• Nie Znaleziono Wyników

Im Schatten Danzigs? Stettin in der politischen Kultur Polens zwischen 1970 und 2015

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Im Schatten Danzigs? Stettin in der politischen Kultur Polens zwischen 1970 und 2015"

Copied!
29
0
0

Pełen tekst

(1)

JÖRG HACKMANN*

https://orcid.org/0000-0002-1765-505X

Im Schatten Danzigs?

Stettin in der politischen Kultur Polens zwischen 1970 und 20151

Abstract

In the Shadow of Gdańsk?

Szczecin and the Political Culture of Poland between 1970 and 2015

This article examines the social protest movement against the socialist regime in the Baltic port cities of Szczecin and Gdańsk, in particular between 1970 and 1981.

It intends to discuss the impact of these strikes on the formation of a regional and national political culture, which is widely connected to the concept of civil society, in a longer perspective. While Szczecin, after the bloody clashes with the regime’s law enforcement in mid-December 1970, saw a longer-lasting period of strikes, which led to an intervention by First Secretary Edward Gierek, these protests remained limited to the community of workers and did not yet challenge the rule of the Polish United Workers’ Party. They contributed, however, to the formation of a local Polish identity from below. However, in Gdańsk and, in a broader perspective, in the entire Polish Tricity (consisting of Gdańsk, Gdynia and Sopot) a close cooperation between work- ers and intellectuals emerged during the 1970s, which proved to be decisive during the strike of August 1980. In Szczecin, the similarly strong strike movement of summer 1980 lacked the national (and international) resonance of the protests in Gdańsk. In addition, the political impact and the collective commemoration (as well as the schol- arly research) of the workers’ protests in the case of Szczecin remained mostly a local issue even after the fall of the socialist regime. Which stands, once again, in sharp contrast to the situation of Gdańsk.

Keywords: Szczecin; Gdańsk; social movements; social protests; strikes; political cul- ture; collective commemoration; communism in Poland; Polish United Workers’ Party

* Historisches Institut, Universität Stettin, jorg.hackmann@usz.edu.pl

1 Eine erste Version dieses Texts erschien anlässlich der Jahrestage von 1970 und 1980 als:

Jörg Hackmann, Wind vom Meer. Danzig und Stettin in der polnischen politischen Kultur nach 1945, [in:] Vom alten Norden zum neuen Europa. Politische Kultur im Ostseeraum. Festschrift für Bernd Henningsen, hrsg. v. Norbert Götz, Jan-Hecker Stampehl, Stephan M. Schröder, Ber- lin 2010, S. 151–169. Für die kritische Lektüre und wichtige Hinweise, die ich angesichts des durch die Pandemie eingeschränkten Zugangs zu den Bibliotheken nur teilweise verarbeiten konnte, danke ich den beiden anonymen Rezensenten.

Zugeschickt am 3.11.2020; Zugeschickt nach Korrekturen am 8.12.2020; Angenommen am 10.12.2020

ISSN 0044-1791

http://dx.doi.org/10.15762/ZH.2020.34

(2)

Mitte der 1990er Jahre waren Ansichten aus Danzig vor 1945 unter dem Titel „Był sobie Gdańsk“ („Einst in Danzig“)2 ein publizistischer Erfolg in Po- len. Es handelte sich um Reproduktion von Fotos aus Familienalben der Zeit vor 1939, die vor allem das öffentliche Alltagsleben spiegelten. Die Adressaten dieser Publikationen waren nicht etwa die früheren deutschen Einwohner der Stadt, sondern die polnische Bevölkerung, für die diese Zuwendung zum al- ten Danzig, das als bürgerliches wie preußisch-deutsches in sozialistischer Zeit öffentlich negativ konnotiert war, nun ganz offensichtlich identitätsrelevant geworden war. Zur Motivation verwies der Initiator Donald Tusk, Premier- minister der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska, PO) von 2007 bis 2014 und Vorsitzender des Europäischen Rats bis 2019, nicht nur auf das kommu- nikative Familiengedächtnis, sondern er schlug auch einen politischen Bogen:

„Die großen Danziger Revolten der 70er und 80er Jahre stärkten bei vielen Bewohnern die Überzeugung von der Außergewöhnlichkeit der Stadt. Es war wohl gerade die Rückkehr der großen Geschichte an die Mottlau, die es meiner Generation erlaubte, die Komplexe und Vorurteile abzuwerfen und mit Cou- rage auf die Vergangenheit Danzigs zu schauen. Wir fühlten uns umso frei- er, je tiefer wir Wurzeln schlugen und je stärker wir Kontinuität erstrebten.“3 Ähnliche Publikationen sind auch zu Stettin erschienen,4 aber die mitunter nostalgische Erinnerung an die deutsche Zeit und die in den letzten zwei Jahr- zehnten umfangreiche Publizistik über die Streiks von 1970 –1971 und 1980 stehen  – anders als in Danzig – in keinem unmittelbaren Zusammenhang.

Stattdessen wird die Bedeutung namentlich der Revolte 1970 –1971 für die polnische Identitätsbildung in der Stadt betont.5 Um diesen Kontrast soll es im Folgenden gehen, zunächst ist aber die Danziger Perspektive genauer zu be- trachten. Man wird in ihr, die sich auch in der Belletristik spiegelt, einen Zugriff auf die Geschichte des Jahrhunderts der Extreme ausmachen können, der sich deutlich von der durch die Produktion nationaler Mythen charakterisierten Geschichtspolitik6 der Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość,

2 Był sobie Gdańsk, cz. 1– 5, red. Donald Tusk [et al.], Gdańsk 1996 – 2003. Den ersten Foto- bänden folgte 1997 –1998 eine gleichnamige Zeitschrift, zudem erschienen weitere Bände über Danziger Stadtteile.

3 Był sobie Gdańsk, cz. 1, red. Donald Tusk [et al.], S. 6 (meine Übersetzung – J.H.).

4 Hier ist etwa die seit 2011 erscheinende Zeitschrift „Szczeciner. Magazyn miłośników Szcze- cina“ zu nennen.

5 Eryk Krasucki, Przesilenie. Szczecińskie społeczeństwo i władza w styczniu i lutym 1971 r.

Obraz źródłowy, Szczecin 2010, S. 34; idem, Grudzień ’70 i jego następstwa, [in:] Zbuntowane miasto. Szczeciński Grudzień ’70 – Styczeń ’71, red. Małgorzata Machałek, Paweł Miedziński, Szczecin 2007, S. 9 –15.

6 Angemessene Hinweise auf diese Diskussion würden den Umfang dieses Textes sprengen, auf einige Aspekte bin ich an anderer Stelle eingegangen: Jörg Hackmann, Defending the “Good Name” of the Polish Nation: Politics of History as a Battlefield in Poland, 2015 –18, Journal of

(3)

PiS) von 2005 bis 2007 und dann seit 2015 unterscheidet. Die Diskrepanz zwi- schen einer national-zentrierten und einer europäisch-liberalen Auffassung, die sich in der jüngsten Zeit in den Konflikten um das Museum des Zweiten Weltkriegs (Muzeum II Wojny Światowej) und das Europäische Zentrum der Solidarität (Europejskie Centrum Solidarności, ECS) in Danzig spiegelt,ge- winnt schließlich dadurch an Bedeutung, dass die beiden politischen Lager und ihre Repräsentanten – wie der weitaus größte Teil des heutigen politischen Spektrums abgesehen von den Postkommunisten und einigen jüngeren Par- teigründungen – in der politischen Tradition der Solidarność von 1980 –1981 verorten. Zu offenen Auseinandersetzungen zwischen den früheren Aktivisten der Unabhängigen selbstverwalteten Gewerkschaft Solidarität (Niezależny Sa- morządny Związek Zawodowy Solidarność, NSZZ Solidarność) und ihrer Auf- spaltung in unterschiedliche politische Richtungen und Gruppierungen war es allerdings bereits kurz nach der politischen Wende von 1989 gekommen.

Dieser Konflikt zeigt sich nicht nur in den Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Parteien und persönlichen Animositäten, sondern spiegelt sich seit mehr als einem Jahrzehnt in getrennten offiziellen Erinnerungen an den „Runden Tisch“ und die ersten freien Wahlen im Juni 1989.7

Für die politische Aufgliederung von Solidarność,8 die insbesondere in der Außensicht als einheitliche gesellschaftliche Bewegung wahrgenommen wur- de, und die erinnerungspolitischen Konflikte der letzten Jahre gibt es zahlreiche Erklärungsansätze. So ist vielfach auf die tiefgehende Spaltung der polnischen

Genocide Research, vol. 20: 2018, no. 4, S. 587 – 606. Erhellend zu den politischen Mythen nach 1989 ist: Cezary Michalski, Der Mythos in der polnischen Politik nach 1989, Jahrbuch Polen, Bd. 29: 2018, S. 9 – 21.

7 S. exemplarisch Jason Burke, Divided Poland Falls out over Solidarity, The Observer, 31.5.2009, https://www.theguardian.com/world/2009/may/31/poland-communism-twentieth -anniversary [Zugriff: 20.10.2020]; und Marc Santora, Poland Marks an Anniversary, not in Solidarity, but Division, The New York Times, 4.6.2019, https://www.nytimes.com/2019/06/04/

world/europe/poland-election-anniversary-solidarity.html [Zugriff: 1.12.2020]. Vgl. auch die Analyse von Timothy Garton Ash im Nachwort von 1999 zu seinem Buch über Solidarność:

Timothy Garton Ash, Jesień wasza, wiosna nasza, tł. Małgorzata Dziewulska, Anna Husar- ska, Marcin Król, Warszawa 2009, S. 324 – 355, hier S. 349 – 351.

