sclsl LWISEL ZUM
WEL GEICHEIIEN
Monat-beste fürNatur und Kultur in ihrer kosmischen Verbundenheif
1929 5.Jahrgang Heft 7
ZEUTSPITEGEL Es istgewißlich verdienstlich, eine ttAstronomie zum Gebrauchan den oberenklassenderhöherenSchulen,fiir jüngereStudierende und zum Selbst- ftudium« herauszugeben,wiediesgegen- tvärtig zwei
ckladt undSeitz ,getanhaben.(Ver- lagvon Adolf BonzsrCo.,Stuttgart 1929).Dauns dasWerk zurBespre- chungzugegangen ist,anUmfang nichts ZUwünschenübrig läßtundschließlichan
sicheineempfindlicheLiicke unseresSchul- fchtisttumsausfüllen müßte, habenwir esumsolieber etwas genauer unter die LUpegenommen.
MethodischistdiesiebenteiligeAnlage wohlhöchst glücklich gelöst,und auch über dieAufteilungin247Teilabschnitte könnteman aus pädagogischenRücksichten hinwegsehen.Unsinteressiertevor allem diemöglicheBehandlungderWelteislehre gerade indiesemzum Schulgebrauchbe- stimmtenBuch. Da entdecken wir nun einenAbschnitt,dersichmit den»Ros- Mogonien des Sonnenskstems« befaßt (S.183ff.). DemAbschnitt istdasso- kratische Eingeständnis: »Ich weiß, daß Schlatterv,(13)
fchwäbifche Studienräte;.
ichnichts weis3«,als Motto vermerkt, und am Schlusse heißtes zusammen- fassend, daß »zurzeitkeinederbesproche-
nen HypothesendieAufgabe erfüllt,die obenaufgezählten Gesetzmäszigkeitendes SonnensYstems einwandfreizuerklären'«.
Hiergegen ist nichts einzuwenden. Wenn man allerdingsliest,wiedieHerrenVer- fasserdieWelteislehrezuinterpretieren belieben,dann darfman getrost sagen, daßuns einesolche Welteislehreauch davon abhaltenwürde,irgendetwas da- mit zuerklären.
Gegenüberanderen kosmogonienwird dieWelteislehrehiernur inKleindruck andenSchluß gestellt.Esverlohntschon, diesen Abschnitt177vollständig hierher- zusetzem»Jnneuerer Zeit machtdieso- genannte Glazialkosmogonievon Hörbi- ger und Fauthbesondersviel von sich reden. SieschreibtdemEiseineHaupt- rolle im Aufbaudes Kosmos zu. So sollz.B.das SonnensYstemdurch das Eindringeneines riesigenEistörpers in dieSonne entstanden sein. JnderGlut- hitzeder Sonnengase verwandelte sich dasEis inWasserdampf,derschließlich
193
Zeitspiegel
eineExplosionder Sonne verursachte.
Die dabei ausgefchleudertenGasmassen derSonne sollen sichdann zuPlaneten verdichtet haben.Wiesich allerdingsaus diesemVorgangdieheutigen Gesetzmäßigs keitendesSonnensYstemsentwickelt haben sollen, vermögendieVerfassernicht zu erklären. Ueberdies setzen sie sichbeider Durchführung ihrer Theorie oftüberbe- obachteteTatsachen und grundlegende Uaturgesetze hinweg.«Alsogeschrieben imJahr 1929.
