TECHNIK UND WIRTSCHAFT
M O NATKH ftlFTPEI VEREINE» DEUT? » S E I
INGENIEURE » «REDAKTEUR D» M EY ER
12 JAHRG. ~ JANUAR 1919 1. H E F T
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"EINE PLAUDEREI AUS DER WIRKUNGSGRADSCHULE1).
V on WILHELM KÜBLER.
Nach lä ngerer Pause einmal wieder im Kreise von Fachleuten sprechen zu dürfen — u nd noch dazu in m einem lieben F rankfurt am Main —, das w ar ein zu schöner G edanke, als daß ich nicht d e r liebensw ürd ig en A uffo rd erung Ihres H errn Vorsitzenden h ätte folgen müssen. Als ich a b er ein paar T a g e späteT nach g e g e b e n e r Zusage anfing mich erns tlicher zu fragen, was ich, g e g e n w ä rtig ein M ann ohne g e n ü g e n d freie Z eit für d e ra r ti g selbstsüchtige Pläne, e ig e n t
lich bie ten könnte , m achte sich in meiner S tim m ung eine kleine D äm pfung bem er kbar, fast wie von Schuld bew ußtsein angesichts eines so unbe dachten U nterf an gen s. W ü r d e nicht die Mehrzahl mei ner Z u h ö re r von m ir eine E r zählung davon e rw arten , »wie es w a r und wurde«, o d e r g a r E rö rte ru n g e n »von komm en den D ingen«? Und w ü rd e ich, selbst w enn ich dazu so nst d e r Mann wäre, aus d e r Schule zu plaudern, nicht in V erlegenheit kommen, weil es gar nichts zu plaudern g i b t ? — H öchstens , wenn ich einmal auf die immer noch erstaunlich geringe Beach tu ng so mancher leicht verm eidbarer Verluste bei allerlei technisch-wirtschaftlichen A rbeitsvorg ängen eingeh en wollte! — Damals las ich die Erö ffnungsrede, diie Dr. v. R i e p p e 1 bei der letzten Jahresvers am m lung des V ereines deuts cher Ingenieure gehalten hat. Darin stand nun einmal kurz und b ündig au sgespro chen, d aß wir zur »Erziehung zum W irkungsgrad« kom m en müßten . D er G edanke liegt also anscheinend und leicht begreiflicher W eise in der Luft. H a b e n wir ihm aber schon richtig n a c h g ed ach t? Es schien mir, d aß ich, wenn es auch nur eine Plauderei w erd en könnte, d arüber eine Plauderei o hne allzu unbescheiden e Inan spru ch nah me Ih rer Zeit w agen könnte, eine Plauderei, sagen wir »aus der W ir k u n g sg ra d schule«. Nun stehe ich hier und will es versuchen. Doch bitte ich um Nachsicht.
»Vom W ir kungsgrad« w erden die H erren o d e r doch w enigstens meine A lter sgenoss en wie ich selbst wahrscheinlich fr üheste ns im Laboratorium etwas N äheres erfahren haben. Auf d e r Schule hatten wir zw ar mancherlei in u n
i) V o rg e tra g e n in d e r E le k tro te c h n is c h e n G e s e llsc h a ft in F ra n k fu rt a/M . am 19. April 1918.
S o n d e ra b d ru c k e w e rd e n a b g e g e b e n .
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ABHANDLUNGEN
se rem schönen und a nregenden Ph y sik u n terrich t g e h ö r t und g e se h e n , a b er auf den Q uotienten L eistu n g durc h V erbrauch (o der v e r b a n d s tr e u e r g e s a g t Abgabe durch Aufnahme) w aren wir, g la u b e ich, nie a u fm erk sam g em acht worden. W e n n ich von m ir auf meine Schulk am eraden schließen darf, so sind damals also eine g a n z e Anzahl so nst in allgem einer Bildung bis zur W ü rd ig k e it d e r akademischen Freiheit h e ra n g e r e ift e r ju n g e r Leute, wie Bismarck sa g t : norm ale P ro d u k te d e r h ö h eren Schulbildung, ins Leben h in a u s g e g a n gen, denen die G rundla ge öko nomisc hen D enkens — d e r Einfluß d e s »n« a u * den »Etat« — u n b ek an n t geblieben war. Die Kritik d e s H e r r n von Rieppel scheint m ir zu b estätigen, daß die Lücke sich in te re ss a n te r W eis e g e r a d e jetzt
— fast d reißig Ja h r e s p ä te r — b esonders fü hlbar g e m a c h t hat.
W enn man es unte rnim m t, an n aheliegenden D in gen eine P r o b e d a ra u f zu machen, so findet man allerlei Bestätigungen. W ir w u r d e n z. B. v o r einiger Zeit veranlaßt, sp arsam mit dem G as u m z u g e h e n ; die A u ffo rd e r u n g g esch ah anfangs n u r in d e r Form d e r B elehru ng und m it dem H i n w e i s darauf, d a ß ohne Verschulden, weil u n b e w u ß t, v e rs c h w e n d e t w erde. D urch d en g a n z e n deutschen Blätterw ald g in g d a a b e r ein W eifen u nd S a u s e n ; die V e rsc h w e n d u n g w urde auf das heftig ste be stritte n, un d le ider blieben die besch w ichti
genden Stimm en d e r Sachverstä ndgien aus, wohl weil diese, d e n e n die Kenntn is des W irk u n g sg rad es in Fleisch un d Blut ü b e r g e g a n g e n ist, es nic ht fü r m ö g lich hielten, d a ß je m an d die T a tsa c h e d e r G a s v e r s c h w e n d u n g ernstlich b e streiten könnte . Langsam sah m an d a n n in Fachkreisen ein, d a ß die Be
lehrung nötiger, das Einmaleins d e r W ir tschaftlichkeit w e n ig e r b e k a n n t sei, als man g ed ach t hatte. A ber einfaches Zahle nm ate rial, w ie m a n es b ra u c h t, um den Laien g e g e n ü b e r ihm nicht unw illkomm enen S tim m u n g e n handgreiflich ü berzeugen zu können, w a r nic ht gleich zur H and. E r s t im J a n u a r 1918 e r schien endlich eine ziemlich allgem ein verständliche V eröffentlichung in N r. 1 des G ew erb eb lattes aus W ü r t te m b e r g , die mit g u te n S k iz z e n 2) v e rs e h e n die Lücke ausfüllte. Leid er ist dies Blatt nicht so v e rb r e ite t wie die T a g e s z e i tu n gen, u nd die B erichters ta tter d e r T ag e s p re s s e ha b e n von s e in e r s e h r v e rd ie n st
vollen Mitt eilung keine Kenntnis m e h r g e n o m m e n ; inzwischen w a r m a n ja auch durc h den Z w a n g d e r Verhältnisse allgemein von se lb st k lü g e r g e w o rd e n . W ir deutschen Ingenieure a b er w erd en g u t tun, um uns b e v o r s te h e n d e r noch ern s terer Aufgaben willen die Geschichte d e r E in sc h r ä n k u n g des G a s v e r brauches nicht zu ve rg esse n und hin u nd w ieder g e n a u e r zu b etrach ten . — In
dessen, die Sache g e h t jetzt gu t, sie soll uns deshalb im Augenblick nicht noch w eiter aufhalten und es möge genügen, zu erw ä h n e n , daß es in u n s e r e r B renn
stoffwirtschaft, so g a r in der viel g e rü h m te n »Koche mit Gas«-T echnik , eine«
Verschw endungsfond gibt, aus dem mit Leichtigkeit und g a n z o h n e A pparat 20 bis 22 vH für die Bilanz d e r Volkswirtschaft en tn o m m e n w e rd e n könnte n.
M ünchen h a t z. B. für Kochzwecke 32-10« cbm G a s a b g eg eb en . Die E r sparnis von 20 vH bedeute t also 6,4-10« cbm o d e r rd. 2 10 0 0 t g u te Gaskohle im Jahre (V erb ra uch von H agen i. W.).
Schlagw örter sind überh au p t gefährlich. Sie b e d ü rf e n sorgfä ltig er Ü b e r wachung. Es gibt un te r ihnen solche, die in d e r H itze d e r D ebatte explo-
Im V o r tr a j d u rc h L ich tb ild w ie d e r g e t e b e u ; h ie r m u l au f d is Z e itu n t v e rw ie s e n w e rd e n
<dieren und dann Nebel o d e r g a r giftige G ase verbreiten, unte r denen gesunde S inne erlahmen. Ihr Explosionsdruck kann aber an derseits auch W ä n d e spren
gen, die d e r Einsicht den W e g vers perren. Stände an den Ecken und Giebeln statt »Koche mit Gas« lieber »Koche bei hohem. W irkungsg ra de«, so w ürd e die Gastechnik wahrscheinlich schon heute mit noch m e h r Recht erklären können , daß es Gas-Kohle verschwenden heißt, wenn man sie im Som m er unverg ast im H erd e verfeuert. O hne die Rücksicht auf Bildung wirklichen W irkungsgra dverstä ndnisses hat es uns aber das Schlagw ort »Koche mit Oas«
erschwert, die so bitte r nötige Sorgfalt bei der Ausn ützung d e r so s e g e n s reichen G asv erso r g u n g durchzusetzen. W as einzelne Zeitungen dabei geleistet haben, mögen alle W ohlm ein enden im G edächtn is behalten.
