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Die Zukunft, 3. September, Bd. 24.

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Berlin, den Z.September 1898.

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Nikolai Skotein05.

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hatBismarcks LeibnichtdieletzteRuhstatt gefunden, noch rüstet

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derDeutscheKaiserzu derReiseinsHeiligeLand,die demnun sicher Eingesargteneingefährliches,seinWerkmitunheilvollerWirkungbedrohendes Unternehmenschienunddie,nachderAnsichtderimmervonfroher Hoffnung erfüllten,immer zuneuer FesttagslustbereitenEpigonen, doch bestimmt ist, desDeutschen Reiches ungeschwächteMachtundHerrlichkeitdemstaunenden Blick der den ErdkreisbewohnendenVölkerzu.enthüllen,nochspuktder Glaube andiefürAeonenunzerstörbareVorherrschaftdesGermanenthumes durchdie deutscheEnge,—- undschonhatderhöchsteVertreter desrussischenJslamsder aufhorchendenWeltseinEvangelium verkündet,nicht,wieeszunächstscheint,die FriedensbotschafteinesmächtigenFürsten,nein:dasThronbesteigungmanifest einer demEuropäersinnfremdenWeltanschauung.NikolausderZweite,derTräger derMonomachenkrone,ruftdieMenschheitzufriedlichemThun,zu einem Kon- greß,derdieMöglichkeitsuchensoll,in denMilitärstaatendasMaßderRüstungen zu mindern. JndemRundschreiben,dasvonPetersburgausandieleitenden MinisterderamrusfischenHofvertretenen Mächteversandtwordenist, liestman dieSätze: »DadiedurchdieKriegsrüstungdenStaaten aufgezwungenenfinan- ziellen LasteneinesteigendeRichtungverfolgenunddieVolkswohlfahrtanihrer Wurzeltreffen, sowerden diegeistigenundphysischenKräftederVölker, die Arbeit und dasKapital,zumgroßenTheilvonihrer natürlichenAufgabeabgelenktund inunproduktiverWeiseaufgezehrt.HundertevonMillionen werdenverbraucht,um furchtbareZerstörungmaschinenzubeschaffen,dieheutealsdasletzteWortder Wissenschaftbetrachtetwerden undschonmorgendazuverurtheiltsind,inFolgeeiner neuen Entdeckungauf diesemGebietjeden Werthzu verlieren. Dienationale Kultur,derwirthschaftlicheFortschritt,dieErzeugungvonWerthen sindin

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402 DieZukunft·

ihrer Entwickelunggelähmtundinfalsche Bahnengelockt.Diewirthschaft- lichen«Krisenwerden zumgroßenTheil durchdasSystem riesigerRüstungen hervorgeruer; unddiesteteGefahr,die indieser Kriegsstoffansammlungliegt, machtdieArmeeunserer Tagezu einererdrückendenLast,dievonden Völkern nur nochmitMühe getragenwird. Wenn dieser verhängnißvolleZustand fortdauert, mußgeradeerunaufhaltsamzu derKatastropheführen,diemanzuver- meidenwünschtundderenSchreckenschonbei dembloßenGedanken denMenschen erschaudernläßt.«Dashat, ungefährandemselben Tagundmit denselben Wortensogar, auchderSozialdemokratVaillant gesagt,dessenAbrüstungantrag vondenFranzosenmitironischerHeiterkeitaufgenommenwurde Ernsterals die wesenlosePathetikdesrothenRevolutionärs ist derVorschlagdesWeißen Zarenzunehmen,derbisher wenigstens noch nicht bewiesen hat, daßergern in tönendenPhrasen schwelgtund alsWeltenheilandin derGenieposezuerscheinen liebt.SeinRufkannnichtunwirksamins Leereverhallen:esist möglich,daßer überNachtdie Furieentfesselt,dieeranfestenKetten ins Dunkelbannenwollte, gewißaber,daßervondernordischen-Höheherdas Dämmerueinerneuen Weltan- schauungepochemeldet. DieAhnung, daßwirnachdemTode Bismarcks, derauch ohneAmtundTitelnocheineGroßmachtwar,baldvorernsteEntscheidungen gestelltwerdenwürden,hat nichtgetrogen... Jn solchenSchicksalsstundenziemt Jedem,dersichnichtmit derHandwerksroutinedesEintagsschreibersbegnügt, einRastenzuruhigerSammlung.Esist nichtimmernöthig,ist selten nützlich, über eine Weltwende, diesicheinstweilennur inleisen Erdstößenankündet,mit flinkenWorten hinwegzueilen.WasbisjetztinDeutschlandüber denrusfischen Vorschlag gesagtwurde,ist Phrase, ParteigeschwätzoderderüblicheTribut, den derKnechtssinndenMächtigen,auchdenirrlichtelirenden,zuzollenpflegt.

