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Die Zukunft, 24. Mai, Bd. 39.

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Berlin, denZi.HMai1902.

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Der Königvon Spanien.

s)cht Apfelschimmelzogen denPrunkwagen.DieGranden desKönig- reiches,derHofstaat,JnfantenundJnfantinnen fuhreninGala- kutschenvoran. VomSchloßrechtsanderPlazaMayor vorbei,woeinst dieanuisitionundnachderZeitderAutos deFedann dieCorridaherrschte, über diegroßstädtischbanalePuertadelSol hinweg durchdie CalleJem- nimobiszutnKongreßpalast.SelbstimfeierlichenhispanischenSchritt ist vomRenaissancebau PhilippsdesFäusten,vonderErinnerunganbren- nendeKetzer,andievondenHörnernwüthenderStierezerfetztenMenschen- leiberbis in die moderneGesetzsabrikderWegnicht sehrweit. Hinterder Guardia Civil und derGebirgsartillerie,die dasSpalier bildeten, schobund drängte sichdasVolkvon Madrid, harrteninSonnenhitzedie ausallen Theilen Neukastiliens herbeigeeiltenLandleute,umihren König aufdem WegezurHerrschaftzuschauen.Vielsahen sie-nicht.BunteTeppiche,bunte Blumen,grünes Laubwerk,»rotheundgelbe Leinwand, kostbare Gobelins, Goldtressen,Hosgalakleider,Uniformen,diewohlbekanntenGewänder der hohen und niederenKlerisei;undzuletzt,hinterdenSpiegelscheibendespräch- tigstenWagens,einenweißen,winkendenKinderhandschuh.AlfonsoderDrei- zehnte grüßteseinVolk. Zum erstenMaletrugerdenvonGoldstrotzenden RockeinesGeneralkapitäns;zumerstenMal sollteerKönig sein, sollteder KnaberegiremAlsKönigwarer,sechsMonatenachdemTodseines Vaters, geboren worden.Dochda dasspanischeGrundgesetzdenMonarchen erstbeim

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Eintritt in dassechzehnteLebensjahrmündigspricht,hatteMaria Christine bisher fürdenSohndieRegentschaftgeführt.Heute,am siebenzehnten Maitage,wurdeAlfonso großjährig,mußteervorbeiden Kammern der Cortes denEidaufdieVerfassung leisten. Acht Apfelschimmelzogenihn aufdenSchauplatzdererstenKönigspflicht.UeberdemPrunkwagen lag aufeinerleuchtendenWeltkugeldiespanischeKrone.Undauf seidenenKissen saßdasschwächlicheKind desSchwindsüchtigenimParadekleideines Krie- gersundwinkte mitweißemHandschuheinerunbekannten,unerkennbar wimmelnden Menge huldvollenGruß;dennso,ward ihm gesagt, grüßen nachaltemBrauchdieKönige ihrtreuesVolk. NurdenHandschuhsieht man vonZeitzuZeit zwischendenPferdenderLeibgarde,die denWagen umringt.Abervom Schloß her dröhnendieVöller, helle Fanfarenem- pfangendenZug;und jubelnd kreischtendlichnun dievonsolchemGlanz geblendeteMenge,dielange stumm gaffte:Eslebe derKönig!

Siekenntihn nicht, hat ihnkaumje gesehenundmithalbemOhrnur denGerüchtengelauscht,dieausdenGefindeftubendesPalastesin diever- fallenden Gäßchenschlichen.DerBauer,derKleinbürgerwagt nichtmehr, auf bessereTagezuhoffen.DerProletarierschwörtaufngesiasundharrt ungeduldigderStunde,daBakunins Saat ausgehenund derrothe Schrecken dasLandreinigen,neuer Ernte den Boden bereiten wird.DieFrau ift,die darbendebesonders,in blindgläubigemFanatismnsdemPriester unterthan;

