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Innen-Dekoration : die Gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort, Jg. 27, Februar

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Academic year: 2022

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P R O FE SSO R ED M U N D KORN ER -D A R M S T A D T -E S S E N . »D ER D IP P E L SH O F « B E I D A RM STA D T, O B E R ST L E U T N . B, »BL IC K Z U M A N BA U«

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XXVll. JAHRGANG. DARMSTADT FEBRUAR 1916.

PRO F. EDMUND K O R N ER -D A R M S T A D T -ES SEN

V O N O T T O A L B E R T S C H N E I D E R - E S S E N . ,

E

s ist eine a lte E rfah ru n g, daß gu te A rc h ite k ­ turen in ih rer W irk u n g n ich t leid en , auch w enn stilistisch frem d e B a u k ö rp e r an sie a n g e ­ g lie d e rt w erd en . E in e se lb stv e rstä n d lich e V o r­

au ssetzu n g b leib t für d ieses E rg e b n is freilich im m er die e n tsp re ch e n d w e rtv o lle B esch affen ­ h eit des a n g eg lied erten B a u k ö rp e rs. E d m u n d K ö r n e r h a tte die A u fg a b e , dem in eine seh r re iz v o lle L a n d sch a ft e in g e b e tte te n alten L an d sitz

» D i p p e l s h o f « in T ra is a bei D a rm sta d t einen F lü g el mit G esellsch aftsräu m en , d eren w ich tig ster ein g ro ß e r M usiksaal w a r, an zu glied ern , und z w ar in ein er sow oh l im Innern w ie nach A u ß e n hin re p rä se n ta tiv e n , dem G e sch m a ck und den A n fo r­

d erungen u n serer Z e it en tsp re ch e n d e n , d e r B e ­ h aglich k eit n ich t en traten d en F o rm . V o n einem im K e rn anstän d igen , a b e r kü n stlerisch nicht w e ite r b e to n te n H au s m ußten einige frü h er eingefü gte, n ich t glü ck lich e B au teile en tfern t b ezw . u m ge­

sta lte t w e rd e n und es ist so als G a n zes eine A n la g e en tsta n d e n , die m ehr au sd rü ck t als w oh lhab en d g e ste ig e rte B e h ag lich k eit, die mit einer gew issen M onu m en talität den » H e rre n sitz « b eto n t und sich a n d e re rse its zw an g los in die h e ite re Fü lle d er L a n d sch a ft einord n et d u rch eine bei aller V o rn eh m ­ heit zu gän glich an m utende F orm g eb u n g . W ie d er

K ü n stler d ie ä sth e tisch e n und die p rak tisch en P r o ­ b lem e sein er A u fg a b e m it sich erem B lick und sc h ö ­ nem G efühl b egriffen h at, läß t sch o n d ie A u ß e n a rch i­

te k tu r erk en n en . W o b e i nicht ü b erseh en w erd en d arf, daß d iese A u ß e n a rch ite k tu r lo g isch er A u s ­ d ru ck des Innern ist. Einem d a sg a n z e u n te re G e sch o ß einnehm enden M usiksaal en tsp rich t als fro n taler A k z e n t die m äch tig e fünfteilige F e n ste rb ild u n g ; h alb ru n d e A u sb a u te n , die d e r H a u p tfro n t w oh lige G lied eru n g g eb en , klingen im S a a le als N isch en w ie d e r, in d eren eine die T r e p p e zu den o b e re n R äu m en sich hineinschm iegt. A u c h d iese R äu m e, d as Z im m e r des H e rrn , d u rch die T r e p p e un­

m itte lb a r mit dem M usik- und G esellsch aftsrau m verb u n d en , und d as d e r D a m e , finden in d e r A u ß e n a rch ite k tu r ihre log isch e A k zen tu ieru n g , w ie a n d e re rse its d e r Z u sam m en h an g d ieser R äu m e im A u ß e n b a u o rgan isch sich au sd rü ck t. D as o b erste S to ck w e rk , in dem die F re m d e n z im m e r liegen, h at K ö rn e r hin ter die L in ie d e r H a u p t­

fronten zu rü ck gen om m en und auf d iese W e is e seine u n terg eo rd n ete R o lle arch itek to n isch a n g ed eu tet.

M it seinem fein profilierten D ach gesim s und d e r ch a ra k te rv o lle n D achbildung gibt d ieses S to c k ­ w e rk d em G e b ä u d e n ich tsd e sto w e n ig e r einen g ew ich tig en A b sch lu ß . A u f S ch m u ck w irk u n gen

1916. I L 1

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58 INNEN-DEKORATION

h at d e r A r c h ite k t im A u ß e n b a u fast ganz v e r ­ z ic h te t, d ie w e se n tlich e n G l i e d e r u n g e n sind d isk ret h e ra u sg e h o b e n . E s soll d as M aterial, R au h p u tz in V erb in d u n g m it R u stik a, d u rch sein e te k to n is ch e G lied eru n g allein sp re ch e n und die re p rä s e n ta tiv e n tsch e id e n d e R o lle dem I n n e r e n V o rb eh alten b leib en .

H ie r k om m t dann die G esinnung vorn eh m en R e ich tu m s zum A u s d ru c k , die un ser Z e ita lte r e rs t w ie d e rg e w in n e n m u ß te, n a ch d e m sie einem e n ta rte te n G e s c h le c h te so p ein lich ab h an d en g e ­ kom m en w a r. In d e r e rste n fa n a tisch e n A b w e h r ü b erlad en en U n g e sch m a ck s b ei d e r G estaltu n g v on Innenräum en ist dann ja w ie d e r zu v ie l auf­

g e b ra c h t w o rd e n v o n ein er A s k e s e , d ie g ew iß als G e g en m ittel ihr E rz ie h lich e s h a tte , a n d e re r­

seits a b e r d e r P h a n ta sie lo sig k e it eines neuen A k a d e m ism u s T ü r und T o r zu öffnen d ro h te . E in e r N ü ch tern h eit, die n ich t m in der u n fru ch tb ar w a r, w ie d e r le e re P ru n k d e r S tiln a ch a h m e r d e r G rü n d e rz e it. K ö rn e r ste h t zw isch e n b eid en E x ­ tre m e n in g lü ck lich er M itte. A u c h e r läß t dem M a te ria l sein R e c h t, gib t ih m d as W o r t n ach M ö glich k eit, indem e r es in e d le r A n o rd n u n g d e r V erh ältn isse sp re ch e n läßt. A b e r e r ist d o ch zu

seh r ein K ü n stler v on b lu tvo ller P h a n ta s ie , als daß ihm die kühle A b w ä g u n g e b en d ie s e r V e r ­ hältnisse zu ein an d er g enü gen k ön n te. D ie indi­

vid u elle F o rm , d e r sinnlich e n ts p re ch e n d e F a rb e n ­ k lang m üssen hinzukom m en für ihn als B e r e ic h e ­ rung und B eleb u n g d es T e k to n isc h e n , aus dem d ie se F a k to re n o rg an isch h e ra u sw a ch se n m it je n e r ä sth e tisch e n N o tw e n d ig k e it, die rein e K u n stg e ­ b ild e o hn e w e ite re s ü b e rz e u g e n d m ach t.

E s ist b e m e rk e n sw e rt, w ie K ö rn e r, d e r E rb a u e r d es e rste n aus dem G e is te u n se re r Z e it h erau s g e d a c h te n K u lt-T e m p e ls, d e r E s s e n e r S y n a ­ g o g e , au ch als K ü n stler d es intim en Innenraum s sein e auf d as M o n u m en tale g e ric h te te P h a n ta sie n ich t v e rle u g n e t. A u c h h ier b e v o rz u g t e r die w u ch tig -ru n d e F o rm g e b u n g , g eh t dem Z ie rlic h - E ck ig e n zu G un sten eines G e d rü ck t-M a ssig e n , B reitau slad en d en aus dem W e g e . U n d w ie er in d er F o rm eine g ew isse p a th e tisch e H altu n g w a h rt, die g e ra d e d e r Bestim m ung d es M u s i k ­ s a a l s mit ihrem feierlich en E rn s t sch ö n e n t­

sp rich t, läß t e r au ch die F a r b e in g e d ä m p fte n A k k o rd e n zu sam m enklingen: D as stu m p fe U ltr a ­ m arin b lau d e r s tu c c o lu s tro -W ä n d e w ird d u rch g rau en M arm o r in rh y th m isch au fg eteilte F lä ch e n

P R O F E S S O R E D M U N D K Ö R N E R —D A R M S T A D T -E S S E N » D E R D IP P E L S H O F « A U S D E M M U S IK S A A L

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INNEN-DEKORATION 59

P R O F E S S O R E D M U N D K O R N E R - D A R M S T A D T - E S S E N

z e rle g t. D e r Ka mi n , die ru n d gesch w un gen en F e n ste rb ä n k e sind aus dem g leich en M a te ria l g e ­ bildet, d as d u rch d isk ret v e rstre u te farb ige O rn a ­ m en tein lagen k östlich b e le b t w ird . In ein er R elief- P lastik v on B e r n h a r d H o e t g e r und einem in die W a n d gegen ü b er eingelassenen G e m ä ld e von C i s s a r z ste ig e rt sich die k u n stgew erb lich e S p ra ch e zur rein en K unst, d e r au ch die B ron zen L u d w i g N i c k s in den drei E ck n isch e n d es S a a le s dienen. D e r m atte G old glan z d ie se r N ischen klingt so n or zusam m en m it d e r stum pfen V e r ­ goldung d e r D e ck e , d e re n B eleu ch tu n gsrin ge aus P e rle n in dem K reism o tiv d es F u ß b o d en s (N u ß ­ baum m it A h o rn teilu n g und E b en h o lzstreifen ) ihr E c h o hab en . E in e A p sis nim mt die M usik­

in stru m en te au f: S ie sind auf d iese W e is e eb en so räu m lich g ebu n d en , w ie die M ö b el sich dem g e ­ sam ten tek to n isch en R hythm us einordnen. (M a ­ te ria l: E b e n h o lz m it grauen S eid en b ezü g en ). So b e h e rrsch t d iesen R aum in F o rm und F a r b e die m usische G esinnung, d e r e r dienen soll. O hn e je g lich e A lle g o rie , lediglich d urch den A d e l einer ru h ig -re ich e n , g ed äm p ft-feierlich en In n en -A rch i- te k tu r w ird d iese g esch lo sse n e Stim m ung erzeu g t.