DasEcho,dasderRufdesZarenweckenmuß,wird zu erwarten, dieWirkung seiner überraschendenRede instiller Mussezuwägen sein.Dann erstwird

man derFragedieAntwortfindenkönnen,ob wir dennahenAusbruchdesblu- tigstenKriegeszufürchtenoderdieHerrschaftder guten ErisHesiodszuhoffen haben,dannerstkannvielleichtauchvon einer anderenRäthselfragederSchleier sinkenundernstemSinn dieErkenntnißkommen, ob derjungeHerr, dessenPer- sönlichkeitNebel undWeihrauchumhüllt,unsichertastendinfinstererWirrsalein- hertaumeltoder obnichtauchihm,wie dem dunklenEpheser,denNietzschedenkönig- lichenEinsiedlerdesGeistesnannte, ein kontuitiverGott die Gabeverlieh,dieHar- monie zuschauen,die demgewöhnlichenMenschenaugeewigunsichtbarbleibenmuß.

III

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DieDistel. 403

Die Distel.

« Gein,warDas einSommertag! Das HerzimLeibelachteEinemvor

«

Wonne. Aberheißwars. SchonumdreiUhr morgens hattedie Sonne aus derHimmelsthür gegucktundderErdegutenMorgengewünscht;diehohe Frau mußte recht gut geschlafen haben,dennsielachtemitdemganzenGesicht undnichteineinzigesWölkchenzogwährenddesTagesüberihr strahlend frohes Antlitz. Eswar soeinechter Sommertag. AufdenFeldern reifte stilldas Getreide,derRebensaftkochteüber glühendemFelsgesteinundindenObstgärten rundeten sichheimlichdieAepfelund Birnen. Soheißwars, daßimGrasgartendie KirschenamBaumunddiefpielendenKinderdarunterumdieWetterothe Bäckchen bekamen. SchrittfürSchrittzogendiePferde aufderweißschimmernden StraßedieLastwagen bergan,derFuhrmannging nebenher,aberstattder ge- wohnten kurzenPfeife hatteerjetzteineRoseimMunde. Abundzunahm erdenStiel festzwischendieZähnennddrückteihnmitder Zunge hinunter, dann mußtedieBlüthe sich aufrichtenunderkonntedaran riechen, ohnedie Peitscheindie linkeoderdieZügelindierechte Handzunehmen.

DerStaub,denderWagen aufwirbelte, flog auch aufdiesteinige, steile Böschung,die denWeg rechter Hand begleitete.Dort standeinekleineDistel.

Siewar zwischenzweiSteine eingeklemmt und ihredrei Blätter hattensichfest darübergebreitet,alsobsieHalt suchten.Siehatte nichtimmer hier gestanden.