Die Technik kann nicht in A brede stellen, daß es zuweilen zu einem W irkungsgradkultu s kom m t, der die K onstrukte ure zu nutzlosen Klettereien auf steile H öhen fü h r t o d e r verführt. Vielen von uns w urd e der W irkungsgrad, wie ich schon sagte, im Labora torium vorgestellt, d. h. beim Prüfen, also bei der quantita tiv en Analyse fertiger Maschinen. D ort herrschte er damals als kritische G r ö ß e e rs te r O rdnung, die von Fabrikationsrücksichten nichts wissen wollte. E r trieb im Lande des spezialisierten neuzeitlichen Maschinen
baues Kirchtumpolitik, wollte als Einzelgröße in den P rospekte n und Preis
listen g e n a n n t sein, sich nur auf ein Sichausleben in d e r vollen N ennleistung einlassen und n u r so vom V erk äufe r bei seinem Kampfe gegen die Konkurrenz genannt sein. Inzwischen sind indessen die literarischen Bureaus dazu g e k o m men, freig ebiger mit ihren Mitteilungen zu w erden , und in g uten Listen stehen h e u te die G rö ß e n für V4> V2> 3/4 und i/ i Nennleistung. Aber aus alter G e w o h n h e it g ib t man noch heute oft den W e r t e n für die Teilleistungen beim Einkauf und bei d e r Aufstellung neuer Betriebspläne nur selten die Bedeutung, die sie verdienen; noch se lte ner prüft man sie an der Lieferung ernstlich nach.
Im praktischen G ebrauch der Maschinen fü hrt diese Vernachlässigung dann zu ein er ähnlichen Art von u nbedachter V erschw endung wie beim Gas, mit einer W irkung, die volkswirtschaftlich noch einschneidender w erd en kann.
In sehr vielen Fällen w erd en z. B. Elektrolysen o d e r Form ie rungsansta lte n aus D rehstrom netzen ü b er U m fo rm er gesp eist. Es ist bekannt, daß von den dafür verfügbaren Maschinen der sogenannte Ein ankerum form er den besten W ir
kungsg rad gibt. D ennoch laufen aber g e g e n w ä rti g noch viele M o t o rg e n e ra toren, die man teils aus stichhaltigen, teils aus vermeintlichen G rü n d en b e vorzugt hat. Um uns zu erinnern, üb erlegen wir: D er W irk u n g sg rad eines A ggregate s von einem — s a g e n wir 170 kW -M oto r betrage bei ha lb er Last 0,70; der zugehörige 150 kW -G e n e ra to r habe 65 vH W irkungsgra d. D er W ir kungsgrad des A g g re g a te s ist also nur 0,45. Bei voller Last möge sich 0,775 ergeben. W enn nun die Fabrik nur halb beschäf tigt wird oder infolge einer Vorschrift beschäftigt w erden darf, so bestehen zwei Möglichkeiten. E n t
weder man a rb eitet in der halben Zeit mit voller Leistungsfähigkeit o d er in d er vollen Zeit mit halber Leistungsfähigkeit. Das sind alles altbek annte D i n g e ; nur ist das Ausmaß ihrer praktischen W irkung w enig er Allgemeingut. Um die G rö ß e n o rd n u n g der Ergebnisse einmal zahlenmäßig ausdrücken zu können, will ich als volle eine Benützungszeit von 6000 Stunden a n n e h m e n ; dann
■ergibt sich:
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für 6000 Stunden und halbe Last als Verbrauch ^ • 6000 = 8TS000 kV. -st
» 3000 » » volle » » a = 5S5000 >_____
(also .Mehn erbrauch der halben Leistung = 293000 kW - s t ) Die »Einschränkung- des Betriebes und der Produktion auf die H - i i . •- -i^-gr also bei unveränderter Betriebszeit längst keine 50 vH Ersparnis an elek.r.scher Arbeit, sondern nur 32,4 vH . Sie verteuert zugleich die Produkte um 50 vH d e r Stromkosten. Bei der Einschränkung der A rbeitszeit auf d ie H älfte der früherett Zeit wird zwar auch die Produktion auf die H älfte verm indert; der sp ezi.isch e Stromverbrauch bleibt aber ungeändert. Es können allerdings S ch w ierigkeiten auftreten, wenn man das Rezept anw enden wüL, w ie A nfressungen an den Elektroden und dergleichen mehr — unüberwindlich sind sie vielleicht nicht, und sie stellen sich auch nicht bei allen Verfahren ein ; w as sich aber seh r häufig findet, ist die unbedachte Dauerbenutzung d es U m form ers bei zu g e ringer Belastung. G lücklicherweise wird die Elektrotechnik sich wrohl b a u nach dem Kriege den Maschinenumformer ganz abgew öhnen and ihn durch D am pf- Gleichrichter ersetzen, oder w enn diese auch w eiterhin unbezahlbar bleiben sollten, durch etw as Billigeres und dabei vielleicht B esseres. Es hätte damit eigentlich schon früher begonnen werden können, doch gab es da trotz s o handgreiflicher Erfolge, w ie in Deuben, Vorurteile zu überwinden.
D ie Vorurteile bilden in der Technik ein Kapitel, das ein es b esonderen Studiums w e r t ist; unseren Fachgeschichtsschreibern darf em pfohlen w erden
sich seiner besonders anzunehmen. D ie V ielheit der täglichen Aufgaben läßt an entscheidender Stelle selbst dort vorhandenen Fachleuten nicht Z eit, sich bei allen D ingen ausreichende U nterlagen zur Bildung eines eigenen U rteils zu verschaffen. Der Laie muß selbstverständlich von vornherein aut e ig e n e s Urteil verzichten. So kommt es zu einem Arbeiten auf Treu und Glauben, zum Hinschauen auf die o ft nur vermeintlichen Erfahrungen d es Nachbars, kurz
zh einem Urteils e r s a t z. Kann man sich w undem , w enn sich im K am pfe um das G eschäft W irkungen davon zeig en ? Eine Erfahrung, die ich beim .Aluminium gem acht habe, sch ein t mir einen interessanten Beitrag zum Stu
dium dieser Frage zu geben.
Die Drahtbruchstatistik, die in Abb. 1 dargestellt ist, zeig t ein ganz auf
fallendes Herausspringen zw eier Q uerschnitte aus der G esetzm ä ß ig k eit Es handelt sich da um ein ausgedehntes N etz, bei dessen Bau die U nternehm er sich auf Kupfer eingerichtet hatten und dann, als sie g e n ö tig t w aren, Alu
minium zu nehmen, mit einer gew issen V oreingenom m enheit g ea rb eitet zu haben scheinen. D ie Erfahrungen dieser Anlage w urden verallgem einert; man schrieb Briefe, in denen stand, »Kupfer bleibt Kupfer* und d ergl.. und so ver
zögerten sich sehr m it Unrecht die A nwendung d es Aluminiums b ei w eiteren Leitungsbauten und die nennenswerten Kapitalersparaisse, die sie hätte brin
gen können.
D ie Bekämpfung der Vorurteile, der sich die technische W issenschaft gew issenhafte Volkswirte nicht entziehen können, g esta ltet sich manchmal etv a s lebhaft; w o die Kenntnis grundlegender N aturgesetze und Konstruktionsreg;m.
fehlt, kann man durch die bloße D ebatte schw er überzeugend w irken D er Wirkungsgrad der Diskussion bleibt ganz gering — das ist es ja, weshalb d ie
Technik fordern muß, d a ß in die V e rw a ltu n g technische Intelligenz einzieht, selbstverständlich in jede Verw altu ng, nicht nur die staatliche. Einstwei len aber bleibt das Bild so, daß die d e r Selbstinduktion vergleic hbaren Vorurteile zwar gelege ntlich als H e m m u n g e n allzu stürm ischer Entwicklungswellen nicht ganz o h n e N utzen sind, in ents cheid enden Augenblicken a b er doch durchl Kapazitäten kom pensie rt w erd en m ü s s e n ; daß es dabei zu räsonanzartig (ich schreibe ä) sich steig ernden Kämpfen kom men kann, mit, je nachdem, schönen und blendende n o d e r scheibenklirrenden Effekten, ist für uns Elek tro techniken nicht überraschend.
Einen Ausgleich d e r Interessen haben wir bei u n ser er Berufsarbeit oft zu suchen, wo A ußenste hende meinen w erden, er m üsse sich doch von selbst finden. Viel E rfahrungsm aterial liefern dazir die A kte n: Leitungskreuzungen.