seinemWort horcht siennd flüchtetaus AngstundNothin diefinster ragenden Klöster,in dievorgeschobenenFortsdergeistlichenWeltmacht,die wie einschwarzerGürteldieHauptftädteeinschnüren.WersollderFrage nachsinnen,obvondemneuen König GutesoderSchlimmeszuerwarten ist?DiekleineSchaarderGebildetenhöchstens,dievergleichenkann und dieSchmälerungdesspanischenAnsehensbitterempfunden hat.DieZeitder Regentschaftwar hart; sie hatdemReich,in demeinstdie Sonne nicht unterging,Allesgeraubt,was esnochzuverlieren hatte: Wohlstand, Kolonialbesitz,Preftige,innereEinheit.DieOesterreicher haben Spanien immerUnglückgebrachtunddieOefterreicherinMaria Christine hatdas Werkihrer Ahnenvollendet. Gewiß: sie that,wassie vermochte,warsitt- samundfromm,lockte keinenBuhlen auf ihr Wittwenlager, gab sichnicht, wie dieBabylonierin Jsabella,inbrünstigerLauneheuteeinemSerrano, morgeneinemMarfori. Dochdiestrengste, prüdesteTugend ersetztnicht dasHerrschertalent.Maria Christineblieb inSpanien stetsdieFremde, dieOesterreicherin.Nieschiensiebemüht,Land und Leute kennen zulernen,

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DerKönigvonSpanien. 299

denCharakterunddieBedürfnissedesVolkeszuerforschen. Oftwardihr vorgeworsen,siedenkenurandieErhaltungderDynaftie, sorgenurfür dieWahrungdersteifenCeremonialformen und seiimtiefstenGrundihres« engen,abergläubigenHerzensfroh,wennkeinStrahlden dunklen Sinnder Menge erhelle. AuchHochmuth,Geiz, unsreundliches, mürrischesWesen wurdeihr nachgesagt;undein ganz ingrellen LeidenschaftenlebendesVolk konntesichihrer kühlen,starren Tugendniemalsbefreunden.Sie bliebun- beliebt und verlorsogarden NimbusderKeuschheit,alsgekränkteSchranzen dieKundeins Volktrugen,dieKönigin-Regentin,diejede natürlicheGe- schlechtsregungverpöne,habe heimlicheinemorganatifche Ehegeschlossen.

DasGeraun log wahrscheinlich,wurdeaber,weileseinewachsendeAnti- pathie nährenkonnte,gernaufgenommenundweitergetragen.Undschließ- lich-:wastaugtFrauenherrfchafteinerZeit,derenSchädennur eines gan- zen Mannes gesammelteKraft heilenkönnte? Sogrollteundseufztedie IntelligenzdesLandes,dieBourgeoisie,dieinübelfterLageimmernoch vordemUmsturzderStaatsordnung zittertundin der DauerderMo- narchiedensicherstenSchutz ihrer Geldschränkesieht.Vielleichtreisteim Schloßschonder rettendeMann. Vielleicht...Hochhinauf flatterte freilich dieHoffnungnicht«Der KnabeAlfonsowurdevonseinemVaterimletzten Stadium derSchwindsnchtgezeugt. Solchen Ursprungs Leidensspuristan ihmsichtbargeblieben;ersiehtjüngeraus, alserist,undwar seitdem ersten Lebenstageinblasses,verkiimmertes Angstkind.KeinHöflinghat ihm«je einenWesensng nachgerühmt,derauf besondere Regsamkeiteinesfrüh wachen Geistes schließenließ;undKönigenwirddochschonGenialitätan- gedichtet,wennsie, ohne allzulaut. zuschreien,sichderiKopfwaschen,die Saugflasche wegnehmenunddieNägel schneidenlassen. Diesen König hielt dieMutter beinahe ängstlichverborgen.Niemand sah ihn. DerPater Montaüa,eineStützederOrthodoxie,leiteteseineErziehung. Indie Ver- waltungpraxiswurdederKnabenichteingeweihtundnievernahmman, erhabe auchnur alsHörereinemMinisterrath beigewohnt.Einandalusischer HirtenknabeweißmehrvonSpaniens drängendenWünschen,vonSpaniens Jammeralsdieserimgoldenen Käfig Erwachsene.Undderarme Postu- mussollnun König feinundeineErbschaft antreten,vorderenLast selbst ein mit allenWaffenmoderner Bildung gerüsteterRieseerbebenmüßte.