Jm vorigenJahrewar sieganzobenam Rande derBöschung,wodieBerg- wiese beginnt,aus demErdenschoßansLicht gekommen,indernächstenNach- barschaftderrothenSteinnelken unddesWindigen TaubenkropfesAlsihregrau- griineSpitzezum erstenMaleindieweiteEbenehinnnterblicken konnte,war sieganzerstauntiiberdieGrößeder Weltundriefder Steinnelke aufschlankem Stengelzu:»O sieh doch,wieschöndie WeltistlWas magdorthintenzu sehen sein,woderHimmelsichaufdie Erdestützt?Dubist größeralsich, sage mirdoch,was Dusiehs

,.Größerals Du? Dazu gehört nicht viel«, höhntedieNelke; ,,iibrigens sei so gutundbehalte DeineWeisheitfür Dich. Jch stehehöheralsDuund Duhastzuwarten,bisich geneigt bin,Dichanzureden!«DiekleineDistelfühlte einenStichbeidiesen Worten,undnahmsichvor,zuschweigen.Aberschon

amnächstenAbend,alsderMond sanftundvollam dunklenHimmel stand, vergaß sieinihrem EntzückendenVorsatzundwandte sichandenTaubenkropf, der seine ausgeblasenen BlüthensäckeimlauenAbendwinde wiegte·

»Sagemir doch«,bat dieDistel, »obwirauchimMondlicht wachsenund warum die Blumen amAbendso süß duften?«DerTaubenkropf that,alshörteernicht, aberdieeinfältigeDistel verstandden Winknichtnndfragtelauterundlauter,bis der Taubenkropf aufgebracht rief: »Schweig,DuordinäresDing,lerneerstLebens- art,eheDumitMeinesgleichen anbindest;wenn einGroßer,wieich,nicht auf- gelegt ist,zureden,habendieKleinen zuschweigen.«

DerDistelwar eswieder,als habeeinDorn siegestochen;fie stand regunglosundnahm sich fest vor, nichts mehrzuerfragen.Als aberam fol- genden MorgeneineSchwarzdrosselaufderSpitzeeinerhohenLärchentanne dasMorgenrothmiteinem Jubelliedeaus tiefster Jrust grüßte,dazitterte

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404 DieZukunft·

Etwas inihrundbewegtsahsiesich dochwieder um. Diesmal wandte siesich

andasgelbe Johanniskraut: »Was hatderschwarzeVogel gesungen? Hatauch DeinHerz gezittert,alsersang?«

DasJohanniskraut war mitderZeit so steif geworden, daßessichgar nichtherunter-biegen konnte, selbstwenn esgewollt hätte;esrührtekeinBlatt, sah starrnachoben undbemerktehalblautzurNelke: »DasunterirdischeGewächs fängtan,frechzuwerden«esthut wahrhaftig,alswäre esUnseresgleichen.Pfui!«

»Wie kommtesnur hierher auf unsere Wiese?« fragtederTaubenkropf gereizt; »esverdirbt unsere Gesellschaft.«

»Reißteserst ein, daßsolchesUnkraut redendarf,wieeswill,«meinte dieNelke, »so kommen wirbaldnicht mehrzumWort.«

»Das verhütederSchöpfer!«riefdasJohanniskraut vollSchrecken-

»Ja, ja«, seufztedieNelke, »ein böser Geist stecktindemDinge,nach Allemfragtundforschtes.Das istgegendieMoral. Unkraut muß schweigen undimmer eingedenk sein, daßesnur geduldetwird.«

»Kurzundgut«,schloßderTaubenkropf, »wir sind hierdieHerrenund wollenunter unsbleibenundnichtmitFragenundForschungenbelästigtwerden.

Also fortmitdemEindringling!«

»Das ist leichter gesagtalsgethan,«meinte bedächtigdieNelke;»wie sollenwirdieDistelabschieben?«

»Ich weißRath«, riefdadieKönigskerze,diebishergleichgiltig geschwiegen hatte.»Untermeinen flinken Boten,denschwarzen Sammetmäuschen, befindet sichsichereins,dasdenMaulwurfkennt, demweiter obendieWiese gehört.