Bei der W illkür in d e r Wahl d e r V oraussetzungen für die einschlägigen K on
struktionsrechnungen kann d e r n u r vom rechtlichen Sta ndpunkt aus U r
teilende zu technischen Ford eru n g en ko mm en, die in scharfem G egensatz zu dem L osungsw ort stehen, das die Konstrukteure d e r kom m enden Jahre neben das viel ausgespro chene »freie Bahn dem Tüchtigen« zu stellen haben w e rd e n :
» F r e i h e i t f ü r d i e m a t e r i a l g e r e c h t e K o n s t r u k t i o n « . Dieses Losungs
wort wird vom W i r k u n g s g r a d g e w i s s e n diktiert, vom Bewußtsein, daß jeder heimische Rohstoff k ostbar ist, und daß die V e ra n tw o rtu n g des Ingenieurs nicht einseitig auf die selbstverständliche F o rd e r u n g ausreic hender Sicherheit seines Gebildes erstreckt w erd en darf, sonder n daß sie die Erreichung dieses Zweckes ohne V ers chw endung einschließt. H ier h ö r t die Zustä ndigkeit des Laien schlechterdings auf — auch angele rnte Technik er können die V e ra n tw o r
tung nicht tragen, sondern nur Fachleute. W e r aber gew isse Leitungsk re uzun
gen betrachte t, wie sie noch im zw anzigsten J ah r h u n d ert g e b a u t w orden sind, wird — sagen wir — freudig b e w e g t festzustellen in d e r Lage sein, daß es auch bei ganz naheliegenden D ingen noch Möglichkeiten gibt, so g ar mit ein
fachsten Mitteln g ro ß e Fortschritte zu erzielen. Skeptiker w erd en nach ihren
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zahlreichen E rfah ru n g en zweifeln. W a r u m a b e r soll es, so m öchte ich w eg müden W a n d e re r n zurufen, nicht auch fü r den L eitu n g sb au eine Zeit g e b e n , in d e r natürliche Lösu ngen durchdrin gen, in d e r z. B. S c hw achstrom le itungen sich des g egebenen Schutzes erfreuen w erden, den die K reu zu n g am g e m e i n samen M ast b ie t e t? Es han d elt sich ja doch schließlich n u r noch um eine rechtliche, nicht a b er eine etw a technisch noch ungelöste Fra ge. Die H e r r e n Skeptiker a ntw orten m ir: »nur?«. Nun, fassen w ir M ut! Z u r Zeit b au t man bei D re sden eine 100 000 V olt-Leitung q u e r ü b e r die S ta atsbahn, g a n z dicht bei einem Bahnhof und m itten in d e r S ta d t o h n e an d e re n »Schutz«, als jenen besten, d e r in richtiger Bem essung d e r K onstruktionste ile und in s o r g fä ltig e r Arbeit liegt. Vielleicht w ird diese K reuzung d e re in st als ein M arkste in in d e r Geschichte d e r S tarkstr om technik b e tr a c h te t w erd en.
Der S pazie rgang h a t unmerklich ins G e b ie t d e r Statik d e r B a u k o n str u k tionen gefü hrt, zu Ü berle gungen, an die sich d e r W u n s c h nach E in fü h ru n g anschließen möchte von dem, w as man im V ergleich m it dem Leistungs- wirkungsgrad sin n g em äß den »K rä ftew irkungsgrad« nennen könnte . Das w äre also der Q u o tie n t: T ra g la s t/T r a g k rä fte a u fw a n d .
Ich bin mir d e r berech tig ten E in w en d u n g en b e w u ß t, v e rk e n n e auch nicht die Schwierigkeit d e r ziffernmäßigen B ehandlu ng d ie ser G r ö ß e und den M angel an G e w ö h n u n g an den G ed an ken.
Dennoch will m ir die E r ö r t e r u n g seiner technischen D ase in s b e re c h tig u n g nützlich erscheinen; vielleicht, daß man dazu kom m t, seine V o rstellu n g in der G esellschaft g u t e r W ertzif fern zu w agen. Denn je tzt p fleg t man doch leider A ufw endungen für zu Schwere Bau konstr uktionen als unverm eid lic h hin zu nehmen ; wenn man d a rü b e r hin w egsieht, daß auch sie die W ir tsc h a ft merklich belasten, so m a g das zum Teil d a h e r kom m en , d aß bei den b a uausführenden U ntern eh m u n g en an dieser Stelle nicht das In teress e auf ä u ß e r s te S p a rs a m keit eingestellt ist; n u r s e h r selten zw in gen P a u s c h a l b a u v e rt rä g e die Bau
leitungen, von ih rer mei st a rg üb e r das g u t e A usm aß in A n spruch g e n o m m e nen Zeit auch noch d e r Ein zelnachprüfung aller A b m e ss u n g e n zu schenken.
Und so sind ge ra d e bei den elektro technischen U n te r n e h m u n g e n A u fw e n d u n gen zustande gekom m en, die man in Z u k u n ft bei. g e s u n d e r W ir tsc h a ft nicht m ehr wird zulassen können. Solche fehlerhafte A u fw e n d u n g e n w u rd e n se h r durch das Ausbleiben eines S ta r k s tr o m w e g e g e s e t z e s wesentlich mit verschuldet, dessen Schutz gegen W illk ür von G e g e n in te re s s e n t e n und G r u n d e ig e n t ü m e r n fehlt, und durch die aus m e h r o d e r w'eniger sachlichen G rü n d e n ein seitig e Be
tonu ng des sogenannten »Sicherheitsgrades«. D er Sic herheitsgrad ist nicht ganz, aber doch so ungefähr der reziproke W e r t de ss en, w as ich m ir g e s t a tt e te für heu te einmal als K räftew irkungsgrad einzuführen. Die schon erw'ähnte U n
sicherheit der ziffernmäßigen Bew ertb arkeit ist beid en G rö ß e n gem einsam , wenn man in allen Fällen die schematisch err e c h n e te dreifa che, fünffache, ja zehnfache Sicherheit ohne w eiteres als M a ß s ta b für die U nwahrs chein lic hkeit eines Unfalls ansieht. Ich spreche da nichts N eues aus. Die e rr e c h n e te n Sicher
heitsgrade ermöglichen eine gew isse A bw endung g r o b e r F a hrlässigkeiten;
a b er sie knüpfen, leider ähnlich wie die »Pferdestärke«, an Begriffe des b ü r g e r lichen Lebens an, die nicht verg leic hbar sind, und schaffen für den Fach
mann g e g e n ü b e r nic htsachver ständigen, dennoch a b er vera ntwortlic hen Stellen oft eine Sachlage, die ihn gera dezu in V erlegenheit bringt. W ie viel
K u b ik m eter Zem ent, wieviel T o n n e n Profileisen, wieviel S tu nden w ertvoller Arbeits- und Bauzeit sind au fg e w e n d e t und nach dem M a ß s ta b von zu ver
zinsendem und tilg endem Kapital d e r Volksw irtschaft b ela ste t w ord en, weil man für Eisenm asten die S tandfestigkeitsw erte h a t bere chnen lassen, ohne die Masten als eingespannte T r ä g e r anzuse hen und ohne Berücksichtigung d e r selbsttätigen Entlastu ng beim Ausweichen u n te r dem, Einfluß des Spitzen
zuges, und trotz dem noch bis zu »zehnfacher Sicherheit« verlan gte!
W e n n eine B ere chnung einseitig ist, können Enttäuschungen nicht aus- bleiben. So ge b e n z. B. schwach ge sp a n n te L eitungen zw ar g erin g e spe
zifische Q uerschnittsbeanspruchung, sie hängen aber, in sbesondere bei kleinen Spannw eiten, kein esw egs betrie bssic herer, schlagen vielmehr zusammen, ziehen Lichtbogen und brennen ab. W ie übel ist es a b e r erst g ew orden, wo w id er
spenstige V e r tr a g s g e g n e r bei d e r H e r g a b e einiger Q u a d ra tm e te r Boden zu g e ringe Spreizung der M astfüße erzw angen! W ie viele auf W unsch der G ru n d besitzer aufges tellte D oppelm aste hab en nachträglich ge g e n A-Maste a u sg e tauscht w erden m üssen! Das letztg enannte Beispiel ist besonders lehrreich, weil es se h r deutlich die Nützlichkeit der Ein führung eines Begriffes so ä h n lich wie »K räftew irkungsgrad« zeigt. Zweifellos kann der Fachm ann den A-Mast spezifisch h öher beansp ruchen als den D oppelm ast, o hne die öffent
liche Sicherheit zu g e fä h r d e n ; d e r A-Mast stellt eben eine Konstruktion dar, die man mit h öherem K rä ftewirk ungsg ra d, also mit g r ö ß e r e m W e r t des Q uotienten T ra g la st/T rag k räfteau fw an d bauen kann, und das fü hrt — wie meist — zu w esentlicher Ersparnis an Rohstoffen. Nun eine Zeit g ek o m m en ist, wo man wohl so ziemlich an allen m aß g eb e n d en Stellen die elektrischen Leitungen als unentbehrliches Wirtschaftsmittel an erkennt, und wo dabei die sparsam e V er
w en dung des Materials sich als vaterländische Pflicht und zwingende N o t
wendigkeit erweist, darf e rw a rt e t w erd en, daß man diese Betrachtungen weiter ausspinnen und e x a k te r ausbauen wird, als ich es hier heute tu n kann.
Zu sp arsam er G ebrauch d e r Baustoffe führt natürlich zu Konflikten mit der g e b ü h re n d e n Beach tu ng des alten W irk u n g sg rad es , der die Leistung mit dem Verbrauch verglich. Denn h oher Leistungsw irkungsgrad ist schwer o d e r g a r nicht mit k n ap p em o d e r m inderw ertig em Material hera uszubringen. Die Elektrotechnik wird trotz der Abkürzungen-M üdigkeit d e r neuesten Zeit das vielsagende W o rt von Inspektor W e n t s k e in Dresd en »Kaze« (Kupfer, Alumi
nium, Zink, Eisen) aus dem Jahre 1914/15 nicht wieder vergessen. Die bei der ungew öhnlich g ro ß e n Sicherheit d e r U nterlagen d e r W id e r sta n d sb e rechnung wirklich exakte W irku n g sg rad b es tim m u n g , die vor 1914 wohl m ehr als 8/ 10 d e r E lektro te chniker zu unbedin gten V ereh rern des Kupfers gem ac ht hat, b ed arf a b er dennoch d e r W eiterbild ung, und zw ar im Sinne einer so rg fältigeren Kritik d e r der Rechnung zugru nde liegenden V ora ussetzungen.
