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Die Zukunft, 24. September, Bd. 24.

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Berlin, den 24(.September 1898.

v- F sixs If

Zuchthausordnung.

-

i, wischenzwei heißenManövertagenhatderDeutscheKaiserimBad ) Oeynhaufen gerastetundwährenddesPrunkmahlesimKurhauszu.

denVertretern derwestfälifchenGroßindustriediefolgendenWortege- sprochen: »Wie Alle,dieindustriellenBetrieben obliegen, so haben auch Sie einwachsamesAuge aufdieEntwickelung unserer sozialenVer- hältnifseundich habe Schritte gethan, soweitesinmeinerMacht steht, IhnenzuhelfenundSie vorwirthschaftlich schwerenStunden zu be- wahren. DerSchutzderdeutschen Arbeit,derSchutz Desjenigen,der arbeiten will, istvon mir imvorigen Jahre inderStadt Bielefeld feierlich versprochenworden-. Das Gesetznaht sich feiner Vollendung

·

undwird denVolksvertretern indiesem Jahr zugehen,worinJeder, ermöge sein,wieerwill,undheißen,wieerwill,dereinendeutschen Arbeiter,derwillig wäre, seineArbeitzuvollführen,daranzuhindern versuchtodergarzueinemAusstande anreizt,mitZuchthaus bestraft werden soll. DieStrafe habe ichdamals versprochenundichkhosfe, daßdasVolk in seinenVertretern zumir stehen wird,um unsere nationale Arbeit indieserWeise, soweitesmöglich ist,zuschützen.

Rechtund Gesetz müssenundsollen geschütztwerden;undfoweit werde

·ichdafür sorgen, daß sie aufrecht erhaltenwerden« Esschienun- möglich,dieseklaren Worte mißzuverstehen;ihr hellesKlirren kiindete nahen Kampf,denKampf zweier Weltanfchauungen, zwischendenen ein Bündniß,einfauler,dieGeistereinlullender Friede nicht beständigersein könnte alseinstderBund zwischendemschwärmendenCaesar Julianus

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unddemsieghaft vordringendenGaliläer· Der DeutscheKaisersieht, so mußteman glauben,in demVersuch,dieArbeitgenossenzumStrike aufzurufenund dievon denUnternehmernalsErsatztruppe herbeige- schasftenLeutedurch Einschüchterung,SchmähungoderKörperverletzung an derUebernahmederArbeit zuhindern,einschweres,mitderhär- testenStrafe und demunaustilgbarenMakel derEhrlosigkeitzuahn- dendes Verbrechen;er hat,alsKönigvon Preußen, für diese Ansicht denvonderVerfassung gebotenen Beistand seiner Ministergewonnen und durchdiepreußischenStimmen imBundesratheinenGesetzentwurf

angeregt,dernun seiner Vollendung entgegenreift.SowurdederSinn der·Tischrede aufgefaßtund, je nachdemKlassenstandpunkt,gehofftoder gefürchtet,dienächsteZeitwerde dieVernichtung odermindestens einewesentlicheEinschränkung desvomProletariaterworbenen Rechtes freierKoalition bringen,dasbeseitigtwäre,wenn einGesetzdie Ver- abredungzumAusstandverböte. DemMonarchistenwar derAnblick schmerzlich,daßderhöchsteVertreter derNation, der allen Klassen- kämpfenentrücktsein sollte,beiso ernstemBeginnenwiederum ohne dieschützendeHülleministerieller Verantwortlichkeitin denVordergrund trat undsich nicht scheute,denHaß,denjede Repression, auchdie ge- rechteste,indenBesitzlosenweckt, auf sichzuladen· Friedrichkonnte anVoltaire schreiben:Monmåtier veut dutravail etdel’action;

il n’estpasnåcessairequeje vive,mais bienque j’a.ngSe;Seit- dem aberhatdieEuropäerweltsich gewandelt,dasHauptLudwigs Capet istaufdemSchaffot gefallenunddieKönige haben einsehengelernt, daß sichs hinterdem ZaunderVerfassungen für sie sichererund behag- licherlebenläßt; siemüssenauchheute noch arbeiten, emsigerisalsfrüher sogar,aberesistweder nöthig noch wünschenswerth,daß ihr persön-

