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Technik und Wirtschaft : Monatsschrift des Vereines Deutscher Ingenieure, Jg. 8, H. 10

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Academic year: 2022

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(1)

HNIK UND WIRTSCHAFT

MONAT/CHRIFT DES VEREINES DEUTSCHER IN GEN IEU RE » «REDAKTEUR D* M E Y E R

8 . J A H R G . O K T O B E R 1 9 1 5 1 0 . H E F T

D E R T A R I F V E R T R A G

I N W I R T S C H A F T L I C H E R B E Z I E H U N G . Von Professor SCHILLING, Breslau (z. Z. im Felde).

¡ . E i n f ü h r u n g . B e g r i f f l i c h e s .

D er A usdruck „ T a rifv e rtra g “ ist nicht sonderlich kennzeichnend für den dam it bezeichneten Begriff. M an v e rste h t d a ru n te r eine V ereinbarung zw ischen einerseits einem A rb eitg eb er o d er einer O rganisation solcher und anderseits einer A rbeitnehm erorganisation m it dem Ziel, in den g eg e n sä tz ­ lichen w irtschaftlichen Interessen der beiden P arteien fü r eine bestim m te Z eit einen A usgleich zu schaffen.

D er T arifv ertrag , in E ngland en tsprechend „price list“ g enannt, ist d ah er ein genossenschaftlicher o d er kollektiver V ertrag zur R egelung d e r A rbeits­

bedingungen o d er kurz ein kollektiver A rbeitsnorm envertrag. M an muß die richtige B ezeichnung deshalb w enigstens erw ähnen, weil d e r A usdruck „T arif­

v e rtra g “ zu d e r A nnahm e V eranlassung g ib t und auch g eg eb en hat, er sei durch das V orhandensein von T arifen, insbesondere L ohntarifen, g ek en n ­ zeichnet. Das V orhandensein solcher ist aber, wie sich sp ä te r erg eb en w ird, nicht u n b ed in g t nötig.

E n t w i c k l u n g d e r T a r i f v e r t r ä g e .

Die g ro ß e B edeutung d e r F ra g e b eru h t darin, daß die Zahl d e r tariflich g eb undenen A rb eitg eb er und A rbeitnehm er stark zunim m t, wie dies Abb. 1 zeigt, w elche die tarifierten A rbeitnehm er, B etriebe und die Zahl der V erträg e in den Jah ren 190S bis 1912 d a r s te llt1).

J) D iese und die m eisten d e r folgenden A ufstellungen sind u n ter Be­

nutzung d er A ngaben des W erkes en tw o rfen : Die T arifv erträg e im deutschen Reiche am E nde des Jah res 1912. B earbeitet im Kaiserlichen S tatistischen Amte, Band 215, V erlag von P u ttk am m er & M ühlbrecht, Berlin. Da die Statistik dieses W erkes im w esentlichen n u r auf die A ngaben der A rbeit­

nehm erorganisationen zurückzuführen ist, können die U n terlag en bei aller U nparteilichkeit d er B erich terstattu n g auf absolute G enauigkeit noch keinen A nspruch machen.

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A B H A N D L U N G E N

D anach w aren im Ja h re 1912 ü b er U / 2 M illionen A rb eitn eh m er tariflich g e b u n d en 2).

Da die B erufszählung n u r alle fünf Jah re sta ttfin d e t, so kann ein V ergleich- d ieser Zahl m it dem g esam ten gew erb lich en P e rso n a l h ier w ie auch im folgenden n u r au f G ru n d des S tan d es von 1907 sta ttfin d e n , in w elchem J a h re die g esam te Zahl aller g ew erb lich tä tig e n P e rso n e n e tw a 14 M illionen

S7V28S\ b etru g . W en n d a h e r eine G e g e n ü b e r­

stellu n g d e r beiden Z ah len eine A nteil­

ziffer von e tw a 11 vH fü r die T arifierten erg ib t, so ist zu b erü ck sich tig en , daß d ie s e r S atz w eg en d es stä n d ig e n W achsens d e r In d u strie und d e r g ew erb lich tä tig e n P e rs o n e n in W irklichkeit etw as gerin g er, vielleicht 10 v H , ist.

A uch die Z ahl d e r tariflich g e b u n ­ d en en B etriebe und d e r T arifg em ein ­ sc h a fte n 3) in sg e sa m t h a t zugenom m en, w obei h äu fig zu b eo b ach ten ist, daß der G eltu n g sb ereich d e r einzelnen T arifge­

m ein sch aft g rö ß e r w ird. V ielfach haben V e rträ g e , die frü h e r n u r fü r e i n e n Be­

trie b g a lte n o d e r örtlichen C h arak ter tru g e n , h e u te G e ltu n g fü r g rö ß e re Be­

zirke o d e r ü b e r d as ganze Reich, wie z. B. d e r b e k a n n te B uchdruckertarif, auf den noch h ä u fig e r zurückzukom m en sein w ird. M an u n te rsc h e id e t deshalb Firm en-, O rts-, Bezirks- un d R eich starifv erträg e.

D iese E ntw icklung ist in ihrem P a ra l­

lelism us zu dem A nw achsen d e r U n te r­

n eh m er- un d A rb eitero rg an isatio n en durch ­ aus verständlich.

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300000

200000

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7000 7070 7077 J,t a r /f / , ffe ó A rb e /fn e O o re r

geb, ßefr/ebe

^LrorifgeTTre/nscOofYe/r

Abb. 1. E ntw icklung d e r T a rifv e rträ g e

von 1908 bis 1912. 2) Da n u r fü r d as J a h r 1912 rich­

tig e Z ahlen v o rlieg en , w ä h re n d die An gab en d e r Ja h re 1908 bis 1911 D oppelzahlungen aufw eisen, die n u r fü r die in jedem J a h r in K raft g e tre te n e n T a rifv e rträ g e zu b eseitig en sind, so sind, um V ergleichszahlen zu erh alten , die A ngaben fü r 1908 bis 1911 in dem gleichen M aße v erm in d ert, w ie sich die Sum m e d e r in jed em J a h re n e u hinzu­

geko m m en en T arifierten ohne D opp elzäh lu n g zu d e r gleichen S um m e mit D oppelzählung, w elche beiden Sum m en m an kennt, v erh ält. N ä h e re s vergl.

in „D ie T a rifv e rträ g e des D eutschen R eiches“ (F u ß n o te 1 S. 1) S. 21 T e x t­

tab elle c.

3) Stim m en m eh rere T a rifv e rträ g e , die m e h re re A rb e ite ro rg a n isa tio n e n en tw e d e r gem einsam o d e r u n ab h än g ig von ein an d er m it dem gleichen U n te r­

n eh m er ab geschlossen haben, inhaltlich g en a u ü b erein , so w erd en sie zu e in e r „T a rifg e m e in sc h a ft“ zusam m engezogen, w elche die gleichen A rb e it­

n eh m er n u r einm al erfaßt. Die Zahl d e r T arifg em ein sch aften ist d a h e r etw as g e rin g e r als die d er T a rifv e rträ g e und b e trä g t etw a 86 vH d e r letzteren .

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D E R T A R I F V E R T R A G IN W I R T S C H A F T L I C H E R B E Z I E H U N G 387 P r o z e n t u a l e V e r t e i l u n g d e r t a r i f l i c h g e b u n d e n e n A r b e i t ­

n e h m e r a u f d i e e i n z e l n e n G e w e r b e g r u p p e n .

So rasch indessen die Zahl d e r T arifierten in ih rer G esam th eit anstieg, so ungleichartig ist die V erteilung ü b er die einzelnen G ew erb eg ru p p en , wie dies fü r das Ja h r 1912 in Abb. 2 d a rg estellt ist. D abei sind die 24 G e w e rb e ­ g ru p p en , w elche die am tliche G ew erbezählung von 1907 k e n n t1), der U eber- sichtlichkeit w egen in 10 zusam m engezogen. Aus d er A bbildung ist die G e-

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Abb. 2. V erteilung d er tariflich g ebundenen A rb eitn eh m er auf die einzelnen G ew erb eg ru p p en (1912).

sam tzahl d er in einer G ru p p e tätig en P erso n en und d arau s b erech n et der Prozentsatz d er T arifierten ersichtlich. Es zeigt sich, daß von ein er gleich­

m äßigen V erteilung d er T arifierten bei diesen G ruppen nicht g esprochen werden kann. Den H au p tan teil m it etw a 600 000 P erso n en h a t das B au­

gew erbe, den g rö ß te n P ro zen tsatz indessen das polygraphische G ew erb e, das sind B uchdrucker usw ., m it 41 vH .

Aus Abb. 3 ist die Anzahl d e r T arifgem einschaften und d e r T arifierten Betriebe, ebenfalls g e tre n n t nach G ew erb eg ru p p en , ersichtlich.