» D E R D IP P E L S H O F « K A M IN U N D Z W IS C H E N T R E P P E

Im H e r r e n z i m m e r , zu dem m an auf d e r erw äh n ten W e n d e ltre p p e h in au fsteig t, h e rrsch t d as dunkle G old b rau n d es p o lierten B irk en h olzes v o r, m it dem W ä n d e und D e ck e b e k le id e t sind.

H ie r leb t d as A u g e ganz von d e r S ch ö n h eit d es m it ü b e rle g e n e r S a ch lich k e it g eform ten M a te ­ rials, in d as sich d as H alb ru n d d es M ajolik a- K am ins eb en so w ohlig einfügt m it seinem E lfe n ­ beinton w ie die L e d e rb ä n k e und S essel.

D a m e n z i m m e r sind n ich t die u reigen ste D om än e u n seres K ü n stlers. S e in e r N atu r liegt die k o k e tte Z ie rlich k e it d e r F o rm und d as en t­

sp rech en d k ap riziö se K o lo rit nich t, die ein D am en ­ zim m er im landläufigen Sinne v erlan g t. Nun h an d elt es sich h ier a b e r um einen R au m für eine ä lte re D am e, dem g e ra d e K ö r n e r die en t­

sp re ch e n d e Stim m ung g eb en konnte. Z w a r hat er dem w eib lich en C h a ra k te r mit lich te re n F a r ­ ben g e h u ld ig t: D ie W ä n d e sind b e k le id e t mit ganz hellem A h o rn , die D e ck e ist in g rau d u rch ­ se tz te r E lfen b ein farb e g eh alten . E b en falls aus A h o rn g e fe rtig te M ö b el tra g e n h ellb rau n e seid en e B e z ü g e . A llein tro tz d es lich te re n T o n s und d er h ier und da o rn am en tal a u fg e lo ck e rte n F o rm e n -

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60 INNEN-DEKORATION

» D E R D IP P E L S H O F « A U S D E M M U S IK S A A L

B au h errn en tg eg en zu k o m m en , eine A u fg a b e , die K ö rn e r m it fein em T a k t g e lö st h at, indem e r aus d em G e is te d e r A n tik e d o ch eine A rc h ite k tu r u n se re r T a g e schuf. D as M a te ria l (E u v ille -S te in ) zw an g sch on zu ein er e ck ig e n , k an tigen F o rm ­ gebung, w ie sie K ö rn e r im allg em ein en n ich t lieb t. A b e r w enn au ch die W ä n d e , d ie P fe ile r, d en ein g eb au ten T isch und den F u ß b o d e n d as R e c h te c k b e h e rrsc h t, so w eiß e r d iese W irk u n g d o ch w ie d e r zu d äm p fen d u rch d as K re ism o tiv d e r D e c k e , d as au sg eh en d v on d em alle g o risch e n M osaik »D ie Z e it« in d e r M itte, w e ite rk lin g t in k lein eren K re iso rn a m e n te n , um dann in d en A l a ­ b a ste rsch a le n d e r B e le u ch tu n g sk ö rp e r sich in den W a n d e lra u m h erab zu sen k en . R e lie f-M e d a illo n s sch m ü ck en die P fe ile r. D aß alles A lle g o ris ch e h in ter d e r rein o rn a m e n ta le n W irk u n g zu rü ck tritt, b ra u ch e ich w oh l k aum zu b e to n e n : eine d e ra rtig e A u fd rin g lich k eit w ü rd e w e d e r d e r G esinnung d es K ü n stlers n o ch d e r d es B a u h e rrn e n tsp ro ch e n h ab en , d e r G e le h rte r und G ro ß in d u strieller in ein er P e rso n ist. G e ra d e d ie se Z w e ih e it h at K ö rn e r in dem R a u m e v o rtrefflich zum A u sd ru ck g e b ra ch t, d e r stren g ist, d o ch n ich t k a rg , p e r ­ sönlich b estim m t und ty p is c h ... o . a .s.

s p rä c h e (W a n d s c h ra n k -O v a le ) b leib t d as G a n z e te k to n isch b e h e rrsc h t. N ich ts von d em m on dän en P arfü m d e r W ie n e r S ch u le ist in d e r v e rh a l­

te n e n F le ite rk e it d ieses R au m es. E in e c h a ra k te r­

v oll g e re ifte F ra u d en k t m an sich h ier als H e rrin , w ie sie sinnend in d iesem E r k e r sitzen m ag , v o r dem S ch re ib tisc h o v a l voll te u r e r E rin n eru n g en .

K ö rn e rs k ü n stlerisch e T ä tig k e it h at ihre M itte l­

p u n k te se it einigen Ja h re n v o rw ie g e n d in E s s e n und in D a r m s t a d t g efu n d en : In d e r kulturell n och ta ste n d a u fstreb en d en In d u striestad t und in d e r G e ­ b u rtsstä tte ein er n euen d eu tsch en K u n stb ew eg u n g.

S o festigt e r in d e r h a rte n S a ch lich k e it d e r t e c h ­ nisch en U m w e lt sein te k to n isch e s G efühl und b e ­ le b t in d e r w e ic h e re n L u ft D a rm sta d ts die form bil­

d en d e P h a n ta sie . S ein e A rb e ite n zeigen den N utzen aus d iesen v e rsch ie d e n e n K ultureinflüssen. E s e rsch e in t b e g re iflich , daß einige w o h lh ab en d e E s s e n e r B ü rg e r einen so v ielseitig o rie n tie rte n K ü n stler m it d e r N eu - und U m g estaltu n g ih rer H ä u s e r b e tra u te n . A ls b e so n d e rs re iz v o lle A u f­

g a b e fiel ihm u n ter a n d e re m d ie G estaltu n g einer H a l l e als V erb in d u n g srau m zw isch en D iele und W in te rg a rte n im H a u se d es P ro f. D r. G . in E sse n zu. E s g alt h ier, k lassizistisch en N eigu ngen d es

P R O F E S S O R E D M U N D K O R N E R - D A R M S T A D T - E S S E N

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P R O F . E D M . K Ö R N E R . » D E R D IP P E L S H O F « B E I D A R M S T A D T O B E R S T L T . B . » M U S IK S A A L « W Ä N D E IN T IE F B L A U S T U C C O - L U S T R O M IT M A R M O R E 1 N L A O E N . L E IS T E N , S O C K E L U S W . IN G R A U E M M A R M O R

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DIE A N SPRÜCHE DES MODERNEN KUN STGEW ERBES

E

s ist oft gesagt worden, daß der Begriff »Kunstge­

werbe« aus zwei sich widersprechenden, ja sich einander ausschließenden Teilen besteht, aber es ist wohl nicht genügend Bewußtsein geworden, daß das W ort den Komplex von Gegenständen, den es meint, aus zwei ihm wesensfremden Elementen komponierend aufzubauen sucht, so daß er mitten zwischen den beiden — durchaus nicht einzig möglichen — W orten unbezeichnet liegen bleibt — eine Tatsache, die nicht nur für die Grenze der Sprachbildung, solange sich diese in Relation zur W irk­

lichkeit bew egt, charakteristisch wäre, sondern auch für den formenden Volksgeist, wenn nicht in dem bezeich- neten Gegenstand selbst dieses Gemisch aus verschiede­

nen Elementen größer wäre als seine Einheit.