8 Aus der Literatur zu Solidarność s. das klassische Werk von Jerzy Holzer, „Solidarność”

1980 –1981. Geneza i historia, Paryż 1984; sowie Jan Skórzyński, Krótka historia Solidarności 1980 –1989, Gdańsk 2014. Zu den Nachwirkungen von Solidarność s. Solidarność. Wydarzenie, konsekwencje, pamięć, red. Antoni Sułek, Warszawa 2006; Ireneusz Krzemiński, Solidarność.

Niespełniony projekt polskiej demokracji, Gdańsk 2013; idem, Solidarność – doświadczenie i pa- mięć, Gdańsk 2010; Guglielmo Meardi, The Legacy of “Solidarity”: Class, Democracy, Culture and Subjectivity in the Polish Social Movement, Social Movement Studies, vol. 4: 2005, no. 3, S.  261– 280; Jack Bielasiak, The Paradox of Solidarity’s Legacy: Contested Values in Poland’s Transitional Politics, Nationalities Papers, vol. 38: 2010, no. 1, S. 41– 58; s. auch Padraic Kenney, A Carnival of Revolution: Central Europe 1989, Princeton 2002, S. 293 – 306.

(4)

Gesellschaft in „my i oni“ („wir und sie“) als Folge der Konflikte zwischen Ge- sellschaft und Staat in sozialistischer Zeit seit Ende der 1970er Jahre hingewie- sen worden,9 die auch noch die Gegenwart prägt. Zudem ist argumentiert wor- den, dass die Einheitlichkeit von Solidarność als soziale Bewegung eine Fiktion sei beziehungsweise die Sichtweise engagierter Intellektueller widerspiegele, die so ihre führende Rolle unterstreichen wollten.10 Eng damit verbunden ist die in den letzten Jahren deutlicher gewordene Kontroverse über die Rolle der Zivilgesellschaft: Hier ist zunächst der west-östliche Zivilgesellschaftsdiskurs seit Ende der 1970er Jahre in der Prägung von Jacques Rupník, John Keane, Jean Cohen und Andrew Arato11 zu nennen, der vor allem die Rolle der Intel- lektuellen und das Bündnis zwischen ihnen und den Arbeitern in den Vorder- grund gestellt hat. Während in Polen vor allem Adam Michnik als Vertreter dieses links-liberalen Zivilgesellschaftsdiskurses zu nennen ist, wurde „spo- łeczeństwo obywatelskie“ in Polen seit den 1990er Jahren zunehmend als ein liberal-konservatives Projekt verstanden.12 Diese „Zivilgesellschaftsutopie“ hat Stephen Kotkin vor einigen Jahren einer fundamentalen Kritik unterzogen, die vom Primat der ökonomischen Krise als Ausgangspunkt für die politi- schen Umwälzungen ausgeht.13 Während Kotkin in den „unzivilen“ Eliten die zentralen Akteure sieht, steht daneben die ältere Ansicht, die von der entschei-

9 Etwa: Robert Brier, The Roots of the “Fourth Republic”: Solidarity’s Cultural Legacy to Polish Politics, East European Politics and Societies, vol. 23: 2009, no. 1, S. 63 – 85, hier S. 66 – 68.

Zu diesem Grundmuster politischer Kultur im 19. und 20. Jahrhundert s. auch Hans H. Hahn, Die Gesellschaft im Verteidigungszustand. Zur Genese eines Grundmusters der politischen Menta- lität in Polen, [in:] Gesellschaft und Staat in Polen. Historische Aspekte der polnischen Krise, hrsg.

v. Hans H. Hahn, Michael G. Müller, Berlin 1988, S. 15 – 48.

10 So Roman Laba, The Roots of Solidarity: A Political Sociology of Poland’s Working-Class Democratization, Princeton 2014, S. 4 – 6.

11 S. vor allem Civil Society and the State: New European Perspectives, ed. John Keane, Lon- don – New York 1993; Jacques Rupník, Dissent in Poland 1968 – 78: The End of Revisionism and the Rebirth of the Civil Society, [in:] Opposition in Eastern Europe, ed. Rudolf L. Tőkés, London 1979, S. 60 –112; Jean L. Cohen, Andrew Arato, Civil Society and Political Theory, Cambridge 1994; vgl.

Jörg Hackmann, Civil Society Against the State? Historical Experiences of Eastern Europe, [in:] Civil Society in the Baltic Sea Region, ed. Norbert Götz, Jörg Hackmann, Aldershot 2003, S. 49 – 62.

12 S. einerseits Adam Michnik, Letters from Prison and Other Essays, trans. Maya Latyn- ski, Berkeley 1986, S. 124, 303; und Ireneusz Krzemiński, Czego chcieli, o czym myśleli? Anali- za postulatów robotników Wybrzeża z 1970 i 1980, Warszawa 1987, S. 1– 5; andererseits: Marek A. Cichocki, Doświadczenie pierwszej „Solidarności”. Między absolutyzmem a polityczną samo- wiedzą Polaków, [in:] Lekcja Sierpnia. Dziedzictwo „Solidarności” po dwudziestu latach, red. Da- riusz Gawin, Warszawa 2002, S. 77 –101; Dariusz Gawin, Civil Society Discourse in Poland in the 1970s and 1980s, [in:] Discourses on Civil Society in Poland, ed. Agnes Arndt, Dariusz Gawin, Berlin 2008, S. 31– 42.

13 Stephen Kotkin, Uncivil Society: 1989 and the Implosion of the Communist Establishment, New York 2010. Zur Kritik an dieser Position s. Rezension von Michael Bernhard in: Slavic Review, vol. 70: 2011, S. 666 – 668.

(5)

denden Rolle der Arbeiter ausgeht.14 Als einen weiteren Erklärungsansatz hat Jerzy Szacki den Fokus der Opposition auf individuelle Freiheit als zentra- les Element für die politischen Probleme in der Transformationsphase nach 1989 ausgemacht.15 Wenn man außerdem berücksichtigt, dass in der Politik von Solidarność von 1980 bis 1981 mindestens drei unterschiedliche Agenden beobachtet wurden – die einer Gewerkschaftsbewegung, einer Demokratiebe- wegung und auch einer Nationalbewegung16 – dann stellt sich die Frage ihrer Einheitlichkeit eher als die einer diskursiven Konstruktion dar.

Dabei ist nicht zu übersehen, wie eingangs angedeutet, dass sowohl in der historiographischen Literatur wie auch in der internationalen Öffentlichkeit Danzig nicht nur im Mittelpunkt steht, sondern auch als das Zentrum von So- lidarność wahrgenommen wird, wozu nicht zuletzt auch die zahlreichen Ak- tivitäten des Europäischen Zentrums der Solidarität17 beitragen. Vor diesem Hintergrund soll hier eine regionale Sichtweise eingenommen werden. Dabei soll weniger auf den Zerfall von Solidarność als soziale Bewegung geschaut wer- den, sondern nach dem Beitrag der Proteste gegen das sozialistische Regime zur Entstehung einer pluralen politischen Kultur in Polen gefragt werden. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen hier die Ostseestädte Danzig und Stettin als wichtige Zentren der Proteste und Streiks 1970 –1971 und 1980 –1981, und zwar deshalb, weil sich in ihnen zugleich zwei unterschiedliche Ausprägungen von Opposition erkennen lassen.18 Da die Situation in Danzig sich deutlicher konturiert darstellt, soll der Schwerpunkt hier auf Stettin liegen und insbeson- dere der Frage nachgegangen werden, welche Faktoren dazu geführt haben, dass Stettin in dieser Entwicklung als peripher wahrgenommen wurde und die Erinnerung an die Proteste dort vor allem eine lokale Dimension hat.

14 S. etwa R. Laba, op. cit., S. 3, 178 und öfter; kritisch dazu Jan Kubik, Who Done It: Work- ers, Intellectuals, or Someone Else? Controversy over Solidarity’s Origins and Social Composition, Theory and Society, vol. 23: 1994, no. 3, S. 441– 466.

15 Jerzy Szacki, Liberalism after Communism, trans. Chester A. Kisiel, Budapest – Lon- don – New York 1995, S. 100 –104, 207 – 213; s. auch M. A. Cichocki, op. cit., S. 77 –101. Ähnlich auch Alain Touraine [et al.], Solidarność. Analiza ruchu społecznego 1980 –1989, tł. Andrzej Krasiński, [Warszawa] 1989.

16 Antoni Dudek, Rewolucja robotnicza i ruch narodowyzwoleńczy, [in:] Lekcja Sierpnia.

Dziedzictwo „Solidarności” po dwudziestu latach, red. Dariusz Gawin, Warszawa 2002, S. 143 –158, hier S. 143; Zdzisław Matusewicz, Szczecin 1980 –1981. Rewolucja „Solidarności”, Szczecin 1997, S. 322; vgl. auch Charles Tilly, Social Movements, 1768 – 2004, Boulder 2004, S. 71.

17 Dazu zählen neben der Daueraustellung: Wystawa stała Europejskiego Centrum Solidar- ności, red. Basil Kerski, Konrad Knoch, Gdańsk 2014, auch eine umfangreiche Publikations- tätigkeit.

18 Ansätze zu einem Vergleich bei: Krzysztof Łabędź, Opozycja przedsierpniowa a wyda- rzenia w lecie 1980 r., [in:] Między Warszawą a regionem. Opozycja przedsierpniowa na Pomorzu Zachodnim, red. Krzysztof Kowalczyk, Michał Paziewski, Marcin Stefaniak, Szczecin 2008, S. 41– 53; s. auch die Darstellung der Eereignisse bei R. Laba, op. cit., S. 15 – 82.