Jchlasse ihn bitten,sichhierherzubemühenunddenBodenzulockern,genau anderStelle,dieich ihm zeigenwerde.«

»Hm,« warfdasJohanniskraut ein, »ichbezweifledoch,ob derMaul- wurfderBitte entsprechenwird.«

»Jchnicht«,meintederTaubenkropfz »derMaulwurfisteinbedächtiger Kopf,dernichts so sehr haßtwieNeuerungenundForschungen.Wenn erhört, weshalbdiezudringlicheDistel untergrabenwerden soll, sowirderschonhelfen·«

Gesagt, gethan. DieKönigskerze ließdenMaulwurfbitten. Erkam undlockertedenBodenumdie kleineDistel herum, so daß sieallenfesten Halt verlor. Dazueiltendieflinken Mäusegeschäftighinundherundbohrtenkleine GängeindasErdreich,das trocken undbröcklichwurde. DieanspruchsloseDistel verlangte so wenigvondemBoden,auf demsiestand, daß sie anfangsgar nicht merkte,was ihr geschah;dieWurzelnfandenimmer nochgenug, sichzu sättigen;aberderaufgeblasene Taubenkropf sorgte, daß sieklarsah.

»Nun,lebstDu immernochfragteer,»ichdachte,Dumüßtestdochnunbald verhungert sein;aberfreilich: Unkrautvergehtnicht.«DieanderenBlumen kicherten überdiese witzige Bemerkungundzischelteneinander boshafte Spöttereienzu;

derDistelaberwar es,alsobjedesWort wieeinStachelsichinihrFleisch bohrte. »WashabeichEuch gethan,«rief sieunter Schmerzen,»daßJhr mich haßtundmich umbringenwollt? Weshalbsollich nichtandemOrt bleiben, woich gewachsenbin?Jchwillhierstehenundgroßwerdenundindie Ebene hinabsehen.«

»Was Du willst odernichtwillst, istganzgleichgiltig,«entschiedherrisch

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DieDistel. 405

dieKönigskerze. »Unkraut bistDuundgehörstnichtauf die Wieseunter Blumen undblühendesGras. Dazu bistDuvielzuderbundunschön.Wirwollen unsereGemeinschaftreinhalten. Punktum.«

Inzwischenwar da,wodie Sonne untergeht,derWestwind ausgestanden.

Ertauchte langsamaus demMeere auf,schüttelteMuschelnundSeetangaus Haupt- undBarthaarundblies mitvollenBackenüberdieWasserfläche,daß dieWellenschäumendsichjagten. Dann hoberdenRiesenleibganzausden Fluthen,breitete seine meerfeuchten,dunklenFlügel aus, daßderHimmelsich plötzlichverfinsterteundWasserströme herabflossen,und flog brausendüber dieErde. Esregneteundstürmte,bisHaarundGefiederdesSüdwindes trockengewordenwar; dann mußteerwiederhinabindiefeuchte Tiefe.

Der Regenwar durchdas gelockerteErdreich leichtin dieHöhlenund dieGänge eingedrungen, welche Maulwurf undMäuse auf Befehlderhoch- müthigen Königskerze emsig gegraben hatten,undnach wenigenStunden kam derAugenblick,wodieWurzelnderDisteldenBodenverloren undsie anfing, hinabzurutscheu.»Ich falle, ich falle, helftmir!«riefdiegeängstigtePflanze, aberdermileidlose Taubenkropfantwortete ungerührt: »Glück aufzurFahrtl Dugehst, wohinDugehörs Eswar dasLetzte,was dieDistel vernahm;

imnächstenAugenblick verging ihr HörennndSehen,denn derErdklumpen, indemihreWurzel steckte, rntschtemitwachsenderSchnelligkeitdieBöschung hinab,biservonzweiSteinen aufgehaltenwurde.