Dabei sei bem erkt, daß die H öchstzahl der u n te r einem T arif, dem Buch­

druckertarif, stehenden A rbeitnehm er etw a 67 000 b e trä g t. D ieser Tarif hat für etw a 8000 B etriebe, die dem T arifam te d e r deutschen B uchdrucker in Berlin an g eg lied ert sind, G eltung. D er allgem eine bedeutende Einfluß dieser g ro ß en T arifgem einschaft als V orbild ist au ß er auf die Zahl d e r in diesem V ertrage Z usam m engeschlossenen auch auf die exakte organisatorische und technische D urchbildung des V ertrag es selbst zurückzuführen. D as H eft, in dem diese V ertrag sb estim m u n g en nied erg eleg t sind, h at rund 70 D ruckseiten.

4) S tatistik des D eutschen Reiches, herau sg eg eb en vom K aiserlichen S ta­

tistisch en Am te, Band 213, V erlag von P u ttk am m er & M ühlbrecht, Berlin 1910.

1*

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A B H A N D L U N G E N

B em erkensw ert an den Z ahlentafeln 2 und 3 ersch ein t die g e rin g e V e r­

b reitu n g des T arifg ed an k en s in den G e w e rb e g ru p p e n des B e rg b a u e s, d e r H ü tte n b e trie b e und d e r T extilindustrie. Auch die M etallv erarb eitu n g un d M a­

schinenindustrie ist tro tz d er g e ra d e in dieser G ru p p e s e h r sta rk e n A rb e ite r­

o rg an isatio n en m it einem u n ter dem D urchschnitt steh en d en P ro z e n tsa tz v er­

treten . 'S'S 300000

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V erteilu n g d e r g esam ten B etriebe, d e r tariflich g eb u n d e n e n B etriebe d e r T arifg em ein sch aften auf die einzelnen G e w e rb e g ru p p e n (1912).

II. W i r k u n g d e r T a r i f v e r t r ä g e i m a l l g e m e i n e n . D i e f ü r d i e T a r i f v e r t r ä g e g e l t e n d g e m a c h t e n G r ü n d e

s o z i a l e r A r t .

W enn n u n m eh r die G rü n d e fü r diese eig en a rtig e E n tw icklung b e tra c h te t w erden sollen, w as allerdings n u r in g ro ß e n Z ü g en m öglich ist, so m öge, vor E ingehen auf E inzelheiten, die W irk u n g d e r T a rifv e rträ g e im allgem einen g esch ild ert w erden. W enngleich sich hierbei fü r m anchen zu n äch st b e k a n n te T atsachen erg eb en , so sind diese doch d er V ollständigkeit h alb er zu erw äh n en .

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So ist d e r zur B eg rü n d u n g des T arifv ertrag g ed an k en s au fg estellte Satz, d a ß es im allgem einen In teresse liegt, w enn die R egelung des w irtschaftlichen G e g en satzes zw ischen A rb eitg eb er und A rb eitn eh m er auf friedlichem W eg un d nicht in dauernden K äm pfen erfo lg t, bek an n t und u n b estritten . S icher­

lich w ird das Ziel, das auf die B eseitigung d er das W irtschaftsleben e rs c h ü tte rn ­ den A rbeitseinstellungen und A ussperrungen abzielt, für den Sozialpolitiker im m er verlockend sein, zum al w enn sich scheinbar dam it die M öglichkeit verbindet, einen W eg zu finden, d er für den A rb eitn eh m er zu einem Schutz g eg en g e g en seitig e U n terb ietu n g und zur sicheren, dau ern d en E rzielung des so genannten „E xistenzm inim um s“ fü h rt, w elcher B egriff indessen an dieser Stelle einer E rö rte ru n g nicht un terzo g en w erden soll.

Da man g lau b t, in den T a rifv e rträ g e n ein g eeig n e tes M ittel zur E rreichung dieser sozialen Ziele g efu n d en zu h aben, w ird m an nicht m üde, die W irk u n g dieses M ittels in glänzenden F arben zu schildern. So w erden eine Reihe von Vorteilen au fg efü h rt, die auch dem U n tern eh m er nach E inführung d e r T arif­

verträg e erw achsen sollen.

Zunächst w ird g elten d g em ach t, daß die B eseitigung o d e r E inschränkung d er Streiks in nicht g erin g erem M aße dem A rb eitg eb er zu g u te kom m e, d er durch A rbeitseinstellungen ebenfalls w irtschaftlich g esch äd ig t w erde. Auch erleichtere ihm die durch F ortfall solcher V orfälle gesch affen e b estän d ig ere G eschäftslage seine A nordnungen. G egen diese G rü n d e w ird von U n te r­

nehm erseite g elten d g em ach t, daß die W irk u n g d e r T arifv erträg e b ish er keines­

w egs die einer A bschw ächung d er S treiks gew esen sei. W e d e r h at deren Zahl, noch deren H eftig k eit abgenom m en, da w äh ren d d e r D au er d e r T arife

— die durchschnittlich auf 2 bis 3, h öchstens auf 5 Jah re abgeschlossen werden — die A rb eitero rg an isatio n en die M öglichkeit h ätten , g ro ß e Sum m en in ihren Kassen anzusam m eln. Es sei fern er das B estreben d e r A rb eitn eh m er, den A blaufterm in d er einzelnen V erträg e m öglichst auf g anz verschiedene Zeitpunkte zu legen, dam it die noch tariflich g eb u n d en en B etriebe nicht durch A ussperrungen zu H ülfe kom m en kön n ten , w enn bei d er E rn e u e ru n g des g erad e abgelaufenen V ertrag es zur E rlan g u n g g ü n stig e re r B edingungen das Kam pfm ittel des Streiks an g ew en d et w ürde. W äh ren d so die b estreik ten Be­

trieb e schutzlos seien, könne die verhältnism äßig g erin g e Zahl d e r au sständigen A rbeiter leicht durch die K assen a n d erer V erbände u n te rstü tz t w erden.

Ein w eiterer den U n tern eh m ern v o rg eh alten er V orteil ist d er, d aß die B etriebe von den m it d er dau ern d en R egelung d e r L ohnsätze und A rb eits­

bedingungen v erbundenen M ühen und K osten en tla ste t w ürden. F ern er w ird erw äh n t, daß die T arifv erträg e dazu beitrü g en , die U n tern eh m ero rg an isatio n en zu festigen und d eren S olidaridät zu stärken. D iese beiden P unkte w erden indessen von U n tern eh m erseite als m it d er eigentlichen F rag e nicht in u n ­ m ittelbarem Z usam m enhang steh en d bezeichnet und nu r g erin g b ew ertet.

Einen A usw eg aus diesen W id erstreit der M einungen durch E ingehen auf die einzelnen S treitp u n k te zu finden, ist, solange sich die E rö rte ru n g e n auf d e r oben erw äh n ten G rundlage einer sozialen, zum Teil auch politischen A uf­

fassung des P ro b lem s b ew eg en , vielleicht ü b erh a u p t nicht m öglich, weil die S tellungnahm e zu se h r von d e r subjektiven A nsicht und von d er W eltan sch au u n g des Einzelnen ab h än g t. D eshalb soll es auch nicht A ufgabe dieser A usführungen sein, in d e r gleichen W eise für od er geg en die T arifv erträg e S tellung zu n ehm en.

D E R T A R I F V E R T R A G IN W I R T S C H A F T L I C H E R B E Z I E H U N G 38T

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390 ABHANDLUNGEN

D i e t a t s ä c h l i c h e n w i r t s c h a f t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e . D agegen erscheint ein a n d e re r W e g g a n g b a r, näm lich der, als G ru n d la g e d e r E rö rte ru n g die w irtschaftlichen V erh ältn isse, w ie sie tatsächlich \o r lie g e n , zu w ählen, um dabei gleichzeitig zum V erstän d n is d e r S tellu n g n ah m e b e id e r In teressen g ru p p en zu kom m en. D abei w ird sich, w ie v o rau sg esch ick t sei, infolge zahlreicher teils gleichlauefnder, teils ein an d e r e n tg e g e n w irk e n d e r E in­

flüsse als E rgebnis durch au s kein einheitliches Bild erg eb en .