Man ist bei der Definition des gemeinten Vorstellungs­

kreises »Kunstgewerbe« fast allgemein und einseitig von einem äußeren Moment ausgegangen: dem der Brauch­

barkeit, indem man ungefähr sagte, daß, während »das Kunstwerk selbstherrlich in sich geschlossen ist«, der kunstgewerbliche Gegenstand »immer einem Zw eck dient, den viele Menschen haben« (Simmel). Diese Bestimmung leidet — ganz abgesehen davon, daß die geringsten dialektischen Künste sie in ihr Gegenteil verwandeln könnten, sobald man voraussetzt, daß das künstlerische Schaffen überhaupt einem von der ganzen Menschheit getragenen Zw ecke dient — zunächst, wenn ich so sagen

darf, an einem grammatischen Mangel, indem sie die Richtung, das O bjekt der Brauchbarkeit nicht angibt, dann aber auch über deren Form und deren W urzel und Intensität völlig im unklaren läßt. Es ergeben sich erst hieraus die genaueren Unterschiede zwischen dem kunst­

gewerblichen und dem künstlerischen W erk, denn es zeigt sich, daß das erste sich weit vorzüglicher an den Körper des Menschen wendet, zuerst zu dem L eibe und seinen Funktionen und Bedürfnissen in Beziehung tritt, während die Körperempfindungen, welche die Betrachtung des Kunstwerkes auslöst, nur (wenn auch stetige und not­

wendige) Begleiterscheinungen sind. D er Sessel meint den sitzenden, das Kleid den sich als soziales W esen dieser Zeit bekleidenden, das Bild aber den geistigen Menschen, der, von der körperhaften Realität in ihren Vereinzelungen losgelöst, die Fähigkeit hat, sich einer Vorstellungstotalität, ausgedrückt in einer individuellen Erscheinung und spezifischen M itteln, hinzugeben. — Die Beziehung des kunstgewerblichen Gegenstandes zum Menschen ist also unmittelbarer, aber gerade darum ist es umso merkwürdiger, daß die Richtungsverhältnisse dieser Beziehung so verschieden geordnet sind. Denn während das Kunstwerk den Menschen beherrscht, ihn, sobald er in seine Blicknähe kommt, auslöscht, um ihn sozusagen nur noch virtuell existieren zu lassen, während es gerade in dieser Tilgungsfähigkeit ein Wertkriterium

P R O F E SSO R ED M U N D KORN ER—DARM STADT U N D ESSE N . »D ER D IP PE LSH O F« B E I D A RM STA D T. FEN STE R PL A TZ A U S D E M M USIKSAAL

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6 4 IN N EN -D EK0RA T10N

P R O F . E D M . K Ö R N E R . » D E R D IP P E L S H O F « . E C K E A U S D E M S A A L . K A M IN V O N L U D W I G N IC K . R E L I E F V O N B . H O E T G E R

findet, weil sie ausdrückt, daß sie den so geänderten Menschen zu seiner vollen, sonst überall behinderten Allheit erw eitert, ist gegenüber dem kunstgewerblichen W erk der Mensch der herrschende Teil. E r fühlt sich, während der Gegenstand, der ihn körperlich dicht oder weit umgibt oder für den Gebrauch seiner Gliedmaßen bestimmt ist, zurücktritt, als Herrscher, und der R eiz die­

ses individuellen und öftestens sozialen Machtbewußtseins erhöht sich in dem Maße, als ihm der Gegenstand durch seine aus der Phantasie des Künstlers stammende Eigen­

bedeutung W iderstand leistet. Doch darf dieser letztere die Beherrschungskraft des Menschen nicht übersteigen.

— Noch eine dritte Bestimmung erfordert das Defi­

nitionsmerkmal der Brauchbarkeit. Denn es zeigt sich

bald, daß auch das Kunstwerk zwischen seinem Handels­

preis und seiner Fähigkeit zu sozialer und patriotischer Erziehung eine ganze Reihe von Brauchbarkeitswerten hat. Freilich sind diese alle, was auch der Kunsthändler, der Pädagoge, der Staatsmann sagen mögen, anhängende W erte, die mit dem reinen Kunstwerk als solchem schlechthin nichts zu tun haben, sie sind das unreine E rgeb­

nis der Beziehung des Betrachters zum Kunstwerk. Der kunstgewerbliche Gegenstand hingegen rechnet von vorn­

herein mit einer bestimmt gearteten und gerichteten Brauch­

barkeit. Ohne diese hebt sich der Begriff und sein G egen­

stand selbst auf. »Kunstgew erbeist, was man nicht gebrau­

chen kann«, ist ein witziges W ortspiel, aber, r e a l i s i e r t , ein durchaus unzureichendes Spiel formender Phantasie.

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INNEN-DEKORATION

PR O F E SSO R ED M U N D K Ö R N E R -D A R M ST A D T -E SSE N . »D ER D IPPELSH O F« B E I D A RM STA D T. FEN STE R PA R TIE A U S D EM SAAL

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66 INNEN-DEKORATION

P R O F E S S O R E D M U N D K Ö R N E R . » D E R D IP P E L S H O F « H E R R E N Z IM M E R . W A N D U N D D E C K E IN P O L IE R T E M G O L D B R A U N E M B IR K E N H O L Z

Trotzdem würde man sich gründlich irren, wollte man den Begriff der Brauchbarkeit oder den sich hinter ihm bergenden immanenten Zw eck des kunstgewerblichen Gegenstandes für eine genügende Bestimmung dieser A rt bildender Tätigkeit halten. Letzten Endes entpuppt sich dieses Merkmal in seinem kraß äußerlichen Realismus als ein durchaus würdiges Gegenstück zur Nachahmungs­

theorie. A ber wie sich das W esen der bildenden Kunst, weil sie sich in dem Schein der Sinnenwelt realisiert, nicht in der Reproduzierung der vorhandenen Naturrealität er­

schöpft oder auf diese W eise auch nur annähernd be­

zeichnet wird, so liegt auch der Begriff der Brauchbarkeit, so verabsolutiert, völlig außerhalb der Sphäre, aus der man die kunstgewerbliche Tätigkeit hinreichend bestim­

men könnte. Daß ein Gegenstand seinen Zw eck voll­

kommen und geschmackvoll erfüllt, macht ihn so wenig zu einem kunstgewerblichen, wie den gemalten Baum wegen seiner Farben und Baumähnlichkeit zu einem Kunst­

werk. Daß es Zeiten geben kann, die das Bedürfnis haben, eine Reihe neuartiger Gegenstände nicht nur prak­

tisch, sondern auch geschmacklich zu verfeinern, hat die jüngste Vergangenheit bewiesen, und P eter Behrens, der unermüdliche M itarbeiter und künstlerische Beirat der A .E .G ., hat der staunenden M itwelt oft genug gezeigt, wieviel auf dem G ebiete der »Ä sthetik in der Industrie«

zu tun war. A ber es geht nicht an, diese Bogenlampen, Ventilatoren, elektrischen O fen etc. für Kunstgewerbe im historischen Sinne zu nehmen, nicht wegen der Neuheit der Gegenstände, sondern wegen ihrer Herstellungsart und der durch diese bedingten Erfordernisse. Kunst und Technik zu einer spezifisch modernen Kultur zu vereinigen, war gewiß ein schöner und erhabener Traum, aber eben ein Traum, der es nicht so genau damit nahm, daß sich in W irklichkeit nur praktisch-technischer Zw eck und G e­

schmack die Hand zum Bunde reichten. E rst dort, wo das Bedürfnis befriedigt ist und seine dem Zw eck ent­

sprechende allgemeine Form schon gefunden hat, beginnt die eigentliche Tätigkeit des Kunstgewerblers. Die F est­

setzung der praktischsten G estalt ist gleichsam die Schwelle, über die er in das ihm eigentümliche Bereich eintritt, die Voraussetzung, aber nicht Ziel und Sinn seines Tuns, das immer auf eine individuelle Belebung, auf ein aus der bildenden Fähigkeit fließendes, durchaus spezi­

fisches Spiel an dem in seiner allgemeinen G estalt aus seinem Bedürfnis klar und einfach bestimmten Gegenstand gerichtet ist. — Und noch ein zweites Moment verbindet das kunstgewerbliche O bjekt mit dem Kunstwerk, daß nämlich jeder seiner Teile in sich lebendig ist, d. h. nicht nur in der Bewegung mit anderen Teilen Leben zeugt, sondern in sich Leben ist, d. h. nicht der Maschine, son-

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PR O FESSO R ED M U N D KÖRNER. »DER D IP PE LSH O F« O B E R ST LEU TN A N T B. »H ERRENZIM M ER«

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INNEN-DEKORATION 69

P R O F . ED M U N D K Ö R N E R -D A R M ST A D T -E SSE M . »D ER D IP PE LSH O F« B E I DARM STA D T. T R E P P E N A U FG A N G V O M SAAL Z U M HERRENZIM M ER

1916. II . 2.

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70 INNEN-DEKORATION

P R O F . E D M U N D K Ö R N E R . » H A U S P R O F . D R . G . - E S S E N « H A L L E Z W IS C H E N D I E L E U N D W IN T E R G A R T E N

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P R O F E SSO R ED M U N D KÖRNER. »D ER D IP P E L SH O F « ZIM M ER D ER D AM E. W AN D U N D M Ö BEL IN AH ORNH OLZ M IT H ELLBRA U N EM SE ID E N ST O F F

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INNEN-DEKORATION 75

P R O F . H D M . K Ö R N E R -D A R M S T A D T -E S S E N . »D E R D IP P E L S H O F « B E I D A R M S T A D T . E C K E A U S D E M Z IM M E R D E R D A M E

lockerer, als beim Kunstwerk. Denn während er hier eine einzige unzerreißbare Einheit darstellt, in der die G estalt die Idee, und die Erscheinung die Gestalt ist, Form und Inhalt identisch sind, weil sie miteinander, in­

einander aus einer chaotischen Vorstellungsmasse ge­

schaffen sind, ist dem Kunstgewerbler eine Gestalt bereits als unüberschreitbare Grenze seiner Tätigkeit gegeben.