Als dieDistelwieder zusichkam,wars Frühling;vom blaßblauen Himmel wehteeinfrischerWind,die Bäume hattenschwellendeKnospenunddie Staare zwitscherten.Siemußtesicherst besinnen,wosiewarundwiesie dahin gekommen. Nachundnachaberwurde ihrAlles klar: siesahdieBöschung,

anderenRand sie gestanden,und dieSpur, die dasabrutschendeErdreich hinter- lassen hatte;Und alssiedasAllessah,dafaßte sieeinheißerZorn und sie rief, so laut siekonnte: ,,Hartundwehrhaftwillichwerden, ,daß Jhrmichfürchten sollt sammt Euren Dienern,denMäusenundManlwürfen.«Dawurden ihre Blätter hartundfest und zähundjedeskränkendeWort,das siehattehören müssen,wurdezu einemStachel,densievoninnennachaußenkehrte.Sostand sie da,vonAllengefürchtet.KeinVogel ruhte auf ihraus unddieBienen flogeninweitem Bogenum sie herum,die Kinder warnten einander vorder ftacheligenPflanzeundriefen ihren spiirendenHund zurück·DieDistel hatte ihren Zweckerreicht:siewargefürchtet, abersiewarauch verlassenundfreude- leer. MitderZeitwurdesieimmerspitzerundhärter,vundwerihr unversehens nahe kam,Denstach sie, daßerwehklagte·DieVögel erzählten einander,wie lieblossiesei,»dieMäuse zeigtendieStellen,wosieihnendasFellchengeritzt, unddiescheuenEidechsen behaupteten sogar, siewolle sie aufspießen.Endlich wurdendieKlagen so laut, daß FrauSonne einengoldenenStrahl hinunter- schickte,um nachzusehen·DerSonnenstrahlfandAllesso,wiedieKlagenden gesagthatten,underwurdeso betrübt, daßerganzschmalundblaßzurSonne zurückkehrteundkleinlaut versicherte,esseinichts,reingarnichtsweitermit der Distelzumachen,alssiezuversengen. FrauSonne aberhießdenStrahl wiederanseineStelle gehenundlächeltestillvorsich hin,wieJemand,der es besserweiß. Siestrengtenun ihre hellenAugenan,umdiekleineDistelan

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406 DieZukunft.

dersteinigenBöschungzufinden, undrichtig:dastand sie,diedreiBlätter fest aufdie Steine gebreitet,alssuche sie Haltanihnen. Dann wandtedie Sonne derDistel ihr Antlitzzu undsahsiemitdenstrahlenden, warmen,wonnigen Augen sofreundlichan, daßderDisseldasHerzunter demstacheligenKleide zulachenbegann; sie hobdieSpitzeausdenBlättern demLicht entgegen.Als die Sonne Dassah,wardieReihe,zulachen,anihrundsie lachtedasStengel- spitzchenso lieblich lockendan, daßeseilig, eiligwuchs,um derholdseligen Sonne näherzukommen,undnach kurzer Zeitwaraus demfinsterenSchoß einstattlicherStengel emporgeschossen,der rechtsundlinksschön gezackte Blätter ansetzte,aberimmer auchStachelnzeigte.DieVögelundBienen und MäuseundGlockenblumen hattenverwundert zugesehen,wiedasHerzderDistel sichnachdemLichtstreckte;alsabermitdemStengel auchdieStachelnwuchsen, dawandten siesich enttäuschtabundsagten: »Es nütztdochnichts.«

DiegroßeSonne aber war inihrerStärke geduldigerundlachtedie harteDistelweiter anundvergoldete siemitdemHimmelslicht,bissieendlich einesTages fragte: »Warum kommstDuimmer zumirundsuchst mich?«

»Weil ichDichliebe«,antwortete die Sonne.

»Ichbinnicht liebenswürdig«,murrte dieDistel.

,,Nein«, lachtedieSonne,»aberDukannsteswerden«

»DuhastkeinenDankdafür, Sonne«, grolltedieDistelweiter.

»Vorlänfigistsgenug, daß ichDichsehe«,beharrtedie Sonne. »Liebe willwederDanknoch Lohn. WeißtDuDasnicht?«

»Nein.«

»Liebe istglücklich,wenn sie geben kann.«

DieDistelschwiegnndbadeteweiterimSonnenlichtundnachundnach schmolzihr harterSinn undsiewurde weicherundauch froher.