Wohlihm,wenn erauf seidenenKisseninkindischemWahnnichtan dieBeschwerdendes zurHerrschaftsührendenWeges denkt, nichtandas ZieldermühsäligenFahrt,diesoglanzvoll,mitBöllergedröhn,Fanfaren

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undVolksjubel begann. Weh ihm,wenn erauchnurinflüchtigemTraum diefurchtbare Wirklichkeitsieht,wenn einesWarners rauheHandden Schleier zerreißt,denzärtlicheFrauenschwachheitundschlau vorsorgende Priestertaktikum dieSchläfedesKnaben wanden. Wird dasAuge dieses Königs frei,dannmußerverzweifeln,mußseinemSchicksalfluchenundsich gegen diegrausePosseeinerStaatsrechtsordnung bäumen,dieso ungeheure BürdeaufeinesSechzehnjährigenschwacheSchulternlud.

Dennoch hoffengeradedieBestenimLand,derTrugschleierwerde reißen,desmuthigenWarners Stimmebis insOhrdesgekröntenKnaben dringen. Leicht,so rechnensie,läßtJugendsichzugroßen,Ruhm verheißen- denAusgabenlocken ; und garverführerischklängehierwohldasWortdes Tapferen,dersichentschlösse,ohneFurchtvorihm selbstgefährlichenFolgen diesemKönigdieWahrheitzuzeigen. SiehumDich, müßteersprechen, undlernezuerst:nur glauben,was Dumiteigenem Auge schaust;mit nüchternprüfendemAuge,dasnicht träganderOberflächederDinge haftet.

JnDeinem Reich istAllesunecht, unehrlich,Allesauf Täuschungund Selbsttäuschunggestellt.EinCoulissenland,dasdererste Windstoßüber denHaufenweht.DasVolk,dasDirzujubelt,liebtDich nicht,traut Dir nicht einmal;esheultvorFreudeüber die bunteDekoration undhuldigt Dirwie in der ArenadenbehendenEhulos,die imTanzschrittvorrücken und demgereiztenStierdasrotheTuchum dieHörnerwerfen. Jndernächsten ViertelstundekannirgendEinerausderpopulärenSchaarderBanderilleros oderPicadores DichausdemScheinderVolksgunst verdrängen.Wenn Du DeinerMacht feste Grundlagen schaffenwillst, darfstDunicht aufder StraßedemApplaus nachlaufen.Dashieße,dieZeitvertrödeln. Dich bedrohennichtnurAnarchisten,Karlisten, Separatisten, Republikanerund Landproletarier:Duhast überhauptkeinezuverlässigeStütze.EinSchuß, eineDynamitexplosionmachtLärm;dieschlimmereGefahr ist geräuschlos.

DieMasse,dienochganz indenBorstellungendesAbsolutismusvonGottes Gnadenlebt,fragt nicht,ob liberaloderkonservativregirt wird,undlangt nicht nachGedankensreiheitzwas sollte siemitsolcherErrungenschaftan- fangen?Sieherrschtja auch nicht, hatkeineMöglichkeit,anderGestaltung ihres Schicksalsmitzuwirken. UnsereDemokratie isteineLüge,die Keinen mehr täuscht.Hierhaust,über demVolk,über demSchattenkönigsogar, eineOligarchie,derenGruppenundCliquen sichumdie Beutebalgen. Diese Raufereinennen wirstolzdenPrinzipienkampfpolitischerParteien.Und ebensolcheLügensindalldieEinrichtungen,vondenenwievonnationalen