Nicht mehr auf der Gestaltserfindung ruht hier der Nach­

druck, weil diese garnicht frei ist und darum außerhalb aller künstlerischen Tätigkeit liegt, sondern auf der Glie­

derung und Beseelung einer in der Rohform schon ge­

gebenen Gestalt (und Materials). — W ie weit er sich zu diesem Zw eck der Formen bedient, die die »hohe« Kunst erfunden hat, ist eine andere, allerdings sehr wichtige Frage, da sie die bildende Tätigkeit des Kunstgewerblers näher begrenzt. Die Geschichte antwortet hier durchaus bejahend, d. h. der bildende Handwerker folgt dem bil­

denden Künstler und begnügt sich damit, die übernom­

menen Formen lebendig nachzubilden, für seine Zw ecke entsprechend zu proportionieren und zu verwenden. So wird uns allmählich immer deutlicher, daß hier eine ganz eigene Tätigkeit vorliegt, die niemals durch A bgren­

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76 INNEN-DEKORATION

P R O F E S S O R E D M U N D K O R N E R - D A R M S T A D T - E S S E N

zungen gegen die anstoßenden G ebiete der »hohen«

Kunst, des ordnenden G eschm ackes, der praktischen Brauchbarkeit genügend bestimmt wird und ihre eigene Sachdefinition verlangt.

Ich muß mich hier mit dem Aufzeigen dieser Forde­

rung begnügen, da es mir nur darauf ankommt, das klar­

zustellen, was ich die Arroganz des modernen Kunst­

gewerbes nenne. Entstanden aus einer Negation, aus der Ablehnung alter Stilformen, die für unser Gefühl nichts­

sagend, an sich schematisch und tot, im Ganzen des Gegenstandes zweckwidrig verwandt waren, kam es so­

fort durch Übertreibung zu Grenzen, die man in jeder R ich­

tung zu weit zog. D er Haß auf die alten Stilformen, auf den erheuchelten Zusammenhang mit der hohen Kunst führten zwar zu einer wohltätigen Befreiung des Kunst­

gewerbes aus fremden Fesseln, gleichzeitig aber zu einer überschätzten Anmaßung seiner Eigenart. E s wurde auf der einen Seite — bis hinab zu der malerisch oder linear komponierten Ansichtskarte — zum Kunstwerk erhöht, andererseits durch die maschinelle Herstellung nach unten hin über die alten Gebietsgrenzen erweitert und beides hat zu seiner schnellen und gründlichen Vernichtung gleich viel beigetragen. Denn war die kunstgewerbliche L ei­

stung als quasi Kunstwerk durch seine Anmaßung uner­

träglich, weil es, anstatt vom Menschen beherrscht zu werden, diesen zu unterdrücken drohte, so war das E r­

gebnis der Maschine selbst dort, wo handwerkliche A r­

» D E R D IP P E L S H O F « E R K E R A U S D E R W O H N D 1 E L E

beit vorlag, ein A rbeiten mit Formen, die nicht aus sich selbst, durch die Lebendigkeit ihrer in sich ruhenden Teilform lebten, sondern allein in Beziehung zu den üb­

rigen, die wohl funktionale W erte aber nicht individuelles Leben hatten. Hier liegt für mein Empfinden die erste und störendste Arroganz des modernen Kunstgew erbes:

daß der Gegenstand sein M ittel-zum-Zweck-sein ver­

leugnet oder sich als Selbstzw eck vordrängt, anstatt, sich zurückziehend, die Menschen herrschen zu lassen. Daher kommt es denn wohl, daß ein solcher Gegenstand viel unruhiger wirkt, als ein sehr ornamentierter Gegenstand des Rokoko. Da wir nicht gewillt sein können, seine Prätension zu befriedigen, erregt er unsern W iderspruch, während ein O bjekt, das als Ganzes vor uns zurück tritt, sich von selbst in eine genügende Distanz zu uns stellt, immer ruhig auf uns w irkt, wenn nur die Ornamente im Ganzen sich gehörig unterordnen. Das Ornament ist also an sich kein sinnlicher und darum auch kein künstlerischer Widerspruch am kunstgewerblichen Gegenstand, sondern nur ein künstlich und intellektuell herbeigezerrter, vor­

ausgesetzt natürlich immer, daß die Subordination des Einzelnen unter das Ganze gehörig stattfindet. D a diese Ordnung am kunstgewerblichen Gegenstand mehr die Erleichterung der Beherrschung des Gegenstandes durch den Menschen als dem organischen Aufbau des G egen­

standes selbst dient, so bedeutet es sogar eine V erw echs­

lung der spezifischen Prinzipien des Kunstgewerbes mit

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INNEN-DEKORATION 77

A RCH ITEKT PR O F E SSO R ED M U N D K Ö R N E R -D A R M ST A D T -E SSE N . PA RTIE A U S EIN E M HERRENZIM M ER

denen der Architektur, wenn man von jenem die strenge Logik der letzteren verlangt. Aus der Magd der hohen Kunst war plötzlich deren Mutter und Amme geworden, die Architektur sollte nicht mehr die Voraussetzung, sondern das Ergebnis des Kunstgewerbes sein. Und dieses selbst sollte aus Zw eck, Stoff und Funktion Form bilden, die doch allein das höchste Erzeugnis des menschlichen Geistes sein kann. W as aus solchen Prinzipien entstand, trägt den Stempel intellektueller Trockenheit und alle theoretischen und praktischen Ansprüche täuschen über die aufgehobene Ordnung, über den Mangel der allgemein­

kulturellen Grundlagen, über die fehlende oder gehemmte rein sinnliche Produktionsfähigkeit nicht hinweg. Damit sollen die Vorteile und glücklichen Ergebnisse jahrzehnte­

langen Ringens nicht leichtfertig geleugnet werden. A ber gemessen an den ewigen Gesetzen, die das Kunstgewerbe aller Epochen nach ihrer Eigenart erfüllt hat, ist das E r­

reichte nicht nur dürftig, sondern es stellt geradezu eine Pendelbewegung von einem Extrem ins andere dar. Un­

fruchtbarer Nachahmung toter Formen glücklich entflohen, sind wir schließlich in dem Bereich totgeborener G egen­

stände angelangt, die uns schon heute, wo sie noch von dem Hauche der Modernität warm umwittert sind, nicht befriedigen. Auch das Kunstgewerbe hat wie das Kunst­

werk einen ewigen W ert und wenn auch das Kleid fast ausschließlich der Mode gehorcht, schon das Spind soll so geformt sein, daß es für alle Zeiten und alle Länder einen Genuß enthält und das Spiel der menschlichen Kraft auslöst, die sich an ihm gefällt. . . m a x r a p h a e l.

D

e r „ S C H W E I Z E R W E R K B U N D “ e r s u d i t u n s um A u f­

n a h m e d e r n a c h s t e h e n d e n E r k l ä r u n g zu d e m A u f s a ß e

„ A n g r i f f e a u f d i e D e u t s d i c W o h n u n g s k u n s t “ ( O k t . - H e f t 1 9 1 5 S . 2 8 3 ) . D e m W u n s c h e e n t s p r e c h e n w i r g e r n , w e i l d a m i t d i e B e f ü r d i t u n g e n d e s V e r f a s s e r s , s o w e i t s i e d i e d e u t s d i s p r e c h e n d e S c h w e i z b e t r e f f e n , b e h o b e n w e r d e n .

1. D e r z i t i e r t e P a s s u s a u s d e m im M ä r z - H e f t 1 9 1 5 d e r Z e i t s d i r i f t „ D a s W e r k “ e r s d i i e n e n e n A u f s a ß e „ D e r W e r k b u n d und d e r K r i e g “ n i m m t g a n z a l l g e m e i n a u f d a s A u s l a n d B e ­ z u g . D i e N e n n u n g i r g e n d w e l c h e n a u s l ä n d i s d i e n S t a a t e s is t nicht e r f o l g t .

2. D i e a n g e z o g e n e S t e l l e ri d it e t si d i k e i n e s w e g s g e g e n d i e W o h n u n g s k u n s t , s o n d e r n b e z i e h t sich g a n z a l l g e m e i n au f j e g l i c h e a u s l ä n d i s d i e S d i u n d p r o d u k t i o n .

3. D e r im „ W e r k “ e r s c h i e n e n e A u f s a ß ist l e d i g l i d i die M e i n u n g e i n e s E i n z e I n e n , d a r f s o m i t n i di t a l s o f f i ­ z i e l l e K u n d g e b u n g d e s „ S c h w e i z e r i s c h e n W e r k b u n d e s “ a u f g e f a ß t w e r d e n . W i r n e h m e n a b e r o h n e w e i t e r e s an , d a ß in d e n K r e i s e n d e s D e u t s d i e n W e r k b u n d e s , d e s s e n Z i e l e j a a u d i d i e u n s e r n s i n d , o b g l e i c h w i r z u r E r r e i c h u n g d e r s e l b e n a n d e r e W e g e e i n s c h l a g e n m ü s s e n , u n s e r e S t e l l u n g n a h m e auch g e g e n d i e a u s l ä n d i s c h e S d i u n d p r o d u k t i o n v o l l e s V e r ­ s t ä n d n i s fin det.