Bei dieser U n tersu ch u n g w ird m an m it d e r vollendeten T atsac h e rechnen m üssen, daß die T arifv erträg e im w irtschaftlichen L eben u n se re r N atio n b e re its eine erhebliche Rolle spielen, u nd d aß sich ihre B ed eu tu n g sich er nicht v e r­

m indern, w ohl ab e r erh ö h en w ird. A uf d e r an d eren Seite d a rf m an ab e r nicht ü berseh en , daß die M ehrzahl d e r U n te rn e h m e r dem A bschluß von T arif­

v erträg en ablehnend g e g e n ü b e rs te h t. D ies ist die an d e re T atsac h e, die fe st­

ste h t und ü b e r die nicht oh n e w eiteres h in w e g g e g a n g e n w erd en kann. W äh ­ rend dies von einem Teil d e r V erfe c h te r d e r T a rifid e e h äu fig g e sc h ie h t, v e rtritt ein a n d e re r Teil die M einung, als h in d ere die U n te rn e h m e r ein in D eutschland b eso n d ers sta rk a u s g e p rä g te r H e rre n sta n d p u n k t o d e r auch nicht g e n ü g en d e K enntnis d e r T arifid ee, die V orteile von V e rh a n d lu n g e n m it den A rb eiterv erb än d en klar zu erkennen. D iese A nnahm e b e ru h t indessen eb en ­ falls auf einer V e rk en n u n g d er V e rh ä ltn isse ; denn da fü r ein in d u strielles U n tern eh m en lediglich w irtschaftliche G esich tsp u n k te in F ra g e kom m en k ö n n e n , so w ü rd e, w enn tatsächlich V orteile zu erzielen w ären , niem and z ö g ern , in V erh an d lu n g en ein zu treten . Es ist auch an sich schon ein leu ch ten d , da&

die O rg an isatio n e n n u r verh an d eln w ollen, um fü r sich V o rteile zu erlan g en , denn so n st w ü rd en sie diesen W unsch nicht h eg en . Solche V orteile ab e r k önnen sie, von g ew issen s p ä te r zu b eh an d eln d en U n te rn e h m e rg ru p p e n a b g e ­ sehen, n u r auf K osten d e r A rb e itg e b e r errin g en , so daß, w enn dies zu trifft, das W id erstreb en dieser letzteren g e g e n V erh an d lu n g en an sich durchaus, v erständlich erscheint.

In diesem Z u sam m en h an g ist d a ra u f hinzuw eisen, daß bekanntlich die F rag e des A rb eitsrech tes ein er d e r H a u p tg rü n d e d e r A rb eitsein stellu n g en i s t 5).

D abei fo rd ern die G ew erk sch aften anstelle d es E in z e la rb e itsv e rtra g e s den Kol­

lek tiv v ertrag . D a ab e r die T rä g e r des T arifg e d a n k e n s fast ausschließlich die A rb eiterv erb än d e sind, so b e d e u te t diese F o rd e ru n g g ru n d sätzlich die A ner­

kenn u n g d e r A rb eiterv erb än d e und ih re r F ü h re r als d e r b eru fen en V e rtr e te r d er A rb eitn eh m er beim A bschluß des A rb e itsv e rtra g e s. N un h e rrsc h t in U n te r­

nehm erk reisen bei den radikalen, das w irtschaftliche In te re ss e d es U nternehm ers, a u ß e r ach t lassenden F o rd e ru n g e n in sb eso n d ere d e r freien G ew erkschaften, eine b eso n d ere A bneigung d a g e g e n , g e ra d e m it diesen V erb ä n d e n zu v e r­

handeln, zum al nicht zu verk en n en ist, daß in d e r T a t ihre F o rd e ru n g e n stän d ig eine N eig u n g zu r S teig eru n g zeigen. Es sei b em erk t, d a ß d e r G e ­ sam tv erb an d d eu tsc h e r M etallindustrieller den einzelnen M itg lied ern nicht g e ­ sta tte t, m it den A rb eitero rg an isatio n en zu verhandeln.

Schon d ieser einfache G ed an k en g an g m acht es w ahrscheinlich, d a ß das- W iderstreben, d er U n te rn e h m e r g eg en den A bschluß von V e rträ g e n n u r d u rc h ihre w irtschaftlichen In teressen , nicht ab e r durch M angel an sozialem E m p fin d en ,

5) B ern stein : D er Streik, V erlag R uetten & Solning, F ra n k fu rt a. M.

(7)

r --- D E R T A R IF V E R T R A G IN W IR T S C H A F T L IC H E R B E Z IE H U N G 391 d as d e r U n te rn e h m e r in gleichem M aße fü r sich in A nspruch nim m t wie d er ft A rb eiter, b ed in g t ist. W en ig e r von B elang scheint auch d er h äu fig er gem achte öi, E inw and zu sein, als b ö ten die A rb eitero rg an isatio n en nicht die erforderlichen itt B ürgschaften fü r die E inhaltung d er V erträg e, da im Falle eines V e rtra g ­

bruches bei d e r in dieser M aterie herrschenden rechtlichen U nklarheit und Ein. überdies bei den h äufig leeren K assen d e r V erbände n u r d e r U n tern eh m er den

Schaden zu tra g e n habe. Es m ag das richtig sein, zumal sich b eso n d ers im tati B augew erbe d e r Z en tra lv erb an d auf die O rg an isatio n d e r B ew egung beschränkt, iltüs es d ag eg en grundsätzlich verm eidet, selb st V e rträ g e abzuschließen, dies viel-

\'tf. m ehr den schw achen O rtsv erb än d en ü b erläß t. Indessen w ird d ag eg en einge- oiäi w endet w erden können, daß auch beim E inzelarb eitsv ertrag d er A rb eitn eh m er Ti| keinerlei G ew äh r b ietet und daß fern er die V e rträ g e , selb st w enn sie vorläufig :ieä. nur m oralisch bindende K raft haben, doch vielleicht g e ra d e deshalb n u r in

Tt| einer g erin g en Anzahl von Fällen von den A rbeitnehm ern v erletzt sind, w enn dié man die G esam tsum m e d e r V erträg e in V ergleich stellt. Indessen sei d ah in ­ ein^ gestellt, ob dieser an g efü h rte G ru n d des M angels d er B ürgschaft und d er iij||E& rechtlichen U n terlag e ebenfalls eine g rö ß e re o d er g e rin g e re Rolle spielt, jeden- 1(5 falls ist sich die U n tern eh m ersch aft d a rü b e r nicht im unklaren, daß, wie s p ä te r

noch im einzelnen auszuführen sein w ird, durch E ingehen von T a rifv erträg en

¡Ijijj m eist die A rbeitzeit verkürzt w ird und die L ohnkosten steig en , w odurch die

¡ÜUH G estehungskosten d e r E rzeugnisse in die H ö h e gehen.

Will man diese W irk u n g sow ie ü b erh a u p t die typische E ntw icklung eines T arifv ertrag es b eobachten, wie sie u n te r b eso n d ers g ü n stig en U m ständen e r­

folgen kann, so g ib t es h ierfü r kein besseres Beispiel als den T a rifv e rtra g d er Buchdrucker. D a dieser fü r die B uchdrucker zunächst den neun-, s p ä te r den achtstündigen A rb eitstag und eine nicht unbeträchtliche E rh ö h u n g d e r A kkorde und Löhne festlegte, so w ar die n a tu rg em äß e Folge die E rh ö h u n g d e r H e r­

stellungskosten.

Nach einem solchen V o rg än g e w erden die U n tern eh m er diese d u rch E in­

gehen von T arifv erträg en en tsteh en d en M eh rk o sten irg en d w ie auf die A b­

nehm er abzuw älzen versuchen. D ieses B estreben, die d u rch T a rifv e rträ g e entstehenden finanziellen L asten die V erb rau ch er tra g e n zu lassen, ist n a tü r­

lich nu r m öglich, wo ein W ettb ew erb tariffreier U n tern eh m er nicht vorhanden ist o d er au sg esch altet w erden kann. M an kann so g a r sag en , daß d er A bschluß von T arifv erträg en v erb o rg en eine T en d en z zur A usschaltung eines solchen W ettb ew erb s in sich b irg t, da dann erst, w enn auch ste ts in besch rän k tem M aß, eine P reiserh ö h u n g d e r F ab rik ate m öglich ist.

Dies zeigen w ied er die V erhältnisse im B u chdruckgew erbe deutlich. Die B estim m ung des T arifes näm lich, daß ein dem V erband a n g eh ö rig es U n te r­

nehm en n u r tariflich g eb u n d en e A rbeitnehm er beschäftigen d arf, zw ingt so ­ w ohl U n tern eh m er wie A rb eiter in die en tsprechenden V erbände hinein, w o ­ durch die K oalitionsfreiheit in einen K oalitionszw ang u m g ew an d elt w ird. Es liegt also ste ts nicht n u r das B estreben vor, daß sich die T arifv erträg e ü b e r ganze G ew erb e au sd eh n en , da so n st die billiger p roduzierenden A u ß en seiter im V orteil sind, so n d ern auch bei w eiterer E ntw icklung die N eigung, daß sich d e r

^ norm ale einfache T a rifv e rtra g in einen so g en an n ten exklusiven K o rp o rativ ­ v e rtra g um bildet. Ist so die A usschaltung des W ettb ew erb s in praktisch

— ausreichendem M aße g elu n g en , so ist es bis zur E rh ö h u n g d er V erkaufspreise

(8)

392 ABHANDLUNGEN

n u r ein kleiner S chritt, w obei als Beispiel w ied er auf den V erb an d d e u tsc h e r B uchdrucker und auf dessen W a re n p re ista rif, d e r u n m ittelb ar auf dem L ohn­

ta rif au fg eb au t ist, hinzuw eisen ist. Die n o tw en d ig e V o ra u sse tz u n g fü r eine so logische und einheitliche W eiteren tw ick lu n g eines T arifes ist, w ie w ir sahen, die M öglichkeit d e r E rh ö h u n g d e r V erkaufpreise, wie dies im B u ch d ru ck g ew erb e m öglich w ar und auch fü r das g rö ß e re Publikum u n m itte lb a r nicht allzu fü h lb ar ist.