Man mag Verständnis fürdenwür- zigen Humorder hinlänglichbekannten Schwabenstreiche haben. Vielleichtwollten dieHerrenVerfasser diese Streicheum einen weiteren vermehren,was an sich ratsamwäre,aufden Faschingzube- schränken;denn dastörtsauch schließlich dergepseffertsteUnsinnnicht. Umsobe- denklicher istes aber,in einem Schul- buch,das Anspruchs erhebt,ernst genom- men zuwerden, derartig törichteUnter- stellungen aufbereitet zu sehen. Die Welteislehre istdenVerfasserneinBuch mit sieben Siegeln, wiewohlman gar nicht erstdenVerdachtaufkommen lassen möchte,von einer bewußt geübten Dächer- lichmachungder Glazialkosmogoniezu reden. Wir fordern jedenfalls brieflich beideVerfasser auf,uns Aufklärungüber dieseArt Jnterpretierung der Welteis- lehrezugebenund stellen ihnen anheim, sichim»Schlüssel«dazuzuäußern. Ganz abgesehendavon, obsiediese Entgleisung nun einsehenund entschuldigenddoku- mentieren, gestehenwir. ehrlichein,zu sagen,daßdas Buchsonstim allge- meinen keine derartigen Entgleisungen mehr enthältund methodischgeradein denerstenvier Teilen nur gutgeheiszen werdenkann.
Einweiterer Punktgeht Herrn Prof.
Hummel aus Gießenan, der dem größtenTeilunserer Leser ja nicht mehr 194
ganz unbekannt ist. Erhatte seinerzeit in durchaussachlicher Weiseum Klar- stellung gewisser, seiner Ansicht nachbe- stehenden WidersprücheimRahmenwelt- eislicher Erörterungen gebeten,und so- wohlDr.Pla s chealswirselbst haben ausführlich darauf geantwortet (vgl.
»Schlüssel«l.Jahrg.1925, S. 254bis 269). Desweiteren hattenwir inun- seremWerke »Planetentod undLebens- wende« (S. 350und S. 555) aufden Mangel einer irgendwie genügenden SachlichkeitbeidenHummelschen Gegen- argumenten hingewiesen.Eswäre nun
erfreulich gewesen,wenn dieDiskussion einen befriedigenden Fortlauf genommen hätteundHerr Prof. Hummel insbeson- dereseinerseitszudenebengekennzeich- neten Ausführungen von glazialkosmos gonischerSeite Stellunggenommen hätte.
Dastaterabernicht, sondernteilte uns
vor beiläufigdrei Jahren mit,das-Zer ssBessereszutun habe«,alssichumdie Welteislehrezukümmern (vgl. »Schlüssel«
L.Jahrg. 1926, S.145).
Herr Hummel istaber diesemEntschluß nichttreu geblieben,und es schien ihm ratsamzusein, neuerdings in ziemlich unveränderter Auflage nochmalszuwie- derholen,was er bereits vor mehreren JahrenzurWelteislehrezusagen hatte.
Es geschahdies ineinem Vortrag (6.
Z.1929)im Rahmen des Hamburger Uaturwissenschaftlichen Vereins. Herr Prof.Dr.von GeYsowar soliebens- würdig,inunserem JnteressedemVor- trag anzuwohnenund uns unmittelbar nach demVortragWesentlichesdaraus zuberichten.DemnachwäredieGlazial- kosmogonieimHummelschenSinne ein RückfallinKosmogonien,wiesolchevor
hundertund hundertfünfzig Jahren auf- tauchten. Das überrascht schon einiger- maßen,denn wenn es auchdem Chro- nisten derUaturforschung geläufig ist,
Zeitspiegel
daß manchguterGedanke aus dieser Zeit wohlwert ist, wieder hervorgeholtzu werden unddies auchseitensderFach- fOrfchungreichlich geschieht, so istesein schongefährliches Unterfangen,diedurch- aus originelle Suprematie der Glazial- kosmogonieinihrer Gesamtheitmitir- gendwelchen Spekulationenderdamaligen Zeit aufeine Stufestellenzuwollen.