»liches Handelndem nichtimmer ehrfürchtigenBlickderMassen sicht- barwird. Wenn derverantwortlicheKanzleroderder mitseinerVer- tretung fürdenBereichderinneren Politik beauftragte Staatssekretär einenGesetzentwurfalsnöthigbezeichnethätte,derdieVerabredungzum AusstandunddieBelästigungderStrikebrechermitZuchthausstrafebe- droht,dannwäre die Debattedarüber inruhigen Formen geführtworden:

man hättedieAussichtendesneuen Gesetzesgeprüft,dieaus früheren Entscheidungen berechenbareStellungderwichtigstenParteienerwogen, die inanderen Ländern gesammelten Erfahrungen beleuchtetundein etwa vorhandenesRessentiment hätte sichnur gegen dieRegirungge-

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Zuchthausordnung 541 richtet;dieJuristen hättendaraufhingewiesen, daßderVersuch,Strike- deliktemitder dasEhrenrecht auslöschendenZuchthausstrafezutreffen, denUmsturz unserer strafrechtlichenGrundlagenbedeuten müßte,die Nationalökonomen hättendaranerinnert, daßwohlwollendepatriarchalische AnschauungenindieEpochedescontractus, desfreien Arbeitvertrages,

—nichtmehr passen·Nunkamesanders. DemRufdesKaisersantwortete aus demproletarischenLagereinzorniger Aufschrei,dernur durchdie Furchtvorstaatsanwalttlicher Anfechtung einigermaßengedämpftwurde, dieJuristenundNationalökonomen schwiegen,um nichtmitdemMon- archenüberFragen ihres Berufeszurechten,undwährenddiebürger- lichePresse nochdie altenParteiphrasen putzte, erschienenschondieflinken Offiziösen aufdemPlan,rangen mitschönerTrauergeberdedieHände undriefen,esseiunbegreiflich,wieman über einenGesetzentwurfreden könne,der noch»inden erstenStadien der Vorbereitung sei«,über denderBundesrath nochkeinenBeschlußgefaßthabeunddesseneinzelne BestimmungendeshalbNiemand zuahnen vermöge.DerKaiser habe nur »die allgemeine Marschrichtung angegeben«,habe wohl »in allzu scharfpointirterWeisedenGedanken derkünftigenGesetzgebungzum Ausdruck gebracht«,nun müßtenzunächstdieBundesregirungen sprechen;

auch sei ja bekannt,wiemangelhaft oftüberMonarchenreden berichtet werde,fund dergute Bürger müssemitseinem Urtheilwarten,bisdas GesetzdemReichstag vorgelegt fei...KeinUnbefangenerwirdbehaupten können, daß dieses Schauspiel, dieses heißeBemühendesoffiziösenGe- sindes,denWiderhalleinerRededesKaiserszuhemmen, sehr würdig wirkte. Wenn dieMinisterdieAnsichtdesKönigsvonPreußen nicht theilen, sieimBundesrath nichtvertreten können,dann gebietet ihnen diePflicht,aus denAemtern zuscheiden; jetzt hattedasVolkdenEin- druck, daßsiezwarMinisterbleibenmöchten,ineinemgefährlichenKampf aber,denerbeginnen will,denKönigalleininders-Schußlinielassen.

Jstder Kampf nöthigundkann er nützlichwerden? SeinZiel istnichtneu. SchoninderReichszunftordnungvom Jahre1731 wur- dendie»Gesellen,diesichunter irgendeinemPrätextweiter gelüsten

ließen,einenAusstandzumachen, sich zusammenzurottireniznd»bis ihnenindieseroderjenervermeintlichenPrätensionoderBeschwerde gefüget werde,keineArbeit mehrzuthunoderselbst hauffenweißaus- zutretten«,mitGefängniß-,Zuchthaus-, Festungbau-und Galkeren- strafen bedroht. Seitdem hates, namentlich nachdemEntstehender