E rst dann, w enn es g e lu n g en ist, die V erk au fp reise en tsp re c h e n d den den A rbeitern im T arif g e w ä h rte n V orteilen hinaufzusetzen, b eg in n en auch die U n tern eh m er V orteile aus den V e rträ g e n insofern zu ziehen, als sie, ohne eine pekuniäre E inbuße zu erleiden, m it einer nicht durch A rb eitsein stellu n g en ers c h ü tte rte n , also festeren G esch äftslag e rechnen können.

W äh ren d also solche U n te rn e h m e r m it d e r E n tw icklung des T a rifg ed an k en s nicht unzufrieden zu sein b rau ch en , ist die A bw älzung d e r K osten d e r V er­

trä g e fü r an d ere In d u striezw eig e w e n ig e r g u t m öglich, w ie dies d as Bau­

g ew erb e zeigt. Auch zeigen die V erh ältn isse in diesem G e w e rb e , dessen Lage in stark em M aß e von d er K o n ju n k tu r b estim m t w ird, nicht e n tfe rn t die g ro ß e S tetig k eit wie diejenigen im B uchdruck, w o d u rch zeitw eise tro tz der T a rifv e rträ g e die G eg n ersch aft zw ischen A rb e itg e b e rn und -nehm ern w ieder aufflam m t Die E ntw icklung d e r T a rifv e rträ g e im B au g ew erb e h a t d ah er bei w eitem nicht den einheitlichen C h a ra k te r w ie im p o ly g rap h isch e n G ew erbe.

D ie F olge davon ist, daß auch die B a u u n te rn e h m e r die d erzeitig en V erhältnisse keinesw egs als g ü n stig ansehen.

G anz u n d u rc h fü h rb a r schließlich ist die H in a u fse tz u n g d e r V erkaufpreise fü r die A u sfu h rin d u strie m it R ücksicht auf den W e ttb e w e rb a n d e re r N ationen.

U eb er das P h an to m ein er in tern atio n alen V e rstä n d ig u n g , die in d e r T a t von V e rtre te rn d e r A rb e ite r v o rg esch lag en ist, sind kaum W o rte zu verlieren, vielm ehr w ird sich g e ra d e u n sere In d u strie, die im freien W e ttb e w e rb anteilig die g rö ß te A u sfu h r aller In d u strielän d er au fw eist, in im m er stä rk e re m M aße den tatsäch lich en V erh ältn issen auf dem W e ltm a rk t anpassen m üssen. V iel­

fach w ird s o g a r im A usland, d as sich von dem B ezug aus D eu tsch lan d frei m achen kann, zu billigeren P reisen v erk au ft w erd en m ü ssen als im Inland, eine Politik, die b eso n d ers d e r S tah lw e rk sv e rb a n d a u sg e b ild e t hat.

E rscheint d a h e r schon in norm alen Z eiten eine E rh ö h u n g d e r A usland­

p reise g an z au sg esch lo ssen , so m üssen die P reise in K risenzeiten w eiter erheblich h e ra b g e s e tz t w erden. W ill ein W erk in solchen Z eiten nicht u n m ittelb ar m it V erlu st arb eiten , so m ü ssen auch die L öhne eine w en n auch d e r E r­

n ied rig u n g d e r V erk au fp reise nicht voll en tsp rech en d e H e ra b se tz u n g erfah ren . Dies w äre ab e r den W erk en nicht m öglich, w enn sie sich fü r eine R eihe von Jah ren auf bestim m te L ohntarife festleg ten . Es ist hier zu b em erk en , d aß in E ngland, dem klassischen Land auch d e r T a rifv e rträ g e , die V erh ältn isse inso­

fern an d ers liegen, als d o rt auch in d e r A u sfu h rin d u strie d e r V e rtra g g e d a n k e stark W urzel g e fa ß t hat. D ies ist ab e r eh e r m öglich g e w e se n , w eil das A b satzg eb iet d e r d o rtig e n A u sfu h rin d u strie hauptsächlich die K olonien sind und weil auch d e r ü b rig e M arkt g e fe s tig te r ist.

G leichw ohl ist die Lage d e r englischen A u sfu h rin d u strie nicht als g ü n stig zu bezeichnen, obschon die englischen T a rifv e rträ g e b eso n d ers in d e r H ü tte n ­ industrie vielfach so g en an n te g leiten d e L ohnstaffeln h ab en , die d a d u rc h ge-

(9)

D E R T A R I F V E R T R A G I N W I R T S C H A F T L I C H E R B E Z I E H U N G 393 kennzeichnet sind, daß beim Sinken d e r V erkaufpreise auch die Löhne selb st­

tä tig h e ra b g e s e tz t w erden. U nsere deutschen A rbeiterverbände w ollen indessen infolge ih rer radikalen S tellung von diesem A uskunftsm ittel, das im ü brigen auch bei sein er H a n d h ab u n g g ro ß e S chw ierigkeiten b ietet, nichts wissen.

¡

So w erden bei n ied erg eh en d er K onjunktur en tw ed er die W erke do p p elt g esch äd ig t, o d e r die T arifv erträg e w ied er zusam m enbrechen, w o fü r die G e ­ schichte dieser B ew egung zahlreiche Beispiele kennt.

B esonders schlecht w ürden bei T a rifv e rträ g e n die älteren B etriebe fahren, die in d e r V ervollkom m nung ih re r m aschinellen A u srü stu n g im V ergleich mit anderen vielleicht infolge schlechter finanzieller E ntw icklung etw as zurück­

geblieben sind, bei w elchen also d er E rsatz d er H a n d a rb e it durch M aschinen­

arbeit n u r in g erin g em U m fang d u rch g efü h rt ist. Da diese W erke, d eren Zahl auch in d e r A usfuhrindustrie noch seh r g ro ß ist, verh ältn ism äß ig m ehr A rbeiter beschäftigen, so w äre ihre B elastung durch T arifv erträg e vergleichsw eise hö h er, obw ohl g erad e sie dies am w enigsten v ertrag en k ö n n e n ; denn da die d u rch ­ schnittliche V erzinsung des z. B. in den deutschen M aschinenbau-A ktienge­

sellschaften an g ele g ten K apitals etw as ü b er 6 vH b e t r ä g t 6), so d arf das E rträgnis des einzelnen U nternehm ens nicht viel g e rin g e r als d er D urchschnitt w erden, wenn es nicht u n te r die norm ale V erzinsung sich erer W ertp ap iere sinken soll, ln einem solchen Falle ab er hat die im m er m it g ro ß em W agnis verbundene A nlage von G eldern in In d u striew erten keinen Sinn m ehr.

B erücksichtigt m an nun, daß fü r die A usfuhr vorw iegend nu r die g rö ß e re n U nternehm en tätig sind, so w ird dieser G ed an k en g an g b e stä tig t w erden m üssen, wenn m an die pro zen tu ale V erteilung d er tariflich g e b u n d en en A rb eitn eh m er auf H andw erk, kleinere, m ittlere und G ro ß b etrieb e b etrach tet, w ie dies Abb. 4 erm öglicht, in d er für das Ja h r 1912 sow ohl die tarifierten als die g esam ten A rbeitnehm er und ihr g eg en seitig es G rö ß en v erh ältn is, diesm al nach d e r G rö ß e der Betriebe g e o rd n et, d a rg estellt sind.

Es zeigt sich, daß in den kleinsten B etrieben bis zu 5 P erso n en d er P rozentsatz d er T arifierten noch g erin g ist. E r b e trä g t etw a 4,6 vH . Er steig t dann bis zu einem H ö ch stm aß von etw a 28 vH an bei den B etrieben mi, , | mit 50 A rbeitern, um dann unverm ittelt auf 10 vH abzufallen. Bei den g rö ß te n

Betrieben endlich b e trä g t d er A nteil d e r T arifierten n u r w enig ü b er 2 vH.