(6)

Zunächst ist aber ein Blick auf die Entwicklung der beiden Ostseestädte nach 1945 zu werfen: Danzig und Stettin waren von einem radikalen Umbruch in der städtischen Bevölkerung gekennzeichnet. Nur ein geringer Anteil der Einwohner vor 1939 blieb nach Ende der unmittelbaren Nachkriegszeit in den beiden Städten: die jüdische Bevölkerung war während der NS-Herrschaft vertrieben, deportiert oder ermordet worden, die übrige deutsche Bevölke- rung war gegen Kriegsende geflohen oder evakuiert worden oder sie wurde anschließend zwangsausgesiedelt. In Danzig allerdings blieb die autochthone, polnisch-kaschubische Bevölkerung zum Teil in der Stadt, sie umfasste 1948 etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung von 165.000 Personen. In Stettin lebten Ende 1947 noch ca. 4.000 Deutsche in der Stadt bei einer Gesamtbevöl- kerung von knapp 140.000 Personen.19 Zu dem Bevölkerungsaustausch kam die weitgehende Zerstörung der Städte während des Zweiten Weltkriegs, der schon kurz nach Kriegsende große Wiederaufbauprogramme mit dem Ziel der kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Integration der Städte in die Volksrepublik folgten. Auch wenn sich die städtebaulichen Konzepte in Stettin und Danzig deutlich unterschieden, so nahmen doch die Werften einen wich- tigen Platz in der polnischen Umgestaltung der Küstenstädte ein. Zwar hatten die Werften in Danzig, Gdingen und Stettin auch schon vor 1945 bestanden, zu ihrer ökonomischen Funktion trat nun aber ihre symbolische Aufladung als Kristallisationspunkte volkspolnischer Identität, die sich sowohl aus dem stalinistischen Primat der Schwerindustrie und als auch aus der Tradition der Meerespolitik der Zweiten Republik20 speiste. Der Zugang zur Ostsee erschien vor 1945 als Garant für die politische Souveränität Polens und stand nach 1945 für die Industrialisierung und Modernisierung der Volksrepublik.21 Zu den schwierigen materiellen wie sozialen Ausgangsbedingungen in den Küsten- städten in den Jahren des Stalinismus kam nicht zuletzt in Stettin ein kollekti- ves Gefühl der Vorläufigkeit und Unsicherheit über die Zukunft der Stadt, die

19 Sylwia Bykowska, Problem osadnictwa w Gdańsku w pierwszych latach po zakończeniu drugiej wojny światowej, Zapiski Historyczne, t. 82: 2017, z. 4, S. 81–109; Tadeusz Białecki, Lud- ność, [in:] Dzieje Szczecina, t. 4: 1945 –1990, red. Gerard Labuda, Tadeusz Białecki, Zygmunt Silski, Warszawa 1998, S. 169, 184; Sylwester Kaczkowski, Stosunki ludnościowe Szczecina w latach 1945 –1955, Warszawa 1968.

20 Polska nad Bałtykiem. Konstruowanie identyfikacji kulturowej państwa nad morzem 1918 –1939, red. Dariusz Konstantynów, Małgorzata Omilanowska, Gdańsk 2012.

21 Stefan Troebst, „Intermarium“ und „Vermählung mit dem Meer“. Kognitive Karten und Geschichtspolitik in Ostmitteleuropa, Geschichte und Gesellschaft, Bd. 28: 2002, H. 3, S. 435 – 469.

Dieser Sachverhalt spiegelt sich auch in zahlreichen Publikationen jener Jahre, s. etwa zu Stettin:

Henryk Mąka, Największy nad Bałtykiem. Szczeciński ośrodek morski, Poznań 1975; zu Danzig:

Bohdan Szermer, Gdańsk – przeszłość i współczesność, Warszawa 1971, S. 119 –131; vgl. auch Alina Hutnikiewicz, Szczecin w polskiej polityce morskiej w latach 1945 –1950, Szczecin 1991.

(7)

mindestens bis zu Chruščëvs Staatsbesuch im Juli 1959 anhielt,22 sowie eine allgemeine Abneigung gegen die Anwesenheit der Sowjetischen Armee, die in Stettin bis 1955 eine Umladebasis im Hafen unterhielten.23

Blickt man auf die bekannte Fieberkurve der Proteste in der Volksrepu- blik, so standen die Küstenstädte weder im Juni 1956, als in Posen bei Ar- beiterprotesten mehr als 50 Personen durch massiven Militäreinsatz starben, noch 1968 im Zentrum der Auseinandersetzungen.24 Allerdings kam es in Stettin im Dezember 1956 zu gewaltsamen Protesten, die bereits Licht auf die späteren Vorgänge werfen: Die Festnahme eines betrunkenen Mannes am 10. Dezember löste Straßenkämpfe mit der Polizei (Milicja Obywatelska, MO) und Einheiten des Korps für innere Sicherheit (Korpus Bezpieczeństwa We- wnętrznego, KBW) aus, in deren Verlauf das sowjetische Konsulat in Stettin geplündert und in Brand gesteckt wurde. Die Protesten, bei denen es auch zu Solidaritätsbekundungen mit Ungarn kam, hielten mehrere Tage an.25 Nach den Demonstrationen von Studenten in Warschau im März 1968 und den gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Milizeinheiten und Arbeitertrupps, die zur Niederschlagung der Proteste in die Hochschulen geschickt wurden, wurden in Stettin, so berichtete Marian Jurczyk, der Streikführer von 1980,26

22 Seine Bezeichnung als „Psychose der Vorläufigkeit“ unterstellt freilich einen pathologi- schen Charakter, vgl. dazu Jan Musekamp, Zwischen Stettin und Szczecin. Metamorphosen einer Stadt von 1945 bis 2005, Wiesbaden 2010, S. 122 –126; sowie zu Breslau: Gregor Thum, Die frem- de Stadt. Breslau 1945, Berlin 2003, S. 248 – 270; s. auch Andrzej Friszke, Jakich dziejów opozy- cji potrzebują Polacy?, [in:] Między Warszawą a regionem. Opozycja przedsierpniowa na Pomorzu Zachodnim, red. Krzysztof Kowalczyk, Michał Paziewski, Marcin Stefaniak, Szczecin 2008, S.11–18, hier S. 11.

23 Ryszard Techman, Armia radziecka w gospodarce morskiej Pomorza Zachodniego w la- tach 1945 –1956, Poznań 2003.

24 Andrzej Friszke, Opozycja polityczna w PRL 1945 –1980, Londyn 1994; ein knapper Überblick bei: Grzegorz Ekiert, Jan Kubik, Rebellious Civil Society: Popular Protest and Demo- cratic Consolidation in Poland, 1989 –1993, Ann Arbor 1999, S. 24 – 46; s. auch David Ost, Soli- darity and the Politics of Anti-Politics: Opposition and Reform in Poland since 1968, Philadelphia 1990, S. 33 – 53; zu Posen: Poznański Czerwiec 1956. Uwarunkowania – przebieg – konsekwencje, red. Konrad Białecki, Stanisław Jankowiak, Poznań 2007.

25 Beschreibung der Vorgänge in: Paweł Skubisz, Nocna rewolta. Antysowieckie zamieszki w Szczecinie 10 grudnia 1956 r., Szczecin 2009; und Antoni Dudek, Tomasz Marszałkowski, Walki uliczne w PRL 1956 –1989, Kraków 1999; hier nach: https://przelomy.muzeum.szczecin .pl/historia/artykuly/100-walki-uliczne-w-szczecinie-w-grudniu-1956-r.html [Zugriff: 29.10.2020];

Eryk Krasucki, Szczeciński rok 1956. Uwagi o naturze zmiany, Kronika Szczecina, 2016, S. 27 – 52. Zur Situation in der Küstenregion allgemein s. auch: Kazimierz Kozłowski, Od Października ’56 do Grudnia ’70. Ewolucja stosunków spoleczno-politycznych na Wybrzeżu (1956 –1970), Szczecin 2002.

26 Zu den Biographien der polnischen Opposition s. Opozycja w PRL. Słownik biograficzny 1956 –1989, t. 1– 3, red. Antoni Dudek [et al.], Warszawa 2000 – 2006; und Encyklopedia Solidar- ności, http://www.encysol.pl/wiki/Strona_główna [Zugriff: 30.10.2020].

(8)

Arbeiter mit Stücken von Schiffskabeln ausgerüstet, um auf die Studenten der Technischen Hochschule einzuschlagen.27 In Danzig kam es allerdings auch zu Kontakten zwischen Studenten und Arbeitern, die sich mit den Studenten solidarisierten.28

Gegenüber den Zusammenstößen von 1956 und 1968 übertrafen die Pro- teste in den Küstenstädten Ende 1970 und Anfang 1971 an Heftigkeit wie Aus- maß die vorangegangenen Konflikte erheblich. Ausgelöst wurden die Proteste, ähnlich wie 1956, von der Unzufriedenheit mit den materiellen Lebensver- hältnissen. Wenige Tage nach dem Besuch von Bundeskanzler Willy Brandt in Warschau und der Unterzeichnung des Warschauer Vertrags zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland wurde am 12. De- zember 1970 abends eine erhebliche, sofortige und landesweite Erhöhung der Lebensmittelpreise angekündigt.29 Daraufhin kam es zu Demonstrationen und Streiks vor allem in den Werften zwischen Elbing und Stettin. In der Drei- stadt Danzig-Sopot-Gdingen begannen die Streiks am 14. Dezember, die sich am selben Tag dann zu Straßenschlachten und Plünderungen ausweiteten.