IS'-«

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modernen Großindustrie,niean Bemühungen gefehlt,denUnterneh- mern willigeundgeduldigeArbeiter zusichern.«Als inEnglanddie ersten großenAusstände erfolgreichwaren, schrieb Lothar Bücher:»Die Frage zwischenKapitalund Arbeit beruht aufanderen als geschrie- benenGesetzenund dieErkenntniß dieser Gesetzewirddadurchnicht gefördert,daßinPrestoneinerichterlicheEntscheidungdarüber herbei- geführtwerden soll,obeserlaubt oder strafbar ist,den zum-Ersatz derausstehendenArbeiter herangezogenenLeuten abzuredenund Geld zurRückreifezugeben...Nachgerade sollteman eingesehen haben, daßdieGesetzeund Kräfte,diedas Gefellschaftlebenbewegen,eben so wenigzubezwingen sindwiedieNaturkräfte. Geleitet, nutzbarge- macht können, müssensie werden,wenn sichStaat undGesellschaft leidlich vertragen sollen,abernicht dienstbar gemachtoderzerstört.Ein Kampf zwischenKapitalundArbeit isteinmal daundwirdnichtwieder ,vonselbst vergehen-,wieeinFriefelausschlag, auch nichtmitSuppen- anstaltenundanderen Wohlthätigkeiten,so rühmlich sie sind,wegge- doktort werden. Natürlich istdamit nichtgesagt, daßdieRegirung etwaeinAktenstück,betreffenddenKampf zwischenKapitalundArbeit, vorlegenunddieSache,zumVortragc schreiben soll. ImGegentheil:

Alles,was man vonihr verlangt, ist, daß sie sich nicht einmischt,die ZumuthungendesKapitalsstandhaft ablehnt.«Die Stimme des klugenWarners verhallte ungehört,dieliberale RegirungdesInsel- reiches fühlte sichalsdenerwähltenSicherheitausschußderbefitzenden Klassenund inEngland beganndieEpochedergroßenGewerkschaftkämpfe, derenGeschichteSidneyundBeatrice Webbunsgeschrieben haben. Jn ihrem guten BuchüberdenTrade-Unionismus magman lesen, wie, unterdemEindruck dessheffielderMesserfchmiedestrikesund derdamit verbundenen Gewaltthätigkeiten,derVersuchgemacht wurde,dieOrga- nisationendesnachbesseren Lebensbedingungen strebenden Industrie- proletariateszuzerstören.Das Parlament und dieGerichte stellten sichinden-Dienst der-Unternehmer,dasimJahr1859 gewährteRecht, durch friedlicheRede dieArbeitgenossenzumAnschlußaneine Koalition zubewegen,wurde den workmen wiederentrissenund1871 ein neues Strafgesetz geschaffen,dasauf jedeStrikedrohung, jede»Belästigung«oder ,,Einschüchterung«derFabrikantenoder Arbeitersehrharte Strafen setzte.

DieUnternehmerkonntendiebewährtenundbeliebtenMittel,Schwarze Listen,Lockout undBoykott, ungestraftweiterverwenden,dieArbeiter

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Zuchthausordnung. 543 wurden schonals Verschwörerverurtheilt,wenn sienur dieWerkstätten derMeistermitAusstandsposten umstelltenunddenZuzugderStrike- brecherzuhindern suchten,undeshalf ihnen nicht, daß sie erklärten,jede physischeBelästigungundEinschüchterungzu verdammen. DasGesetzwurde auch nichtetwamitschonenderMildeangewandt;in denRichtern regte sichdasInteressederinihrem Profitrecht bedrohten Klasseundtrieb·

siezurrächendenThat. JnSüdwales wurden siebenFrauen,die einem Strikebrecher »Bah!« zugerufen hatten,insGefängnißgeschickt,für jedes Schimpfwort,dasdemProletariernach seinen unverfeinertenLebens- gewohnheitengarnicht so fürchterlichklingt, sahendieGerichtshöfein demhöchstenStrafmaßdieentsprechendeSühneunddielondoner Gas- arbeiter,diesichzu einemAusstandverabredet hatten,wurden aufein volles-JahrderFreiheitberaubt. DieWirkung diesesWüthenswar soge- ring, daßdieKonservativen,alssiewieder insMinisteriumeinzogen,ohne ernsten WiderstandimLande zufinden,dasGesetzbeseitigenkonnten:

eshattevierJahre gegoltenundwährenddieserZeitdieGemüthernurver- bittertunddieKluftzwischendenKlassenvertieft.KünftigsollteesimBriten- reichnicht mehrHerrenundDiener, sondern employersundworkmen geben,denen derArbeitvertraggleicheRechte verlieh;dieKontraktbrecher brauchtennicht mehrinsGefängnißzuwandern, dieGewerkschaften wurdenmitihrenMethoden ohne Einschränkunganerkannt undAusschrei- tungennur noch nachdenBestimmungendesgemeinenRechtes bestraft.