Wen n 1912 von Tro llhättan und von D re sden aus die A usführung von Stich
leitungen in. Eisen empfohlen und dabei ziemlicher W id erspruch ausgelöst wurde, so ist man sich heu te d a r ü b e r klar, daß es auf N ebenle itu ngen s e h r g ut mit Eisen ge ht. Selbst K le in bahnfahrdräht e sind ja ohne überm äßig e Stei
g e ru n g d e r V erluste eingeba ut w o r d e n ; so hat z. B. eine rheinische Bahn bei 7000 M onats-W agenkilo m ete rn im Mittel n u r 0,02 kW -s t Ste igeru ng des Arbeitsverbrauches pro W agenkilo m eter, also nur 3 vH , gem es sen. Die V er
luste durch schlecht unte rhaltene und m angelhaft anliegende Strom abnehm er,
insbesondere Rollen, sind sicherlich erheblich g r ö ß e r . Bei solchen eo ac tungen findet sich die auf d e r H an d liegende E rk lä r u n g für die g e ri n g e ^ein trächtigung d e r Wirtschaftlichkeit o hne w eiteres, w enn man die Betrac un g durch ein Schaubild mit d e r Z eit als Abszisse erläute rt. H a t t e d e r Krä ewir kungsgrad der Statik, und dam it natürlich auch d e r d e r dynam ischen tatijc, g a r nichts' mit d e r Zeit zu tun, s o bezog sich der L e istu n g sw irk u n g s g ra d auf die Zeiteinheit, also die Sekunde, da ja die Leistung gleich Kraft mal G e sc h w in d ig keit ist. D er L e i s t u n g s W i r k u n g s g r a d erschöpft die P r ü f u n g des technischen W e r t e s im m er nur für e i n K o n str u k tio n s e 1 e m e n t , als welches m an in der Kraftwerkstechnik einen G e n e r a to r o d e r einen M o to r anzusehen hat, und für Betriebsb edingungen, wie sie fast nie Vorkommen. D er pro je k tie re n d e und betriebsleiten de In genieur kann mit ih m nicht allzuviel an fan g en un d m uß an seine Stelle den A r b e i t s Wirkungsgrad setzen. S tr e n g g e n o m m e n ließe der sich n u r durch In tegration üb e r die ganze Lebensz eit eines U n te rn e h m e n s fin
den. Wie a b e r in d e r kaufmännisc hen V e rw a ltu n g s w e ise d e r U n te rn e h m u n g e n die abschließende P rü f u n g von J a h r zu Ja h r g e n ü g t, so w ird im allgemeinen auch technisch die Ein teilung in Jahresfristen ausr eichen. Die technische Buchhaltung w ird a b e r an sich ausnahm slo s als Pflicht des ord entlichen Kauf
m annes gelten müssen, und in g e w is s e m G r a d e b edarf sie d esh alb vielleicht eines ähnlichen Z w anges, wie ihn das G e s e tz d e r geldlichen W irtscha ft seit langem auferlegt hat. U nsere V olk sw ir tschaft w ird die ser Nachhilfe nicht en tr a te n können. E rst w en n die E rgebnis se d e r technischen Buchhaltung, die nichts anderes ist als eine Stelle, die A usgaben und Ein n ah m en in noch ändern M aßsyste m en als Mark und P fen n ig bucht, mit d e n e n d e r gew öhnliche n Buchhaltung zu sam m engehalte n w erden, e rg i b t sich für d en Betriebsleiter ein ausreic hendes Bild vom G esund h eitszu stan d eines Betriebes. Die tech
nische Buchhalterei ist natürlich w iederum keine neue E rfindung, wird meist Statistik ge nannt, b e ste h t seit Jahren an vielen O r t e n u nd b r i n g t d o r t ihren N u tzen ; a b e r sie ist nicht, wie sie es sollte, Allgem eingut. Die Möglichkeit, sie durch Schreibin stru m en te, Zähle r und a n d e re I n t e g ra t o re n großenteils selbsttätig zu machen, wird bei weitem nicht g e n u g ausg en ü tzt. O ber
hau p t benütz t man zu w enig die S te igerung des W i r k u n g s g r a d e s intelligenter Kräfte durch E ntlastu ng von mecha nischer Tätigkeit. Doch das n u r nebenbei.
W ä re die technische Buchhaltung Allgemeingut, so w ü r d e n so m an ch e Roh
stoffvergeudungsinstitute längst v ers chw enden sein.
Schelten Sie mich nicht einen Moralisten un d Philister. Ich schließe mich hier nur dem an, was schon oft, wen n auch noch nic ht g e n u g , ausgesprochen wurde. V or wenig en T ag en kam mir g e r a d e das Buch von In g e n i e u r G. L e s t , Muskau, in die Hand, in dem d e r P apie rin dustrie in d ra s tis c h e r W e is e vor
gehalten wird, daß sie in d e r A b w ärm eausnützung nicht sorgfältig genug ist. Dem, was da gesag t ist, müssen auch wir E le ktrote chniker uns anschließen, selbstverständlich auch darin, daß man keine elektrischen Ü b e r tr a g u n g sm itte l einschalten soll, wo nichts zu üb e rtra g e n i s t Es ist sicher zu v e r w e rfe n , wenn eine Fabrik, es w ar das nicht gerade eine Papierfabrik, vom U n t e r n e h m e r ver
anlaßt, zum Speisen einiger kleiner elektrischer (Einphas en-) Öfen einen Dreh- strom -W echselstr om -M oto rgenerato r betreibt. Bei 50 k W Leistung e rg e b e n sich dabei allein an Leerlaufveriusten bei 7000 B en u tzu n g ss tu n d en 84 000 kW -s t
also eine V e rg e u d u n g von rd. 100 t Kohle und all d e m Aufwand, um diese
Kohlen ins Elektrizi tätsw erk zu schaffen. Solche Zahlen sprechen eine ein
dringliche Sprache.
A nderseits müssen w ir allerdings dara n festhalten, daß von vornherein richtig eingeric htete Einzelantriebe, z. B. in einer Maschinenfabrik, einen h ö h eren A rbeit sw irkungsgrad geben als Transm issio nsantrieb , und noch dazu a ußero rdentlic he Erspar nisse an Riemen und Schmiermitteln bringen. Ich nenne zwei M es sungen aus jü n g s te r Zeit und mit neuzeitlichen Maschinen aus
g e r ü s te te n W e r k e n :
1. W erk zeugfabrik, Ansc hlu ßw ert 1500 kW. V erm eid b arer T ra nsm issio ns
verlust 1,3 Mill. kW-st. G e sam tv erb rau ch 3,5 Mill. kW-st. Ausgaben für Riemen jährlich g e g e n w ä r ti g an 200000 M.
2. V erbrennungsm oto renfabrik, 250 k W mittl. Gesamtverbrauch . 165 kW Leerlau fv erbrauch der Transm issio n = 66 vH.
Wen n die Elektrotechnik solche Tatsac hen im m er w ieder registriert, so h an delt sie nicht in ein seitiger Engherzigkeit. Sie leugnet nicht, daß die Besserung unmöglich ist, wenn sie nicht selbst ihr Bestes gibt und — hier dient ihr d e r L e istungsw irkungs grad als Führe r — g u te K onstruktionselemente liefert.
Sie g ib t fe rner ebenso sachlich zu, daß die rein elektrischen V erfahren bei än d e rn Aufg ab en die weitaus unte rle genen sind. So ist z. B. die Sauerstoffge- Avinnung du rch Elektrolyse auch nicht a n nähernd so sp ar sam wie die nach dem
Linde-Verfahren mit flüssiger Luft.
Die richtige A nw endung d e r Lehre vom A rbeitsw irkungsgra d wird- eine
•sehr en ts cheid ende B edeutu ng gew in nen, wenn es sich jetzt daru m handeln wird, u nserer heimischen A rbeit m ißgünstige B estrebungen unschädlich zu m achen. Es erschein t deshal b gebote n, die zahlreichen V e rtr e te r von Refo rm bestreb u n g en im technischen Schulwesen auf die N otw endig keit d e r Erziehung zum A rbeitsw irkungsgrad aufm erksam zu machen. Da der Arb eitsw irkungsgra d sich nicht in n u r a b stra k te r Betrachtu ngsw eise erfassen und bestim men läßt, so kann d e r U nterricht w e d e r der praktischen V o rb ereitu n g noch d e r G r ü n dung auf g e su n d e Ansch au ung entb eh ren . Daß sich in h e u ti g e r Zeit Zweifel e rh e b e n konnten, ob zukünftige Ingenieu re vor dem Studium in d e r W e r k statt g e a rb e ite t haben müssen, ist schw er verständlich. Selbstverständlich a b e r ist natürlich, daß das praktische Ja h r nicht zur Farce w erd en d a rf ; noch w e n ig e r darf es durch unerschwingliche H o n o ra rfo r d e ru n g e n d e r W e rk e solchen Studierenden verschlossen w erden , die nicht in d e r Lage sind, beliebige Sum m e n auszugeb en . Ist also auf die rechtzeitige Bildung der Anschau ung W e r t zu legen, so kann anderseits die hin und w ieder b em erkbar w erdende Ü ber
sch ätzung des n u r handw erksm äßig en K önnens nicht ruhig hin genom m en w erd en. Daß es Vor nicht se h r langer Z e it to n a n g e b e n d e M än n er d e r deuts chen Schiffbauindustrie ü b er sich geb ra c h t haben, die Hochschulbildung leichthin als unfr uchtb ar zu bezeichnen, bew eist, wie sehr sie, mit T ag e sa rb e it ü b er
lastet, d e r Muße entb ehrte n, mit der fü hrende M änner d e r Entwicklung folgen müssen. Wen n auch unsere Ingen ieu re Meister sein sollen, so doch Baumeister
— wie man sie frü h er auch richtig nannte — und nicht nur Werk m eiste r.