»Du bistschönundgut«, sprach sieda zurSonne.

»FindestDu?« antwortete diese, »ja,1nöchtestDumirnichtähnlichwerden?«

»Ich Dirähnlich?«Zum ersten Male inihremLebenlachtedieDistel.

Nein,Das warwirklichspaßig.

»Ichspreche ernsthaft«,sagtedieSonne, »sichmichnur an, sorecht innigundfroh,undhaltemirstill.«

DieDistel thatsunddiesonnigeWärmedurchdrangsiebisindieWurzel hinein, daß ihr wohlernndwohler wurde,und-jewohler ihr wurde, desto sanfter undfroherwurdesie.UndeinesschönenTageshatte sieeinedickeKnospe angesetzt,undalsdiesesicherschloß,dawar sierundwiedie liebeSonne und voll vonfeinen, spitzenBlüthenblättchen,die allenachaußenstrebten,wieStrahlen.

UnddieVögel zwitschertenvorVerwunderungnnddie Bienen kamenundsaugten sichanderBlüthe fest.DieDistelabergab ihnen willigalleHonigsüßigkeit, diedie Sonne inihr hervorgezaubert hatte.

»Siehst Du, kleineDistel«, sprachda diegroße Sonne, »JetztbistDu mirähnlichgeworden.«

DawurdedieDistelblütheganzrothvorschämigerFreudeundsenktedas Haupt. FrauSonne aberzogschnelleinWölkchenvorihrGesichtundlächelte stillinsichhinein,wieJemand,derweiß,warum·

Karlsbad. Elisabeth Gnauck-Kiihne.

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NeueBismarckbriefe. 407

Neue BismarckbriefeIJ

I.

Frankfurt,7.Mai 1857.

Werehrtesterwenn manFreundwieich sieben Jahre hindurchundGönner, an dergroßenHeerstraße desKontinents gewohnt hat, so weißman aus Erfahrung, daßdieEm- pfehlungeinesKünstlersan einendiplomatischenKollegen gewöhnlichauch demAdressaten nichtdenEindruck eineskollegialischenundrücksichtvollenVer- haltens macht.Wennich Ihnen daher dennoch durch diesen Briefdenbei- folgenden großherzogl.mecklenburgischenKapellmeisterSchmidtvorzustellen mirerlaube,sobitte ich Sie, zuglauben, daß ich nicht ohneGrund Jhr so vielfach bewährtesWohlwollen für mich auf diesemißlicheProbe stelle.Mein hiesigermecklenburgischerKollege, Herrvon Oertzen,derkünftigeMinister inSchwerin, hatesdringend gewünschtundichkannihm nichtleichtEtwas abschlagen,weil er für michinderBundesversammlungunter Larvendie einzig fühlendeBrust ist,einesichreStimme fürPreußeninallenFragen- wodasRecht auf UnsrerSeite ist,und Daswillvielsagen, hier,wo der Vertreterunsres allergnädigstenHerrninderRegelzurRolle desUhuver- urtheilt ist, nachdemdieKrähen stoßen.Jch begreifeselbstbeiGrafBuol denLeichtsinn nicht,mitdemOestreichhierAllesthut,was imBereichder Möglichkeitliegt,um sichunddemBundePreußenzuentfremden,mitdem esaus denerbärmlichstenFormfragen großeund giftige Händelentwickelt, alsobesimwienerInteresse liege,amBruchmit Berlin zuarbeiten.

