdesGesetzesmitdenvorhandenenMitteln nichtzuerzielen sei.Sollen seine Segnungeninabsehbarer ZeitinalleDunkelkammern der Kinderausbeutung dringen, somüssendieDurchführungbestimmungenverbessert werden. AuchdasGesetzselbst ist noch weiter auszubauen; jetztkannes den Gegnernaller Erwerbarbeit schulpflichtigerKindernuralsAbschlagzahlunggelten- UndderKinderschutzstelltnochweitergehende Forderungen. Jnder Landwirthschaftund imGesindedienst sinddie Kindernoch heutedemRaub- bauanihrer JugendkraftundderVerwahrlosung preisgegeben, ohne daßder Staat siezuschützenvermag. Und andere flammende Mahnungen schlagen ausdenBerichtenderGewerbe-Jnspektorenempor·Lesenwirdochvon Kindern, die morgens nüchtern zurSchule gehenunderstetwasWarmes erhalten,wenn die ElternzurVesperzeitaus derFabrik heimkehren.Manerinnert heutean Schillers Wunsch nach ästhetischerErziehungdesMenschenund sprichtvon derKunstim LebendesKindes. JhreBedeutungbleibeunangetastet Doch solange nocheinKindohne FrühstückdieSchulebetritt, geistigeNahrung nehmen soll,ehedemKörpersein nothdürftigstesRecht ward, müßtelauter alsdieses Schlagworteinanderes ertönen: Das Brot imLebendes Kindes.

Jn England isteineBewegungentstanden,aus derenReihenderRufertönt:

ZuerstBrot,dann dieSchule!Man willjedem SchulkinddesJnsellandes, ohneesinArmenpflegezugeben,einwarmes Frühstücksichern·SollderEle- mentarschulzwanginWahrheitderKultur dienen,so darf sein Einfluß nicht

anmüden, unterernährtenGeschöpfenzuSchandenwerden.

DieBedeutung dieser Fragen müssenwir demZeitbewußtseinein- hämmern.DasKinderschutzgesetzistauch einWeckrusEinenThorweg öffnet esundläßtvieleStraßen erkennen.Und fern, fernam Horizontdämmert einNeuland fürdie Kinder desVolkes. Helene Simon.

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