W i r b e d a u e r n e s d e s h a l b l e b h a f t , w e n n d u rd i d i e Notiz in d e r „ I n n e n - D e k o r a t i o n “ in d e r ö f f e n t l i d i k e i t d i e b e i d e n B ü n d e g e g e n e i n a n d e r a u s g e s p i e l t w e r d e n und e i n e G e g e n - s ä ß l i c h k e i t u n s e r e r Z i e l e k o n s t r u i e r t w i r d , d i e ta t s ä d i l i d i g a r nicht v o r h a n d e n ist. D e r l . V o r s i ß e n d e : D e r S c h r i f t f ü h r e r :

Z Ü R I C H . A. A l t h e r r . H e i n r i c h S d i l o s s e r .

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78 INN EN-DEKORATION

H A U S M A X F E L D B A U E R - M I T T E R N D O R F B E I D A C H A U , E R B A U T V O N D E S L 1 S L E & 1 N G W E R S E N —M Ü N C H E N . A N S IC H T D E R O B E R E N D IE L E

A US EINEM M A L E R H E IM

I

n d e r b a y e risch e n H o c h e b e n e , einige K ilo m e te r w e stlich v on D a ch a u , h at sich M a x F e ld b a u e r, d e r b ek an n te M a le r und M ita rb e ite r d e r »Ju g e n d « , ein h ö ch st e ig e n a rtig e s H a u s e rrich te n lassen . E s ste h t g leich einem v erw u n sch en en S ch lo ß auf einem einzelnen, jä h ab fallen d en H ü g e l; aus den F e n s te rn sch w e ift d e r B lick w eithin ü b e r die E b e n e bis zu r Z u g sp itz e , zum C h ie m se e und in d ie sch w ä b isch e n G a u e . E in e ro h g e z im m e rte B a lk e n b rü ck e führt s ta tt eines W e g e s zum t o r ­ a rtig en E in g an g hinauf, H a u s und A te lie r sind in einem Stil g e b a u t, d e r halb einem H e rre n sitz und halb einem S p e ic h e r en tsp rich t, ein fre m d a rtig e r, h ö ch t m a le risch e r A n b lick . — A u c h im Innern ist d e r K ü n stler eig en e W e g e g e g an g en . E r h at sich w e d e r eine au sg etü ftelte In n en arch itek tu r einb au en la sse n , n och h at e r an die m o d isch e B u n th eit K o n zessio n en g e m a ch t. E in z ig so lch e D in ge, die ihm gefielen, die sein h äu slich es L e b e n gem ü tlich zu g e sta lte n v e rm o c h te n und sich mit seinen B ild ern b rü d e rlich v e rtru g e n , h a t e r g a s t­

lich aufgenom m en . S o ist eine ganz b e so n d e re , p ersö n lich g e fä rb te E in h e it e n tstan d en , d ie e tw a s

b a ju w a risch d e rb e s h at und d o ch zu gleich w ie d e r k ü n stlerisch g ep fleg t ist.

B e s o n d e re s A u g e n m e rk ist auf die Füh ru n g d es L ic h te s g e le g t, w as in u n seren A b b ild u n gen le id e r n ich t so ganz zum A u s d ru c k k om m t. H ie r flutet die S on n e in einem E rk e r , d e r F e n s te r an F e n s te r re ih t, w äh ren d d as z u g eh ö rig e W o h n ­ zim m er fa st im D unkeln liegt. F ü r d ie o b e re D iele k om m t d as L ic h t v on sc h rä g unten. Im S p e ise z im m e r d äm p fen s c h w e r b u n te S toffe die b len d en d e S on n e d e r H o c h e b e n e . D ie W ä n d e sind m eist g la tt g etü n ch t und lassen die B ild er frisch und farb ig sich a b h eb en . L a n g e G ä n g e , die im D unkeln lie g e n , w e ch se ln m it sch w e re n u r­

w üch sigen T o re n , d u rch d ie die S on n e h e re in ­ b rich t, d as A te lie r, einem G lash au s g leich , sau gt sich voll v on L ic h t. R u n d e F e n s te r w e ch se ln mit ü b ersch lan k en , m al g ib t eine L u k e d as L ic h t, m al eine T ü re . D ie G leich m äß ig k eit d e r L ich tq u e lle n in u n seren stä d tisch e n M ietw oh n u n gen trä g t n ich t w enig zu ihrem langw eiligen E in d ru ck b e i, au ch h ier m ü ß te ein M a le r kom m en und uns neue M ö g ­ lich k eiten d e r L ich tfü h ru n g ze ig e n . l d.

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L A N D H A U S M A X F E L D B A U E R - M I T T E R N D O R F B E I D A C H A U . E R B A U T V O N D E N A R C H IT E K T E N D E S L IS L E & 1 N G W E R S E N - M Ü N C H E N . B L IC K IN D A S S P E IS E Z IM M E R IM O B E R G E S C H O S S

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A U S D E M H A U S E D E S M A L E R S M A X F E L D B A U E R - M I T T E R N D O R F B E I M .-D A C H A U . A N D E R E A N S IC H T D E S O B I G E N W O H N - U N D S P E IS E Z IM M E R S IM O B E R G E S C H O S S Q E L E G E N

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M A X F E L D B A U E R - M I T T E R N D O R F B E I D A C H A U W O H N Z IM M E R M IT E R K E R IM L A N D H A U S D E S M A L E R S

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8 6 INNEN-DEKORATION

A R C H IT E K T L U C IA N B E R N H A R D - B E R L I N . A U S F : D E U T S C H E W E R K S T A T T E N - D R E S D E N . T O R W A N D Z U D E M D A M E N Z IM M E R S . 85 u . 87

werden, sodaß der künstlerische R at mehr in die Breite dringen kann.

Ist es aber nicht eine groteske Verschwendung von Z eit und künstlerischer Gestaltungskraft, wenn auch heute noch, wo die Typen der meisten Möbel wieder festliegen, wo sie in recht anständiger Ausführung in den besseren Geschäften erhältlich sind, die A rchitekten für jede, auch die einfachste Einrichtung, die sie in Auftrag haben, alles, Möbel, G eräte, Beleuchtungskörper, von A bis Z neu entwerfen ? Zumal dabei doch nur geringfügige A bw ei­

chungen von den feststehenden Grundformen herauskom­

men, die die Größe des Aufwandes nicht rechtfertigen!

Durch diese Entwicklung im Einrichtungsgewerbe wird nun aber beileibe nicht der A rchitekt vollkommen ausgeschaltet. Neben dem eigentlichen H ä u s e r b a u , seinem vornehmsten Beruf, werden ihm die großen W oh­

nungen, wo auch im Innern manches umzubauen ist, wo es sich tatsächlich um I n n e n a r c h it e k t u r handelt, Vor­

behalten bleiben. E r kann aber auch bei den bürgerlichen Wohnungen, wenn ihm die A ufgabe nicht zu gering ist, als »Einrichter« tätig zu sein, durch Beratung bei A us­

wahl und Anordnung der Einzelstücke. Im übrigen werden

aber auch noch weiterhin fortlaufend k ü n s t le r is c h e E n t w ü r f e fü r E in z e lm ö b e l benötigt, selbst wenn die Typen alle feststehen. Innerhalb des nämlichen Typus sind sehr verschiedene Ausführungen möglich, und ich denke mir, daß mancher Künstlerarchitekt das Bedürfnis fühlen wird, auch hier seine Auffassung, seine Handschrift zur Geltung zu bringen. Das Sofa mit der geschwungenen Rückenlehne wird bei B e r n h a r d , bei P a u l, bei S c h r ö ­ d e r , bei S t a h l - U r a c h , bei H e id r ic h immer etwas verschieden aussehen. Und der eine Käufer wird die, der andere jene Formulierung vorziehen. D iese seine » F a s ­ su n g e n « der T y p e n zeichnet aber der Künstler dann ein für allemal, der Entwurf belastet nicht die Einzel­

wohnung. Dazu kommen dann noch die eigentlichen kunstgewerblichen L u x u s s t ü c k e , wie etwa eine Dielen­

uhr von P f e i f f e r , wo sich die künstlerische Gestaltungs­

lust stets neu betätigen kann. A ber auch diese Luxus­

stücke streben jetzt dem selbständigen Möbelcharakter zu, sie sind nicht mehr mit der A rchitektur verwachsen, sie passen sich, als Individuen, fast jed er aus Individuen gebildeten Möbelgruppe an.