W ären nich t zwei se h r g ro ß e B etriebe m it zusam m en etw a 9000 A rbeitern is | f T arifv erträg e ein g eg a n g en , so w ürde d er letztg en an n te P ro zen tsatz auf etw a b ; ■ die H älfte sinken.

fr j In W irklichkeit ist d er P ro zen tsatz d er T arifierten bei G ro ß b etrieb en noch ta g erin g er, und zw ar aus verschiedenen G rü n d e n ; zunächst, w eil die absolute i« i; V erm ehrung d er A rbeiterzahl in den Jah ren 1907 bis 1912 nicht in R echnung

gezogen ist, und zw eitens, weil diese V erm eh ru n g bei den G ro ß b etrieb en verhält- äo- ? nism äßig g rö ß e r ist als bei den m ittleren und K leinbetrieben. D azu kom m t noch, je daß die sich in allen D arstellungen findenden Z iffern d e r A rb eitn eh m er dadurch

!as erm ittelt sind, daß die Sum m e aus d e r Zahl säm tlicher A rb eiter derjenigen ,ij j l B etriebe, w elche T arifv erträg e eingegangen sind, gebildet w orden ist. Dies

brau ch t ab e r nicht zuzutreffen. Es kann ein B etrieb nu r fü r einen Teil seiner A rbeiterschaft tariflich g ebunden sein, im übrigen nicht. Die Zahlen der

G) T. u. W. 1912 S. 715.

2

(10)

394

T arifierten w erd en d ah er aus diesen G rü n d en in W irklichkeit n ied rig er als an g eg eb en . Indessen ist eine gen au e E rm ittlu n g d e r tatsäch lich en a d er T arifierten aus dem bisher veröffentlichten M aterial nicht m öglich. er dings w ird m an nicht v ergessen d ü rfen , daß, w enn in einem B etrieb ein Teil d e r A rb eitersch aft tarifiert ist, diese T atsac h e auch auf den nicht tarifierten Teil insofern von Einfluß ist, als dann die B ed ingungen, u n te r denen die nich t T arifierten arb eiten , nicht w esentlich verschieden, jedenfalls kaum u n ­ g ü n stig e r sein w erd en als die d e r T arifierten.

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^ 60000 70000

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Abb. 4. A bhängigkeit d er Anzahl d er tariflich g e b u n d e n e n A rb eitn eh m er und B etriebe von d e r G rö ß e d e r B etriebe (1912).

8000000

6000000

¥000000

'■ Ourcfischnrtt M o /is fo t 7.-70 d e r T io u p to ib d d u n g

W enn nach Abb. 4 bei den allerkleinsten B etrieben d e r A nteil d e r T arifierten g erin g ist, so ist dies einleuchtend, weil in solchen B etrieben h äu fig d e r A rb eit­

g e b e r n e b st sein er ganzen Familie m itarb eitet. Auch m ach t bei diesen B etrieben d er in diesem Z usam m enhänge gänzlich ausscheidende A lleinbetrieb einen g ro ß e n P ro z e n tsa tz aus.

H ö ch st b em erk en sw ert ist indessen d as plötzliche A bfallen des P ro z e n t­

satzes bei B etrieben ü b er 50 P erso n en . Zum V erstän d n is d ieser T atsac h e w ird das nicht au sreichen, w as ü b e r den Einfluß d e r A usfuhr und d e r K risen g e sa g t w urde. Es m uß vielm ehr noch berü ck sich tig t w erd en , daß die U n te r­

neh m er grundsätzlich G e g n e r der T a rifv e rträ g e sind, und zw ar auch die d e r

(11)

D E R T A R I F V E R T R A G IN W I R T S C H A F T L I C H E R B E Z I E H U N G 395 im Inland absetzenden Industriezw eige, solange die E ntw icklung d er V erträg e nicht den g esch ild erten Z ustand d er M öglichkeit d er E rh ö h u n g d er V erk au f­

preise, wie im B uchdrucker- und vielleicht noch im B ekleidungsgew erbe, erreicht hat. D iese G eg n ersch aft hat ihren G ru n d darin, daß wohl in allen Fällen eine für die U n tern eh m er v erlustbringende Z w ischenstufe durchlaufen w erden m uß und daß es fern er stets zw eifelhaft bleibt, w elchen A usgang die E ntw ick­

lung schließlich nim m t. Die w irtschaftlichen V erhältnisse sind eben viel zu verw ickelt, als daß m it S icherheit im voraus ein zutreffendes U rteil gefällt w erden kann.

D agegen sind die A rb eitero rg an isatio n en seit dem G ew erk sch aftsk o n g reß in F ran k fu rt a. M. im Ja h re 1899 tarifv ertrag freu n d lich .

Infolge d e r G eg n ersch aft d er m eisten U n tern eh m er g eg en die Tarifidee sind die V erträg e fast d u rch w eg im K am pf o d er w en ig sten s in d e r K am pfes­

stellung zustande gekom m en. W enn es nun den A rb eitero rg an isatio n en g e ­ lungen ist, die kleineren B etriebe zu einem g rö ß e re n P ro zen tsatz zum A bschluß solcher V erträg e zu zw ingen, so b ed eu te t das nichts anderes, als daß sie bereits jetzt den kleineren B etrieben an w irtschaftlicher M acht ü berlegen sind. Die G renzen, bei w elchen die A rb eitero rg an isatio n en noch erheblichere E rfolge erringen können, schw anken n atu rg em äß infolge zahlreicher Einflüsse, liegen aber zurzeit im D urchschnitt, wie Abb. 4 zeigt, bei B etrieben m it etw a 50 A r­

beitern. Die w irtschaftlich stärk eren und b esser o rg an isierten G roß- und Aus- fuhrbetriebe d ag eg en haben m it ih re r ablehnenden H altu n g g e g e n ü b e r den T arifverträgen b isher fast d urchw eg E rfolg gehabt.

W enn in d e r P resse, im besonderen in Z eitschriften, die ü b er die T a rif­

bew egung berichten, häufig von U eb ergriffen seitens d e r U n tern eh m er bei solchen K äm pfen die R ede ist, so sind auch die M ittel d e r A rb eitn eh m er gleicherw eise nicht im m er einw andfrei zu nennen.

Jedenfalls w äre es unrichtig, solche Einzelheiten, die bei w irtschaftlichen Kämpfen stets zu beobachten g ew esen sind, als fü r die B eurteilung w e se n t­

lich in die E rö rte ru n g zu ziehen.

III. W i r k u n g d e r w i c h t i g s t e n T a r i f v e r t r a g p u n k t e . E rgab bereits die b isherige allgem eine B esprechung d er T arifv erträg e die N otw endigkeit, sch ärfer zu unterscheiden, so tritt dies in noch viel s tä r ­ kerem M aße hervor, sobald man dazu ü b erg eh t, E inzelheiten zu betrachten.

Es m uß nun b eto n t w erden, daß die H au p tp u n k te jedes T a rifv ertrag es, welche Form er auch im m er haben m öge, V erein b aru n g en ü b er A rbeitzeit und A rbeitslohn sind.

Fehlen im T arifv erträg e solche B estim m ungen, so hat er lediglich die B edeutung einer A rt F estleg u n g d er A rb eitso rd n u n g , indem dann P u n k te wie U rlaub, A rbeitspausen, A rbeitsnachw eise, A rbeiterausschüsse, V erh in d e­

rung von M aß reg elu n g en , F estsetzu n g von E inigungs- und S chlichtungs­

organen g e re g e lt sind, also F rag en , um die der S treit nicht in solchem U m ­ fang h ä tte en tb ren n en können.

A r b e i t z e i t .

W as die A rbeitzeit anbelangt, so ist vor allem deren Länge wie im m er, so auch bei A bschluß eines T arifv ertrag es G eg en stan d des Kampfes.

(12)

396 A B H A N D L U N G E N

Dabei wird man selbstverständlich an erster Stelle die F orderung auf- steilen müssen, daß der Arbeiter eine gesundheitliche Schädigung durch über­

mäßig lange Arbeitzeit nicht davonträgt. Innerhalb dieser im übrigen keines­

wegs erforschten natürlichen Grenze ist der U nternehm er, solange er infolge freien W ettbew erbs gezwungen ist, rationell zu produzieren, rein wirschaftlich an einer Arbeitzeit von solcher Länge interessiert, daß die Leistung des A rbeiters infolge Erm üdung nicht erheblich sinkt; denn man darf nicht vergessen, daß der U nternehm er ein Interesse daran haben muß, seine Betriebsanlagen möglichst weitgehend auszunutzen. Die Unkosten, die ihm durch Abschrei­

bung und Verzinsung seiner Anlage sowie durch sonstige A ufw endungen entstehen, sind häufig erheblich g rößer als die gesam ten Lohnbeträge, die zur Auszahlung kommen. Jede selbst unbedeutende V erlängerung der Arbeit­

zeit kann deshalb die H erstellung erheblich verbilligen, dagegen eine V er­

kürzung die W ettbew erbfähigkeit des U nternehm ens in Frage stellen.