Seitdem hatdieWuthdesKlassenkampfessichinEngland gesänftigt,sind sogar Lohnstreitigkeiten,derenSchlachtfeldganzeProvinzenwaren,ineiner leidenschaftlosen,nüchternenRuhe ausgefochten worden,dievor ein paar Jahren denDeutschenKaiserzustaunenderBewunderungstimmte.DieUr- sacheistleichtzu erkennen; DerbritischeArbeiterfühlt sichnichtalsParia, sein Lebensrechtwird von keinemVerständigenbestritten, seinStreben durchkeinnuraufdemProletariatlastendesAusnahmegesetzgelähmtund der Staat tritt ihm nichtalseine zuSchutzundTrutz entschlosseneOr- ganisationderBesitzendenentgegen... Sollen auchdieseErfahrungen,wie diewichtigenLehrenderChartistenbewegung,fürdasdeutscheWirthschaft- lebenunnützlichbleiben undmüssen kostbare Kräfteverzetteltwerden,

um einZielzuerreichen, das,wiedieGeschichteunszeigt, auf diesem Wegenun einmalnicht erreichtwerdenkann? Wennman dasunfrucht- bareMühen unserer irrlichtelirenden Sozialpolitikxbetrachtetund sieht, wiedieStaatsgewaltgegenGespenster kämpft,statt fürdasVediirfniß

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deshellen Tageszusorgen, mußman derSätze gedenken,dieBucher indenfünfzigerJahren aus Londonan einedeutscheZeitung schrieb:

»Einervon denunzähligenZeugen,dievon denunzähligenKomitees fürdasKloakenwesenvernommen wurden,gabeinemalerischeBe- schreibungvon einem toten Hunde,dereines Tages feinen Fenstern gegenüber aufdersilbern fluthenden Themse erschien,mitderEbbe hinabtrieb,mitderFluthwiederhinaufkamundTage langinpünkt- licherUebereinstimmungmit demFluthkalender seineAufwartung machte, bis endlichdasgeringe Uebergewicht,dasdieStrömungdesFlusses derEbbeüber dieFluth verleiht, ihnlangsamdemMeere zuführte.

GewisseVorgängeimöffentlichenLeben erinnern lebhaftan dieseEr- scheinung.Manschweigt,man willnicht sehen;aberwiederundwieder undinimmer duftenderem Zustande bringtdieEbbeundFluthdes Parteiwesens diesenundjenentotenHunduns vor dieAugen,der in demStrom desParlamentarismus dasUnglückgehabt hat,andie Ober- flächeemporzusteigen.«Dasist1898 leider noch ebenso wahrwie1854·

.DentotenHund,um dessenKadaver jetztwiedermitso zwecklosem Eifer gehadert wird, sollteman endlichverwesen lassen.Esist unmög- lich,dasRechtderfreienKoalition zubeseitigen,undeswärepolitischun- klug, dieses Recht auchnur nochengereinzuschränkenDieUnternehmer vereinensichzuRingenundSyndikaten, bestimmendiePreise ihrer Pro- dukte, sperren widerspenstigeoderunbequemeArbeiter aus,hindern sie durchVerrufslisten,in anderen FabrikenArbeitzufinden,undboykottiren dieBerufsgenossen,diesichdenBeschlüssendesRinges nicht willig fügen.

Die Arbeitersuchendurch LohnkämpfeihreLagezubessern, bemühenfich, dasie,alsderwirthschaftlichschwächereTheil,nur durchdieMassewirken können,alleFachgenossenin dieKämpferreihezuziehen,undgerathenin Wuth,wenndasGefühlderSolidarität,dasihnen Pflichtscheint,die Kame- radennichtbindet.Dabeikommen mitunter Ausschreitungenvor; aberauch Züge heroischenOpfermuthes sind oft sichtbarundselbstderhärtesteKapi- talistkannnicht behaupten,daß imLagerderUnternehmer stetsderstrengste AnspruchreinerSittlichkeit erfülltwird.AufbeidenSeitenwird, nachMen- schenart, gesündigt, unddieVerfehlungdesungebildetenArbeiters ist immerhin noch eherzuentschuldigenals dermanchmal Tausende treffende UebergriffdesWohlhabenden,dermit demBesitz auch Bildungundver- feinerteLebensformenerwerben durfte.DiedeutschenUnternehmerverbände sind starkgenug, um diese Kämpfeallein durchfechtenzukönnen,und