In diesen beiden Richtungen entwickelt sich jetzt das

(23)

INNEN-DEKORATION 87

A R C H . L U C 1 A N B E R N H A R D - B E R L IN . A U S F Ü H R U N G : D E U T S C H E W E R K S T A T T E N -D R E S D E N . M Ö B E L A U S D E M D A M E N Z IM M E R S . 85 u. 86

n e u e K ü n s tle r m ö b e l. Einmal als Typ für die bürger­

liche Einrichtung, aber in persönlicher Handschrift formu­

liert, und zweitens als kunstgewerbliches Einzelstück, in reicher, phantasievoller Ausbildung. B e r n h a r d z. B.

gibt bewußt nur typische Formen, der Zusammenhang mit der W and ist recht lose, eine Umgruppierung ist jederzeit durchzuführen. Leisten, Tapetenborden, Schals stellen meistens die leichtgeschaffene Gliederung derWand dar, die zugleich die Möbelgruppen abgrenzt. Manchmal wirkt auch ein farbiger Kontrast als Bindemittel zwischen W and- und Möbelgruppe: Bunte Bezüge stehen dann vor glatter Wand, oder umgekehrt. Eine wertvolle E r­

kenntnis haben wir gewonnen: M öbel, von denen jedes seine natürliche Form, Größe, Höhe hat, ordnen sich viel leichter zu angenehmen Gruppen, als wenn absichtlich gleiche Höhe, gleiche Rechtwinkligkeit, gleiche Form­

elemente durchgeführt sind, wie es z. B. noch bei den P au lsch en Typenmöbeln der Fall war. W enn man die äußeren Ungleichheiten fein disponiert, bereichern sie die Gruppe, statt zu stören, vorausgesetzt, die Möbel passen ihrem inneren W esen nach zusammen. Das gute Möbel muß so sein, daß es W echsel des Standortes, W echsel

der Nachbarschaft verträgt. Am unverträglichsten sind dagegen immer die Möbel, die sozusagen nur eine ver­

körperte Formel, eine Kombination von Rechtecken und Quadraten darstellen. Sie sind keine Individualitäten, sondern nur Architekturteile und nur innerhalb ihrerWand, ihrer Architekturumgebung zu verstehen. Die Wohnung als räumliches Ornament mit ornamentaler Verwendung der Körper, das haben wir als Irrtum erkannt, wir kehren zur alten Auffassung zurück, der Gesellschaft selbstän­

diger, in sich ruhender Möbel-Individuen, zum P r in z ip d e r f r e ie n G ru p p e . a d o l f v o g t .

*

A lle Schönheit beruht auf den Gesetzen natürlicher

Jr\

Formen... r .

D

ie Menschen empfinden im allgemeinen eine große Freude an der Farbe. Das Auge bedarf ihrer, wie es des Lichtes bedarf. Man erinnere sich der Erquickung, wenn an einem trüben Tage die Sonne auf einen einzelnen Teil der Gegend scheint und die Farben daselbst sicht­

bar macht. Daß man den farbigen Edelsteinen Heilkräfte zuschrieb, mag aus dem tiefen Gefühl dieses unaussprech­

lichen Behagens entstanden sein... g o e t h e .

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8 8 INNEN-DEKORATION

A R C H IT E K T L U C 1 A N B E R N H A R D - B E R L I N . E E N S T E R D E K O R A T IO N A U S D E R W O H N U N G K A R L H E N K E L L - W I E S B A D E N

EIN HAUS, WIE ICH ES MIR W ÜNSCHE

( S C H L U S S )

Auch ein Kristallüster ist nicht zu vergessen, und beson- X i deres Augenmerk lenke ich auf den Fußboden. Kein bloßer Brettelboden, sondern ein schön ornamentierter Parkettboden, heller Holzton, darauf das große, zarte Muster in dunkler Holzart eingelegt ist, wie es sich einst jed e bessere Bürgers wohnung leisten durfte. Der gewichste Parkettboden ist selbst schon ein gezeichneter Teppich, darauf zu gehen eine Kunst und ein Vergnügen ist. Die Hauptsache aber bleibt die schöne, breite Terrasse mit staffelförmigen Blumenständern, und ein paar bequeme Stufen abw ärts, der Garten mit fliesenbelegten W egen, Gras zwischen den Steinen, in der M itte zwischen Rosen­

beeten ein kleiner Springbrunnen, rückwärts eine Laube, seitlich aber Laubgänge ganz mit W ein übersponnen, im H erbst von süßer Fruchtschwere und rot über rot durch­

glüht. Dann bedarf es nur mehr ein paar klaviergeübter Hände, um abends bei verdeckten Kerzen einen Mozart hinausperlen zu lassen, Don Giovannis Gastmahl, daß ein heiliger Schauer überströmt, als ob der leibhafte steinerne

G ast in der offenen Türe stände, hinter sich die unend­

liche, sternflimmernde, blausamtene Nacht. O der Schu­

berts »W anderer« von einer lieben Stimme in die Stille des Gartens und traumhäuptigen W iener W aldes hinaus­

gesungen. So hat jed e Stunde ihren besonderen Glanz und ihre W eihe in diesem Zimmer.

Rechts seitlich ist eine Tür, die führt in mein A rbeits­

zimmer. Ihr ahnt nicht, was für eine Reitschule von einem Arbeitszimmer das ist. Rechteckig zieht es sich die ganze Haustiefe hin, bis vorne nach der Straße. Man wird schon bemerkt haben, daß die Rückseite des Hauses mit dem Eingang nach der Straßenseite liegt, während die V order­

seite mit der offenen Terrasse dem G arten zugewendet ist. Das Arbeitszimmer hat ebenfalls eine Fenstertür nach dieser Terrasse, einige Seitenfenster und ein Fenster nach der Straßenseite. Eine Tür führt auch in den K or­

ridor oder Vorplatz, den man von der Straße her betritt.

Zu Mahagoni paßt eine graue Tapete oder noch besser der schwere Gobelinton. D ie D ecke ist weiß, ebenso der

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INNEN-DEKORATION 89

A R C H . L U C IA N B E R N H A R D . A U S F : D E U T S C H E W E R K S T A T T E N -D R E S D E N . P U T Z T IS C H A U S E IN E M A N K L E ID E Z IM M E R

obere W andteil bis zur Türhöhe herab. Zwei Schreib­

tische stehen hintereinander, je einem der seitlichen Fenster zunächst. Die W ände sind voll angestellt mit den kleinen gleichhohen Bücherschränken. Meine Bücherschränke sind alle nur etwa 1 ,7 0 m hoch, 1 m breit und etwa 30 cm tief, sie stehen auf 25 cm hohen Beinen und haben G las­

türen. Über den Bücherschränken sind die Bilder; es sind einige sehr moderne darunter, die ich besonders liebe.

A ber ganz was besonderes habe ich noch. Ich meine

nicht die schwarze Kaffee-Ecke, mit den elefantengroßen rindsledernen Klubstühlen um den Rauchtisch, nein, etwas ganz anderes. Seht hin, in die andere E ck e! Ein langer ovaler Tisch, sehr niedrig, zwei Lampen darauf, eine Menge Zeitungen, Zeitschriften, Neuerscheinungen, und zwölf Polsterstühle herum in allerhand Größen, mit hohen Rückenlehnen, mit Ohrenklappen, ohne hohe Rücken­

lehnen, alle erdenklichen Formate für jede A rt des Sitzens und der Bequemlichkeit. Lesetisch also. A ber Ihr ahnt

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90 INNEN-DEKORATION

gar nicht, welche G e­

mütlichkeit um einen solchen Lesetisch ist!

Ihr müßt einmal herum­

gesessen sein , wenn die Unterhaltung so recht im Gang war, das Kreuzfeuer von einem Sessel gegen den anderen! Dazu dürfen nur die Tisch­

lampen brennen, die den großen Raum in Dunkel setzen und uns in den engen Lichtkreis des ovalen Rauch-, L ese- und Plauder­

tisches einfrieden. Ihr werdet die elektrisch geladene Stimmung um diesen Disputier­

tisch nie vergessen!

— Nach der anderen S eite des Gartensalons, ebenfalls mit ihm durch eine Tür verbunden, liegt das Speisezim­

mer. G elbes Kirsch­

holz. Mäßig groß. Zum Zeichen, daß es bei

mir keine Massenabfütterungen gibt. Den Menschen kann man nur einzeln genießen und jeder soll auf seine Rechnung kommen, das geht aber nicht, wenn ihrer zu­

viel sind. A lso höchstens zwei, drei, keinesfalls über vier.

A n das Speisezimmer in der Tiefe des Hauses, also

parallel zum A rbeits­

zimmer, das auf der anderen Seite liegt, reihen sich einige Nütz­

lichkeitsräume an, die Küche mit Nebengelas­

sen. Seitlich vom G e- müsegärtlein her führt ein separater Aufgang nach den W irtschafts­

räumen. Vom Straßen­

eingang gelangt man in ein kleines Entree, dann aus diesem in einen geräumigen V o r­

saal, der rechts eine Tür nach dem A rbeits­

zimmer, geradeaus eine Tür nach dem Garten­

salon und links eine Tür nach einem klei­

nen Durchgangs-Gelaß hat, wo einerseits das Speisezimmer, anderer­

seits die A nrichte, die Küche und Nebenkam- mernmünden. D erVor- saal mit seinen blumigen Stoffen und Rohrmö­

beln ist ein behaglicher W arte- und Wohnraum, wo unter gewissen Umständen noch ein später Trunk eingenommen werden kann, das so­

genannte Gemütliche. Auch kurze Besuche erledigen sich hier, die man nicht näher einführen will. Eine offene Treppe führt in das Obergeschoß, eine kleine G alerie läuft oben

A R C H . L U C IA N B E R N H A R D - B E R L I N . S C H R A N K A U S E IN E M D A M E N Z IM M E R

A R C H IT E K T L U C 1 A N B E R N H A R D - B E R L I N . A R B E IT S T IS C H U N D B Ü C H E R S C H R A N K A U S E IN E M D A M E N Z IM M E R

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INNEN-DEKORATION 9 1

herum, von der man in den Vorsaal hinuntersieht. Hier oben sind die Schlafzimmer und Gastzimmer. Das Schlaf­

zimmer der Herrschaft liegt über dem Gartensalon. Es weicht etwas zurück, so daß ein Balkon für Luft- und Sonnenbad oder auch für einen Frühstückstisch frei wird.

