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I.
Vorwort.
Aufrufan dasdeutscheVolk zum neuen Jahre1845.
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Königsberg,1845.
Bei Theobok Theile-
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Vorwort.
Ein neues großartigesBürgerlebenbeginnt sichzu regen;
gleicheinemgewaltig dahinbrausendenStrome zersprengtes dieDämme,dieesJahrhunderte lang beengtund beschränkt haben,um mit frischem freiem Geistedie alternde Menschheit zudurchdringenund zuverjüngen Ein neues kräftigesBe- wußtseindurchzucktgleich Blitzen des HimmelsdieBrust des Bürgers,und er fühltesmit männlichemStolze, daß er berufenist, auchaußerhalbseiner WerkstubeimStaate zugeltenund zu wirken. Große Vereine, zuerstinFrank- reichdanninDeutschland, sind zusammen getreten,diegewerb- treibenden Stände geistigundsittlichzuheben,undihnendas Reichdes Gedankens zuöffnen,das ihnenbisdahineinver- schlossenesParadies war. Mit derSchnelligkeiteinerLawine, dieAnfangseinkleinerSchneeballvondemGipfelderAlpen sich löst, um zuletztmit gewaltiger, Alles Verschlingender Uebermachtins Thal zustürzen,wachsendieseVereine zu den großartigstenVerbindungen heran,in denendas neuere Staatsleben recht eigentlich sichbethcitigt Ein erfreulicher Beweis dafür, daßden deutschenBürgerneben den ver-.
lockendenFleischtöpfendersogenanntenmateriellen Interessen, die in unsererZeit eine überwiegendeGewalt über den Menschenausüben, nochder urkräftige schaffende Geist beseelt, durchden er ei ens die Burgender Raubritter
brach, undin neu gegründetenStadten, derBildungund
GesiFtng««einessichere Zuflucht gewährte. Auch unsere Stadt, in «llen großenund guten Bestrebungengerne die erste, hat sich nicht den Anforderungender Zeit entzogen; eine GesellschaftVon Bürgern ist in ihr zu dem edelstenZwecke gegenseitigerGeistesbildungund sitt- licherErhebung zusammengetreten, diedurch ihrenüber- raschendenFortgang diekühnstenErwartungen überflügelt.
Neben dem leicht VerwischtenEindruck der mündlichen Rede, die ihre unsichtbareGrundlage bildet, erscheint es aber wünschenswerthdas flüchtigeWort zu fesseln, und durch die Schrift ihmeine dauernde Gewalt über die Gemütherzu verschaffen. Es wird daher hiermit der Versuch gemacht, ein Bürgerblatt in zwangslosen Heftenerscheinenzu lassen, das namentlich aucheinem oft nnd VielfachempfundenenUebelstande abhelfen soll, dem Mangel an Lectüre für unsrearbeitenden Stände.
Der Einfluß. unsrerLiteratur gehtan diesen fast spurlos vorüber, weil dieselbees bis jetzt Verschmähthat, sich an diesezu wenden und für diesezu wirken. Hier wird ihnengeboten,was recht eigentlich fürsie geschrieben ist, und was siein ihre Werkstättenund in den Kreis ihrer Familien begleiten soll, um diegeistige Kluft aus- zufüllen,diebishersievon denübrigenStauden geschieden hat. Mögen auch siees beherzigen,daßdie Bildung alle Unterschiede ausgleicht, und der Geistes ist, der unsre Zeitbeherrscht!
MON-
A n fr n f
an das deutscheVolk
zum neuen Jahr 1845.
Deutsche Brüder,
IhrAlle, die ihrvon denUfern des Pregel bis zu den
NebenbekränztenFelsendesNheins,von denSchiffe tragenden FluthenderNordseebiszudem FußderKarpathen wohnet, seiddurchdasschöneBand einergemeinsamenSprache, durch das schöner-eeiner gemeinsamen,an großartigenErinnerungen reichen GeschichtezuEinem Volkebestimmt;aber durchver- schiedeneInteressen gesondert, durchalte Parteikämpfezer- rissen, durchHaß,Eifersucht, Meinungenund Glaubensan-
Xsichtengetrennt, wandelt Jhr nichtaufEinem Pfade, wie«
es Brüdern geziemt.