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Zuchthausordnung. 545 dürfenvom Staat nicht verlangen, daßerseineMachtmittelin denDienst ihresInteresses stellt.Der Staat hatnur dafürzusorgen, daßdieOrd- nunggewahrtund dasgeltende Gesetzgeachtetundangewandtwird.Dieser Pflicht hat sich auch bisher-keine deutscheRegirung entzogen:dieZahl der wegen Strikevergehen hart bestraftenArbeiter ist bedauerlich groß, dieRuhe istnirgends ernstlichgestörtworden unddiedeutscheIndustrie hat, seitdasRecht freierKoalition bewilligt ward,eineHöheerreicht, dieBewunderungund Neid anderer Völker weckt. Der Staat hat sogarge- stattet, daßsremde Arbeiter,weilsie billiger undleichterzubehandeln sind, inSchaaren nach Deutschland importirtwurden undimniederdeutschen Westen unseresVaterlandes großeslavischeKolonienentstanden.Obsolche Willfährigkeit,obeinministerieller Erlaß,derdenEisenbahndirektionendie Bevorzugung fremderArbeiter ausdrücklichempfiehlt,mit densonstso stark betonten Pflichtennationaler Politik nochzu vereinenist,magzweifelhaft sein.Ganz sicheraberkann kein Staat sichungestraftzumGeschäftsführerder herrschendenKlasse erniedern;derWahn,nur dasInteresseeines Standes fördernzumüssen,hatdenFeudalstaatin denAbgrund gerissenunddie Spuren solltenklugeVertreter bourgeoiserWünscheschrecken.Wirdgar, wie esjetztgeschehenist,derfrevleVersuchgemacht,denMonat-chenin die Rolle einesParteiführerszudrängen,dann werdenunabsehbareGefahren herauf- beschworen,die einesTages nichtnur denmonarchischenEinrichtungen, sondernauchdenimBefitzrechtWohnenden verhängnisvollwerdenkönnen.

UnsistderKaiser mehralsdemKaufmann Björnsons sein König,dener denSchlüsselzuseinemGeldschranknennt: wirwollenihnhochüber den KlassenundParteien thronen sehen,alsdenVertrauensmannder ganzen Volkheit,aberwirwissenauch, daßeinKaiserebenso wenigwie ein anderer sterblicherMenschdenGangderEntwickelungbestimmen kann,und wirhaben ersteben wiedergesehen,zuwelcherwahnwitzigenVerruchtheitderübertriebene GlaubeanmonarchischeMacht dumpfeHirnezuentflammenvermag.

Währenddie inOehnhausen gehalteneRedenochdieGemütherzu LustoderLeiderhitzte,kamdieKunde,dieKaiserin ElisabethvonOester- reichseiermordet worden«Bringt diesesVerbrechen keine-brauchbareLehre?

Jn Genf streiftein verbitterter Proletarierumher,einStiefkindder Gesellschaft,dasdenVaternicht gekannt,die Mutter nieachten gelernt hat undsichLuccheninennt,ohne auchnurgenau zuwissen,cbdieserNameihm gebührt.Er istwildausgewachsen,ohneHeimath, ohnedengeringsten Besitz, der ihnan derErhaltung irgendeiner Gesellschaft interessiren

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könnte,hat sichimafrikanischenKolonialdienstanbrutale Gewaltthatge- wöhntundspäterinverschiedenenLändernfür kurzeZeitArbeitgefunden.

Vielleichtwurdeer,wiesovieleItaliener,alsStrikebrecherund»billige Hand«nach Ungarnundin dieSchweiz verschleppt,woerdurchUnter- bieten derheimischenArbeiter dürftigdasarme Lebenfristete.Diegenfer Regirung hat ernste sozialistischeTheoretiker,die dasrechtloseSchreckens- regimentausItalienvertriebenhatte, ausgewiesen, obwohl sieaneinePro- pagandaderThat nicht dachtenundkeinesfriedlichenSchweizers Ruhe störten;denFabrikarbeiter,der.mit seinem bescheidenenLohnanspruch denKapitalistenwillkommen ist, läszt sie unangefochten:Labriola und Lerda werdenverjagt, Lucchenidarf GenfmitseinerGegenwart beglücken.