Dannsoll sichdieWelteislehreaus dem ppZUgderZeit«erklärenlassen,dersich mehroderminder gegendieWissenschaft wendet. Gewiß, Herr Hummel, dieser ZugderZeit istda,erwendet sichaber nichtgegen die Wissenschaft, sondern gegen Mentalitäten und Sackgassen der Wissenschaft,was ihren befähigstenVer- tretern längstklar geworden ist. Wir sindjederzeitgern bereit,HerrnHummel denUachweis dafürzuerbringen,inson- derheitaus demSchrifttum auchseiner geologischen Berufskollegen. Sollte aber Herr Hummelmit demZuge derZeit StrömungenimAuge haben,derenOber- flächlichkeitenauchwir verurteilen, so wärenwir ja einig,abermit derWelt- eislehrean sich hatdasnichtszutun.
Die schlagwortartigeBetonung welt- eislicher Unwissenschaftlichkeitstörtuns heutelängst nicht mehr,denndasglaubt keinernstzunehmender Gelehrter mehr.
Herr Hummelbetonte,nur als Geologe sprechenzukönnen, und dageologischbe- trachtetdieGrundprinzipien derWelteis- lehreals verfehlt anzusehenwären,wür- denauchalleihreanderen Konsequenzen hinfälligsein. Jst Herrn Hummelbekannt, daß diese Scheuklappenmusik gerade auch nur wieder diebesten unserer Gelehrten hinlänglichverurteilen?
DerOzeanmüßtejährlichZO cm stei- gen,Wenn eineEiszufuhkaus demKos- mos wirklich bestünde.Dauns derOzean diesen Gefallen aber nicht erweise, stimmte eben die ganzeVoraussetzungder (13’«)
Welteislehrenicht;denn aucheineVer- sickerungvon Wasserwäreunmöglich,da dieErdporen schon längst ausgefülltsein müßten.KenntHerr Hummelzum min- desten auchberedte Facharbeitendeshy- drologischen Schrifttumsnicht,die anders werten,undistihmunbekannt,wieviele Geologengeradediegehäufte Problem- summeanerkennen, dieum dieirdische Wasserhaushaltsfrage webt? Jst ihm auchunbekannt,daß sich bedeutsameGeo- logen, um nur Keilhackzu nennen, durchausdamit befreundenkönnen,daß dieErdenichtnur mitkosmischem Was- ser,sondern zeitweise auchmit anderen Stoffen, wieetwa demLäß,von außen herinverstärktemMaße gespeistwürde?
Reichliche Ouellennachweise stehenauch hierzuDiensten. Esist wirklichder Sache nichtwert,nun allebereits hin- länglichvor einigenJahren schonzer- streutenAngriffeProf. Hummels noch- mals herauszustellen. (Deltabildung, Erosionswirkungen durchGürtelfluten, Mondkatastrophenusw.) Wir möchten hiernur wiederergänzend auf Fauths Werk»Mondesschicksal«verwiesen haben, das sichjaabSeite 215mit denAn- wiirfenHummels auseinandersetzt,dieer bereits 1924inder»Umschau«undnun genau so wiederholendinHamburgden Uneingeweihten aufzutischenpflegte.
Vieles seiner vorgetragenen Ausfüh- rungen stehtwohlverstanden ja nichtnur im Gegensatzzur Welteislehre, sondern imGegensatzzu neuestengeologischen Anschauungenüberhaupt.Mansolltevon einemGelehrtenerwarten, dieszummin- desten auch zuzugeben.DochkeineSpur eines solches Eingeständnissesistseinen Ausführungenzuentnehmen;statt dessen kommtes vielmehr daraufan,dieWelt- eislehre als »schönen Roman«, als
»Glaube«,als eine »Religion«.als
»Spekulation«,als »Dichtung«undahn- 195
Zeit-spiegel
licheleeren Redensarten abzutun. Da aber,someint Prof. Hummel,dieWelt- eislehre als »Trugbild« gefährlich ist und Spaltung herbeiführtund auchdie TechnikUnter dieserSpaltung leiden würde,so seies notwendig,dieWelteis- lehre nicht totzuschweigen, sondern scharfe kritik an ihrzuüben.Diesesletzte Ein- geständnis scheintdemVortragwenig- stenseinezurechtfertigendeSeite einzu- räumen, dennesisteinealteErfahrung, daß,wenn esmitdemTotschweigenvor- beiist,trotz aller Kritik eineSacheum
so mehrvorwärts schreitet.