Am nächsten Tag eskalierte die Situation, als das Wojewodschaftskomitee der Vereinigen Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza, PZPR) in Brand gesteckt wurde und das Militär auf die Demonstranten schoss. Am 16. Dezember starben zwei Arbeiter vor dem Tor 2 der Lenin-Werft, als be- waffnete Einheiten die Arbeiter von Zügen in die Stadt abzuhalten versuchten.

Aus der Abriegelung der Werft resultierte ein erstes „sit-down“ der Streiken- den, das am frühen Morgen des 16. Dezember beendet wurde.30 Bei den Ausei- nandersetzungen in der Dreistadt kamen zwischen dem 15. und 17. Dezember 27 Menschen vor allem durch den Einsatz von Schusswaffen zu Tode. 11 von ihnen starben am 17. Dezember, dem „schwarzen Donnerstag“, als am frü- hen Morgen Soldaten in der Nähe des Bahnhofs Gdingen-Werft in die Menge schossen, die auf dem Weg zur Werft war.31 Die vom Politbüro angeordnete

27 Małgorzata Szejnert, Tomasz Zalewski, Szczecin. Grudzień – sierpień – grudzień, Szczecin 2008, S. 33 – 34; zu den Vorgängen in Stettin s. Eryk Krasucki, Historia kręci drejdlem, Łódź 2018, S. 243 – 275; Marek Czerwiński, Wydarzenia marca 1968 roku w Szczecinie, [in:]

Lata 1956 –1970 na Pomorzu Zаchodnim. Oczekiwania i rzeczywistość, red. Henryk Komarnic- ki, Kazimierz Kozłowski, Szczecin 1999, S. 99 –112.

28 Zu den Vorgängen in Danzig: Jerzy Eisler, Polski rok 1968, Warszawa 2006, S. 310 – 313, 321– 322, 357 – 362, 375 – 376; zu den Kontakten zwischen Studenten und Arbeitern: Marek An- drzejewski, Marzec 1968 w Trójmieście, Warszawa – Gdańsk 2008, S. 132 –142.

29 Zu den Protesten und Streiks im Dezember 1970 s. Jerzy Eisler, Grudzień 1970. Geneza, przebieg, konsekwencje, Warszawa 2012. S. auch die gedrängte Übersicht über die Ereignisse in Danzig und Stettin bei R. Laba, op. cit., S. 15 – 82.

30 J. Eisler, Grudzień, S. 223 – 235; R. Laba, op. cit., S. 50.

31 J. Eisler, Grudzień, S. 265 – 288.

(9)

Abriegelung der Werft war zuvor nicht öffentlich gemacht worden, es handel- te sich hier um eine von der Parteiführung und Militär absichtlich herbeige- führte Eskalation, mit der auf die Zusammenstöße in Danzig an den Vortagen reagiert werden sollte.

Während in Danzig und Gdingen die Proteste nach dem 17. Dezember endeten, begannen in Stettin die Streiks und Straßenproteste erst an jenem

„schwarzen Donnerstag“,32 als Nachrichten von den gewaltsamen Ausein- andersetzungen in der Dreistadt nach Stettin gelangten. Während der Früh- stückspause versammelten sich die Arbeiter der Warski-Werft vor dem Verwaltungsgebäude der Werft und verlangten die Rücknahme der Preiserhö- hungen und Informationen über die Situation in Danzig. Anschließend zogen die Werftarbeiter in die Stadt, der Demonstration schlossen sich Arbeiter der Reparaturwerft „Gryfia“ und anderer Betriebe an. Dabei wurden wie in Dan- zig nicht nur nationale („Rota“) oder religiöse („Boże, coś Polskę“), sondern vor allem revolutionäre Lieder (wie die „Internationale“) gesungen. Die Po- lizei und motorisierte Einheiten (Zmotoryzowane Odwody Milicji Obywatel- skiej, ZOMO) konnten den zunächst friedlichen Demonstrationszug in Stadt nicht aufhalten, dessen Ziele die Symbole der Macht waren: das örtliche Wo- jewodschaftskomitee der PZPR (wie in Danzig) und das Polizeihauptquartier.

Vor dem Parteigebäude versammelten sich zunächst etwa 10.000 Personen, deren Zahl sich bis zum späten Nachmittag noch verdoppelte. Das Gebäu- de wurde daraufhin evakuiert, Demonstranten drangen in es ein und warfen die Einrichtung auf die Straße, bevor es gegen 14.30 Uhr in Brand gesteckt wurde. Danach wandten sich die Demonstranten dem nahegelegenen Polizei- präsidium zu, das mit Steinen und Gegenständen beworfen wurde. Nach Ein- bruch der Dämmerung setzte das zu dessen Schutz abkommandierte Militär Schusswaffen ein; dabei starben 12 Personen und etwa 300 wurden vor allem durch Schüsse verletzt. Ziele von Übergriffen waren auch die weiter entfernt gelegenen Gebäude des Untersuchungsgefängnisses und der Stadtverwaltung.

Trotz einer Ausgangssperre dauerten die Straßenkämpfe bis in die Nacht an.

Insgesamt kamen in Stettin zwischen dem 17. und 19. Dezember 16 Personen

32 Zu Stettin ausführlich: Michał Paziewski, Grudzień 1970 w Szczecinie, Szczecin 2014, S. 107 – 319; Historia, miasto, pamięć. Grudzień ’70 – styczeń ’71 (perspektywa szczecińska), red.

Maciej Kowalewski, Eryk Krasucki, Paweł Miedziński, Szczecin 2010; J. Eisler, Grudzień, S.  299 – 307, 320 – 333, 343 – 358, 385 – 400; s. außerdem Eryk Krasucki, Rewolta grudniowa a tożsamość szczecińska, Wiadomości Historyczne, R. 52: 2009, nr 6, S. 14 – 21; Lucjan Adam- czuk, Przebieg rewolty szczecińskiej 1970/1971, [in:] Grudzień przed Sierpniem. W XXV rocz- nicę wydarzeń grudniowych, red. Lucjan Adamczuk, Gdańsk 1996, S. 64 – 85; sowie die ersten Darstellungen aus den 1980er Jahren: Andrzej Głowacki, Kryzys polityczny 1970 roku w świetle wydarzeń na Wybrzeżu Szczecińskim, Szczecin 1985; idem, Wydarzenia grudnia 1970 r. – stycz- nia 1971 r. w Szczecinie, Zapiski Historyczne, t. 46: 1981, z. 4, S. 127 –154.

(10)

ums Leben,33 die in den Tagen vor Weihnachten nur in den Nachtstunden bei- gesetzt werden durften. Veröffentlicht wurden ihre Namen erst Mitte Januar.

Zudem wurden ca. 500 Personen verhaftet.

Ab dem 18. Dezember kam es auf den Stettiner Werften, die von Militär und Miliz abgeriegelt worden waren, und in weiteren Industriebetrieben zu weite- ren Protestversammlungen und zu „sit-ins“, die zu der Form des „Besetzungs- streiks“ führten.34 Daraus entwickelte sich ein erster lokaler Generalstreik, an dem sich insgesamt über 100 Betriebe beteiligten. Streikvertreter der Warski- und Gryfia-Werft stellten 21 Forderungen auf, zu denen neben dem Rücktritt der Gewerkschaftsleitung auch unabhängige Gewerkschaften zählten, wobei aber noch nicht an Unabhängigkeit von den Parteistrukturen gedacht war.35 Vielmehr dominierte die Einstellung, dass es sich um einen wirtschaftlichen und nicht um einen politischen Streik handele.36 Am 20. Dezember, nachdem Władysław Gomułka als Erster Sekretär des Zentralkomitees der PZPR durch Edward Gierek abgelöst worden war, schloss das Gesamtstädtische, überbe- triebliche Streikkomitee (Ogólnomiejski Komitet Strajkowy, OKS) ein Abkom- men mit den lokalen Behörden, das von der Belegschaft der Gryfia-Werft angenommen, auf der Warski-Werft dagegen abgelehnt wurde. Während die Streiks dann bis zum 22. Dezember endeten, wurden auf der Warski-Werft die Verhandlungen mit den Behörden nach Weihnachten fortgesetzt.37 Dabei kam es – wie auch in anderen Betrieben – zu weiteren, spontanen Streiks. Wortfüh- rer auf Seiten der Belegschaft war Edmund Bałuka, der zu den Gegnern der Abmachung vom 20. Dezember zählte. Nach einer gezielten Falschmeldung in der Zeitung „Głos Szczeciński“, dass eine Abteilung der Warski-Werft den Kurs der neuen Regierung unterstütze, kam es ab dem 21. Januar zu neuen Besetzungsstreiks, der sich erneut zu einem Generalstreik ausweitete, aller- dings formierte sich diesmal kein gemeinsames Streikkomitee. An der Spitze des Komitees der Warski-Werft stand erneut Bałuka, der diesen Streik präg- te. Der Protest endete nach einem unangekündigten Besuch Edward Giereks am 24. Januar, dem das Komitee der Warski-Werft Forderungen vorlegte, die allerdings in einem Klima starker Einschüchterung durch die örtlichen Macht- organe entstanden waren und weniger weitreichend als die Forderungen vom Dezember waren. Gierek verwarf jedoch einen Großteil der Forderungen und

33 M. Paziewski, Grudzień, S. 156 –165; zu den unklaren Umständen bei dem Tod eines Soldaten s. ibid., S. 195 –196.

34 Ibid., S. 210 – 211.

35 Die Forderungen von Dezember 1970 und Januar 1971 bei: L. Adamczuk, op. cit., S. 82 – 84;

M. Paziewski, Grudzień, S. 256 – 258, 507; s. auch die Analyse von Ireneusz Krzemiński, Czego chcieli, S. 19– 88, hier vor allem S. 40 – 46, 79.