Die Kletterrosen, der Jungfemwein und der kleinblättrige Efeu, die die Hauswände überspinnen, ranken bis übers G itter und die Rosen hängen zur Z eit in dichten Büscheln.

Hier ist es schön zu sitzen in der Frühe und über die klingenden Linien der W ald- und Rebenhöhen hinüber­

zusehen, wo der Strom blau aufblitzt.

Ein solches Haus wünsche ich mir — ob ich es je haben werde? Ja , wissen S ie nicht, daß ich es längst bewohne, daß ich es mit mir trage, wie die Schnecke ihr Haus, allerdings unsichtbar, daß ich in Gedanken darin herumspaziere und seine köstlichen Besonderheiten ge­

nieße und die neuen, die ich immer wieder darin entdecke?

Oh, man wird nie fertig mit einem solchen Wunderbau, das ist das Schöne daran, das Glück, ein Stück traum­

schöner Sehnsucht. A ber Gedanken sind Kraft und werden Holz und Stein und Haus und Garten. Denket sie und die Schönheit wird um Euch sein! j o s . a u g . l u x .

\\Te

m die Natur ihr offenbares Geheimnis zu enthüllen

'

* anfängt, der empfindet eine unwiderstehliche Sehn­

sucht nach ihrer würdigsten Auslegerin, der Kunst. Goethe.

E I N E G E F A H R F Ü R U N S E R E K U N S T U N D U N S E R K U N S T G E W E R B E

(Schluß)

TVTicht nur ein Velasquez oder Rembrandt sind klassisch 1 \| zu nennen, sondern in weiterem Sinne auch ein B ie­

dermeiertisch, eine A lt-W iener Tasse, ein böhmisches Ru­

binglas, ein alter englischer Stich usw. Das sind alles feste W erte, deren Kaufpreis zwar erheblichen Schwan­

kungen unterliegt, deren sachliche Bedeutung jedoch allem Streit entrückt ist. Töricht, ja unverständlich wäre es, irgendeinem die V orliebe für die Klassiker verübeln zu wollen; aber die Literaturgeschichte endet nicht mit

»Goethes Tod«. Und dafür, daß sie nicht endet, müssen wir sorgen. Natürlich kann nicht jeder »dichten«, aber jeder kann »Dichtung« unterstützen. Da ihm dabei die Auswahl freisteht, nimmt er mittelbar auch Einfluß auf den Gang der Entwicklung. Vielleicht mag man darüber streiten, ob Dichtung oder Malerei im Verborgenen

»blühen« können ohne größere Anteilnahme des Pu­

blikums, obzwar ich meine, daß dieses Aschenbrödel­

dasein immer seine schweren Schäden zeitigt, aber ganz gewiß bedürfen Architektur und Kunstgewerbe weit­

gehendster Förderung seitens des Publikums, und ein Stil ist ohne das geschlossene W ollen bedeutender V olks­

kreise überhaupt nicht möglich. Das sind Selbstverständ­

A R C H . 1.U C 1A N B E R N H A R D . E C K E A U S E IN E M D A M E N Z IM M E R . » D E W E -M Ö B E L « D E R D E U T S C H E N W E R K S T .- D R E S D E N

1916. II. 4.

(28)

9 2 INNEN-DEKORATION

lichkeiten, die man sich fast schämen müßte, immer wie­

der auszusprechen, wenn nicht zahlreiche Kunstge­

bildete sich nur mit alter Kunst umgeben würden und dann klagten, die mo­

derne sei minderwertig.

Einerseits ist es gewiß ein klägliches Eingeständnis, daß man seine Unfähigkeit bezeugt, etwas Gutes zu finden, und andererseits trägt jeder von ihnen einen T eil der Schuld an jener an­

geblichen Minderwertig­

keit. Denn statt zu fördern, stehen sie tatenlos abseits.

Und da die Schar dieser Altertumsfreunde wächst, muß die Gefährlichkeit einer derartigen Einseitig­

keit scharf betont werden.

W er etwa durch Erbschaft oder durch Kauf echte Biedermeiermöbel ersteht, ist gewiß zu beneiden; und wenn er altes Glas oder Porzellan sammelt, alte Kupferstiche oder Bronzen, so wird gewiß keiner etwas dagegen einwenden. B e ­ denklich wird schon die Sach e, wenn diese indivi­

duelle V orliebe als das ein­

zig Vornehme oder kultu­

rell Berechtigte hingestellt w ird; denn damit taucht die Spitze auf, die gegen die moderne Kunst gerich­

tet ist. W er neue Kunst einsichtig fördert und ge­

diegene kunstgewerbliche

Unternehmungen unterstützt, der erwirbt sich ganz gewiß ein hohes V erdienst, das unmittelbar unserem künstlerischen Leben zugute kommt. Nun schließt doch aber das eine das andere gar nicht aus: Liebe zum A lten und Pflege des Neuen bilden doch keinen unvereinbaren Gegensatz. Jede alte Kirche zeigt uns mit schlagender Deutlichkeit, wie jed e Z eit einen B ei­

trag geliefert hat, das Vorhandene ehrend und doch in eigener W eise gestaltend. D ie Einheit bildet dann na­

türlich nicht ein abstrakter kunstwissenschaftlicher B e ­ griff, sondern der Entwicklungsgang des künstlerischen Lebens. Und ebenso soll doch nicht unser Heim eine praktische Beispielsammlung reiner Stilausprägungen sein;

das bedeutet eine ganz falsch angebrachte Gelehrsam­

keit, die im Museum berechtigt ist, aber doch nicht in einer Wohnung. S ie dient doch nicht als Unterlage für das Studium der Kunst, sondern als Rahmen einem be­

haglich-kultivierten Leben. Und die Interessen dieses Lebens gestalten das Heim, die Persönlichkeit der B e ­ sitzer; und ganz gewiß nicht die Kunstgeschichte. W eil nun im Organismus der reichen Persönlichkeit sowohl die

L iebe zum A lten als auch die Förderung des Neuen Platz haben, so ist nicht einzusehen, warum denn nicht auch im Heim diese beiden Tendenzen sich har­

monisch vereinen sollen, da doch das Heim nur ein Spiegel der Persönlichkeit ist. D ie innere Einheit die­

ser Persönlichkeit bedingt die äußere Einheit des Heims. Ich muß gestehen, daß ich ein gewisses Miß­

trauen gegen Wohnungen hege, die fix und fertig von einer Möbelfirma ge­

liefert sind, vollendet bis ins letzte Detail hinein.

Das ist Ausstellungskunst, über der immer ein leichter Frostreif liegt. Ein Heim muß wachsen mit seinen Bewohnern, ihre Entw ick­

lung muß sich in ihm wider­

spiegeln: und so wie der Mensch nie fertig ist, so kann dies auch das Heim nicht sein. Und da der Mensch unserer Tage kein reines Gegenwartsprodukt ist, sondern mannigfach verknüpft mit der V ergan­

genheit, so wird von selbst diese Verknüpfung auch in der Wohnung Sichtbarw er­

den. D a aber ferner der echte Mensch unserer Tage mit beiden Beinen in seiner Z eit steht, so muß auch diese stark und kräftig zum Ausdruck kommen. Und wo wahrhaft in einer reifen Persönlichkeit jene Harmonie von Vergangenheit und Gegenwart geschlossen ist, da offenbart sie sich im Heim.

Allgemeine Vorschriften hier geben zu wollen, hieße ins Eigenrecht der Persönlichkeit eingreifen. A b er für die Kunst am wertvollsten sind jene ihrer Freunde, die weder einseitig dem Vergangenen nachhängen, noch ebenso ein­

seitig lediglich allen W ellenlinien der Tagesmoden nach­

jagen, sondern die in sich vereinigen die Verehrung des Alten und die zärtliche Liebe für das Neue, W erdende, W achsende. D iese geistige Organisation des Publikums tut not, wenn wir eine gesunde W eiterentwicklung unserer Kunst wollen. Denn nur damit schaffen wir ihr den fruchtbaren Boden, den sie braucht.

Unser deutsches Leben der Gegenwart duldet weder den Rahmen eines Antiquitäten-Ladens noch den eines Mode-Magazins. Zwischen diesen Extrem en zimmern wir unser H eim ! ... d r . e m i l u t i t z - r o s t o c k .

*

ie Kunst ist der Jubel der M aterie. Sollte sie nicht aus einer Weltanschauung der Freude neues Leben gewin­

nen, sich auf ihren uralten Rhythmus besinnen lernen? R.w.