W o vom W irk u n g sg rad die Rede ist, wird stets bereitwillig, ja mit einer Art von g e w o h n h e its m ä ß ig e r Ehrfurcht einges tanden, daß die Dampfmaschine, die Dampfturbine , die V er brennungsm aschine und der Ö lm otor von der a ufge
n o m m e n e n W ä rm e nur einen recht bescheidenen Teil dem a n g e stre b te n 2
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Zwecke zuführen. Selb st neuzeitliche K ra ftw erk e verbrau ch en im D urchsc 1 ab Sammelschienen für die kW -S tunde bis zu 8000 kcal und mehr. Bei ä t e r e » stellen sich die W e rt e noch u ngünstig er. In einer und derselb en Sta is festgestellt worden, daß die kW -Stunde e rz e u g t wird in
Kraftwerk I mit 2,66 bis 2,08 k g Steinkohle,
» II » 1,43 » 1,40 » »
» III » 1,45 » 1,39 » »
» IV » 1,38 » 1,14 » »
» V » 0,97 » »
Manchmal wird nur deshalb mit d e n k b a r m an g elh aftem B e la stu n g sfa k to r d e r einzelnen Maschinen —- nicht des K raftw erk es — g e a rb e i te t , weil d i e vorhandenen T ran sf o rm a to re n sich nicht parallel schalten lassen!
W e n n nun g u te Kohle k o s t b a r ist, so spric ht diese praktische E rfa h r u n g zugunsten de re r, die durch Zusam m enschluß g e e ig n e t zue in a n d e r li e g e n d e r W e rk e eine V ergle ichm äßigung d e r T a g e s k u rv e n zu erreic hen suchen. W o die Spitzen nicht ab g e s e n k t w erd en können, w ird d e r mittle re W ä rm e v e rb ra u c h pro kW -s t noch höher, als oben a n g e g e b e n . D aß am arb e ite n d e n W e rk z e u g , also am Drehstah l, B ohre r usw., d e r V erbrauch w e ite r bis auf das D o p p elte und Mehrfache g estieg en ist, ist bekannt. D er W i r k u n g s g ra d b e t r ä g t also 0,05 un d weniger. S l a b y s a g t e : »U nsere N a chkom m e n w e rd e n uns als V e r s c h w e n d e r bra ndm arken!« Das alles klingt s e h r be drü ckend.
Die Nachteile d e r V e rs c h w e n d u n g und die B e str e b u n g e n für die V erb es
se rung des W ir k u n g s g ra d e s d e r W ä r m e k r a f t m a s c h i n e n — das m ö ch te h ie r ein ges chaltet w erd en — dü rf en a b e r in ihrem Einfluß auf die G e s a m t W irt
schaft nicht überschätzt w erd en. Nach N achweisen aus dem J a h r 1915 ü b er d ie K ohle nverw endung im D eutschen Reiche w u rd e n 1911 bis 1914 n u r 12 bis 13 Mill. t jährlich gleich 6 bis 7,6 vH in Elektrizitäts-, G as- un d W a s s e r w e r k e n verbrannt. Dem stehen 80 Mill. t d e r Kok ere ie n und d e r E isenindustrie, 22 Mill. t Selb stv erb rauch des B erg baues, 22 Mill. t d e r E isenbahnen, 20 Mill. t des H ausbrands usw. g eg en ü b er, s. Abb. 2.
W e r sich in m anche n d ie ser Betriebe um g e s e h e n hat, wird sich schnell da
von ü b erzeu g t haben, daß d o rt m ehr h erauszuhole n sein dürfte , als se lbst die vollkommensten V e rbesserungen d e r K ra ftbetriebe erreic hen können . D as ist nun i m A u g e n b l i c k b eruhigend und en ts ch eid en d dafür, d aß man nicht um kleiner Erfolge willen die Arb eit ü b e rs Knie b re c h e n u nd g e s u n d e Entwicklungsmöglichkeiten durch unvors ichtige K ap ita lbela stu ngen e rs c h w e re n soll. Aber auf die lange Bank darf die Arb eit dennoch keinesfalls g e s c h o b e n werden. Denn die V erbrauchsverte ilu ng v e rä n d e r t sich unablässig im S in ne einer stärkeren Inanspruchnahme der Kraftwerke, s o g a r ein e r solchen f ü r d ie Ablösung der D auero fe nbetriebe mit ihrem H au p tk o h le n v e rb ra u c h durc h elek
trisch betrieben e Anlagen. Diese V erschiebung vollzieht sich nicht n u r bei uns, sonder n in vielleicht noch st ärkerem M aße im Ausland
D er W eg e, auf denen man die m angel hafte W ir tsc h a ft zu v e rb e s s e rn sucht, gib t es mancherlei. Ich gedachte bere its der A b w ä rm e v e rw e rtu n g Dies T h e m a ist so viel besprochen un d ist so ausgedehnt, d a ß ich es nicht m e h r u n t e r nehmen mochte, uns dabei se h r lange aufzuhalten. N e b e n nicht allzu vielen, sachgem äßen Pro jekte n und A usführungen finden sich zahlreiche M iß a n la g e »
P L A U D E R E I AUS D ER W I R K U N G S G R A D S C H U L E 11
b M e la ss e g K au tsch u k m K rie g sm a rin e
c S tra ß e n b a h n h K lein b ah n en n Kalk- u n d Q ip s b re n n e re ie n
d S tä rk e i S a lz b e rg b a u o Z u c k e rra fiin te ru n g
e B lei k S alin en p W a ss e rw e rk e
Abb. 2.
Kohlenverteilung im Deutschen Reiche für das Jahr 1913 und stellenweise Verteilung für das J a h r 1914 (schraffierte Flächen) nach einem Bericht d e r
Firma E. F ri e d lä n d e r & Co.
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und irrtümliche Hoffnungen. D urc hgre ife nde Erfolge können n u r in denje nigen Sonderfällen e r w a r t e t w erden , wo d e r W ä r m e b e d a r f nach seinem U m fa n g un d e r Stu nde seines A uftrete ns mit dem K ra ftbedarf in Ein klan g steht, bloße Möglichkeit d e r A b d a m p fv e r w e rtu n g zur R aum heizung im W in t e r e u die F o rd eru n g erreic hbar g r ö ß t e r Brennstoffersp arn is k e in e s w e g s , ist n u r sie es, die zum A bdam pfb etrieb ein er Einzelanlage V eran las su n g gibt, so fü h r t das s o g a r leicht zum G egente il ein er W ä rm e - und dam it einer Brennstoffer - sparnis. Richtige technische Buchhaltung und die J a h r e s w i rk u n g s g r a d -B e re c h nung liefern den Beweis. W o an Stelle eines u n u n te r b ro c h e n e n T ag- und N achtb etrie bes ein auss etzender Betrieb vorliegt, verschlech tern sich die A us
sichten n o c h mehr. Die A nw ärm ungsverluste so lcher A nla gen w e r d e n leicht unterschätzt, ebenso die so nstigen V erlu ste in den Rohrle itu ngen. P r o j e k t
re chnungen führen oft falsche A nnahm en für die Z e it e in ; an Stelle einiger H eizstunden im H e r b s t und Frühling w erden die H e iz ta g e voll e in g e setzt, um auf die bekannte n 200 H eizta g e zu kom m en. M ir hat ein Fall Vorgelegen, wo an einen Betrieb eine G e m ü se tro c k n e re i angesc hlossen wurde.
Die Tro cknere i sollte mit A bw ärm e betrieben w erden, a b e r die Arbeits
zeiten paßte n nie o d e r d e r G e g e n d ru c k b e tr ie b w a r a u s irgend einem G ru n d e g e s t ö r t usw. Dennoch w u rd e am J a h r e se n d e nach Anschluß d e r T ro ck n erei kein M ehrverbrauch an Kohlen g e g e n ü b e r dem V o rja h r nachgew iesen. Man mag diesen Fall als besonders k raß zur V e ra llg e m e in e ru n g nicht zulassen wollen — lehrreich bleibt er dennoch. Auf die Betriebe mit A b w ä r m e a u s nutz ung p a ß t auch die Geschichte, die von d e r W ü rt te m b e r g is c h e n G e w e r b e inspektion erzählt w urd e. Bei d e r Revision ein er Fabrik w u rd e V ersc h w e n dung von Schmieröl im Mas chin enhaus festgestellt. D e r Maschinist erklärte, es käme nicht darauf an, das ganze Öl w ü rd e bei den T ran sm iss io n en w ie der benutzt, ln den Fabriksälen w u rd e auch V e r s c h w e n d u n g festgestellt. Hier sagten die Leute, das schadete doch nichts, es sei ja altes ö l von d e r Betriebs
maschine, das doch v e rw e n d e t w erd en m üßte. Die Gesc hic hte ist in m e h r als einer H insicht beachtensw ert. Auf den Dam pf und A bdam pf p a ß t sie bei sinn
g e m ä ß e r A b ä nderung auch. Mit all dem soll a b er natürlich k e in e s w e g s g e s a g t sein, daß man die A b w ä rm e v e rw e rtu n g nicht mit allen v e rf ü g b a re n Mitteln der Technik da ausb auen soll, wo für sie die Bed in gungen d es Erfolges erfüllt sind. Selbst die Idee der F ö rd e r u n g des Pflanzenwuchs es, die 1915 in D resden experimentell aufgenom m en w u rd e und den N achweis e rbrachte, d aß te c h nische Möglichkeiten vorhanden sind, verd ient alle F ö rderung.