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DerKönigvonSpanien. 301

Heiligthümerngeredetwird.EinuntüchtigesHeer,dessenFührer immeran denpersönlichenVortheil,nieandieres publicadenken.Eineunbrauch- bare,vonder ganzen WeltverhöhnteFlotte.WennmorgenderStreit um dieHerrschaftüber dasMittelländischeMeerausbricht, ist unser Bischen EinflußaufMarokkoverloren. DabeibringenwirdieKosteneinesStaats- haushaltes auf,derjährlichfasteineMilliarde Pesetasverschlingt.Wir habenkeine demhastigenWettbewerbjüngererKulturvölkergewachseneJn- dustrie,keinen modernenVerkehrsmöglichkeitenentsprechendenHandel;und denAckerbaulähmtdieRückständigkeitdesBetriebes. MitstaatlicherVei- hilfewerdenMonopole erschachert,die denAermsten Wucherzins abpressen undeinenKlüngel bereichern. GünstlingwirthschaftundKorruptionaller Arthatüberallihre Minengängegegraben.Allesist hohl,haltlos,zum Untergangreif. NichtRuinen hastDu zurestauriren,nein:Dumußtdie morschen Restein dieLuft sprengenundaufdemgesäubertenBoden-ein neues,helles,lustigesGebäudeerrichten.Allesist hiernochzuthun,der Grundstein politischerundwirthschastlicherOrganisation erstzulegen.Und Der nur,demdiesesWerkgelingt,wirdwirklichKönig sein, nichtimPurpur alseinenickende,winkendeGliedergruppedieRolledesKönigs spielen.

WersozuAlfonsoPostumus spräche,riethe ihmeine Revolution und lockte den Knaben zu einemVersuch,derauchmannbare Könige schrecken könnte. DieGeschichtelehrt, daßRevolutionen fast ausnahmelosnur dann Erfolg hatten,wenn sievonKlassen,KlassenführernoderDeklassirtenaus- gingen,dienichts verlieren,Allesgewinnenkonnten. EinKönigvonSpa- nien,dereinegründlicheModernisirung seines Reiches plante, müßtevor allenDingen dieUebermachtdesKlerusbrechen. Dieses Unternehmenaber wärenirgends so gefährlichwie im Vaterlande Loyolas,wodie dünne Ober- schichtzwarantiklerikal, dochdieMassedesnichtin denGroßstädtenent- christetenVolkes blinddemPriesterergebenist.UndwofändedieDynastie Stützen,wennsieauchnochdievatikanischeWeltmachtwidersichwaffneteund denihrbisheutefo gnädigenPapst zwänge,seineHoffnungaufden Siegder Karlistenzusetzen?Sagasta wußtesehrgut,warum er, derausgezogenwar, diePfaffenfestungenzuschleifen,aushalbem Weg umkehrte·Keine der beiden großen jetztfreilich-sachtabbröckelndenBourgeoisparteienwirddiesen Wegbis ansEndegehen. AusdieSeparatistenund die SekteBakunins aber kannsichAlfonsonicht stützen,wennernicht nachgewonnenerSchlachtbeim SiegesmahlderDreizehnte seinwill. Die Situation istebennicht soeinfach, wie der liberaleBesitzerewiger Wahrheiten wähnt,derdemSohnderfrom-

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men Erzherzogineinenfrischen, fröhlichenKulturkampf empfiehlt.Die Spanier lächelnverächtlichzusolchemRathundschneidenjedeErörterung mit demspitzenWortab:Cosas deEsparsettDasheißt:darüberstehtnur deminSpanienGeborenen einUrtheilzu.Gesprächigerwerdensie erstim intimenVerkehr.Dann kannman vonihnen hören, daß siediespanische Monarchie fürunrettbar verlorenhaltenundihr rathen, aufdieamMan- zanaressehr mächtigevis inertiae zu bauenundohne störendenLärmaus denalten, breitspurigen Wegen nocheinWeilchendasLeben zusristen.