Interessantist noch, einigesaus den Pressereferaten hinzuzufügen.Den»Ham- burger Nachrichten«(Abendausgabevom J.Z.1929) zufolge hat Hörweckers(!) Welteislehrevor zehn Jahren (!) große Beachtung gefunden, nachdem sie vorher wenigbekannt war. »Die Lehre isteine kosmogonie, d.h.einRückfall in dieAnfangszeiten naturwissenschaft- licher Forschung« Sehrschön,jetztweiß wenigstensderLeser,was einekosmogo- nieist.BeiMond undErdebedingeeine Eishülle, daßdieKörper sich nähernl Dieletzte Mondkatastrophe habevor3000 Iahren stattgefundenl ImZustandeines Mondeinfanges befindenwir uns heute!
Währendder Stationärzeit bildet das Meer »Eissedimente«!DerMond löst sich als Gesteinskern auf!So gehtdasun- gefährweiter ... DerReferentübt keine eigene Kritik, sondernwill nur
wiedergeben,was Herr Hummel sagte... Auchder»Hamburger Eorrespondent«
(Ur.115v.9.Z. 1929) berichtetüber Hörwecker,— weißzusagen, daßvor zehn Jahren dieneue Lehreauskamund einegewisseGemeinde »besondersinden Reihender astrologischoder okkultein- gestellten Menschen«fand. Hier»wurde sie mit-derInbrunsteinerneuen Religion --196
geglaubt«.Wieviel Inbrunst gibtes doch neben derDummheitin dieserWelt!
DaßdieWelteislehre-»einen bestechenden naturwissenschaftlichenMantelu hat,der wert ist,einer»genauen Prüfung«unter- zogenzuwerden,wärezubilligen.Aber diese genaue Prüfung durchzuführen müßte doch eigentlich nachdemVorstehen- den ein astrologisch-okkult eingestellter Forscher vorzunehmen haben,warum nun ausgerechnet HerrHummel? Er zählt sich doch bestimmt nichtzu den»In- brünstigen«? Sehrwohltuendundals kurzesReferat wohl sachlich richtig hebt sichdieknappe Vortragswiedergabe des »Hamburger Fremdenblattes« (Ur- 71v. 12.Z.1929) dagegenab. Esver- merktbeschließendzummindesten,"daßes
sich hier »um ein überaus schwieriges fachwissenschaftlichesProblem«handelt.
AehnlichdieZusammenhängeimPro- blemhaften stecken lassend, hatunlängst dieWelteislehre auchin der»Berliner Illustrierten Zeitung« (Ur.Lö,1929) Eingang gefunden. Prof. Dr.Bärt- ling von derPreußischen geologischen Landesanstalt besprichtdort inderAr- tikelserie»WasWissenschaftundTechnik
uns nochschuldig sind«die»Eiszeiten und ihreUrsachen«.Der Darstellung verschiedener Theorien ist auchdieWelt- eislehremit cinbezogen:»Esist jeden- fallshöchst wahrscheinlich, daßwir die letzteUrsache fürdieEiszeitennicht auf derErde selbst suchen dürfen, sondern auchdieVerhältnissedesganzenSonnen- systemsdabei berücksichtigenmüssen. Im Vergleichzum Weltall istdie um die Sonne kreisendeErdeja noch nichtein- malsovielwieeinkleines Blutkörperchen in unseren Adern im Vergleichzum menschlichen Körper. Es wäre falsch,
wenn man Ursachen fürdieVeränderun- genaufderErdeaufdieserselbst suchen wollte. AuchdasBlutkörperchenistbei
Harmonie- eierSphären
feinemWerden und Vergehen abhängig mchtvon sich selbst, sondernvon dem Lebensvorgangim ganzen Menschen- körper.