D er zweite Plan für eine Besser ung d e r V erhältnisse wird g e g e n w ä r ti g noch m ehr besprochen. Man sucht den G ew inn in d e r V e rg a s u n g d e r Kohle vor der V erteuerung. Pro fessor K l i n g e n b e r g s ) und D ire k to r K r e y s s i g haben inzwischen g e z e i g t 1), daß dieser W e g n u r g a n g b a r ist, wenn man sich nicht auf verm in derte , sondern auf verm ehrte K ohlenverarbeitung einrichtet.
Das hieße also den Teufel durch Beelzebub austre ib en, wen n man nic ht als G e g e n w e rt die W ertsto ffe , den T e e r und seine Deriv at e, den Stickstoff, allen
falls auch den Schwefel erhielte. Zweifellos können hie r b e d e u te n d e und te c h nisch hochw ertige U n tern eh m u n g en e rw a rt e t w erden . Sie w e rd e n sich aller
dings w ie deru m nur in G ro ß k raftw er k en verwirklichen lassen.
s) Z. 1918 S. 1. " ' “
•) V o rtra g in d e r V e re in ig u n g d e r E le k triz itä ts w e rk e .
Die Einzelanlagen mit Ölmaschinen bilden eine dritte Art d e r Bestr ebun
gen. Ihre V orzüge und Nachteile sind bekannt. Ihre Entwicklung für o r t feste Anlagen ist durch gew isse ält ere Fehlschläge bei dem Versuch, in die G r ö ß e n o r d n u n g a n d e re r Kraftwerkm aschinen einzutreten, und durch die Ereignisse d e r Zeit un leu g b ar so beeinflußt word en , daß sie für die Allge
m einw irtschaft fürs erste noch nicht entscheidend zu w erd en scheinen.
Wie selbstverständlich fügt sich da d e r A usbau d e r W ass erkräfte (Abb. 3) in den Plan d e r G esam tw irts chaft ein. Bei w eisem Ausbau und richtiger V e rte i
lung d e r T ilgung auf eine g e n ü g e n d e Zahl von Ja h r e n ergeben sie auch f ü r unsere deutsche W ir tschaft solche Z ahle nw erte, daß im Streite dere r, die Einzelkraftwerke wollen, mit d e nen, die G ro ß k raftw erk e b e fürw orten, die W a g e unzweifelhaft noch m e h r der Seite d e r letzteren zuneigt. Die S taatsreg ieru n g en haben d a h e r auch so ziemlich auf der ganzen Linie die O rg anis ation d e r Landeselektrizitäts
v ersorgungen aufg e n o m m e n ; sie w e r den die J ah resw irk u n g sg rad srech n u n g zu schätzen wissen. Die bei den P r o jekten für elektrische Starkstrom straßen
— nach Landstraße, Eisenbah n, Ka
nälen das vierte S tr aßensystem — in d e r Rechnung erscheinenden T r a n s portleistungen beziffern sich h e u te nach h u nderten von Mil.ionen von Kilowatt
s t u n d e n ; d e r entspre chende V erb rauch erscheint durc haus gesichert. Mit diesen Verbrauchszahlen w erden S tr o m straßen bei 100003 Volt Spannung und g e n ü g e n d e n Leistungsw irkungsgra d möglich. Selbstverständlich w erd en es vorw ie gend Leitungen aus Aluminium se in ; etw aig e Reste von Vorurteilen
g e g e n dieses Material w erden bald ganz verschwinden. Durch g e e ig n e te V er
bindung von W asser, Gicht- und Kokereigas, hochw ertiger und m i n d e rw e rt ig e r Kohle wird die unerläßliche Bereitstellung preisw erter elektrischer A rbeit Wirklichkeit w erd en — und in den g r o ß e n Kreis d e r E lektriz itä tsverbraucher w erden die Vollbahnen nicht n u r wie bisher mit W erk s tätten und Bah nhofs
betrieb, sondern auch mit der Z u g fö rd eru n g eintreten, wahrscheinlich ü b e r den auf d e r Lokom otive mitg eführten T ra n s f o rm a to r und Dampf- oder Glüh- kathoden-Gleichr ichter mit Gleichstrom arbe ite nd. Das wird dann einen will
kommenen N achtv erbrauch geben. D rehstrom oberleitung mit U n terbrechung einer Phase in Weichen und Bahnhöfen wäre dabei möglich, die F rage d e r Pe'riodenzahl ist im wesentlichen gelöst.
30 28
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□
rorhanc/eneJ
K Wasser -
9
ausgenutzfe\ Kräfte(ü >2 «u
§5$ § 1-^
^ ^
Jb tfcg» Abb. 3.
A usnutzung der Wasserkräfte.
14
Dieses S tr o m tra n s p o rts y s te m wird aber n u r zu entwickeln sein und a r b e i t e n können , wenn das V erständnis für die höchste A usn u tzu n g ü b e r die K re is e d e r engeren Fachw elt hinaus dringt. Die Fachw elt, die d i e s e N o t w e n d i g k e i t e r k e n n t u n d a u s s p r i c h t , will sich nicht aufdrängen, sie ist w e it davon entfern t, mit reklam ehaften M itteln S tim m ungen w a c h ru fe n zu wollen,, die eig ennützig en In teressen Befriedig ung vers chaffen sollen. Es g e h t uro h ö h e re Ziele und um dere ntwillen ist zu w ünschen , d aß im R ahm en d e r s o g e nannte n allgem einen Bildung auch einige Kenntn is von dem w a h r n e h m b a r wird, was bei d e r zukünftigen V olk sw irtschaft zum V erständnis w e n ig s t e n s de r elem entarsten technischen V o r g ä n g e 'n ö t i g ist. M it der im Krieg von g e wissenhafte n In genieure n g e f o r d e r te n und den F o rd e r u n g e n des A ugenblicks g e m ä ß stellenweise und zum Teil m it gelindem Z w a n g b e g o n n e n e n E r
zie hung zum W ir k u n g s g ra d w ird fo rtz ufahren sein. G e d ie g e n e volkstümliche Belehru ng w ird die Keime w eiter e n tw ic k e ln ; hier kann es kaum ein Zuviel g e b e n ; freilich ist auch das Beste g e r a d e g u t g e n u g . F ra n k f u rt a. M. b ie te t bereits schöne Lehrbeispiele dafür, wie v o rzugehen sein wird. D aß dabei d e r Kunst des eigentlichen Fachman nes ein dile ttantisc her W e t t b e w e r b e rw a c h s e n und ihm das Leben ers chw eren kö nne, ist nicht zu fürch ten. D e r G eist de,r Technik ist — selbst M ephisto pheles wird es nicht bestreiten k ö n n e n — doch, nicht so leicht zu fassen. W issen w ir H ochschullehrer doch, wie sc h w e r es- ist, durch vierjä hrig es inten sives Studium den an g e h e n d e n Fachm ann a u c h nur das N ötigste zu lehren, obw ohl in den. vier J a h r e n wirklich g e arbeitet wird.
Anderseits — wie stellt sich denn je tzt die D urchschnittsfortbildung des.
G r o ß s t ä d t e r s ? W e r eine Reise tut, o d e r w e r se lbst n u r die S tr a ß e n b a h n b e nutzt, kann da W underlic hes erzählen, selbst in d e r Z eit des »Spart P apier«.
W i e n u t z t d e r D e u t s c h e t o t e S t u n d e n a u s ? W a s w ird z. B. g e le sen? W a ru m findet man auf ke in er B a h n hofsbuchhandlung die k le in e n Bändchen aus Natur- und Geistesw elt o d e r d e r G ö sch en sam m lu n g un d äh n lic h e r g u t e r U nte rnehm en, die zur Selb stfor tbildung in wic htigen D in gen ebenso»
nützlich wie zur ernste n U n te rh a ltu n g g e e ig n e t sin d ? W a r u m stellen wir u n s im allgem einen so w en ig auf höheren Selb s tw irk u n g s g rad ein?