Rechbergist...leidenschaftlichgenug, um nichtzu merken, wie die Mittel- staatenihngegenPreußen mißbrauchen,unddie Staatsmänner derletztern sindzu eitel undzukurzsichtig,um aufdiemomentanen Genugthuungenzu verzichten,diesieausihrenVerhetzungenOesterreichsgegenPreußenziehn.

die)JndennächstenTagenwirddasDoppelheftdessechstenBandes des Bismarck-Jahrbuches erscheinen.DerHerausgeber,ProfessorDr.Horst Kohl, hatdie Gütegehabt,einenkleinen Theildesdaringesammelten Materials der»Zukunft«zurersten Veröffentlichungzuüberlassen. Bisinarcks bisher unbekannte Briefe sindandenGrafen AlbrechtvonBernstorff gerichtet, der, nachdemerinLondonpreußischerGesandter gewesenwar,anSchleinitzsStelle indasMinisteriumderNeuenAeraberufenwurdeundLeiterderauswärtigen Angelegenheiten auchdannnoch blieb,als dieliberalen Minister zurückgetreten waren. Geradejetzt,nachderneuesten WendungderzarischenPolitik,werdendie Briefe besonderes interessiren. Hoffentlichtragen sie auch dazu bei,demBismarck- Jahrbuch,dasauchBernstorffsAntworten bringt,neue Leserzugewinnen; wer dieGestaltdesEinzigen kennen,dieWurzelnseinesWesens erfassenunddie Schwierigkeiten,mitdenenerzukämper hatte,schätzenlernenwill,Derkann dieses von treuer Liebeundgewissenhafter Sorgfalt geschaffeneWerknichtentbehren.

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408 DieZukunft.

Jch weiß nicht, welchenEindruckdiedeutscheEinheit jenseitsdes Kanals macht,vonhier sieht sie schlechteraus alszurZeit LudwigsdesVierzehnten odervon 1795 bis1806. Jn Berlin binichinvoriger Woche sechsTage gewesen; langegenug,um zu erkennen,daßderTodvon Alvensleben den AbgangoderdochdieModifikationdesMinisteriums verhütethat.Lange kannesaberso nicht währen,wenn dieLenkerdesStaates esnichtüber sich gewinnen, sichunter einandermehralsbisherzu lieben oderdochzu dulden- Jchvergesse,daß ich Jhnen nichtPolitik,sondernMusik schreibenwollte;

wovon aber dasHerzvollist,davongehtdasTintenfaßüber. Jchbitte Sienochmals,mirdieBelästigungzuverzeihn,undfügenur hinzu, daß Sie SichdiemecklenbnrgischenHerrschaftenverpflichten,wenn Sie diesem Kapellmeistereinencoup d’(åpau1egebenkönnen. HabenSie dieGüte, derFrauGräfindenAusdruckmeinerVerehrungzuFüßenznlegenund der freundschaftlichenHochachtungeineStelle inJhrenGedankenzu. be- wahren,mitderich stetsverbleibe

derJhrige v.Bismarck.

Il.

Petersburg, 13.Xl.Novbr.1861.

VerehrtesterFreund undGönner,

icherlaubemir, derExpedition, welcheHerrvonSchloezerüberbringt,einige Zeilen privatim hinzuzufügen.Wenn ichdenUmfang Dessenüberblicke, wasichIhnen ohnehinzulesen zumuthe, so fühle ich zunächstdasBedürf- nißeinerApologie fürdieWeitläufigkeitmeiner Berichterstattung;daich abernicht weiß, welchederälterenBerichtezuJhrer Kenntniß gelangt find, so habe ichinBetreffderhiesigeninnernZustände manches früher schon GesagtevonNeuemberührt.DieNotizenaus denBerichtenderrussischen Gesandtenim Auslande bringenJhnen schwerlichetwas Neues,können aber vielleichtimZusammenhaltmitdenBerichten unsrer Agentenineinzelnen PunktenvonJnteresse sein·DieStimmung ist hier,wieschon gesagt,eine trübe. Auchder alteGraf Nesselrode,dergesternAbendbei mirwar, sieht schwarzin dieZukunft;ich führe ihn besondersan, weil seine kühleund leichteLebensanschauungihm sonstinseinem hohenAlter einengewissenOp- timismus bewahrt hat. Nach seiner praktischen Weise legterunter den augenblicklichenUmständeneinHauptgewichtaufdieZuverlässigkeitdesMili- tärs. »VomGeneral biszumHauptmann«,sagter, »kannman aufdie Armee zählen,aber vom HauptmannbiszumFeldwebel ist sie ,angesteckt«

und unsicher;esfragt sichnun, ob dieMassevom Feldwebelabwärtsin kritischenFällenVondenSubaltern:Offizierenodervon denhöhernbeherrscht wird.«Der alteHerr sprachmirdamitnichteinsubjektivesUrtheil, sondern