sEristarbeitlos undhatMusse, sich umzusehen.Das schweizerischeProle- tariat führteinleidlichesLeben;dieVerwaltungen sind sozialistischenGe- dankennichtunzugänglichund dasflüchtigschweifendeAugesiehtkeinMassen- elend. Natürlich,denktLuecheni: hier herrschteben keinTyrann, hierge- staltetdassouveraineVolkselbstsichfrei sein Schicksal. DaßalleFürsten Tyrannen sind, haterfrüh gelernt;daßdieHerrschaftderBourgeoisie härterdrücken kann als dasschlimmsteTyrannenjoch, ahnt seindunkler Sinn nicht.ErsiehtaufdenStraßenkeineGalakutschen,keinSchauge- .pränge,liestüberdiehöchstenBehördenin revolutionärenZeitungendieherbste Kritikund wähnt,dieserangenehmeZustand seinurdamöglich,wokeinKaiser undKönigdieGeisterknebelt.DennKaiserundKönigekönnenAlles,was sie wollen, ihreMacht ist unbegrenzt,undwervonihnendieMenschheitbe- freit,werauchnur eineneinzigenFürstenausdemWegeräumt,wird als ein HeldundeinWohlthäterimGedächtnißderdankbarenNachwelt fortleben.

WirdnichtBrutus noch heutevon den Erbenderantiken Kultur verehrt?

Habendie Urkantone nichtdemTcllausBürglenein Denkmal gesetzt?Und blickennichtMillionenzu denSchreckensmännerndespariserKonventeswie zuerlauchtenAhnen empor?Einschwacher,zufeinenUnterscheidungennicht erzogenerIntellektkannWahnvorstellungen nicht lange Widerstand leisten.

Luechenihatnichtszuverlieren;erfaßnieandergedecktenTafel,warniedurch dasdünnsteBandaneineRechtsordnunggeknüpft,hatsürkeineGemeinschaft jeeinezärtlicheRegung empfunden.SeitdenfrühestenKindertagen hausteder BastardmühsäligimElend;ererblickteähnlichesodernochschlimmeresElend ringsumundmußtesichunterdemDruck derMächtigenducken. Nunum- garntdenheißenBurschendieGroßmannssuchtundlockt undzerrtzurbestia- lischenThat.Wenner, derseinLebenlangnur einmitFüßengetretenes

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Zuchthausordnung. 547 Sandkorn war, in derGeschichtederMenschheiteine bedeutende Rollespielen könnte! Wennesihm gelänge,dasgroße,erhabeneWerkderBefreiung, vondemerinbilligenBlättern undblutrothen Brochuren sovielgelesen hat,auseigenerKraftumeinenSchrittvorwärts zubringen! DasOpfer einesjämmerlichen,leeren undaussichtlosenLebens wäredurchdieGewiß- heitdesNachruhmes reichlichersetzt.EinenKönigtöten,—einenKönig,der allmächtigist,denhöchstenVertreter desKlassenstaates,denangebetetenGott oderGötzenderverhaßtenbürgerlichenGesellschaft!...Solche That ist nicht ganzlei"chtvollbracht,denndieKönigelassensichsorgsambewachen.Aberdaist eineKaiserin,dieschutzlos,wie einereicheTouriftin, reift. Zwar hat sie nie einemMenschenein Leidangethan,nieselbstdenAermsten absichtlich gekränkt,aufdemThron mehr WehalsLuftgefundenundaufdiePolitik

nieEinflußgeübt. Immerhin: dieThat wird Aufsehen,wirdEntsetzener- regenunddieübermüthigHerrschendenmahnen, daßsienichtunverwand- barsind.Siewerdenerschreckenundschnellneuen Zwang,neue Bedrück- ungersinnen;dann aber,wenn alle Ventile geschlossensind,wirddiere- volutionäre Kraftdieeisernen Schranken sprengen,dieMassederallzu lange EntrechtetenwirdsichzumletztenKampfe erheben,nachdemsicheren SiegmeinenNamenals den desBefreiers feiernundichwerdeendlich,endlich mehrsein als dasSandkorn,über das derFußdesMächtigenachtloshinweg- schreitet.JsteseinunbegreiflichesWunder, daßeinroher,verwirrrter Sinn sodenkt?Lucchenilacht,mordet lachend, undeine alteFrauwirdsterbend vom Platze getragen,weilman sieKaiserinnannte undweil derThoren- wahndie GekröntenfürGlück undUnglückder Völkerverantwortlich macht.