Vielleicht bedarf es v e rm e h rte r Anregung. Vielleicht sollte m an daraufhin, wirken, daß, je h ö h e r die materielle E ntl o h n u n g g e r i n g w e r t i g e r e r L e istu n g s
fähigkeit steig t und diese sich d aher in den V o rd e rg ru n d schiebt, desto stolz er und fe s ter sich d e r Ring d e r Einsichtigen schließt, die mit s t r e n g e r e r S e lb s t
p rüfung auf E rhaltung und Fortbildung w ahren K önnens dringen. Ü ber W i r kungsgrad und W ir tschafts w ahrheit w ird e r si n n e n ; W ah rh eit, die, w en n s i e auch wohl dem Augenblick unbequem w erden mag, doch d e r Freund d e r Z u ku nft ist, sofern sie an Stelle von S u rr o g a t und Fälsch ung Ala te ria ltreue u n d E chth eit setzt. Ingen ieure als Erzieher! G ib t es doch u n te r ihnen zum G lü c k Idealisten gen ug.
REKL AME U N D T E C H N I K
REKLAME UND TECHNIK.
f o n D ip l. m erc. RUDOLF SEYFFERT, D ir e K to r ia la ssiste n t u nd A b te ilu n g s- V orsteh er am B e tr ie b s w is s e n s c h a ftlic h e n In s titu t M annheim . H auptz w eck d e r Reklame ist die E r r e g u n g der A ufm erksam keit; es soll d a s In teresse für b e stim m te Sachen o d e r Personen wach gerufen werden. Das kann unbeabsich tigt, u n b e w u ß t geschehen. Diese Form der Reklame ist die indirekte. In d e r Regel wird ab e r die Aufm erksa mkeit b e w u ß t auf eine Sache o d er Pers on g e le n k t: die direkte Reklame. U rsache d e r Reklame ist meistens
•der Wunsch, einen g rö ß e r e n geschäftlichen Erfolg zu erreichen. Diese Form, die dem E rw erbszw ecke dient, ist die geschäftliche Reklame. Andere Motive können z. B. pers önlicher Ehrgeiz, soziale, politische o d er k ü n s t
lerische B estr ebungen sein. W e n n im folgenden von Reklame die Rede ist, s o ist stets die geschäftliche Reklame d a ru n te r zu verstehen.
Wie jede wirtschaftliche Erscheinung so hat auch die Reklame ihre G e schichte, die en g mit d e r wirtschaftlichen Entw icklung ve rk nüpft ist. Der
Zun ftm eister, d e r den Bedarf seiner M itb ü rg er befriedigte, hatte es nicht
■nötig, ihnen seine Erzeugnisse besonders anzupreisen, selbst wenn ihm dies d ie engen Bestimm ungen d e r Z u n ft g e s t a t t e t hätten. Er und seine Leistungen w aren den A bnehm ern b e k a n n t; er h atte seinen gesicherten Anteil an der Pro duktio n und d aher keine Veranlassung, die A ufmer ksamkeit d e r A bnehmer d u rch besondere M aßnahm en auf sich zu lenken, zumal er fast g a r nicht auf V o rra t arbeitete.
T rotzde m finden wir die Reklame schon zu Zeiten der S tadtw irtschaft und Feu dalherrschaft vor, und zw ar bei dem fahrenden Volke, das auf Jahrm ärkten u n d zu Festzeiten durch seine Künste den B ürger unterhielt. Bei diesen G auklern, Seiltänzern und Schaustellern k o m m t ein G esichtsp unkt hinzu, den
■der ehrsam e Z unftm eis te r in seiner durch umfängliche Bestimm ungen g e sc hützte n fast beamtenähnlichen Stellung nicht k a n n te : d e r des freien W e t t b ew erb es. D ra ußen vor dem T o r e auf d e r Sta dtwiese hat d e r den g rö ß ten Zulauf, d e r am mei sten die M enge an sich zu fesseln versteht, und so sehen wir schon zu Zeiten, die das W o r t vom freien Spiel d e r Kräfte noch nicht kannte n, die Reklame als Mittel zur E rre g u n g der A ufmer ksamkeit sich viel
a r t i g entfalten.
Mit d e r Ein fü hrung der G ew erb efre ih eit, d e r fab rik mäßig en H erstellung d e r W are n, d e r neuzeitlichen V erkehrsentw icklu ng se tzt dann je ner W e ttk a m p f d e r P roduzenten ein, der die Entw icklung so gew altig v o rw ärts trieb. Jetzt kennt d e r V erbraucher in der Regel den E rzeu g er nicht m e h r ; d e r V erkäufer h a t sich seinen A bnehm er zu suchen, er muß sich d a h e r bemühen , die A ufmer ksamkeit auf seine Erzeugnisse zu lenken. Je m ehr es ihm gelingt, seine W are n bekannt zu machen, um so g r ö ß e r ist sein Umsatz, um so reichlicher sein Verdienst. Die M aßnahm en, die die Aufmer ksamkei t auf die eigenen E r
zeugnisse zu lenken hab en , sind Rek lam e; diese w ird dabei zum wichtigsten Teil der V ertriebstechnik, und beso nders einige neuzeitliche Betriebsformen können ohne Reklame überh au p t nicht bestehen. W ir wollen sie kurz b e trachte n, weil an ihnen am besten g ezeigt w erd en kann, un te r welchen V o r
a u ss e tz u n g e n die Reklame als Vertrie bsm itte l erforderlich ist.
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Die zunehmende Indus trialisier ung mit d e r d ad u rch b e d in g te n Konzen
tration der Bevölk eru ng in den S tä d t e n schuf g r o ß e Bedarfszentren kaufkrä t i g e r und kauflustiger Massen. F ü r diese w u rd en neben den g e w öhnliche n offenen L adengeschäften G ro ß b e tr ie b e des Kleinhandels, die W a re n - und K a u fh ä u s e i, einger ichtet, die auf N achbar- und Laufkunden verzichten können, da sie in d e r Reklame das Mittel hab en, die M asse n anzuziehen. Ihre g a n z e O r g a n i sation b a u t sich auf d e r Reklame auf. Ihr dient d e r palas tartige G e sc h ä ftsh a u s
bau, ihr dienen die täglichen Zeitungsanzeig en, die ganze S eiten bed ecken, ihr dienen die zahlreichen Sonderv orte ile, die d e r Kauf im W a r e n h a u s e bietet.
F ü r Zeiten schw achen Bedarfs w erden mit g r o ß e m R eklam eaufw ande b e s o n d e r e V erkaufg elegenheiten e in g e f ü h rt: W eiß e W ochen, Sonderverkäufe, A usv er
käufe usw.
W ä h re n d das W a re n h a u s die S ta d tk u n d sc h a ft durc h Rekla m e an sich zieht, w en d et sich das V ersan d g esch äft mit e n ts p re c h e n d e n Rek la m emitteln an die Bevölkerung d e r kleinen Städ te und des Landes und se tzt hie r auf G ru n d seiner Kataloge , g e stü tz t auf das 5 kg-E in h eits p o rto und die N a c h n a h m e e in richtung, seine W a re n ab.
Diese beiden Betriebfor men des Kleinhandels, W a r e n h a u s u n d V e rsa n d geschäft, können infolge ih rer hohen U nkosten bei niedrigen V erk aufp re ise n nur bei s e h r g r o ß e m U msä tze b e ste h e n , den zu erzielen A ufgabe d e r Reklame ist. Sie dienen beide d e r G ü te rv e r te ilu n g , ihnen s t e h t die M ar kenartikelf abrik g eg en ü b er, eine B etriebfo rm d e r Pro duktio n.
Beim Marke nartikel wird von d e r richtigen V o ra u sse tz u n g a u s g e g a n g e n , daß d e r Käufer lieber eine ihm schon b e k a n n te W a r e w ie d e rk a u f e n wird als eine, die zw ar dem gleichen Zwecke dient, ihm a b e r in ihren besonderen Eigenschaften noch fremd ist. U m dieses W ie d e r e r k e n n e n d e r schon g e habte n W a re zu ermöglichen, wird d e r Fabrikant seine E rzeugnisse kenntlich machen, wozu Warenzeichen, Sch utzm arken , M a r k e n n a m e n o d e r F irm ennam en dienen kö nnen . D er Käufer b ra u c h t dann nur eine W a r e mit den ihm b e kannte n
Merkmalen verlangen und hat die Sicherheit, daß bei gleichem Preise d e r g e kaufte G e g e n s ta n d g e n a u die gleiche G ü te und A u s fü h ru n g wie d e r frü h er
eingekaufte hat. Es ist Aufgabe des Erzeugers, d afü r zu so r g e n , daß seine Marke bei dem Käufer nicht in V e rg e sse n h e it g e rä t . H ie r s e tz t die M arken
artikelreklame ein, dere n H a u p ta u f g a b e darin b e ste h t, dem Publikum im mer und im mer w ie der bestim mte M arkennam en ein zu p räg en un d so n a chdrück
lich im Gedächtnis zu veran kern, daß ein b e s t im m t e r W a r e n b e g r i f f im m er mit der entsprech en den Marke fest v erb u n d en w ird und man z. B. bei Fleisch
extr akt unwillkürlich an die Liebig-Marke, bei M u n d w a s s e r an O dol, bei Suppenwürfel an M aggi denkt. Diese nachhaltige W i r k u n g d e r Reklam e läßt sich nur erzielen, wenn sie sich bei einer Firma auf einen o d e r auf g a n z wenige Artikel beschränken kann. Schon aus diesem G r u n d e ist die M a r k e n artikelfabrik auf die Massenhers tellung einer b eschränkten Zahl von M a s s e n artikeln angew iesen, was bei technischer E rz e u g u n g zur T y p e n b ild u n g fü hren muß, über die weiter unten n äheres zu sagen ist.