Wohlhabt Jhr vinder letztenZeites eingesehn,daß solche Feindschaft sürBrüder sich nicht«schicke, daßder BruderzwistUnheilsiifteindem großen Hause, das Ihr gemeinsambewohnet,wohlhabt Ihr mit willigemOhredie
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laut Euchzugerufene Mahnung zur Einigkeitund Einheit vernommen; aber Ihr habtnoch nichts gethan,was Euch zurEinigkeitund Einheitführen könnte, nichtswomit Ihr bewieset, daß Ihr wirklichund wahrhaftigein Volk von Brüdern seinwollt. Vielmehr habtIhr jetztwieder ein Jahrverlebt,das nicht weniger reichalsirgendein«früheres
war anl Zwiespaltaller Art,an Feindseligkeitenund Zwistig- keiten,die keinesehr ernsteAbsichtenaus Einigkeitund Ein- heit verrathen.
An vielen schönenRedensarten habt Ihr esallerdings nicht fehlen lassen, Ihr habtbei Euren Gastmählern aus deutscheEinheitgetrunken, Ihr habtbei EurenFestenLieder von deutscherEinheitgesungen; ja Ihr seid nochweiter gegangen, Ihr habt Bildsäulenund schöneDenkmåler zum ZeichendeutscherEinheit errichtet,Ihr habtsogarVereine sürEure Einheitgeschlossen.Aber wahrlichschlimm steht es um dieEinheit, dieerstder Vereine bedarf! Täuschet Euch nicht darüber-; Ihr kennet Euch selber nichtund nicht den Feind, derinEurem Herzen lauert, das istdas an- gestammte und angeerbte Vorurtheil, dasIhr lieb gewonnen habt, ohnezuwissenwarum, weil Ihr es von Euren Vätern überkommen habt, das Ihr hochund heilig haltet, ohnezu wissenweshalb,weil Ihr es unversehrt Euren Kindern und Kindeskindern überliefernwollt. Reißet Ihr dieses nicht mitdertiessten Wurzelaus dem Innersten Eures Herzens,- machtIhr Euch nicht freidavon, daß Ihr mit frischem,ungetrübtemBlicke in dieWelt und in das Lebenhineinschauenkönnt, auf daßIhr Schwarzvon Weiß, Lichtvon Finsternißunterscheiden,und jedesDingbeiseinem
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wahrenund alleinigenNamen nennen mögt,dann seidJhr noch fernvon demZiele,das Ihr zu erstreben vorgebt.O wäretJhr freivon Vorurtheil, Ihr wäret freie Männer, die dem Feinde kühnins Angesicht schauenund derKetten spotten dürften,dieEuch jetztzuBoden drücken!
Ja schütteltabdieKetten des Geistes, vor deren Ge- rasselIhr nichtdas freieWort der Wahrheit hörenkönnt!
Warum laßtIhr Euch nochimmer durch,dieWiegenlieder in Schlaf singen, die eure Kindheitumtönten? Ihr seid nicht mehrKinder, Ihr seidzu Männern herangewachsen,
denen das Bewußtseinder Zeit und ihrer Anforderungen aufgegangen ist, an deren Ohrder Ruf des Jahrhunderts nichtverklingen soll!
Lassetabvon Eurem Haßund Eurer Feindschaftgegen dieBrüder,die sichauch, wenngleichin anderer Formund anderer Auffassung, zu der Religion der Liebe bekennen.
Gebet der WahrheitdieEhre offenund unumwundenjselbst
wenn sie sichindenReihenderer zeigt, dieIhr alsEure Gegner betrachtet. Folgetdem Beispieldes edlenMannes, dessenNamen dieNachweltmitBewunderungdenkommenden Geschlechter-nverkündenwird,weilerfreivon Selbstsuchtnnd MenschenfurchtdieWahrheitbekannt hat voraller Welt — denn die Selbstsucht legtden Willen in Fesselnund die Menschenfurcht knechtctden Geist.