DiesemGedanken trägt besonders Hanns Hörbiger Rechnung in seiner Theorieüber dieUrsachenderEiszeit,die nur einkleinerTeilseines großenWerkes
»Die Glazialsliosmogonie«isi.«Esfolgt dann eine knappe,sachlich einwandsreie Darstellunginsbesonderedesgeologischen TeilesderWelteislehremitdembeschlie- ßendenSatz, daß »auchdieTheorie noch manchesgegensich hat«.So soll nach desVerfassers Ansichtendergeologische Nachweisder Reste eines früheren Mondesnochnicht gelungen sein. Je- denfallswird hierdieWelteislehre durch- aus gleichberechtigtneben anderen Theo- rienaufgeführt,um dann zuvernehmen:
»Sogeistreichund wohldurchdachtalle
dieseTheorien sind,keinevon ihnen ist bisheuteinbefriedigender Weiseerwie- senworden und ohneWiderspruchge- blieben. —- Wenn man uns Geologen heute nachdenUrsachenderEiszeit fragt, sokönnenwir zwar mit einer dieser Theorienantworten, wenn wiraber ehr- lich seinwollen,müssenwirsagen:Wir wissenes nicht.u
Wenn wir auchdiesemignoramus nichtganzbeipflichtenkönnen.so berührt docheinesolch sachliche Erörterungder Problemsumme höchstangenehmundläßt das nachgeradeanekelnde Bespöttelnder Welteislehre aus purer Richtigkeit her-
aus weit hintersich.Aber es ist ja schließlichimmer wieder diealte Weis- heit, daß gewisse menschliche Schwächen und Stolzin derRegel auf demselben
Holze wachsen. Bm.
DR. THEODOR HEUNRICH MAYER e HARMONIE
DER slPHÄRENJ I.
Pszthagoras hat gelehrt,daßje- dem der damals bekannten siebenPlane- ten (Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Is)Wirbitten diesem Beitrag unseresge- fchåtztenMitarbeiters besondere Aufmerksam- Fettschenkenzuwollen,dennesspiegelt sich M ihm allenthalben querschnittlich wieder.
waseinen TeildesForschensundDenkens unsererZeit bewegt. Ueberspringenwirdas Zettalter Darwins,so stoßenwir aufver- wCndteZügedeshierBetonten imDenken Um»dievorletzte Jahrhundertwende undim ckkuhrotdesneunzehnten Jahrhunderts. Vgl.
bletzuauch Hans Kakseu »Orpheus.Vom KlangderWelt. MorphologischeFragmente einerallgemeinen Harmonik« (Gust. Kiepen- lFeuer Verlag,Potsdam). lferner ders.im ppJahrbuchfürkosmosbiologtscheForschung·
(8d. t, 1928,S.21»DerTonimAus«).
Anm.derSchristleitung.
Saturn, ferner rechneteman noch Sonne undMond dazu)beiihremUmschwung
umdashypothetische,denMenschen nicht sichtbareZentralfeuereinbestimmtervon siebenTönen zukommt,die der sieben- stufigen griechischenSkala entsprechen undineinen weihevollenAkkordzusam- menklingemderdann die»Harmonieder Sphären« ergibt.Dem menschlichen Ohr bleibt freilich diesesErtönenderGestirne unhörbar,nur Höchstbegnadetekönnenes intiefstem Versenken ihrerSeele ahnend erfassen.
’
VondenSchwingungen,diederMensch mit seinenSinnen wahrnehmenkann, werden dieakustischenam leichtestenals etwas Harmonisches empfunden,undauch diestärkste suggestiveGewalt gehtvon ihnenaus. IrgendeinMusikstückvermag 197
Harmonie- dey sei-raten
in wenigenMinuten Menschenineinen Bann zuversetzen,zudemeineDichtung von stärksterGewalt, alsodas beseelte, gesprochene Wort, Stunden brauchen kann. Undauchdann tritt niemals eine solche Massenwirkungeinwie bei der Musik.DieprimitivstenUaturvölker be- feuern sich schon durch Musik—- imwei- testenSinn des Begriffes — fürden kampf,undauch nochbeim Beginndes Weltkriegeswar derTrommelwirbel noch eineerwünschteAufpulverung füreinen Sturm.