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NeueBismarckbriefe. 409

dieMeinungderhöchstenamtlichen Kreiseaus,wiesiesichnach denSymp- tomen gebildet hat,dieinderArmeezuTagetreten. DieWahrnehmun- genim Privatleben widersprechenDemnicht.Man hat hierjederzeitunter denOffizierenReden gehört, welchebeiuns inmilitärischenKreisenun-

möglichsein würden;aberso arg wiejetzt, seitderBauernemanzipation,in derErbitterungüber, dieVermögensverlustedes Adels,istesniegewesen.

Jch habein dembeifolgendenJmmediatberichteinesUnfalls gedacht,den der KaiserimSchwarzenMeer beimBaden gehabt hat. Bald nach demselben erschien hierin der.Jskra, demhiesigenKladderadatsch,ein Bild,welches einenvom Ertrinken GerettetendarstelltmitderUnterschrift: »Was hängen soll, ersäuftnicht-«Das BildhattegarkeineersichtlicheBeziehung, ging aberunter denOffizierenmit demKommentar umher, daßderKaiser gemeint seiunddaßertrunknen MuthesindieSee gegangen sei.Der letztern Berleumdung fehlt jeder Vorwand;derKaiser ißt sehr stark,trinkt aber mäßig,wie Jederbezeugenkann, der in dernähern UmgebungSeiner Ma- jestätlebt. DiegewöhnlicheTafel istklein, weil das Gefolge nichtdaran Theilnimmt;ich habe schonzuDrei,inWarschauvorzwei Jahren sogar alleinmitdemKaiser gegessen.Von denDiplomatenbinich gegenwärtig dereinzige, welchemdiehohe Ehre widerfährt,zur Familientafelgezogen zu werden, eineAuszeichnung,dienicht meiner-Person, sonderndempreußi- schen Gesandten gilt.ManchemeinerKollegen sind vierzehn Jahre hier, ohnejeanders alsbeigroßenFestenamHofezusein.Der Kaiserund eingeladeneMilitärs erscheinenbeiTischimUeberrock,Civilistenim frac.

NachdemEssen rauchtder-Kaiser, seine Gästenur dann,wenn dieKaiserin abwesend ist. Auchwenn ermichinAudienz empfängt,läßterdieCigarre nicht ausgehn,was Fürst GortschakowfüreinenBeweis besondernVer- trauens erklärt. Jchwürdenoch stolzer daraufsein,wenn Se. Majestät miraucheineCigarre gäbe,aberich lassemirandemBewußtseingenügen, dereinzigeFremde zusein,indessen GegenwartderKaiser sichnichtgenirt.

Diese Dingewerden hiersehr ernstlich gewürdigtundbesprochen.Neben seinem SchreibtischehatderKaisereineetwaeineQuadratruthegroßeBucht, zwei Fuß hoch eingezäuntundinwendig gepolstertzin derselbenspielendie jüngstenGroßfürsten,währendSe. Majestätarbeitet. AuchbeiTische zir- kulirendiejungen Herrn zwischendenStühlen umher. Dieses Privilegium hat auchdesKaisersschwarzer englischer HühnerhundMylord,eins der wenigen Wesen, welchedemverderblichenEinflußderHofluft widerstehn, dennerfrißt noch heutetrocknesBrot undbenimmt sichtadellos aufder Jagd. DieKaiserin gilt für sehr zurückhaltendund abgeneigt,Bekannt- schastenzumachen; istLetzteres abergeschehen,so findetman inIhrerMa- jestäteineFrauvon Geistundlebhafter witzigerUnterhaltung.BeideMa-

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