Aber seine gewaltigeStimme istan Eurem Ohrever- klungen, seine erhabenenWorte habenkeinenPlatzinEurem Gedächtnißgefunden;träge ruhenEure HändeimSchoos,
und durchdie schwerevLastergrauter Vorurtheile gebeugt, zieht Jhr die-sameRuhedes hergebrachtenGlaubens dem
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Kampfeder Wahrheitvors GleichgültigsehtIhr den kaum nochbewunderten Mann dieSchaarderMärtyrer vermehren.
Und dennoch reiftdie-Saat auch ohneEuer Zuthun. In einem kleinenStädtchen,bis dahinwieweiland Bethlehem ungenannt und ungekanntunter Euch, unsernderpolnischen Grenze sagteinmuthiges HäufleingesinnungsvollerMänner
von Rom sich los,um den deutschenGeistder langgetra- genen Fesselnzu entledigen. Ihr seht,dieErndte beginnt!
Aber es fehlt an Schnittern, denn Ihr ruhetstillim
«Schattendes vaticauischen Baumes, und lassetdas reife Korn verderben!
Ihr aber,dieIhr nicht mehrdenSatzungendes römi- schenPriesters gehorchet, vergessetnichtdenBalken imeigenen Auge, währendIhr den Splitter in dem Eurer Brüder bespöttelt!«Bedenketwohlwas aus Eurer protestantifchen Freiheitgeworden ist,bedenket wohlwas Ihr aus Eurem Luther gemacht habt. IhndenMann dessreienGedankens, des freien Wortes habtIhr vergessen, seineRede habt Ihr zum weichenPfuhlegemacht,Eure Trägheitdarauf zubetten! -Wo wäretIhr jetzt,wäretIhr fortgewandelt aus derBahn,dieerkühnEuch vorgezeichnethat! Trotzet daher nicht ausdieThaten,dieEureVorfahren gethan, prahletnicht mitden Lorbeern,diesie sich,erwarben, rühmetEuch nicht derSchlachten,dieihrheldenmüthigerSinn gegen dieFeinde der Freiheitgeschlagenhat. Der Preis jener Schlachten ist verloren gegangen, jeneLorbeern sind ver-welkt,drum auf an’s Werk! rühret selberdie Hände,neue Kränzeum die Schläfezuwinden. Denn der Feind, der nie schläft,der Erbsrind der Menschheit,istvon Neuem erwacht,erzeigt
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sich jetzt rührigerund emsigerals je,-und waffnetsichmit aller Kraft dieWerke des Lichteszuverderben. Er sendet seineKriegeraus, kampsgeübteSchaaren, diekeineverächt- liche Feinde sind,gegen dieJhr Euch nichtblosmit Muth sondern auchmitVorsichtzu waffnen habt. Jhr wissetAlle, wie schädlich,wiegefährlichesist, seinenFeindzuverachten und trägerSorglosigkeit, thörichterSicherheit sich hinzu- geben; darum haltet Wache gleich.dem klugen Feldherrn, der nichterst wartet, bis der Feindin seinLagereinge- drungen ist, sondernweit indieGegend hinausdiePosten vertheilt,um beiZeitenVon feindlichemUeberfallKunde zu erhalten, und mit dem lauten Ruf der Trompete seine schlafendenKriegerzur Schiacht zu wecken. Werfet von
Euch das modernde Gewand, das nicht mehrdie Glieder des kräftigenMannes wieeinstdesKindes bedeckt,und seine Blößenmit schlechtenLappenVerhüllt;tretet nieder dieVer- altete Form, die zur todten Schale geworden, und lassetden Geist ein neues frischesLeben nach langer Verpuppungbe- ginnen! Nicht rückwärts wendet den Blick, nichtfraget danach was vor dreihundert Jahren gegolten;dieVergan- genheit ist gestorben, lasset siebeiden Todten ruhn, statt einabgezehrtesGespenst siean das LichtdesTagesheraus zu beschwören.Aber vorwärts,vorwärts sollt ihr schauen mit muthigemAuge, dieGegenwart ist Euer, und dieZu- kunft sollt Ihr Euch erwerben! Neichet jenem tapfern Häufleinedler Männer die Hand, die das Joch einer fremdenZunge abschütteln,und mit deutschem Worte ihren