Keinineiner gewerkschaftlichenOrganisation fürdenKlassenzs kampf gedrillter Sozialdemokrat, auchkeineraus derheißerenZoneder romanischen Länder,kannsich jemalsinsolcheGedankengängeverirren.

Ihnwird von frühbisfpätdieLehreinsBewußtseingehämmert,daß er von KaisernundKönigen nichtszufürchtenundnichtszuhoffen hat, daßdieStaatsform für ihneineunbeträchtlicheNebensacheiftund er die ganzeKraft fürdenKampfgegen den Kapitalismusaufsparen muß;vondendeutschenMarxisten,die-aufdiesozialisirendeEntwickelung vertrauen undschondieMorgenröthederseligenZeitzu erblickenglauben, wo dieKapitalisteneinander mitHautund Haarverschlungen haben undnur nochein paarNiesenexpropiateureübrig geblieben sind,wird auch dieser Kampf schon längst nicht mehrmitleidenschaftlicherHitze geführt. Jn ihren Reihen sind Fanatismus und«Größenwahnselten;

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548 DieZukunft.

sie gedeihenanden Rändern desProletariates, imGewimmel derun- organisirten Arbeiter,die in keineGemeinschafteingegliedertsind,keinem Kommando gehorchenundin deren darbenden Sinnen nurdiebeherrschende Vorstellung lebt, daß»Etwas geschehenmuß.«AusdieserGegendkam Karl Guiteau,der Mörder desPräsidentenGarfield,dereitleLümmel,der nach seinerVerurtheilungnurdenWunsch hatte,man mögedemPublikum mittheilen, daßer von vornehmenDamen Blumen,Obstundacht- hundert zärtlicheBriefe erhalten habe,kamEmil Henry,derzuden pariserGeschworenensagte:Maivoulu montrer a labourgeoisie que desormais iln’yaurait pluspour elle dejoieseompletes, que Ses triomphes insolents seraient troubles, que son veau d’0r tremblerait violemment Sur son piedestal, jusqu’ala secousse definitive, quilejetterait bas,dans lafangeetdans le Sang. AuchRavachol stammteaus diesemBezirkunddieitalienischen Mörder,diewährendderletztenJahre Europa schreckten,dieAngiolillo, Acciarito,Caserio, tragendesselben Geistes Gepräge.Vonihnen hatder läppischeLucchenidieHeldenposegelernt,vonihnen denKinderglaubenüber- nommen, dasrepräsentativeHaupteinesStaates sei allmächtigund die ErmordungeinesHerrscherskönne den Völkern dieFreiheit sichern.

DieserWahnwirddurchSensationenlustundUnllugheit genährt. Zu- erst krebstdiePresse mindestenseineWoche langmit demAttentat;

sieleistet so widrige VerherrlichungendesOpfers, daßderEkelbeinahe dasMitleid erstickt,fälschtallgemeinbekannteThatsachen so frech, daßdie Leser selbstgegenrichtige Angaben mißtrauischwerden,undverschafftdem Mörder dieersehnteReklamexpünktlichwirdgemeldet,wieeraussieht,was ermorgens,mittagsundabendsißt,wiesein erstesLiebchenhießundwas erbeimFrühstückgeredet hat.Dann wechselndieRegirungen fein stili- sirteNotenundfordernliebeFreundeundgetreue Nachbarnauf,mitihnen gemeinsamzuberathen,wasgegendieAnarchistenzuthun sei.Und doch könnte ein Blickausdieitalienischen Zustände sie ihre Aufgabeerkennen lehren.DasinddieZuchthäuseriiberfüllt,derSozialismus ist einstweilen zuvölligerOhnmacht niedergerungen, unddieFolge ist, daßEuropa

vondemReichder RömermitFleischerknechtenderRevolution versorgttvi1«d, diesichstolzAnarchistennennen. Wirbrauchen aus diese,,Ordnung«nicht neidischzusein;undderKaiser wird,wenn ersüdwärts zieht, vielleicht miteigenen Augen sehen,wasauseinem Landewird, dessenRegirungnur durchdenSchreckennocheine ödeKirchhossruheerzwingenkann-

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Goethes Weltanfchauung· 549

Goethes Weltanschauung.