DieStraße, aufderdieacht ApfelschimmeldenPrunkwagenzum Kongreßpalastziehen,istalt und wardoft befahren. AufderWeltkugel,die über derSpiegelkutscheimSonnenlicht blitzt, liegt diespanischeKrone,deren ReichseitdenTagenvorKubasokleingeworden ist.UndNiemand lacht;

ausweiterFremde sind Gästegekommen,denen manein Schauspiel schul- det.CosasdeEspaäal AuchderbleicheKnabe, dessenmageren Leib der wattirteParaderockeinesGeneralkapitänskräftigererscheinenläßt,hatseine Rolle eifrig gelerntundweißauswendig,wieersichinjedem Augenblickzu benehmen hat.Er winkt mit demweißenHandschuh;dennso, hat ihnder PaterMontakia gelehrt, grüßennachaltemBrauchdieKönige ihrtreues Volk.Jetzt fährterjähaufundlehnt sichdann scheuindieKissenzurück... An denWagen hat sicheinManngedrängt,demderHofmarschalleineWaffe entreißt.DerZugstockt;und derZöglingdesMönchesweißnicht, welche HaltunginsolcherMinutederBrauchdenKönigenimAngesichtihrestreuen Volkesvorschreibt. Jm Kongreßsaalaberwarten dieGranden,derHof- staat, Jnfanten undJnfantinnen, fremdeFürsten,Würdenträgerundbeide Kammern derCortes. DerBeginnderCeremonie, sagt endlichderPräsi- dent, verzögertsich,weil ein Mörder SeineMajestätangefallenhat. Doch daistderKönig ja schon.Unter demgelben Baldachin schreiteter über Marmorftufenin den Saal. Erhatsicherholt, reckt,nachderWeisung,die HandundsprichtmiteinerKinderstimme,die in demBemühen,männ- lichundkriegerischzuklingen, heiserwird: »BeiGottunddenheiligen Evangelien schwöreich,desRechtesundderVerfassungHüterzusein!«

Danngehtszum TedeumnachSan·Franzisko.UndaufdemRückwegwinkt wieder derweißeHandschuh.Als dieReihender—LeibwachesichamSchloß lösen,siehtman denKönig sogar lächeln.Die WeiberjubelnundAlfonsoist vonso rührendemAusdruck derUnterthanentreue beglückt.Seitersichin derKathedrale aufdenThron niederließundim ganzenReichdieGlocken erklangen,istder kränkelndeKnabe einmündigerKönig geworden.

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Mesmer. 303

Mesmer.

YnseinerNovelle »Der Magnetiseur«läßtE.Th.A.Hoffmannden JTitelheldenvonderdurchMesmer entdecktenNaturkraftssagen: »Ist esdenn nichtlächerlich,zuglauben,dieNatur habeuns denwunderbaren Talisman, deruns zumKönigderGeister macht,anvertraut, umZahnweh oder Kopfschmerzoderwas weiß ich sonstzuheilen? Nein, esistdie unbedingteHerrschaftÜber dasgeistigePrinzipdesLebens, die wir, immer vertrauter werdend mitdergewaltigenKraft jenesTalismans, erzwingen.«

DieseWortespiegelnmehrdasgroßeantiphilistroseGrundgefühlHoffmanns alsseine wahreMeinungüber den Mesmerismus wieder, wie andere Stellen inseinen ErzählungenzurGenügebeweisen. Jedenfallsaber vermitteln sie eineAuffassungdermesmerischenLehre,dievon ihrerreinmedizinischen Bedeutung absieht.Eskommt uns freilich nicht mehr aufdasPhantom einer »unbedingtenHerrschaftüber das geistigePrinzipdesLebens«an, wohlaberaufdasAnschauendieses geistigenPrinzipsinseinerTiefe. Dazu istMesmers Lebenswerk zweifelloseinBeitrag. Nur dieserrein geistige Gehalt seiner Lehre solluns hier beschäftigen,ohne daßwirdarum jeden Seitenblick aufseinexakt-naturwissenschaftlichesErkennen vermeiden wollen.

Mesmer stammtvom Rhein. JnJtznang, einemOertcheninder Nähevon Konstanz,dasamFußdesSchienerbergesüber einerBuchtdes Unterseesderalten Stadt Radolfzellgegenüberliegt,wurde er1734 geboren.