A R C H . L U C IA N B E R N H A R D -B E R L IN . K R O N L E U C H T E R M IT S C H A L E

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INNEN-DEKORATION

E N T W . U . A U S F : ELISA B ETH BA CH A RA CH —C H A RLO TTEN BU K G . T ISC H D EC K E U . B O R D Q R E FÜR E IN E A N R IC H TED EC K E IN FILETA RBEIT

(30)

INNEN-DEKORATION

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H A N N E K O L B -N Q E N B E R G . D E C K E . L O C H S T IC K E R E I, F IL E T E IN S A T Z E U . S P ,T Z E . A U S D E M W E T T B E W . D E B S T IC K .- U .S P 1 T Z .-R U N D S C H .

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EINIGE ANTW ORTEN A U F UNSERE RUNDFRAGEN IM JA N U A R H E FT

( V E R G L . IN N E N -D E K O R A T IO N , JA N U A R 1916, S E I T E 10)

I.

E

rfahrungen, die ich mit neuzeitlichen Möbeln gemacht habe, sind in jeder Hinsicht sehr erfreulich. Von dem guten Material, der ausgezeichneten technischen V er­

arbeitung war das zu erwarten. Da die künstlerische Gestaltung in meinem Falle jenen beiden guten Eigen­

schaften ganz gewachsen war, so hat die Liebe zu den Gegenständen nicht nachgelassen, und ich schätze sie auch bei scharfer Kritik als wertvolle Kunstwerke.

W as neuzeitlichen Zimmereinrichtungen u. a. ins­

besondere mangelt, ist der unseren Bestrebungen ent­

sprechende T e p p i c h . Nach meinem Empfinden soll ein Teppich weich sein; das soll er nicht nur den Fuß fühlen lassen durch seine weichen Fasern, sondern dem A uge zeigen durch sein farbiges Muster, das die W eich­

heit ausdrückt. — Die Natur bietet uns entsprechende Formen, bei deren Anblick man unwillkürlich das Gefühl der flaumigen W eichheit haben muß. — Künstler, die Teppiche schaffen, haben solch entsprechende Natur­

formen augenscheinlich noch nicht ernst genug auf sich wirken und sich von ihnen anregen lassen, sonst könnte man nicht neueste Teppiche mit imitierten oder stilisierten Blumen sehen. Ist es nicht störend, im Zimmer auf Blumen (des Teppichs) zu treten? — Andere Teppiche, bei denen dies nicht der Fall ist, sind wiederum gar zu eintönig oder kalt im Muster.

Ähnliche Unvollkommenheiten scheinen mir bei V o r ­ h ä n g e n , überhaupt S t o f f b e z ü g e n , zu herrschen. Ich habe selten einen Stoff gesehen, der die Falten, das weiche Fallen eines Vorhanges, im Muster ausdrückt, bei dem allein der Anblick die W eichheit des Materials fühlen läßt. W ie heute Blumen, Tierfüße und Ähnliches an Geräten und Möbeln, mögen jene noch so formvoll­

endet dem ganzen Stück eingepaßt oder geschnitzt sein, unpassend, ja manchmal grotesk wirken, weil sie mit den Eindrücken des heutigen Lebens nicht harmonieren, ebenso haben Vorhangmuster, bestehend in Blumen­

sträußen usw., auf mich immer einen uninteressanten Eindruck gemacht.

A n Geräten und Möbeln sind mir in meiner Wohnung die zeitgemäß-künstlerischen, also ursprünglichen, eigen­

geschaffenen, n i c h t die aus früheren Stilen abgezeich­

neten oder nachempfundenen, am liebsten. Daß Haus­

gegenstände gut und anheimelnd sind, sollte deutsche Eigentümlichkeit sein. Rein hygienische Möbel passen in die Küche oder ins Badezimmer, da sie selten gemüt­

lich sind.

Aufträge würde ich durch einen Architekten einem Geschäft zur Ausführung übergeben. Allerdings findet man vielfach zu eigenen Sachen Passendes, das man fertig kaufen könnte.

Eine wachsende Formen-Typisierung ergibt sich von selbst aus der Entwicklung, da das wirklich aktive, wirkende, einflußreiche Leben in den Grundzügen nicht gar so mannigfaltig ist, wie es jeweils gegenwärtig scheinen mag. Absichtliche Typisierung wird durch den vielseitigen Widerstand sich nicht so weit ausdehnen können, daß sie der künstlerischen Entwicklung schädlich werden könnte. K U R T L., z. Zt. G e fr . 1. E r s .-B a tl. 16. In f.-R e g ts. P.

I I .

1. Künstlereinrichtungen finde ich auf die Dauer un­

erträglich langweilig und unpersönlich. Ich selbst habe mit Vergnügen ein tadellos gearbeitetes Musikzimmer von Professor R. für die Hälfte des Preises verkauft.

2. Selbst in guten Villen ist der Küchengeruch noch immer bemerkbar, die Anrichte als trennender Raum genügt meist nicht. Ferner sind die Klosettgeräusche in der Garderobe oder Vorplatz zu sehr hörbar. Vielleicht müßte man doppelte Türen haben, oder einen zweiten ganz kleinen Klosettraum (nicht Waschraum, der in der Garderobe sein sollte). Dann braucht man mehr Steck ­ kontakte, mehr Lichtschalter; hat das Zimmer z. B. zwei Ausgänge, so müßte man an beiden Türen aus- und ein- schalten können.

4. Für Schlaf- und Kinderzimmer bevorzuge ich die hygienisch-praktischen, zum Wohnen die gemütlichen Einrichtungen, A ltes und Neues zusammen.

Man sollte sich für die Wohnräume die einzelnen Stücke nach und nach zusammensuchen, alte und moderne; man hat viel mehr Freude daran, sie werden einem persönlicher, man lernt dabei, die Zimmer wirken zeitlos, sie werden nie unmodern, sie atmen ruhig, sie kennen keine Verblüffung. Gute alte Möbel und ein gutes modernes Stück passen immer zueinander, aller­

dings muß man einen sicheren Geschmack haben, sie richtig zusammenzustellen. Schreibtisch, Eßtisch, Leder­

sessel, Bücherwand, Beleuchtungskörper, Heizverklei­

dung, dann die praktischen Zimmer, — es bleibt noch genug übrig für »neue Entwürfe«.

Noch etwas, was nicht »zur Sache« g ehört: wenn man die »Innen-Dekoration« ein paar Jahre gelesen hat, werden einem diese Zimmereinrichtungen, in denen alles zueinander paßt, langweilig. W ie selten kann man sagen:

endlich mal eine Inneneinrichtung (so im Dezemberheft), wo nicht der Architekt die Zimmer allein gemacht, son­

dern der, der drin wohnt, sein Ich hineingelegt hat. Und dann diese heutigen Villenbauten! Diese vielen Dächer, diese Unruhe, jede Beschaulichkeit fehlt (einige A us­

nahmen gibt es selbstverständlich, so E. v. Seidl). Und welche schönen Vorbilder hätten wir doch im Barock, das sich gerade für den Landhausbau so gut eignet!

W enn wir an ein »Herrenhaus« denken, sehen wir es je im G eiste mit spitzem langen Dach oder gar mit eng­

lischem Schornstein? f r a u e . c . - t i i . I I I .

Von Ihrer sehr zeitgemäßen Umfrage würde ich die F rage: »Soll der Künstler sich in den betr. Kreisen um­

schauen?« gern beantworten, nämlich mit ja , j a , j a , — wo und wie er kann, und alle, die in Betracht kommen, sollen den Künstlern ihre Räume öffnen! p r o f . e . w . b r e d t .

I V .

1. »Neuzeitliche Künstlereinrichtungen« sind nach meiner Erfahrung bei großen Mitteln und verständnis­

vollen Auftraggebern von schönster Wirkung und können dauernd befriedigen. Da der Entwurf naturgemäß hoch bezahlt wird, so wird dann bei b e s c h r ä n k t e r e n M i t t e l n der Materialwert, die Güte der Stoffe usw.

zu kurz kommen; wenn dann auch meist durch aparte

Cytaty

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D er Künstler ist nicht P roletarier, auch wenn er kein G eld h at; er kann nicht schöpferisch werden durch Organisation, die immer nur ein Ä ußerliches,

Es muß ihre Erscheinung aufs vorteilhafteste zur G eltung bringen; aber über diese Äußerlichkeiten hinausgehend, muß die Bewohnerin in ihrem Schlafzimmer, besonders,

D eshalb soll sich niemand scheuen, auch den Salon nach seinem persönlichen Geschm ack auszugestalten, damit sich der Besitzer oder vielmehr die Besitzerin darin

tigsten Punkte für die innere Gestaltung überhaupt, zur Heizungsfrage. Grundsätzlich sollte kein Erker angelegt werden, in dem nicht selbst, oder zum mindesten in seiner

naturen, die mit gleichgroßem Verständnis und unbegrenzter Liebe zur Kunst sich dem W erk der architektonischen Schöpfung widmen, läßt für die Zukunft noch viel erwarten;

Käufer, sondern auch die skandinavischen Länder, ferner Rußland, der Balkan, die Schw eiz, Holland und Belgien werden sich nach m einer festen Überzeugung immer mehr dem

ofen. Gerade in unserer Zeit, der die Sicherheit eines einheitlichen Stiles fehlt, wird es das Zeichen eines geschulten Geschmackes sein, daß man sich von der

gefügt, verzapft sind, zeigen sie einen konstruktiv sichern, schreinergem äßen Bau, ohne damit einer anmutigen Form entraten zu müssen.. Und im selben w erkm äßigen