36 M. Paziewski, Grudzień, S. 238, sowie das Foto auf S. 509.

37 Zu den Vorgängen im Januar 1971 s. E. Krasucki, Przesilenie, S. 37 –104.

(11)

versprach nur allgemein, auf die Interessen der Arbeiter in Großbetrieben zu achten. Mitte Februar wurden dann bei Wahlen zum Betriebsrat der Warski- Werft auch einige Streikaktivisten, unter ihnen Bałuka, gewählt. Die Proteste ebbten danach ab, äußerten sich aber noch einmal symbolisch während des Umzugs am 1. Mai 1971, als Transperente zur Erinnerung an die Toten vom Dezember gezeigt wurden.38 Allerdings wurden im Lauf des Jahres 1971 dann zahlreiche Personen wegen Beteiligung an den Protesten und Streiks verur- teilt. Bałuka, der bis 1972 als Gewerkschaftsfunktionär arbeitete, erhielt auf Betreiben des Sicherheitsdienstes 1973 die Gelegenheit zur Ausreise in den Westen und gründete eine eigene sozialistische Partei. Obwohl er im Frühjahr 1981 illegal nach Stettin zurückkehrte, spielte er in der Oppositionsbewegung keine zentrale Rolle mehr.39 Insgesamt hielten die Proteste in Stettin länger an als in der Dreistadt und das Ausmaß der „Stettiner Revolte“, das sich nicht zuletzt in zahlreichen Transparenten und Graffiti im öffentlichen Raum zeig- te40, war größer. Vor diesem Hintergrund spricht Eryk Krasucki von einem Wendepunkt für städtische Gesellschaft im Stettin der Nachkriegszeit, da die Streiks längerfristig zu einem kollektiven polnischen, „von unten“ entstan- denen Selbstbewusstsein führten. Die Vorgänge als „Stettiner Republik“ zu bezeichnen, wie in Anknüpfung an eine zeitgenössische Äußerung über den Generalstreik im Dezember häufiger anzutreffen ist, geht dagegen zu weit.41

Wenn man die Proteste und Streiks 1970 –1971 betrachtet, so bleibt fest- zuhalten, dass es sich um spontane Arbeiterproteste handelte, die maßgeb- lich durch die Verschlechterung der materiellen Situation ausgelöst wurden, auch wenn es bereits zuvor Anzeichen für eine kollektive Unzufriedenheit gegeben hatte. Diesen Protesten waren keine Aktivitäten von Dissidenten vor- ausgegangen und eine weitergehende politische Programmatik war höchstens in Ansätzen erkennbar. Das Ausmaß und die Radikalität der Straßenproteste resultierten – ähnlich wie bereits 1968 – aus der Reaktion des Regimes, das

38 L. Adamczuk, op. cit., S. 80 – 81; E. Krasucki, Grudzień ’70, S. 15; und die Fotos in: Zbunto- wane miasto. Szczeciński Grudzień ’70 – Styczeń ’71, red. Małgorzata Machałek, Paweł Miedziń- ski, Szczecin 2007, S. 204 – 209.

39 Z. Matusewicz, op. cit., S. 199; J. Holzer, op. cit., S. 200 – 201; Michał Paziewski, Nie- znane okoliczności represjonowania w latach 70. przywódców strajkowych Grudnia ’70 i Stycz- nia ’71 w Szczecinie, [in:] Grudzień przed Sierpniem. W XXV rocznicę wydarzeń grudniowych, red. Lucjan Adamczuk, Gdańsk 1996, S. 124 –130, hier S. 124 –125; s. auch Eryk Krasucki, Ed- mund Bałuka. Garść refleksji do portretu szczecińskiego robotnika z początku lat siedemdziesią- tych, [in:] Między Warszawą a regionem. Opozycja przedsierpniowa na Pomorzu Zachodnim, red. Krzysztof Kowalczyk, Michał Paziewski, Marcin Stefaniak, Szczecin 2008, S. 191– 203.

40 S. die Fotos in Zbuntowane miasto, passim.

41 E. Krasucki, Rewolta grudniowa, S. 19 – 21; idem, Przesilenie, S. 34. Den Begriff „Revol- te“ findet sich bereits in der Dokumentation von Rewolta szczecińska i jej znaczenie, opr. Ewa Wacowska, Paryż 1971.

(12)

auf die Proteste mit militärischer Gewalt antwortete. Die Anführer der Streiks traten erst im Lauf der Proteste hervor, wobei deren Führungsfähigkeiten in Stettin und Gdingen größer als Danzig waren. In ihrer Mehrheit handelte es sich nicht um eine antisozialistische Opposition, denn führende Personen in den Streikkomitees wie Mieczysław Dopierała und Edmund Bałuka in Stettin sowie Edmund Hulsz und Stanisław Słodkowski in Gdingen waren Parteimit- glieder oder Anhänger kommunistischer Gruppierungen.42 Die sozialistische Ordnung wurde folglich (noch) nicht prinzipiell infrage gestellt. Wie sich die verschiedenen ideologischen Komponenten in Nachkriegspolen mit der Streikbewegung verbinden ließen, zeigt ein Plakat aus Stettin von der Jahres- wende 1970 –1971, auf dem zu lesen war: „Es leben die Werftarbeiter – der führende Trupp des Proletariats des polnischen Stettin.“43 Insofern war es nicht zufällig, dass der Schwerpunkt der Proteste in den ehemals deutschen West- und Nordgebieten lag. Die zunehmende Spannung zwischen der doppelten ideologischen Exponierung der Arbeiterklasse als Pioniere Volkspolens in den neu gewonnenen Gebieten einerseits und den Problemen des sozialistischen Alltags andererseits traf auf gesellschaftliche Strukturen, in denen die Impul- se zum Protest auch in den folgenden Jahren nicht gänzlich verschwanden.

Deutlich zu sehen ist in Stettin, dass Intellektuelle in den Protesten 1970 –1971 keine Rolle spielten.44

Die gewaltsame Niederschlagung zunächst der Studentenproteste im Frühjahr 1968 und dann der Demonstrationen in den Küstenstädten Ende 1970 führten zu einem signifikanten Wandel in der Opposition: Zum einen verfestigten und verstetigten sich die oppositionellen Strukturen und zum an- deren kam es nun zu einer Kooperation über politische Differenzen hinweg.

Eine Annäherung von katholischen und linken Intellektuellen hatte sich be- reits nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und den Ereignissen von März 1968, u.a. bei Leszek Kołakowski, abgezeichnet. Zum Wortführer dieser An- näherung in den 1970er Jahren wurde insbesondere Adam Michnik.45 Diese Annäherung zwischen linken und katholischen Intellektuellen einerseits so- wie zwischen Arbeitern und Intellektuellen andererseits führte ab 1976 zur Entstehung neuer oppositioneller Gruppen. Nachdem das Regime nach den Unruhen von 1970 –1971 den Weg des geringsten Widerstands gegangen war und sich nur auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage konzentriert hat- te, führte die Verknappung vieler Güter und neue Preiserhöhungen neuen

42 A. Friszke, Opozycja, S. 263 – 265.

43 Zbuntowane miasto, Foto 193.

44 „Intelektualiści polscy milczą zupełnie”. Grudzień 1970 – styczeń 1971 w Szczecinie, red.

Sebastian Ligarski, Szczecin 2010.

45 Insbesondere in: Adam Michnik, Kościół, lewica, dialog, Warszawa 1998 (zuerst Paris 1977); s. auch A. Friszke, Opozycja, S. 151–152, 418 – 420; und D. Gawin, Civil Society, S. 33 – 39.

(13)

Protesten, die ihr Zentrum in Radom und Ursus, einem Stadtteil von Warschau, hatten. Insgesamt kam es 1976 in ca. 100 Betrieben in 24 Wojewodschaften zu Streiks,46 in Stettin blieben die Proteste, abgesehen von einem Streik auf der Gryfia-Werft,47 allerdings ohne größere Resonanz. Neben diesen Protesten rief die Verfassungsänderung von 1976, die die führende Rolle der Arbeiterpar- tei festschrieb, Proteste insbesondere in Kreisen der katholischen Intelligenz hervor. Zugleich formierte sich im September 1976 in Warschau das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (Komitet Obrony Robotników, KOR), das sich als intellektueller und organisatorischer Mittelpunkt der polnischen Opposi- tion verstand.48

Zu einem Zentrum oppositioneller Aktivitäten entwickelte sich Danzig:

Mit Bogdan Borusewicz, der nach einem Studium an der Katholischen Uni- versität in Lublin in die Dreistadt zurückkehrte, gab es dort einen Vertreter des KOR.49 1977 bildete sich in eine Gruppe von Intellektuellen an der Uni- versität um Aleksander Hall und Arkadiusz Rybicki, die sich in Tradition der Danziger Opposition seit Ende der 1960er Jahre sah. Ab 1979 bezeichnete sie sich als Bewegung Junges Polen (Ruch Młodej Polski, RMP) und deutete so eine national-konservative Ausrichtung an.50 Halls Überlegungen gingen da- bei über bloße oppositionelle Aktivitäten hinaus, vielmehr wollte er eine eige- ne Schule politischen Denkens gestützt auf polnische Traditionen begründen, die sich vor allem in der Tradition der Nationaldemokratie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sah, allerdings ohne deren nationalistische und antise- mitische Tendenzen.51 Diese Bewegung hatte einen vorwiegend regionalen

46 A. Friszke, Opozycja, S. 338.

47 Z. Matusewicz, op. cit., S. 35; Michael H. Bernhard, The Origins of Democratization in Poland: Workers, Intellectuals, and Oppositional Politics, 1976 –1980, New York 1993, S. 63.