D er normale Absatz der Erzeugnisse erfolgt durch V erm ittlung der Klein
händler, die oft nicht g ern g e w ä h r t wird, da d e r Detaillist an m ar k en lo se n W aren ohne festg esetzte V erk aufs preise m e h r verd ienen kann. Deshalb sind schon eine ganze Reihe Marke nartikelfabriken dazu übe^gegangen, eig ene
Verkaufstelfen zum unm ittelb aren Verkauf an den letzten V erb rau ch er einzu
richten.
Betrac hten w ir nun den Anteil, den die Technik an den R ekla m ebetrieb
formen hat. Es k o m m t dafür n u r die Markenartikelfabrik in Fragte, da sich die ändern g e n a n n te n Betriebfo rmen nur mit dem Vertrieb, nicht aber mit der
H ers tellung d e r W a re n beschäftigen.
Mit U nrecht wird der Begriff Markenartikel in der Regel mit einem h a n d lichen, einfach gebildeten und nicht besonders w ertvollen Stück W a re v e r
bunden, wie es etw a ein P aket Seifenpulver, eine Flasche M undw asser, eine Schachtel Z ig a re tte n ist. D er Begriff ist vielmehr ein viel w eiterer, er u m faßt alle Erzeugnisse, die nicht anonym, sondern unte r einem bestim mten Namen auf den M arkt g e b ra c h t werden. N u r insofern ist an d e r erw ähnte n Beschränkung etw as Richtiges, als unte r M arkenartikeln im e n g eren Sinne solche Erzeugnisse zu vers te hen sind, die unte r ihrer Marke nur in einer immer gleichen Ausführu ng in stets gleicher O ute und zu gleichem Preis angebote n w erden, w ä hrend bei den M arkenartikeln im w eiteren Sinne u n te r einer Marke oft eine ganze Reihe Einzeltypen z usam m engefaßt sind, die sich sehr wohl durch A usführu ng, Eigenschaften und Pre ise unterscheiden.
Die Technik kennt in der H auptsache solche Marke nartikel im weiteren Sinne des Begriffs. Glühlampen, Schreibmaschinen, Rechenmaschinen, F ah r
räder gehören mit vielen andere n hierzu. Bei diesen technischen E rz e u g nissen steht bei d e r N am e n g e b u n g d e r M arke die W a re im V o r d e r g r ü n d e : Osram -L am pen, Ideal-Schreibmaschinen, Archimedes-Rechenmaschinen, Adler- Fahrräder. U n te r dies er Marke, die in der Regel eine Eig en schaft d e r W are besonders h erv o r h e b t o d e r Phanta sie nam e ist, w e rd e n verschiedene T y p en verkauft, die unte rein ander g ro ß e Ähnlichkeit haben und sich e tw a nur durch Lichtstärke, W a g e n b re ite , Stellenzahl, Lenk- und B rem svorrichtu ng un te r
scheiden. D e r Käufer kennt, gleichgültig welchen U n te rty p o d e r welches M o dell er kauft, die wesentlichen sich im m er gleichbleibenden Eigenschaften solcher M arkenw are n.
O ft finden w ir nun in d e r Technik den Firmen nam en od e r seine Ab
kürzung als Marke benutzt, so bei K raftwagenfabr iken, Maschinenfabriken.
In diesem Falle leistet der M arkennam e nur die G e w ä h r, die durc h die T a t sache d e r H erstellung in einer bestim m ten Fabrik g e g e b e n ist. Über die Eigenschaften des Erzeu gnisses ist dam it nichts w eiter gesagt, als daß es in (der Konstruktion a u sg e f ü h rt sein wird, die bei dem betreffenden W e rk e üblich ist. Da die Fabriken sich in Einzelheiten beim Bau ihrer Erzeugnisse, wie M otorw agen, Dreschmaschinen, Lokomobilen, Spezialmaschinen, erheblich u n terscheiden, gib t auch hier dem kun dig en Käufer der M arkennam e wichtige Anhaltspunkte.
F ast alle diese Fabriken, die unte r M arkennam en — sei nun die Firma benutzt, sei es ein Phantasie- o d e r Sachnamen — hersteilen, setzen ihre E r
zeugnisse teilweise o d er ganz an Kunden ab, die ein technisches Erzeugnis nur nach längerem G ebrauche beurteilen können und die d aher sich beim Kaufe auf die Angaben verlassen müssen, die ihnen ge m a c h t w erd en. Hier hat die Reklame einzusetzen, um aus der M enge d e r M itb ew erber das eigene Fabrikat hervorzuheben und seine V orzüge so zu j w r t g f ^ ä « l i e n , daß der Käufer, d e r w e d e r die eine noch die andere K onstruktion sachgem äß beur-
A B H A N D L U N G E N
teilen kann, gew o n n en wird. H a t dieser a u ß e rd e m schon fr üher, noch e h e bei ihm Bedarf entstand, den betr effenden M a rkennam en infolge d e r Reklam e oft gelesen, so verbindet sich mit diesen M a rk en n am en d e r Begriff des Be
kannten, V ertrauten. Und wenn u n te r gleichen B ed in g u n g en zwischen Be
kan ntem und U nb ek an n tem die Wahl gestellt ist, so ist das E rg e b n is leicht vorherzusagen. Das schon Bek an nte ste h t n äher als das an d e re und w ird d a h e r bevorzugt. So hat die Reklame für den Fabrikante n auch g a n z allgemein und nicht n u r dem augenblicklichen Interessente n g e g e n ü b e r W e r t , denn jeder
beute nicht In tere ss ie rte kann späterh in einmal Käufer w erden .
Ein g r o ß e r Teil d e r technischen Betriebe hat jedoch mit A bnehm erkreisen zu rechnen, die sehr wohl die B auart und Leistungen eines technischen E rz e u g nisses beu rteilen können. So die W e rk e mit staatlic hen A u ftr äg en wie die der R üstungsin dustrie, W a g g o n b a u a n s t a lt e n , w eiter W e rf te n , viele M aschinen
fabriken usw. Diese Firmen w erd en ihre A b n e h m e r nicht erst durch Mittel der Reklame auf ihr V orh andensein hin w eis en müssen, da diese technisch g e b il
dete n Käufer auch eine en ts p rech en d e Kenntn is d e r Bezugquellen haben.
D e r W e tt b e w e r b d e r W e rk e u n terein an d er ist natürlich eb en so g e g e b e n , n u r k o m m t es hier nicht darauf an, eine kritiklose A b n e h m e rs c h a ft mit allen Mitteln auf ein bestim m tes Fabrikat hinzuweisen, so n d ern es m üssen technisch g e bildete Kreise durch b eso n d er e L eistungsfähigkeit o d e r Billigkeit von der Z w eck m äß ig k eit eines Kaufabschlusses ü b e r z e u g t w erd en. Die dabei g e b r a u c h ten Mittel d e r V ertr ie bstechnik u n te rscheiden sich wesen tlich von den allge
mein üblichen d e r Reklame, die im m er e tw a s Schem atisches, a u f die g r o ß e Masse Berechnet es haben und die d a h e r für die individuelle B ehandlu ng, die fachlich g ebildete G r o ß a b n e h m e r verlan gen , w e n ig g e e ig n e t sind. D am it soll nicht g e s a g t sein, daß die Reklame p e rsönlichste r B ehandlu ng w iderstrebt, sie kann durc haus individuell vorgehen, n u r ist zur Z e it dieser Z w e ig d e r Reklamemittel noch sehr unvollständig entwickelt, w ä h re n d die Reklame, die sich an viele auf einmal w en det, wesentlich b e ss e r und vollständiger durc h
gebildet ist.
Ein b e sonderes Intere ss e, die M asse zu treffen, ha b e n die Betrieb e, die nur mit Fachleuten ve rk ehren, nicht. T ro tzd e m b enutz en viele die G e leg en h eiten , die sich bieten, um in oft recht g ro ß z ü g i g e r a b er m eist w enig wirtschaftlicher Weise repräsenta tiv e Reklame zu treiben. So finden w ir in Zeitschrifte n und Zeitungen die bekannte n ganzseitigen Anzeigen der Schw erin dustrie, bei denen Hie recht das Ein rü ckungsmotiv zu erkennen ist. W e n n z. B. E h r h a r d t vor dem Kriege im »Kladderadatsch« Fli eg erab w eh rg esch ü tze auf P a n z e rk r a ftw a g e n aazeigte, so h a t natürlich nicht die Absicht bestanden, F lu g a b w e h rk a n o n e n an W itzblattleser zu verkaufen. W o h l a b er w u rd e durch die Anzeig en d e r N am e des W e rk e s den Lesern vertrau ter, und die angezeigte n Spezialgeschütze er
weckten zugleich die Vorstellung, daß die inserierende Firma A u ß e r g e w ö h n liches leiste.
Es ist die Reklame solcher Betriebe als w enig wirtschaftlich bezei ch net worden. D a ru n te r ist zu v ers teh en : w enig wirtschaftlich für die einze lne Firma, da mit den gleichen Ausgaben eine viel nachdrücklichere Rekla m e g e trieben w erd en könnte. D erartig e W e rk e sind g e w ö h n t, mit s e h r G r o ß e n Zahlen zu a rb e ite n ; sie statten d a h e r auch ihren R ekla m eeta t mit ein er ihren Millionenumsätzen ents prechenden überreichlichen Ziffer aus, die oft von