AuchTiere werden durch Musikbeein- flußt, besonders durchganzeinfache,end- loswiederkehrendeTonfolgen.Einesolche, inimmergleichen tonlichenundzeitlichen Intervallen aufsundabschwingendeMu- sikkannübrigens auch auf Menscheneine unerhörte suggestive kraft entfalten,
wenn man sich ihrganzhingibtundjede Ablenkung wegzwingt.
Genies wiePYthagoras,denman wohl als den tiefstenDenker des Altertums bezeichnenkann,müssen seelischsoindas Weltganze eingeordnet sein, daßes ihnen unmöglich ist,wider dessenWesenzu denken. Sie werden wohldie letzten WahrheitenundUrgesetzedesSeins nicht erfassen,dasbleibt einerfernen Spätzeit derMenschheit vorbehalten, ihreSchau wird noch getrübt sein, sie dringen durch den Schleierder Gleichnisse nicht hin- durch,aberniemals werden sichinihnen diekeimenden Gedanken zuirgendeiner Nicht-Wahrheit zusammenfinden.Das ist
es ja,wenn einMensch begnadetund auserwählt ist: seineGedanken schwingen schon mehrals dieanderer Menschenin jenerRichtung,von derher oderzuder hindas Urgeschehen schwingt,sie sind, um einGleichniszugebrauchen, schon stärker polarisiert, das heißt,mit den Schwingungenineiner bestimmtenEbene konzentriert.
198
WennPYthagorasalsozuder Erkennt- niskommt,daßimKosmos einmusika- lisches oderzumindest musikähnliches Prinzipobwaltet, sokönnen wir das ruhigals Gleichnisfürirgendeineletzte Wahrheit nehmen.Jeder Planetineinem geheimnisvollemnur ihmallein zukom- menden Tonerklingend, dieseTöne wie eineSkala aufeinander abgestimmt, har- monischzum Akkord vereint, ebenzur
»HarmoniederSphären«— nichtsan- deres besagtdieseErkenntnis, als daß der Kosmos ein in sich geschlossener schwingenderRomplex ist,indemjeder Teilinvollster Harmonie zum andern und zum Ganzensteht, daherirgend- welche UrgesetzedesSeins voll erfüllt.
Harmonieistjakein Begriff, dender Mensch geschaffen hat, sondern etwas, dasseit Ewigkeit bestehtund demMen- schenin der oder jener sinnbildlichen Ausdeutung erfaßbarwird.
Unser heutigesWissengehtvielweiter als das desPYthagoras,aber eswider- legt ihn nicht.Essetzt seine Erkenntnisse fort,erweitert sie.Wirzählen(bis jetzt) achtgroße Planeten, als das ,,Zentral- feuer« habenwirdieSonne erkannt, de- ren Wesen diesemNamen entspricht,und wir wissen auch, daßdieAbständeder Planeten von derSonne einem harmo- nischen Gesetz folgen.DieMusik nehmen wir als einSchwingen,und auchden unendlichenRaum desKosmos denken wir uns von einem Etwas erfüllt,dem hypothetischen Weltäther,derzwar keine Materie ist,aber dochwieeinesolche schwingenkann. Hier klafft freilicheine Lücke:man hatzwar dieWellenlängen und Schwingungszahlen aller möglichen Arten von Licht bestimmenkönnen, aber es gibtnur vielumstrittene Annahmen:
was schwingt eigentlich?
Vielleicht istdasdiegroßeErkenntnis:
Schwingungen schwingen.
Harmonie« der spät-ten
Wir leben. Nichtaus eigener kraft.