48 Zu KOR s. Jan Skórzyński, Siła bezsilnych. Historia Komitetu Obrony Robotników, War- szawa 2012; M. H. Bernhard, The Origins, S. 76 –135; A. Friszke, Opozycja, S. 340 – 348; s. auch Robert Brier, Broadening the Cultural History of the Cold War: The Emergence of the Polish Workers’ Defense Committee and the Rise of Human Rights, Journal of Cold War Studies, vol. 15:

2013, no. 4, S. 104 –127. Kritischer wird die Stellung von KOR gesehen bei: Lech Mażewski, Po- morski model obrony czynnej a powstanie „Solidarności”, [in:] „Solidarność” i opozycja antyko- munistyczna w Gdańsku (1980 –1989), red. Lech Mażewski, Wojciech Turek, Gdańsk 1995, S. 13 – 20; und R. Laba, op. cit., S. 172 –174 und öfter.

49 A. Friszke, Opozycja, S. 353; J. Holzer, op. cit., S. 70 – 71.

50 Tomasz Sikorski, O kształt polityki polskiej. Oblicze ideowo-polityczne i działalność Ru- chu Młodej Polski (1979 –1989), Toruń 2012.

51 Wojciech Turek, Nie ma wolności bez „Solidarności”?, [in:] „Solidarność” i opozycja anty- komunistyczna w Gdańsku (1980 –1989), red. Lech Mażewski, Wojciech Turek, Gdańsk 1995, S. 105 –117; Tomasz Sikorski, „Między Polską naszych pragnień a rzeczywistością PRL-u”. Ide- owe imponderabilia Ruchu Młodej Polski przed sierpniem 1980 roku, [in:] Marzyciele i realiści.

O roli tradycji w polskiej myśli politycznej od upadku powstania styczniowego do XXI wieku, red.

Tomasz Sikorski, Adam Wątor, Szczecin 2009, S. 544 – 567.

(14)

Charakter, es gab nur wenig Mitglieder außerhalb Danzigs. Trotz der unter- schiedlichen politischen Orientierung entsprachen ihre Aktionsformen denen von KOR.52 Zudem entstanden in Danzig lokale Gruppen weiterer landeswei- ter oppositioneller Organisationen wie der ebenfalls konservativen und eher informellen Bewegung zur Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte (Ruch Obrony Praw Człowieka i Obywatela, ROPCiO) von 1977. Im selben Jahr bildeten sich Studentische Solidaritätskomitees (Studenckie Komitety Soli- darności, SKS) und im folgenden Jahr Gründungskomitees für Freie Gewerk- schaften (Wolne Związki Zawodowe, WZZ). Beide Organisationen hatten in Danzig ein Zentrum ihrer Aktivitäten.53 Durch das Danziger Komitee für Freie Gewerkschaften fand Lech Wałęsa, der 1976 aus seiner Arbeit auf der Lenin- Werft entlassen worden war, Zugang zu oppositionellen Kreisen.54 Zu nennen ist schließlich auch noch die im September 1979 gegründete Konföderation Unabhängiges Polen“ (Konfederacja Polski Niepodległej, KPN), die sich vom ROPCiO abspaltete und Distanz zu den übrigen oppositionellen Gruppierun- gen hielt.55

In Stettin waren diese oppositionellen Gruppierungen seit 1976 deut- lich weniger präsent. Zwar bestand ab 1977 ein Stettiner Kontaktpunkt zum ROPCiO und 1978 hatte sich ein Studentisches Solidaritätskomitee gebildet, das auch Kontakte zu KOR unterhielt,56 im Gegensatz zu Danzig gab es aber keine Verbindungen mehr zu den Anführern des Streiks von 1970 –1971. Aus einer Gruppe, die die Zeitschrift „Robotnik“ in Stettin verteilte, ging im Ok- tober 1979 ein Komitee für Freie Gewerkschaften für Pommern („Pomorze Zachodnie“)57 hervor. Während es zu einer engen Kommunikation zwischen Danzig und oppositionellen Kreisen in Warschau kam, blieb Stettin dagegen eher am Rande. Insgesamt lassen sich für diese Jahre mehrere unterschiedli- che Ansätze zur Bildung oppositioneller Gruppen erkennen, die zwar vor Ort kooperierten, aber nur eine begrenzte Reichweite in der Gesellschaft hinein hatten.

Allerdings entwickelten sich auch in breiteren Kreisen der Arbeiterschaft oppositionelle Tendenzen, deren Ausgangspunkt die Erinnerung an die Toten

52 A. Friszke, Opozycja, S. 356, 485.

53 Ibid., S. 529 – 531, 559 – 563.

54 Jan Skórzynski, Zadra. Biografia Lecha Wałęsy, Gdańsk 2009.

55 Janusz Bugajski, Ethnic Politics in Eastern Europe: A Guide to Nationality Policies, Or- ganizations, and Parties, Armonk – London 1995, S. 374 – 375.

56 Artur Kubaj, NSZZ „Solidarność” Pomorza Zachodniego w latach 1980 –1981, [in:] Regio- nalny wymiar „Solidarności” 1980 –1981. Szczecin na tle kraju, red. Artur Kubaj, Michał Siedzia- ko, Szczecin 2016, S. 12 – 34, hier S. 13.

57 Ibid., S. 14; M. H. Bernhard, The Origins, S. 173 –177; A. Friszke, Opozycja, S. 566. An- ders dagegen zu Danzig: L. Mażewski, op. cit., S. 15.

(15)

vom Dezember 1970 war. Erste Gedenkveranstaltungen fanden im Dezember 1976 und 1977 in der Dreistadt statt. 1978 wurden an den Gräbern Kränze niedergelegt und anschließend eine Massenveranstaltung am Tor 2 der Lenin- Werft organisiert. Ein Jahr später wurde eine Gedenkveranstaltung der Bewe- gung Junges Polen und der Freien Gewerkschaften organisiert, dort sprach ne- ben anderen auch Wałęsa, der zu Spenden für ein Denkmal zum 10. Jahrestag aufrief.58 In Stettin gab es 1978 einen Versuch, eine Gedenkveranstaltung an 1970 zu organisieren, allerdings wurde sie nicht zu einer Massenveranstaltung wie in Danzig.

Ende 1979, Anfang 1980 bestand in Danzig dann bereits eine entwickelte Opposition mit einem breiten illegalen Publikationswesen. Die Zusammen- arbeit von Intellektuellen mit oppositionellen Arbeitern speiste sich dabei nicht zuletzt aus der Denkfigur, dass die vorausgegangenen Niederlagen der Opposition 1968 und 1970 darauf beruhten, dass Intellektuelle und Arbeiter getrennt marschiert waren. Ein Indiz für die Stärke der Danziger Opposition vor dem Sommer 1980 war das von der Bewegung Junges Polen organisierte Gedenken an die Maiverfassung von 1791 am 3. Mai 1980: Nach einem Got- tesdienst in der Marienkirche mit ca. 15.000 Teilnehmern zog man zum Sobie- ski-Denkmal auf dem Holzmarkt.59 Spätestens hier waren religiöse Praktiken und nationale Symbole, die auf die Zeit vor 1939 verwiesen, zum Element des Massenprotests geworden.

Die Konsequenzen dieser Entwicklung führte dann im Sommer 1980 zu signifikanten Unterschieden im Verlauf der Streiks in Danzig und Stettin. Aus- löser der Streikwelle im ganzen Land war einmal mehr eine Erhöhung der Fleischpreise Anfang Juli, die die ohnehin schon prekäre Versorgungslage ver- schärfte. Nach vereinzelten Streiks begann der erste größere Streik am 9. Juli in Świdnik, aus dem sich dann ein Generalstreik in Lublin entwickelte, der bis zum 20. Juli andauerte. Zunächst standen noch Forderungen nach Lohnerhö- hungen im Vordergrund, allerdings breiteten sich die Proteste Anfang August auf zahlreiche weitere Orte aus. Seine entscheidende Dynamik erhielt der Pro- test mit dem Beginn der Streiks in der Küstenregion am 14. August. Ausgelöst wurde er auf der Danziger Lenin-Werft durch die Entlassung der Kranführe- rin Anna Walentynowicz, die an dem Streik 1970 beteiligt war und den Frei- en Gewerkschaften angehörte. Ab dem 15. August verbreitete sich der Streik aus der Lenin-Werft heraus auf die gesamte Dreistadt und nach Elbing. Wäh- rend das Komitee auf der Lenin-Werft am 16. August zunächst beschloss, den Streik zu beenden, sprachen sich Vertreter der Freien Gewerkschaften und der

58 A. Friszke, Opozycja, S. 563 – 564, 574; M. H. Bernhard, The Origins, S. 180 –181.

59 A. Friszke, Opozycja, S. 574 – 577.

(16)