H ier liegt also ein starker Interessengegensatz vor. Es wird nun zw ar von den V ertretern der Arbeiterverbände behauptet, daß die spezifische, d. h. die auf die Stunde bezogene Leistung des Arbeiters steigt, wenn man die Arbeit­

zeit verkürzt, so daß trotz der Verkürzung die gesam te Tagesleistung gleich bleibt. Als Verfechter dieser Ansicht sei Abbe, der M itbegründer der Zeiß- werke in Jena, genannt. Abbe glaubte durch Versuche nachgewiesen zu h a b e n 7), daß die Leistung eines Arbeiters in 8 Stunden nicht nur absolut genommen dieselbe Höhe erreicht wie in 9 Stunden, sondern sogar noch ein wenig steigt.

Indessen haben neuere U ntersuchungen8) die nicht allgemeine G ültigkeit seiner Ergebnisse gezeigt. Man muß nämlich, um ein richtiges Bild zu erhalten, die Arbeitzeit in zwei Teile zerlegen. W ährend des einen Teiles, der Maschinen­

zeit, läuft die Maschine oder der A pparat; den anderen Teil, die Handgriffzeit, füllt der Arbeiter selbst mit seiner Tätigkeit aus. O ffenbar h at der Arbeiter nur in geringem M aße auf die Verkürzung der Maschinenzeiten Einfluß, in erheblicherem M aße dagegen auf die V erkürzung der Handgriffzeiten, indem er dabei auf die Beseitigung unnötiger Pausen, der sogenannten Leergangzeiten, und auf rationelleres Arbeiten bedacht ist. Man hat gefunden, daß diese Leer­

gangzeiten zwischen fast 0 vH bei schweren Maschinen und 100 vH bei reiner H andarbeit schwanken.

Daraus folgt aber, daß nur der A rbeiter mit hohem Anteil der H and- griffzeiten, wozu auch die Mechaniker, im besonderen die der Zeißwerke, gehören, die Möglichkeit einer größeren Zeitersparnis hat. Dagegen wird eine schwere Hobelmaschine, die häufig tagelang läuft, unter allen Umständen in neun Stunden 10 vH weniger leisten als in zehn Stunden. Niemand ferner wird behaupten, daß ein Hochofen dann m ehr produziert, wenn die Arbeit­

zeit für die Bedienungsmannschaften herabgesetzt wird. Da es nun gerade ein Kennzeichen der G roßindustrie ist, in vorwiegendem Maße schwere Maschinen

•) Die volkswirtschaftliche Bedeutung des industriellen A rbeitstages. Ernst Abbe, gesamm elte Abhandlungen, dritter Band; Jena 1906, G ustav Fischer.

?) U eber die Einführung von Tarifverträgen in den G roßbetrieben des M aschinenbaues und verwandten Industrien, von Fr. Selter, R eg ieru n g srat;

Berlin 1911, Polytechnische Buchhandlung A. Seydel.

(13)

D ER T A R IF V E R T R A G IN W I R T S C H A F T L I C H E R B E Z IE H U N G $97 und umfangreiche Apparate zu verwenden, so würde besonders diese Industrie von einer Verkürzung der Arbeitzeit den Hauptnachteil haben, der sich in erhöhten Selbstkosten äußert.

Obwohl es eine Reihe von Betrieben der G roßindustrie gibt, die der Fein- industrie angehören, so verwendet doch die überwiegende Mehrzahl der G roß­

betriebe schwere und teuere Maschinen und Einrichtungen. In erster Linie sind aber die Betriebe der sogenannten Schwerindustrie, d. h. der Rohstoff-

¿ondwTrTscb-, ßergb.

Jhd.d.Sfe/ne

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M e/a//yerorbe/fung, Jhd- derM aacb/nen

Chem/scbe, & " // /■

P a pierki eder/ndusfr.

J h du s/r/e d. d o /z - u n d S c b m /zstq /fe J h d . d d a b r u n ge - u. G en u ß m /d e/

ffeP /e/d u n g s - g e y y e rb e

Baugew erbe

Po/ggr G ew erbe

d a n d e /- u n d d e r/ e b ra g e w e rb e Pein/p, dunst, Gastw.u.sn

Tag/- Arbe/bs-s/undea

Sum m en:

M aßs/ab 7.-V d e r daupfabb/Tdung

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773776622372 36322¥¥¥70639 6¥ 633 ¥506

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Abb. 5. Verteilung der täglichen Ar'oeitstunden auf die einzelnen G ew erbe­

gruppen (W inter 1912).

erzeugung, vor allem Berg- und Hüttenwerke, ausschließlich Großbetriebe.

Man wird so die besonderen Gründe für die ablehnende H altung dieser W erke hinsichtlich Festlegung der Arbeitzeit verstehen. W iederholt man hier, daß gerade die Groß- und vor allem die Schwerindustrie zu einem guten Teil ihre Erzeugnisse im Auslande gegenüber scharfen M itbewerbern, wie es Eng­

land und Amerika sind, absetzen muß, so sind das G ründe genug, weshalb sich Aenderungen in der Länge der Arbeitzeiten nur sehr langsam und immer mit einem Seitenblick auf unsere Hauptkonkurrenten auf dem W eltmärkte vollziehen können.

3

(14)

398 A B H A N D L U N G E N

Die G roßbetriebe der V erarbeitungsindustrie, die im allgemeinen mit in- fachschicht arbeiten, d. h. in der Nacht den Betrieb ruhen lassen, hätten da ei im G egensatz zur H üttenindustrie, die infolge Doppelschichten w enigstens ihre Betriebsanlagen voll ausnutzt, einen weiteren Nachteil in einer stärkeren Erhöhung der Selbstkosten.

/ andw/rtsch., Bergbau, Jnd. d. Sfe/ne u. Brden

MefoBrerarbedung Jndv6rr/e d. Maschinen

Chemische, Textil- ßagter - i ederindustrie Jndustrie d e r Ho/Z’-u.

Schnitzstofe Jrdustr/e d. Habrungs=

dn d Genq/smdfel ßeMe/dungsgewerbe

Baugewerbe

Pc/ggr Gewerbe

Handel» and der/rebrsgew erbe ße/n/ggiu/ist.Gasfie us.w.

Zog/. A rbeitsstunden

Summen:

M q/ssfab 7:1 der Haugtabbi/dung

797 3382 7285 77270 5795

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299753793 952 9966

m m

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6529 7807 77738 9776227738 50 60 37 //////

803 7858 7398 993957767522275 658 78 357 8/7/

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20 29035999383553578080 979 922 8 7820 3550 797 3275237797369872876 306075337 W/x,

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527098

579285 3598 10*283

’m 39980MO

m 29730

Abb. 6. Verteilung der täglichen A rbeitstunden auf die einzelnen G ew erbe­

gruppen (Sommer 1912).

Soweit sich in den einzelnen Tarifverträgen V ereinbarungen über die Länge der Arbeitzeiten finden, sind sie in Abb. 5 für den W inter und in Abb. 6 für den Sommer w iedergegeben. Zunächst zeigt sich in dieser Statistik eine große Verschiedenheit der Arbeitzeiten für die einzelnen Berufe, weil die Arbeits­

bedingungen sehr verschiedenartig sind. Aber ebenfalls innerhalb der ein­

zelnen G ew erbegruppen schwankt die Arbeitstundenzahl noch stark, w as auch noch bei w eiterer U nterteilung der Gruppen der Fall sein würde. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich dabei bei W erken, die Leute aus m ehreren Berufs­

(15)

DER TARIFVERTRAG IN WIRTSCHAFTLICHER BEZIEHUNG 399 klassen mit im allgemeinen verschiedener Arbeitzeit beschäftigen, da, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Anschauung besteht, daß ein industrielles Unternehmen sich nicht auf verschiedene Arbeitzeiten für die einzelnen Be­

rufsgruppen festlegen kann.

Die Gründe beruhen auf der Notwendigkeit des Zusam menarbeitens der einzelnen W erkabteilungen und Lager. Auch würde wohl eine kürzere Arbeit­

zeit der einen Berufsgruppe die gleiche Forderung der anderen Berufsgruppe nach sich ziehen.

Da bei einem solchen Betrieb mit einheitlicher Arbeitzeit die einzelne Berufsvertretung ihre Forderung bezüglich der Arbeitzeit sehr häufig nicht durchsetzen konnte, vielmehr gezwungen war, sich den Arbeitzeiten des Be­

triebes anzupassen, mußten mehrere Berufsvertretungen inhaltlich den gleichen Vertrag mit dem betreffenden U nternehm er abschließen, und so entstand einmal die sogenannte Tarifgemeinschaft und anderseits die große Verschieden­

heit in den Arbeitzeiten.