ÆshateineZeit gegeben,in derman dieWerkeeinesDichtersalsseine ausschließliche,allerpersönlichsteSchöpfungbetrachtete,indemselben Sinn, wieman etwa dieEntwickelungeines großenReiches währendd(r RegirungzeiteinesKönigs fürdasWerkdiesesFürsten hielt. Daswar natürlich.Denn einzelne,ruckweiseerfolgendeHandlungen sind leichterwahr- zunehmenals tausendfach zusammengesetzteundeinweitesGebietdeckende Vorgänge,dieschon deshalbNiemand sieht,weilJedervonihnenumgeben istundsiealsdasSelbstverständlicheundRegelrechtebetrachtet,Über das zusprechenman sich nicht erstdieMühenimmt. Einenseltsamen Zug bietetdiese Erscheinungaberdoch.Dieneuere geschichtlicheForschung hat uns unwiderleglichgelehrt, daßinvergangenen JahrhundertendieGewalt dersozialen Mächteeineentschiedengrößerewar alsheute; daßheutedem Einzelnenin seinem Denken,SprechenundHandelneinunvergleichlichgrößerer Spielraumbleibt alsfrüher; daßsichdieser SpielraummitreißenderSchnelle einengt, jeweiter wir inprimitive wirthschaftlicheVerhältnissezurückkommen,bis schließlichinfernerVorzeitdemEinzelnennach unseren heutigen Anschauungen überhauptkeinepersönlicheFreiheit für seinThunundLassenmehrbleibt,obgleich derUrmenschkeineswegssichbewußtwar,daßerthatsächlichin einersozialen Zwangsanstaltlebte. DasSeltsame indemVerhältnißderbeidenThat- sachengruppenzueinander der Art,wieman dasmenschlicheHandeln von je her aussaßte,undder Art,wiees sichwirklich vollzog istnun- daßman geradeinderZeit,inderdasHandelndesEinzelnen durchSitte undHerkommen völlig festgelegtwar,demThundesEinzelneneineRiesen- bedeutungbeigemessenhat, währendman heute,wodurcheine immerrascher fortschreitendeDifferenzirungallerEinzelmenschendasindividuelleHandeln sichthatsächlicheinengewissenEllenbogenraumerstritten hat, eher geneigt ist, seinewirklicheBedeutungengerzubemessen,alsman esinderVergangen- heit that. BeideThatsachengruppen widersprecheneinander aber durchaus nicht, sondernder zunehmendenDifferenzirungundJndioidualisirungder EinzelnenindenletztenJahrhunderten parallel gehteineZunahmederEin- sichtindiesozialenFunktionen desMenschen,wiesienochzukeinerZcit erreichtwurde, undunser Jahrhundert hatfür dieBewältigungdieserMassen- .erscheinungeneineeigene wissenschaftlicheMethode ausgebildet,diestatistische Methode,diewirauf wirthschaftlicheVorgängeanzuwendenunsbereitsvöllig gewöhnthaben.VonderehemaligenreinpolitischenGeschichtehat sichun- terihrem EinflußeineeigeneDisziplin,dieWirthschaftgeschichte,abgezweigt, dieplanmäßigvon allemJndividuellen absiehtund einzig ausdie Ermitt- lung wirthschaftlicherDurchschnittszuständeundihrer Entwickelungausgeht,

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Dividende aber wird nicht vertheilt. Den dortmunder Herren ist eine geschickte Grnppirnng der Ziffern wohl zuzutraueu; aber sie müssensich, seufzend, zu dem Geständniß bequemen,

O, daß ich diese Freude sehen und gar dazu mithelfen konnte, Das macht michso froh, daß ich mir gar nicht mehr Wünschen Mag, in meinen Wald zurückzukehren Nein: so lange ich noch

147 wirkt.« An anderer Stelle drückt sichdiese ,,eiserne Vernunft« des staats- spöialistischen Optimismus bei Reinhold weiter wie folgt aus: »Die unge- heure Entwickelung der

etwas weniger hart und schroffgestaltet hätte. Iohannas Schicksal, in das sie hineingetrieben wurde, wird sicherst von dem Augenblick an, wo sie die Heimath verläßt, zu einem

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(Selbst mit den bis- herigen Kriegskosten beträgt die Staatsschuld des reichen Amerika, in Pesetas umgerechnet, noch keine 6 Milliarden, ungefähr 82 Pesetas pro Kopf der Be-