Gott anreden wollen. Sie kämpfenmitEuchfürdieselbe Sache, VersäumetnichtdieGunstdesAugenblicks,diespäter
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Euren Bitten vielleichtJahrhunderte nichtgewähren.Tretet dahermit ihnenineinen festen Bund; gehetmitihnenden- selben Pfad, auf diesem Wegewird Deutschlandzuseiner Einheitgelangen! Rüstetmit ihneneingewappnetes Heer geistigerStreiter wider die, welcheFeinde des Gewissens
waren und ewig seinwerden, die nicht mehrimDunkeln
schleichen,«sondernkeckihr sreches Haupterheben,um Euch Alle«zuverschlingen.Darum seid aufEurer Hut!
Wirdes Euchdenn so schwerdas festgewurzelteVor- urtheil, dieses schleichendeGift, diese wahrhafte Erbsünde aus Euren Herzenzu reißen!Könnt Ihr denn nichtmit freienunbefangenenBlicken Euch gegenseitigin’sAuge sehen, und den deutschenBruder in dem Verachtetenodergar ver-
folgtenNebenmenschenerkennen! Alleseid Jhr gleichge- borene,gleichberechtigteSöhneEuresgroßen Vaterlandesz werfet daherall denverrotteten und verdorbenen Zopfsund Perückenkramvon Geburts-, Standes- und Berufsvorur- theilenaufeinengroßen Scheiterhaufen, aus dessenglühender Ascheein neues deutschesVolk gleich dem wunderbaren VogelPhönix-mitverjüngterKraft emporsteigen soll. Schäme der Hochgeborene sich nichtdie harte HanddesArbeiters zu drücken;verfchmåheder Gelehrteund Wissensbegabte nicht zu demUnwissendenhinabzusteigen; schauederReiche nicht übermüthigaufden Armen hinab. Jeder lege seinBündel lächerlichenHochmuthsund närrischerEinbildungals Votiv- tafel aufden Altar des Vaterlandes nieder; Jeder sehe seinen Werth nichtin den albernen Tand äußerlicherDinge, in bunte Bänderund hochtrabendeTitel, dies Spielzeugeiner dahingegangenen kindischenZeit, sondernindas, was allein
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ihm Ehrezugebenvermag, ineinem freien, kräftigen,männ- lichenSinn, der den Willen zum Guten verleihtund den Muthzur rüstigenThat; Jeder achte ohnealleNebenrücksicht im Menschenden Menschen, und reicheohnealle Neben- abstchtdem Fallenden die helfendeHand; Jeder hegeeine reine undwahrhaftige AbsichtnachKräftenseinerseits fürdas Wohldes gemeinsamenVaterlandes ohne kleinliche Rücksicht auf sein Geburtsländchenoder Städtchenzu wirken;aber Jeder halte stolz aus seine Ehre fernvon Knechtsinnund jeglicher Rücksichtaus erniedrigende Verhältnisse—- und wir sind aufdembestenund sicherftenWegeeineinige-Zgroßes Volk zu werden, geachtetvon uns selber, gefürchtetvon
unsern Nachbarn im Westen und Osten, gesuchtvon allen
Bedrängtenund Gekränkten derGegenwart, gepriesenvon
einergäzgzunderndenNachwelt!
DeutscheBrüder, reichenwir uns Alledie treue Rechte, aufÆnsttessowerde imJahre
Gedruckt inder Degenschen Buchdruckerei.
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