Bewegung Junges Polen dagegen für die Gründung eines Überbetrieblichen Streikkomitees (Międzyzakładowy Komitet Strajkowy, MKS) und die Auswei- tung des Streiks aus. Daraufhin schwenkte das Streikkomitee der Lenin-Werft um und trat jetzt für die Politisierung des Streiks ein.60

Das Danziger Überbetriebliche Streikkomitee wuchs lawinenartig an und vertrat ca. 370 Betriebe am Ende der ersten Streikwoche und 600 Betriebe zum Ende des Streiks, der in den einzelnen Betrieben wie 1970 als Besetzungsstreik durchgeführt wurde. Im Präsidium des Überbetrieblichen Streikkomitees der Dreistadt gehörten ca. 40% den Freien Gewerkschaften an.61 Zudem wurde eine Expertenkommission eingesetzt, an deren an Spitze der katholische Pu- blizist Tadeusz Mazowiecki stand, weitere Mitglieder waren der Historiker Bronisław Geremek und die Soziologin Jadwiga Staniszkis sowie der kaschu- bische Schriftsteller Lech Bądkowski. Die gemeinsamen Forderungen des Ko- mitees wurden am 18. August in 21 Punkten veröffentlicht. Dabei waren auf Druck von Borusewicz als Vertreter des KOR Forderungen nach freien Wahlen und einer Abschaffung der Zensur als unrealistisch aus dem Katalog genom- men worden.62 Die damit verbundene Konzeption einer „selbstbeschränkten Revolution“ war von Jacek Kuroń und Jadwiga Staniszkis formuliert worden.63 Andererseits waren gerade die Vertreter von KOR wie Michnik und Kuroń skeptisch hinsichtlich der politischen Chancen des Streiks.64

Neben Danzig kristallisierte sich Stettin als wichtigstes Streikzentrum im Sommer 1980, allerdings ohne engere Kontakte zu KOR und RMP.65 Die Streiks begannen am 15. August bei den städtischen Verkehrsbetrieben „Transkom“ als Reaktion auf den Streik der Verkehrsbetriebe in Warschau. Ab dem folgenden Montag, dem 18. August, wurde dann auf der Warski-Werft und in anderen Betrieben gestreikt. Das am selben Tag gegründete Streikkomitee der Warski- Werft wurde von Marian Jurczyk geleitet, der bereits 1970 –1971 an Protesten

60 J. Holzer, op. cit., S. 89 – 98; J. Skórzyński, Krótka historia Solidarności, S. 29 – 40.

61 „Solidarność“. Die polnische Gewerkschaft „Solidarität“ in Dokumenten, Diskussionen und Beiträgen 1980 bis 1982, hrsg. v. Barbara Büscher [et al.], Köln 1983, S. 35; M. H. Bernhard, The Origins, S. 191–192.

62 A. Friszke, Opozycja, S. 449.

63 Jadwiga Staniszkis, The Evolution of Forms of Working-Class Protest in Poland: Sociologi- cal Reflections on the Gdansk – Szczecin Case, August 1980, Soviet Studies, vol. 33: 1981, no. 2, S. 204 – 231, hier S. 223; eadem, Poland’s Self-limiting Revolution, ed. Jan T. Gross, Princeton 1984; A. Dudek, op. cit., S. 143.

64 S. etwa L. Mażewski, op. cit., S. 16; T. Garton Ash, op. cit., S. 336; s. auch Jacek Kuroń, Autobiografia, Warszawa 2009, S. 514 – 515.

65 S. vor allem Z. Matusewicz, op. cit., passim, zur KOR: S. 45; A. Głowacki, Sierpień, pas- sim, zur KOR: S. 45; Michał Paziewski, Społeczeństwo obywatelskie a „Solidarność” 1980 –1981 (na przykładzie aglomeracji szczecińskiej), [in:] Regionalny wymiar „Solidarności” 1980 –1981.

Szczecin na tle kraju, red. Artur Kubaj, Michał Siedziako, Szczecin 2016, S. 35 – 57.

(17)

beteiligt war und sich für die Unterstützung des Danziger Streiks aussprach.66 Das Streikkomitee der Werft, dem auch ein Vertreter der Freien Gewerkschaf- ten sowie weitere Teilnehmer des Streiks von 1970 –1971 angehörten,67 erklärte sich am folgenden Tag zum Überbetrieblichen Streikkomitee (MKS), gleich- zeitig kam es zu einem Generalstreik in der Stadt. Am 20. August umfasste das Streikkomitee 53 Betriebe, die Zahl stieg bis zum 29. August dann auf 340.68

Unter der Leitung von Jurczyk kam es ab dem 21. August zu Verhand- lungen mit einer Regierungskommission. Das Überbetriebliche Streikkomi- tee hatte zu diesem Zeitpunkt etwa 700 Delegierte, die mehr als 120 Betriebe repräsentierten. Erste Streikforderungen waren zunächst vom Warski-Streik- komitee formuliert worden, das MKS erhob dann 37 Forderungen, die in ver- schiedenen Versionen zirkulierten. Jurczyk trug der Regierungskommission 36 Forderungen vor, die zum Teil von den Danziger Forderungen abwichen.

Anders als in Danzig war man in Stettin wesentlich zurückhaltender gegen- über einer Aktivierung der Öffentlichkeit und aus Furcht vor Provokationen vermied das MKS, in dem sich mehr Parteimitglieder als in Danzig befan- den, Kontakte sowohl zu ausländischen Journalisten als auch zu polnischen Intellektuellen von KOR und den Freien Gewerkschaften. Zugleich war die Führung des Streikkomitees eher geneigt, in der Regierung einen Partner zu sehen.69 In seinen Erinnerungen schrieb Jurczyk, das KOR sei in Stettin nicht sichtbar gewesen und die Vertreter der Freien Gewerkschaften nicht beachtet worden.70 Vor diesem Hintergrund versuchten die Vertreter der Regierung in den Verhandlungen auf verschiedene Weise, in Stettin die einzelnen betrieb- lichen Streikkomitees und das Überbetriebliche Streikkomitee gegeneinander auszuspielen und Konflikte zwischen Danzig und Stettin zu schüren.Aller- dings forderte das Stettiner Komitee einen ständigen Kontakt mit der Drei- stadt und einen Austausch zwischen den Vertretern der beiden Überbetrieb- lichen Streikkomitees. Am 23. August erlaubte die Regierung eine Fahrt des Stettiner MKS nach Danzig, von der sich das Regime versprach, dass die Stetti- ner Vertreter mäßigend auf das Danziger Komitee einwirken würden. Das ent- sprach tatsächlich auch dem Selbstverständnis des Stettiner Komitees, in dem viele Delegierte davon überzeugt waren, der Stettiner Streik sei proletarischer und weniger politisch als der Danziger.71 Auf dem Treffen der beiden Komitees

66 Z. Matusewicz, op. cit., S. 43; A. Głowacki, Sierpień, S. 52 – 53.

67 M. H. Bernhard, The Origins, S. 178.

68 A. Głowacki, Sierpień, S. 120.

69 So wurden Journalisten der BBC und aus Schweden, Norwegen und Österreich von der Werft verwiesen, s. Z. Matusewicz, op. cit., S. 55, 61, 74; A. Głowacki, Sierpień, S. 93, 96, 110.

70 Z. Matusewicz, op. cit., S. 45.

71 A. Głowacki, Sierpień, S. 87; Z. Matusewicz, op. cit., S. 64; vgl. A. Dudek, op. cit., S. 148.

(18)

traten folglich Unterschiede hervor, allerdings vereinbarte man Einigkeit im ersten Punkt, der Forderung nach unabhängigen Gewerkschaften, ohne deren Erfüllung eine Vereinbarung mit der Regierung abgelehnt werde. Berater der Opposition aus Warschau, die in Danzig von Anfang an präsent waren, kamen dagegen erst am 29. August nach Stettin.

Vor diesem Hintergrund kam es zu zwei unterschiedlichen Abkommen zwischen der Regierung und den Streikkomitees, die am 30. August in Stettin und einen Tag später in Danzig unterzeichnet wurden.72 Gegen die frühere Unterschrift in Stettin protestierte Wałęsa heftig und machte Jurczyk Vor- haltungen; das Verhältnis zwischen beiden war danach gespannt.Tatsächlich hatte das Zentralkomitee der PZPR zum Zeitpunkt, als die Stettiner Vereinba- rung unterschrieben wurde, den Beschluss über die Zulassung unabhängiger Gewerkschaften noch nicht gefasst,73 so dass davon auszugehen ist, dass die Parteiführung eine divide-et-impera-Politk verfolgte.

Wichtige Unterschiede zwischen dem Stettiner und Danziger Abkommen74 zeigten sich dennoch auch in der ersten Forderung nach neuen Gewerkschaf- ten: Im Stettiner Abkommen war von der Zulassung selbstverwalteter („samo- rządne“), nicht aber von freien Gewerkhaften die Rede, die zudem noch „sozi- alistischen Charakter“ haben sollten. Im Danziger Abkommen wurde dagegen festgehalten, dass neue, unabhängige („niezależne“) Gewerkschaften jenseits der bisherigen Strukturen entstehen sollten und das Überbetriebliche Streik- komitee zu ihrem Ausgangspunkt werden sollte. Auch andere Stettiner Ver- einbarungen zu politischen Fragen ließen Interpretationsspielräume zu. In der Forderung nach der Publikation des Zivilpaktes der Vereinten Nationen von 1966 und der Helsinki-Schlussakte von 1976 spiegelte sich zunächst ein Irrtum des Stettiner Streikkomitees, dass diese Dokumente in Polen nicht zugäng- lich seien.75 Konkreter waren in Stettin die Vereinbarungen zu sozialen und ökonomischen Aspekten. Der Danziger Abschluss war dagegen nicht nur in der Frage neuer Gewerkschaften, sondern auch hinsichtlich Meinungsfreiheit, Streikrecht und einer Neuregelung der Zensur eindeutiger. Zum Gedenken an die Opfer vom Dezember 1970 sollten in Stettin die Behörden eine Gedenk- tafel stiften, während die Frage des Denkmals in Danzig nicht Gegenstand

72 Dazu kam wenige Tage später noch ein drittes Abkommen in Jastrzębie in Schlesien am 3. September. Die anderen streikenden Betriebe schlossen sich dann einem dieser drei Abkom- men an.