Undnachdem seinreichesLebenihn durchOesterreichundFrankreichgeführt, kehrteralsGreis1812nach KonstanzinseineHeimath zurück.JnMeers- burg,woer1815starb,steht aufdemFriedhofeindreikantiger,mitsymbolischen ZeichengeschmückterOpferaltar:Das ist seinGrabstein.Undbei Stein am

Rhein soll nach glaubwürdiger,ineinerdortangesessenenFamilieerhaltener Tradition eineBegegnungMesmers mitGoethe stattgefundenhaben.

Seine seit frühesterZeitvon Vielen eifrigverfochtene,von Anderen bekämpfte,immerumstrittene Lehrevon derWechselwirkung,derman mit Recht vielleichtnur vorwerfen darf,daßsieeine individuelle, ihmundein- zelnenAnderen genügendsichtbarverliehene Kraft generalisirte, hat ihnbald zu einereuropäischenPersönlichkeitgemacht.ErmußinderThat, selbst wenn seineganzepraktischeLehrenur eingroßerJrrthutn sein sollte, durchaus alseinbedeutender,seine Umgebungundseine Zeit beeinflussenderMann genommen werden. Zeugniß dafür ist sein rascherund großerErfolgin Frankreich,wohiner1778 von Wienaus gingundwoertrotz allerBe- kämpfungdurchdieSchulmedizin zwanzig philantrophischeInstitutemit magnetischerBehandlung einrichtenkonnte. DenEinfluß,dervonihmaus- ging, bewahrenuns auchEinzelberichtevon Zeitgenossen.EinAugenzeuge,

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der dengreifenMesmer inKonstanz aufsuchteundseinen unentgeltlichen magnetischenKuren zusah, sprichtvon der»wunderbarenKraftderEin- wirkung aufKrankebeidemdurchdringendenBlick oderderblosstiller-

hobenen Hund«Mesmers. Diese Wirkung ging vielleichtzunächstreinvon derphysischenPersönlichkeitdesMagnetiseurs aus; siewurde jedenfalls erhöhtdurchdieMachtderhinterderphysischenstehendengeistigenPers önlichkeit, die inringendenGedanken wieininneren Schicksalengereiftunderstarkt war. Dieser klare, klugeRepräsentantderAufklärungzeit,wieersichnament- lichindemEntwurf einesidealen Bürgerstaates(im zweiten Theildes

»SystemsderWechselwirkungen«)zeigt,war zugleichMystikerundeindie TiefederNatur durchforschenderGeist. Diese Zweiheit giebt ihm seinBe- sonderes.Sein Wesentlichesaberist seinganzinnerliches Anschauender Natur und ihrer Kräfte.Mesmer giltin naturwissenschaftlicherHinsicht gemeinhinalsPhantast. Allerdings besaßerdienachschaffendePhantasie, ohnedie einlebendigesErkennenüberhauptundenkbar ist;siemagihn manch- malzuJrrthümerngeführthaben; daß sie ihm auch großeWahrheitenver- mittelt hat, ist ohne Frage.EswirdfeinemRufalsNaturforschergewiß nicht schaden, daßer denZusammenhangaller organischenEntwickelung deutlich sah, daßman ihn fastalsunbewußtenDarwinisten bezeichnenkann.

Ersprichteinmaldavon,daßdasThier seine Wurzelnaus demErdreich genommen und alsMageninseinenKörper versenkt habe.Dasisteine grundlegendeLehredesDarwinismus. Aneineranderen Stelle betonter dieMöglichkeit,daßderSchlaf alssolchen bezeichneterausdrücklichdas LebenderPflanze derdemMenschen natürliche,ursprünglicheZustand sei:demZweckdesVegetirensam Unmittelbarsten entsprechend. »Könnte

man nicht behaupten, daßwirnur wachen,umzuschlafen?«Man halte danebendie derEntwickelunglehreeigenthümlicheAnschauung,daßdermensch- licheGeist sichnur alsWaffeimDaseinskampfeentwickelthabe.