Von irgendwoaus demKosmos her ist eineraufderErdeentstandenenUrsSub- stanzderImpuls zum Leben gegeben worden. IndiesemZusammenhangmag einerein materialistische HYpothesevon Arrhenius erwähnt werden, daß Winzigste Sporen durchden Lichtdruck von einem Weltkörperzum anderen ge- trieben werden, ohne aufdemWeg durch denWeltraum abzusterben,und soals UeberträgerdesLebens fungieren.Dar- über istman sich jedenfallseinig, daß dasLebenals solches nicht entsteht, son- dern daist.Seit Ewigkeit istesda.Was wir in primitivem Erkennen als das ssEntstehen«vonLebenbezeichnen,istnur eineOrganisation von niedrigerenFor- men desLebens zuhöheren.Das Leben selber ist ewigundunveränderlich.
»Ewig« istein All-Begriff. Etwas Cwiges hatkeineGrenzen, aber auch keineUmgrenzunginsich selbst. Wenn dasLeben ewigist,dann istes auch überall.Etwas Ewigeskann sichimun-
endlichenRaum nichtda unddort»loka- lisieren«. JstdasLebenewig,dann lebt auchder-Raum. Und seinLeben ist Be- wegung. Es gibt nichts Ruhendesin ihm.DerAether,derihn erfüllen soll, ist selbereineSchwingung. DieUrschwin- Zung.
Sie zuerkennen,liegt nochweitjen- seits unserer Fassungskraft.Nur immY- stifchen Gleichniskönnenwir uns her- anfühlen.Leben ...Zeit...Raum ... DerRaum ist lebendige Zeit, dieZeit lebendigerRaum unddasLebendie zum Raum werdende,aus demRaum wieder sichlösende,schwingende Zeit.Man ver-
suchees einmal, diese Sätze,die ein bloßes Wortgeklingelzu sein scheinen, unter stärkster Konzentrationzudenken, und man wird durchdunkle Schleierin eineferne, fernste Wahrheitblicken,die
ein seltsames Lichtzu uns herüber- sendet.
DieUrschwingung istdieletzte Einheit fürdieZeit, fürdenRaum, fürdas Leben. DerEinwand gilt nicht, daßder Begriff»etwasLetztes«eineUmgrenzung bedeutet,denn dieUrschwingung istzu- gleich auchdas Unendlich-Größte,die AtmungdesKosmos zwischenSein und Nicht-Sein. Und auch der Ausdruck Schwingungist hiernur ein Gleichnis füretwas Unvorstellbares,daswir vor-
läufignur in demVergleichmit dem AufundAbvon WellenunseremDenken näher bringenkönnen.
Nichts aufErden geschiehtimWider- spruchmitdenselbstgegebenen Urgesetzen des kosmos. Schließenwir jetztvom Kleinsten aufdasGroße:alles hochorga- nisierteLeben aufderErdebedarf,um einLeben zubleiben, einer rhythmischen Bewegung. JnderAtmung äußert sie sichnach außen hin,derHerzschlag ist dieinnere Bewegung. Setzteinevon beidenaus, so istauch schondasDenken gehemmt, diese Projektion nochunbekann- terSchwingungenaufdieGehirnzellen.
DiehöchsteFormdesLebensimKosmos müßte daherauch ein Atmen,einPul- sieren,einerhythmisierte Bewegung sein.
Aber wenn derKosmos atmet,wassaugt
erein,was atmet eraus — es existiert dochnichts außerihm!
Diese Frage gibtaber zugleich auch eine Erkenntnis von ungeheurerTrag- weite·Derkosmos atmet imRhythmus derUrschwingung sich selberein, sich selberaus. Wennersichganzeingeatmet hat,dann existierternicht, es besteht Nicht-Raum,Nicht-Zeit Und atmet er sichaus, dann ergießter sichinden Raum, erfülltdieZeit.DasLebenaber,
es istdieUrschwingung, das Pendeln zwischenSein und Nicht-Sein.Denun- endlichvielen Stufen, die dazwischen
199