Vielfach konnte trotz Abschluß eines V ertrages überhaupt keine Einigung über die Arbeitzeit erzielt werden. Die Abbildungen zeigen in den Zahlen rechts unten, daß etwa nur für 90 vH aller Tarifierten bestimmte A rbeit­

zeiten gelten9).

Die Uebersichten stellen zwar die sogenannten Mindestzeiten dar, diese stimmen jedoch ziemlich mit den tatsächlichen überein. Es zeigt sich, daß nicht nur der achtstündige Arbeitstag, sondern im Baugewerbe für den W inter noch kürzere Arbeitzeiten eingeführt sind. Man muß allerdings dabei berück­

sichtigen, daß das Arbeiten im Freien während der kälteren Jahreszeiten als besondere Tätigkeit zu bewerten ist.

A r b e i t s l o h n ( S t ü c k l o h n , Z e i t l o h n , M i n d e s t l o h n ) . Daß man noch größeren Schwierigkeiten als bei der Festlegung der Arbeitzeiten bei Vereinbarungen über den Arbeitslohn begegnet, zeigen Abb. 7 und 8, von denen die erste für gelernte, die zweite für ungelernte Arbeiter gilt. Auch hier wieder sind die Zahlen so ermittelt, daß jedesmal die G esam t­

summe der allen Tarifgemeinschaften zugehörigen Personen angegeben ist.

Die erhaltenen Zahlen werden also auch hier wieder zu groß sein. Immerhin ergeben die Tabellen, die nebenbei eine Uebersicht über die Vereinbarungen über Arbeitslohn in den einzelnen G ew erbegruppen bieten, daß nur für etwa 69 vH aller tarifierten gelernten Arbeiter für die Entlohnung irgendwelche Be­

stimmungen bestehen. F ür die tarifierten ungelernten Arbeiter sinkt dieser Prozentsatz sogar auf 43 vH.

9) Zur Beurteilung dieser Zahl ist zu bem erken: Die Zahlen derjenigen Arbeitnehmer, für die eine bestimmte Arbeitzeit gilt, sind aus der Summe der Mitglieder aller derjenigen Tarifgemeinschaften gebildet, die eine be­

stimmte Arbeitzeit vorschreiben. Da es nun nicht nötig ist und auch nicht zutrifft, daß die Bestimmung einer kürzesten Arbeitzeit auf alle der Tarif­

gemeinschaft angehörigen Mitglieder Anwendung findet und da ferner die Arbeitnehmerorganisationen, die die Unterlagen zu den Statistiken gegeben haben, nicht nur ihre eigenen Mitglieder, sondern die gesam ten Arbeiterzahlen der Betriebe, in welchen Tarifverträge abgeschlossen sind, angegeben haben, so ist es wahrscheinlich, daß dieser Satz von 90 vH viel zu hoch ist.

3*

(16)

400 ABHANDLUNGEN

Auch diese Tatsache der besonderen Schwierigkeit von V ereinbarungen über die Entlohnung bedarf einer kurzen E rläuterung: W enngleich die err sehende Lohnform in der Industrie im Durchschnitt genom m en der tue lohn ist, in welchem etwa 70 vH aller A rbeitnehm er tätig sind, so liegen le Verhältnisse bei den einzelnen G ewerben doch vollständig verschieden. Es gi t Gewerbe, wie etwa das der Buchdrucker, in denen sich die gleichen A rbeits­

vorgänge ständig wiederholen und deshalb die Summe der festzulegenden Akkorde eine bestimmte Zahl nicht übersteigt. Andere Betriebe und hierher

Abb. 7. V erteilung der Stundenlöhne auf die einzelnen G ew erbegruppen (1912).

G elernte Arbeiter.

gehören vor allem die Betriebe der M aschinenindustrie und der Metallver­

arbeitung — bringen eine unübersehbare Fülle von Akkorden zur Anwendung.

So erforderte nach einer Zählung eine Maschinenfabrik von 700 Arbeitern die Zahl von 200 000 verschiedenen Akkorden. Da die Einrichtungen der W erke und dam it auch die in den einzelnen W erken zur A nw endung kommenden Akkorde naturgem äß von einander verschieden sind, so erscheint eine zahlen­

mäßige tarifliche Festlegung selbst beim besten Willen unmöglich.

Dazu kommt, daß zu keiner Zeit die Aenderungen in den Akkorden so zahlreich waren wie gerade jetzt. Das liegt daran, daß niemals die V er­

besserungen an den Betriebseinrichtungen, M aschinen und W erkzeugen der

7 2 4 7

67957

¿Ortdw/rfjc/r., ¿ferpfav,

d rd . d . S /e /re zz £ rd e n M e feZ /y e rrrb e /Z i/rg Jnd(/s7r7e d MascZ//re/7

C/tem/s/dze, Te*//Z=

P ep/er= /eder/rd//sZ r Jrdi/sfr/e der//o/z =e.

Sc/7/7/Yzsfofe JrdiASTr/ed dabr//rgs=

u/7d Ger/^/Sm/ZZeZ ße/rZe/dL/rgsge w erbe

G at/gew eröe

3 9 6 3

5 8 9 4

6 7 3 4

3378

3622

P o Z jjr. G ew erb e

//e r d e / e rd d e r/re b r P ć /r/g P c /rs /p e s fr/ ¿/s S /e rd e r/o b r /r - if

5 ¿/m m er-.

A /a /s s /a b 7 :4 d e r P e u p frb b /Z d u rg

(17)

DER TARIFVERTRAG IN WIRTSCHAFTLICHER BEZIEHUNG 401 w eiterverarbeitenden Industrien in einem so überstürzenden Zeitmaß aufein­

anderfolgten, und daß ferner heute die Neigung besteht, die erforderlichen Arbeitzeiten in einem besonderen Bureau von entsprechend ausgebildeten Ingenieuren nach wissenschaftlichen Verfahren festzulegen. Es ist dies die sogenannte Elementenkalkulation, ein Verfahren, das sich zum Teil in Amerika entwickelte.

Diese beiden Tatsachen lassen es natürlich erscheinen, daß es zurzeit W erke gibt, in welchen jährlich bis zu 25 bis 30 vH sämtlicher in Anwendung be-

iandm 'rfscA , Bergbau, Jhd.d. öre/ne u ßrden M e/a//eerorbe//ung, Jnd. d e r M aschinen

C/iem isc/ie, T er///=

P ap/em L eder/ndus/r J h d u s/r/e d do/z.=

u n d S ch n /fzs/q /fe Jhd. d. d a b ru n g s =

u n d G entufs/m de/

ße/r/eidungsgew erbe

Baugew erbe

P o/ggr G ew erbe B ande/ - u n d l/er/reh rsgew erbe Pe/mg, Pu/üs/, Gas/n/u s n

S /u n den /obn /n

S u m m ern M a fis/a b /. y d e rd a u p ta b b i/d u n g

Abb. 8. Verteilung der Stundenlöhne auf die einzelnen G ew erbegruppen (1912).

U ngelernte Arbeiter.

findlicher Akkorde geändert werden. H ätte sich ein Werk auf bestimmte Akkorde auf Jahre hinaus festgelegt, so läge zur Anschaffung lohnsparender Maschinen und Anwendung rationellerer Verfahren ein Anlaß nicht mehr vor.

Als Beispiel möge wieder der Buchdruckertarif und im besonderen die Ein­

führung der Setzmaschine herangezogen werden, die den Fortbestand des erwähnten Tarifes ernstlich gefährdete. Die Schwierigkeit konnte damals nur durch die G unst der Verhältnisse überwunden werden, insofern als die in Frage stehende Interessengruppe einen einigermaßen einheitlichen Charakter trug, einen verhältnism äßig kleinen Umfang hatte, und als schließlich die O rgani­

sation des Tarifes schon ziemlich weit durchgebildet war, so daß es dem Geschick und den Bemühungen des Leiters des Verbandes deutscher Buch­

drucker gelingen konnte, die Hemmnisse zu beseitigen.

(18)

4 0 2 ABHANDLUNGEN

Von dem oben gekennzeichneten W eg entscheidender B etriebs; erbe^se rungen hat die deutsche Verarbeitungs- und M aschinenindustrie erst den A n­

fang durchlaufen. Wohl kein Betrieb ist hier zu einem gew issen Abschluß gekommen. Es muß somit anerkannt werden, daß die Einwände wenigsten:, der Betriebe der V erarbeitungsindustrie, daß eine Festlegung bestim m ter Akkorde zurzeit weniger als je in Frage kommen könnte, gerechtfertigt sind.