Mesmer gliedert seine selbsterlebtenAnschauungenineinskizzirtes metaphysischesSystemein. Das hatdenVortheil, daßerselbst einigeder tieferen Konsequenzenseiner Jdeen ziehenund uns vorweggebenmuß;un- günstigaberbleibt,daßernun nichtin demMaßegezwungenist,dieEinzel- erscheinung—dieerdurchEingliederungindasSystem genügendmotivirt zuhaben glaubt—soanschaulichlebhaftzuschildern,daß sieaussichselbst alleindenLeservon ihrerWahrheit überzeugt.Das System verhülltuns zunächstauchdenAusgangspunkt,von dem Mesmer in seinGebiet eindrang.Eine tiefeund besondereArtderWeltanschauungmußinder Persönlichkeit,die zuihr finden soll,ganzundgarvorbereitet sein. Eine solcheAnschauungmag zumalwenn inihr so sichtlichpraktischeKonse- quenzen liegen amAnfang, ehe sie sichrunden konnte,nur alsder

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Mesiuer. 305

Spiegel besonderer zufälligerErfahrungen erscheinen.AmEnde,wenn das ganze LebeneineursprünglicheVeranlagung umströmtundZeitgewonnen hat,sichum den bewußtenoderunbewußten—· Gedanken zukristalli- siren,wirdsichdiesGebilde ganz zum Ausdruck derPers önlichkeitwandeln.Per- sönlichkeitenaberstelleninsichimmer einenTheildergroßenWahrheitdar.

Derersten äußerenAnregung,dieMesmer zusicherweckte, kannich nur einenZufallswerth beimessen.Esist ziemlichgewiß,daßeralsjunger Arzt durch BeobachtungenanKrankenaufdenEinfluß achtenlernte, den diegroßenHimmelskörper,insbesondereSonne undMond, aufdenthierischen Organismusüben. Seine Doktordissertation handeltevondemEinflußder HimmelskörperaufdieErde. Erforschtevorurtheillosundfand scheinbar fernliegendeund dochdeutlicheBestätigungen.—MitrichtigemBlicksaher

inaltenVolksmeinungen,AberglaubenundAehnlichemkeinen Unsinn,sondern

wenn auch erstarrteundverderbte, dennoch schätzbareUeberresteeiner ursprünglichenErfahrungwahrheit. Sogingerforschendbisaufvergessene astrologischeAnsichtenzurück. UnsereNaturerkenntnißbestätigtdiesenastralen Einfluß übrigens;wieman denn jüngstauchzueiner unbestreitbarenEr- kenntnißderEinwirkungganzfernermeteorologischerErscheinungenaufdas Nervensystemgelangt ist.Jn seinerPraxisempfandderjungeMesmer schmerzlich,daßeskein direktes aufdieNerven wirkendes Heilmittel gab- Ergerieth nicht unbeeinflußtvon seinen astrologifchenStudien auf dieVermuthung, daß DieseseinAgens nicht wägbarerMaterie sein müsse, einPrinzipderBelebung. Jn dieser Vermuthung lag gleichzeitigeineEr- klärungdesvonihm ausdrücklichalswechselseitigangenommenen Einflusses derHimmelskörper,diesichfastganz mit der bekanntenAether-Theoriedeckt;nur nimmt Mesmer einennoch feineren Weltstoffan. Dieser Einfluß ,,bewirke sichdurcheinenMittelstoffoderdurcheineFluth,worinalle Wesen in einer ArtvonBerührungsountereinander gemengtsind, daßdadurcheineeinzige Massevon derganzenWelt gebildetwird.« Wirsind ,,eingetauchtinden OzeanderAllfluth.«JndiesemAusdruckdokumentirt sichschoneine kos- misch, phantheistischempfindendePersönlichkeitUndinniger noch berührt sieuns, wenn erseinewundervoll künstlerischeAnschauungvom Entstehen derKörper,FormenundGestaltendarlegt.Sie werden erzeugtvon den beidengroßenKräftendesAlls: RuheundBewegung·Ergiebt für seine Anschauungeinetwastriviales, abereindeutigesundklaresBild: eingroßes Glasgefäß seimitButter gefüllt,indemsichunsichtbar inFarbeund AussehenderButter ganzgleich eineWachsfigur befindet.EineForm ist nicht vorhanden:wirhabendenZustandderabsoluten Ruhe. Erhitzen wirdasGefäß so lange,bisdieButter schmilzt,dasWachsdagegen noch nichtaufgelöstwird,sohabenwirdenZustandderWelt: RuheundBe-