73 Z. Matusewicz, op. cit., S. 81, 98; A. Głowacki, Sierpień, S. 145.

74 Vergleiche bei: A. Głowacki, Sierpień, S. 65 – 83, 147 –154; J. Holzer, op. cit., S. 102 –108;

sowie allgemein zu den unterschiedlichen Forderungen 1980: I. Krzemiński, Czego chcieli, pas- sim. Deutsche Übersetzung des Protokolls der Danziger Vereinbarung in Auszügen in: „Solidar- ność“. Die polnische Gewerkschaft „Solidarität“, S. 36 – 43.

75 A. Głowacki, Sierpień, S. 65.

(19)

der Verhandlungen war, was impliziert, dass die Entscheidung zur Errich- tung eines solchen Denkmals seitens der Streikenden bereits gefallen war. Der Vergleich zeigt deutlich, dass in Stettin die Forderungen von den streikenden Arbeitern formuliert wurden, während in Danzig Intellektuelle maßgeblichen Einfluss auf den Text nahmen. Auch in der Sitzordnung bei den Verhand- lungen spiegelten sich die unterschiedlichen Selbstverständnisse und Wahr- nehmungen des Verhandlungspartners: während in Stettin ein Präsidium die Verhandlungen leitete, saß man in Danzig an einem Verhandlungstisch.76 Da- mit stellt sich die Frage, warum dem Streikkomitee in Stettin an einem von Danzig unabhängigen Abkommen lag. Jerzy Holzer hat vermutet, dass es dem Stettiner Überbetrieblichen Streikkomitee aus Prestigegründen um einen mit Danzig gleichrangigen Abschluss ging.77

Wenn man jedoch fragt, inwiefern sich die Streiks von 1970 –1971 und 1980 unterschieden, dann sind sowohl in Stettin wie in Danzig deutliche Ver- änderungen zu erkennen. Offensichtlich ist der deutlich höhere Mobilisie- rungsgrad: So war die Zahl der im Überbetrieblichen Streikkomitee vertre- tenen Betriebe in Stettin beinahe viermal höher als 1970.78 Anders als 1970 spielten 1980, nachdem Karol Wojtyła 1979 seine erste Reise als Papst nach Polen unternommen hatte, religiöse Elemente nun eine deutlich größere Rolle in den Streiks. So fanden nun Messen auf den Werften statt, gegen die es in Stettin allerdings auch kritische Stimmen gab.79 Zugleich wurde die kollektive Erinnerung an die Opfer von 1970 nun auch in kulturelle Formen gefasst. Das Niederlegen von Kränzen wie das Errichten eines Denkmals verliehen den Protesten eine von der Staatsmacht unabhängige symbolische Deutungsebe- ne, die 1970 noch nicht bestanden hatte. In das Denkmal für die Toten von 1970 vor dem Tor 2 der Lenin-Werft mit seiner religiös-expressionistischen Symbolik – drei Anker an Kreuzen – flossen neben den religiösen Elementen nun auch nationale Deutungselemente ein: Die Anker standen sowohl für die Erinnerung an den nationalen Widerstand der Heimatarmee (Armia Krajo- wa) während des Zweiten Weltkrieges, als auch für die nationale und sozia- listische Meeressymbolik. Mit anderen Worten: die nationale Deutung wurde sakralisiert.80 In diesem Kontext ist dann auch Andrzej Wajdas Film Mann aus

76 Ibid., S. 92.

77 J. Holzer, op. cit., S. 102 –104.

78 A. Głowacki, Sierpień, S. 136 –138.

79 Ibid., S. 109.

80 Zur Ankersymbolik s. Florian Peters, „Das große Abenteuer ihres Lebens“. Geschichts- bilder und Symbolik der Armia Krajowa und des Warschauer Aufstands im polnischen „Zweiten Umlauf“ (1980 –1989), Bremen 2009, S. 32 – 33; vgl. R. Brier, The Roots, S. 73; vgl. auch Jörg Hackmann, Marko Lehti, Myth of Victimhood and Cult of Authenticity: Sacralizing the Nation in Estonia and Poland, [in:] Rethinking the Space for Religion: New Actors in Central and South-

(20)

Eisen zu nennen, der sowohl Dokumentaraufnahmen des Streiks in Danzig wie während des Streiks gedrehte Spielszenen in den Film integrierte und den erfolgreichen Streik von 1980 als dialektische Synthese der niedergeschlage- nen Proteste von 1968 und 1970 deutete. Der Film trug zugleich dazu bei, das Bild von Solidarność als Befreiungsbewegung zu internationalisieren, als er im Frühjahr 1981 auf dem Filmfestival in Cannes mit der „Goldenen Palme“ aus- gezeichnet wurde. Damit wurde, so hat es Jan Kubik formuliert, die Macht der Symbole gegen die Symbole der Macht gesetzt.81 Während nationale Symbole auch von Seiten des Regimes bedient werden konnten,82 war die Einbindung religiöser Elemente dagegen nur auf Seiten der Opposition möglich. Auch in der Einschätzung von Zeitgenossen waren die Streiks im August 1980 weit mehr als nur konventionelle Streiks, sondern sie zielten auch auf eine gänzli- che Umwälzung bis hin zu den zwischenmenschlichen Verhältnissen auf der Grundlage eines „Lebens in Wahrheit“, das sich gegen die verlogenen Verhält- nissen in der Volksrepublik wandte.83

Nach den Abkommen von 1980 setzte sich die Rivalität zwischen dem Danziger und Stettiner Komitees fort. Während das Danziger Überbetrieb- liche Arbeiterkomitee (Międzyzakładowy Komitet Robotniczy, MKR), das aus dem Überbetrieblichen Streikkomitee hervorging, die Führung von Solidar- ność übernahm, blieb das Stettiner Komitee in einer Randposition. Dass sich eine einheitliche Gewerkschaftsorganisation mit Sitz in Danzig entwickelte, lag allerdings auch am Verhalten der Regierung, die die Registrierung behinderte und sie erst nach der Androhung eines Generalstreiks im November 1980 vor- nahm. In Danzig behielt das intellektuelle Milieu erheblichen Einfluss auf die Gestaltung der Politik von Solidarność. So besetzte die Bewegung Junges Polen zahlreiche Positionen im August 1980 und danach, sie ging allerdings – anders als KOR, das sich Ende September 1981 auflöste – nicht in der allgemeinen So- lidarność-Bewegung auf.84

Vor dem Hintergrund dieser intellektuellen Überformung des Streiks in Danzig im Vergleich zu Stettin sprach Staniszkis für Danzig von einer „künst-

east Europe on Religion, Authenticity and Belonging, ed. Catharina Raudvere, Krzysztof Stala, Trine S. Willert, Lund 2012, S. 126 –162.

81 Jan Kubik, The Power of Symbols against the Symbols of Power: The Rise of Solidarity and the Fall of State Socialism in Poland, University Park 1994.

82 Marcin Zaremba, Komunizm, legitymizacja, nacjonalizm. Nacjonalistyczna legitymizacja władzy komunistycznej w Polsce, Warszawa 2001.

83 Vgl. M. A. Cichocki, op. cit., S. 78 – 79.

84 A. Friszke, Opozycja, S. 486; Wojciech Turek, Przekształcenia pomorskiego modelu obro- ny czynnej w latach 1980 –1981, [in:] Opozycja antykomunistyczna w Gdańsku (1976 –1980).

O pomorskim modelu obrony czynnej, red. Adam Hlebowicz, Lech Mażewski, Wojciech Tu- rek, Gdańsk 1995, S. 21– 28, hier S. 25; idem, Nie ma wolności bez „Solidarności”?, S. 105 –106.

Cytaty

Powiązane dokumenty

SBiU mau aber 2)emarfation3linicn jiel)en, nun, fo muß man, um ba3 fßrineip ber @ered)tigfeit Ьигф}иф1)геп, biefelben bod) fo jieljen, baß fein fßole (wenn er e3 nid)t

Mit der Mathematisierung der Natur geht nun trotz ihres großen Er- folges für den naturwissenschatlichen Erkenntnisfortschritt eine doppelte Krise einher: eine Krise der

ist eine von 8tU'r (1875) bekannt gemac'hte, altel'\tiiInliche ATC'haeopterldeo:n-Art, die ausser im mahrisch~hlesischen Dachscihiefer auclh im tiefsten Namur von

Collectanea Theologica 52/Fasciculus specialis,

Jednak w prak­ tyce odczuwa się ją często jako niesłuszną agresję i wymaga się, aby kryty­ kujący podporządkowali się i dostosowali do sytuacji.. Rozmówcy

[r]

Previous studies have shown that in MEMS devices the imag- inary part of the elasticity can be assumed constant, i.e., inde- pendent of strain, 15 , 18 , 19 and that the tensile

Due to the missing rules of determination of the range of property rights in the existing legislation, it was assumed for testing the model, that the maximum