Auch die Arbeiterorganisationen haben es bereits aufgegeben, diese For­

derung für die Betriebe der M etallverarbeitung aufrecht zu erhalten. Dagegen haben sich Stimmen erhoben, die eine M itwirkung bei der Aufstellung der Akkorde selbst fordern. Berücksichtigt man aber, was eben gesagt ist, daß die A nforderungen, welche diese Tätigkeit an die wissenschaftliche Schulung und das Können der damit Beauftragten stellt, dauernd steigen, so wird man auch dieser Forderung der Arbeiter keine sehr günstige V oraussage stellen können.

Bei dieser Lage der Dinge suchen die V ertreter der Arbeiter Auswege nach zwei Richtungen hin.

Die eine G ruppe fordert die Anwendung des Zeitlohnes und die Festlegung auf bestimm te Stundenlohnsätze.

ln der Tat ersehen wir aus Abb. 9, daß es eine ganze Reihe Betriebe, im ganzen etwa 40 000 mit 330 000 Arbeitnehm ern, gibt, die lediglich Zeitlohn anwenden. Besonders stark ist dieser, wie es in der N atur der Sache liegt, bei der Industrie der Nahrungs- und Genußm ittel (Bäcker) und beim Handels­

und V erkehrsgew erbe (Handlungsgehilfen) vertreten. Auch im Baugewerbe wird er vielfach angew endet. Indessen hat in U nternehm erkreisen der Zeit­

lohn nur noch wenig Anhänger, da die Leistung beim Zeitlohn im Durch­

schnitt nur etwa die Hälfte bis 2/ 3 derjenigen im Akkord ausmacht. Aber auch diejenige G ruppe der V ertreter der A rbeiterorganisationen, die unbedingt A nhänger des Zeitlohnes ist, wird immer kleiner. Es hat sich auch hier gezeigt, daß die Verhältnisse stärker sind als die Lehrmeinungen, indem die Arbeiter selbst es vorziehen, im Stücklohn zu arbeiten, weil sie dabei mehr verdienen und weil es ihr Selbstgefühl erhöht, daß ihre eigene Geschicklich­

keit oder Kraft für die H öhe des Verdienstes m aßgebend ist.

Infolge dieser Entwicklung gew innt der andre zu besprechende W eg bei den V ertretern der Arbeiterorganisationen immer m ehr Anhänger. Es ist dies die Forderung einer M indestlohngrenze bei Anwendung des Stücklohnes. Man kann sagen, daß sich viele und schwere wirtschaftliche Kämpfe der G egenw art entweder auf die Erlangung des Mindestlohnes oder auf dessen Erhöhung beziehen.

Die große W erbekraft des M indestlohngedankens liegt in der leichten Verständlichkeit des Prinzips und der großen Einfachheit bei seiner Anwendung, obwohl eigentlich w eniger die besseren Arbeiter als vielmehr die weniger guten Vorteile daraus ziehen. Abb. 9 zeigt, wie weit zurzeit bei den einzelnen Gewerbegruppen der Mindestlohn Eingang gefunden hat; am meisten in der Holz-, Metall- und Textilindustrie mit 50, 40 und 35 vH aller Tarifierten.

Im Durchschnitt haben etwa 20 vH aller Tarifierten, also etw a 312 000 A r­

beiter in 43 600 Betrieben, M indestlohngarantie, was allerdings, mit dem g e ­ samten A rbeiterheer von etwa 14 000 000 verglichen, nur 2 vH ausmacht. Dabei ist wieder zu berücksichtigen, daß infolge der bereits erläuterten Aufmachung der Statistik die wirkliche Zahl geringer sein wird.

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DER TARIFVERTRAG IN WIRTSCHAFTLICHER BEZIEHUNG 403 Die U nternehm er stehen fast durchweg der Gewährung eines M indest­

lohnes entgegen. Es wird dabei geltend gemacht, daß einerseits der Gedanke, im Mindestlohn zu stehen, für den Arbeiter ein leistungsverringernder Umstand sei, daß ferner dieser Mindestlohn nur den leistungsunfähigsten Arbeitern zugute komme und daß man schließlich diejenigen Arbeiter, deren Leistungen sich ständig unter Mindestlohn bewegen, ohnehin entlassen müsse. Der Mei-

Jfu'c/tU.

Z u. St.'L.

Mim/esUl.

I l l f l l l l i t i P H l t l t

Abb. 9. Verteilung der Lohnarten auf die einzelnen G ew erbegruppen (1912).

nungsaustausch über diesen Gegenstand ist noch nicht abgeschlossen, indem vorläufig von beiden Seiten noch G ründe mehr allgemeiner Art geltend ge­

macht werden. Vielleicht wird man auch hier dahin kommen, besser zu unter­

scheiden. Das Mittel in der jetzigen oder in abgeänderter Form wird sich vermutlich für bestimmte Gewerbe und Arbeiten gut und für andere weniger gut eignen.

H ier und da, besonders in Schweden, glaubt man einen Ausweg nach der Richtung hin gefunden zu haben, zwar in den Tarifverträgen vielfach Min-

(20)

404 ABHANDLUNGEN

destlohn zuzubilligen, diesen aber von der Erzielung einer /Vlindestleistung abhängig zu machen. Mit der Einführung dieser Klausel ist man natürlich wieder auf dem reinen Akkord angekommen, wenn auch dieser für den Ar­

beiter etwas günstiger gestaltet w erden kann.

ln diesem Zusam menhänge ist das Vorgehen der staatlichen M ilitärwerk­

stätten bem erkensw ert10). Sie teilen die Akkordarbeiten nach ihren Schwierig­

keiten und die Akkordarbeiter nach ihren Fähigkeiten in verschiedene Klassen ein, deren jede einen gewissen Mindest- und H öchstlohnsatz hat. B:eiben einige Arbeiter mehrfach unter dem M indestlohnsatz ihrer Lohnklasse, so werden sie in eine niedrigere versetzt. Man sieht, daß das Prinzip, daß einem Mindestlohn auch eine M indestleistung entsprechen muß, hier in ausgezeichneter W eise durch das Mittel der A bstufung zur D urchführung gekommen ist, ohne daß von der Entlassung des A rbeiters G ebrauch gemacht werden muß. Leider wird sich diese M aßnahme w enigstens zurzeit nicht auf Privatbetriebe übertragen lassen, da hier wohl eine Klassifikation der Arbeiten, aber nicht der A rbeiter selbst möglich ist.

Auch die preußisch-hessische Staatseisenbahnverw altung h at seit dem 1. O ktober 1912 für alle in ihren W erkstätten tätigen A rbeitnehm er, ins­

gesam t etwa 80 000, eine ähnliche Staffelung der A rbeiter nach Lohn­

klassen eingeführt. Dabei besteht nur der bem erkensw erte Unterschied, daß hier die Einreihung in eine bestimm te Lohnklasse selbsttätig dem Dienst- alter nach erfolgt, die Leistung daher ausscheidet.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

Ein Ueberblick über den vorgetragenen Stoff ergibt folgendes Bild:

Bereits die Betrachtung über die allgemeinen G ründe, die gegen die T arifverträge sprechen, zeigt, daß diese G ründe für gew isse G ew erbegruppen, wie die Buchdrucker, w eniger ins Gewicht fallen, während sie für die G roß- und Ausfuhrindustrie von g rö ß ter Bedeutung sind.

Vor allem aber muß mit einem ferneren W iderstand der gerade diesen Industrien angehörigen U nternehm erorganisationen gegen die w eitere Ein­

führung von Tarifverträgen gerechnet w erden, w oraus folgt, daß der Prozent­

satz der tarifierten A rbeiter in erster Linie beim H andw erk und in den Klein­

betrieben zunehmen wird.

Ein weiteres Eingehen auf den eigentlichen Inhalt des T arifvertrages ergibt, daß sich die Arbeitszeit auch w ieder am w enigsten bei der Ausfuhr- und Schwerindustrie festlegen und vor allem verkürzen zu lassen scheint. Die Festlegung des Arbeitslohnes stößt bei der verbreitetsten Lohnart, dem Stück­

lohn, in der verarbeitenden Industrie und vor allem in der M aschinenindustrie und M etallverarbeitung auf große sachliche Schw ierigkeiten, die nicht durch Einführung des Zeitlohnes behoben werden können. Auch das M ittel des Mindestlohnes wird kaum die Erw artungen, die man an seine A nw endung knüpft, erfüllen.

Jedenfalls zeigt sich deutlich, daß die Einflüsse teils allgem einer, teils besonderer Art auf die Entwicklung des Tarifvertraggedankens ganz verschieden­

artig eingewirkt haben und einwirken mußten.

10) Vergl. Selter, Seite 18 Fußnote 2.

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