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306 DieZukunft.

wegung; dieBewegung durchdieihrimWesenverwandte Wärmehervor- gerufen.WirhabenForm undGestalt. Erhitzenwir dasGefäß weiter, bisauchdieWachsfigur schmilzt, so habenwirdenZustandderabsoluten BewegungundwiederkeineForm,keineGestalt-WennwirdesGesühles, daß allesVergänglichenur einGleichnißist,ganztheilhaft sind, so muß diestriviale Bild tiefe Bedeutung füruns gewinnen.Als einSpielder beidenKräfte RuheundBewegung stellt MesmerdaskörperlicheLebendes Menschendar. Mit derGeburt—- richtiger wohl:inderEmpfängnißoder inderEntstehungdesSpermazoons—- trittLebenaus demReich absoluter gesialtloserBewegungin denDoppelzustandderBewegungundRuheein.Nun beginnteinelangsame(oderbeitötlichenKrankheitenplötzliche)Verfestung,die zumZustandderabsoluten«Ruhe,zumTodeführt.Esleuchtet sofortein, daßdieWidersprüche,dieindiesemSchema wiein allemSchematischen liegen, daher rühren, daßwirvomZustandderabsoluten Bewegung vielleicht sinnvollzusprechenvermögen,jedenfallsaberdenZustandderRuhenur in seiner VerbindungmitderBewegungkennenundihn absolut auch nichtdenken können. Wenn Mesmer dagegenmitseinem Schema nichtsAnderessagenwollte als:daßdas Lebeneiner EinzelformeinelangsameVerfestungsei, die im Tode einenAugenblicklang wenndasderFormeigenthümlicheLebenentflohenist, dasneue derVerwesungnochnicht eingekehrtscheint uns als einGleichniß der absoluten Ruhebedünkenmag»so lösen sichdieWidersprücheAller- dings hat dieses SchemamitMesmers GrundanschauungüberdieEnt- stehungderGestaltendann nicht mehr logischen, sondernnur dentieferen fymbolischenZusammenhangUnerörtertbleibt undhier beschattetviel- leichtderRationalismus Mesmers Gesichtsfeld dieFrage nachderpsy- chischenEntwickelungimLeben. Sie gehtimPeripherischenderkörperlichen Verfestungparallel,imCentralen scheint sie ihrdirektentgegenzugehen,wahr- haft»ein Entwerden« zusein.JcherinnereanJeanPauls Unterscheidung:

»DasAeußferedas Innere einesMenschenkann sterben, abernichtdaannerste« AusderAnschauungvon derAllfluthleitet«Mesmerseineniedizinische Lehre her.Ernimmt an, daßdieganzeWelt fortwährenddurchströmtsei von Fluthreihen dieses feinsten Stoffes, dienachallen Richtungen gehen.

Diese Annahmeisthypothetischauchvon einigen AstronomenzurErklärung derGravitation herbeigezogenworden. WodieseFluthreihennun gezwungen sind,dieZwischenräuinefesterKörperzupassiren, beschleunigensie sich und esentstehenStromschnellenDas sinddieunsbemerkbaren sogenannten magnetischenStröme. DieseStröme sind sein HauptheilmittebAberin derAllfluth fahMesmer nochAnderes. «EsisteinsonderbaresZusammen- treffen, daß aufdemselbenBoden, aufdemimvierzehntenJahrhundert einerderMänner, dieaus demtiefstenQuell desSeins geschöpfthaben

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