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Die Zukunft, 25. Mai, Bd. 35.

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Berlin, den 25. Mai 1901.

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Draga.

WewarhöchsteZeit. Chan zieht schonlange nicht mehrundausSeid- afrikakamseitWochenkeine die NervenaufrüttelndeNachricht.Kanal undZolltarif haben ihre Schuldigkeit reichlichgethanund dasentschieden liberale Flehen,derMonarch mögeinseinerHuldendlich die-Konservativen zuPaaren treiben,konntenicht jedenMorgen wiederholtwerden. Sogar aus alten undneuen ScheusäligkeitendesverruchtenJohannesvonMiquel warkaumnocheinZeilchenzuschinden.DieBerhaftungzweierBankdirek- toren und das wildeFrevelspielamerikanischerSpikulanten durftedermaß-

—volleMann nurmitleisem Fingerstreifen. NurkeineSensation,die den KapitalistenängstetundeineRepriseerschwerttDenBörsen,diemanjetztlieber Märkte·nennt,gehtesohnehin schlechtgenug.Wasalso? Schonwurdendie ewigenWahrheit«en,diewährendderpolitischenSaisonmitKamphertütchen imPelzschrankhängen,hervorgesucht,wurdederLesermitArtikelnüber das WesendesVerfassungstaates,dieEinheitlichkeitderRegirungund dieZiele verständigerHandelspolitikgefüttert.AuchAfghanistanundAustralienkamen schonwiederandieReihe, SmithundMillwurden citirt undnächstens mußtendiegefürchtetstenThemataauftauchen:dieKontingentirungderSteu- ernunddieBerufunginStrafsachen.Dabeischwindeterst nach Pfingsten dieJnseratensülleundderMetteur fordertgebieterischText, umdieAn- noncenseiten aufputzenzukönnen.Eine übleLagefürden zur Brillanten- lieferungverpflichtetenRedakteur...DakamvomBalkandieRettung:

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dieehrenwertheFamilie Obrenowitschsorgtewiedereinmal füreinen Welt- skandal. Jm vorigen SpätsommerhattederSerbenkönigAlexanderseinen liebenPapaplötzlichweggejagtundeinefrühereHofdameseiner schon längerverbannten Mama, Frau Draga Maschin,zur Gattin erwählt.

DaswarfürdieheißestenTage immerhinEtwasgewesen.Derneuen Kö- nigin,die denkeuschenSchatznicht allzu strenggehütethaben sollte,ließsich Allerleinachsagen,DichtungundWahrheit;undalsderKönig, eheer nochmitseinerTrauten vordenAltartrat,offen bekannte,ersei siher, baldein Kindlein küssenzudürfen,alsdieSchwieger auf Postkarten ihres Sohnes gekrönleFraueinlüderlichesWeibsbild schalt, schmunzelte EuropainstöhlichsterOperettenstimmungDannfolgtedieThronrede,in derAlcxandersagte,erwerdeseinenVaternie wieder ins Serbenland lassen, also dürfedasVolkaus bessereTage hoffen,Milan starb,mit demName-n derTheaterspielerinOdilon auf bleicherLippe,in Wien denMarthrtod undschnüffelndeReporter schildertenunsanschaulichdieWochenstube,in derSaschasKind dem Leib derFrau Dragaentbunden werdensollte.Eine silberneWiege;die Amme ansderGegendderSchwarzenBerge;und der WeißeZarwirdPathe sein. Jetzt istderholdeWahnzerrissen.Frau Draga hat aufein Kindvielleichtnie, einstweilen wenigstenssichernichtzuhoffen.

Russische,französische,österreichische,rumänische,serbischeAerztehaben sie untersuchtundsämmtlichbescheinigt,von einerSchwangerschaftkönne garnichtdie Redesein.Der ChorderAccoucheurewirddurchdie Stimmen wirklicheroderangeblicherAutoritäten verstärkt,diesich, weilsie ihrenNamen nichtungernindenZeitungen lesen,interviewen lassen,unddieosfiziösenDepeschenbureauxbelehrendenErdkreis über die verschiedenenFormen eingebildeterSchwangerschaft.Die ganzeGeschichte ist, so solltemanmeinen,nur fürdasEhepaar, allenfalls»nochfürdasSer- benvolkwichtig. DochesfehltanStoff;unddieThatsache,daßeine Köni- ginwider Erwarten nichtin dieWochenkommt, hilftüber eine leereWoche hinweg.DemSchmunzeln ist helles Lachengefolgt. Zu komisch:eines Gesalbten Frau,diesichin anderenUmständenglaubt, währendsieanMe- tritis leidetl UmdenScheinzuwahren, sprichtman mithochgezogenen Brauen von denmöglichenpolitischenFolgenderEnttäuschung.Alsob irgendJemand sichdarum kümmert,welcherAdvokatoderMedizinmann inSerbienMinister istl Nein:derSkandal,dieSexualpossereiztdie Neu- gier.Was mag,dasovielschonenthülltwird, erst hinterdenConlissen vorgehen?GewißwolltediefrecheAbenteurerin allmählichhatdiePhan-

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Draga. 293 tasieaus derJngenieurswittweeineTheodoraoderMessalina gemacht einfremdesKindunterschieben. Gewißwirdderbetrogene König siemit SchimpfundSchandeaus demPalasttreiben. Oderisterso dumm,die Schwindlerinbeisichzubehalten?Derpurpurne, mit breitenHermelin- streifenbesetzteVorhang hat sicheinBischengehoben:nun wirdsimPrunk- saal gleichdrunter unddrübergehen.Das Hinterhausjubelt,weilauch vornso ruppige Sachen passiren.

Ob dieSache auch so fürchterlichschiene,wenn sie«nurineinem Ro- manband lebte,nur, nachdesantisemitischenPatriarchen Wort,einPro- blema wäre?

Einjunger König,den einschlechterVater gezeugt,eineschlechte Muttererzogenhat.EinlebhaftesTemperament; fastgarkeineHemmun- gen. UnklareTräumevonFreiheit«undVölkerglück.KeinMißtrauen;die WohlfahrtderNation dashöchsteZiel.Der Ekel trennt ihnvomVater.

Nunstehterallein;und dieersteerfahrene, nichtganzreizloseFrau hat ihn inihrem Netz. Jn ihrer Näheathmeterauf.DawehtnichtHoflustDa hörterWahrheit, lauschterzumerstenMalederStimme desVolks. Und wiebescheidendieLiebsteist! Nichtswillsiefür sich.DieechteSlavin; selig, wenndesMannes Fuß ihrenLeib alseinenTeppich berührt; jedeLaune, jedeMißhandlungsogarwirdlächelnd,beglücktertragen. Daskannteder Könignoch nicht.UnddieseFrau,dienurseinLebenmitlebt, sollerzur Maitressemachen?Etwagar eine derhöfischkonventioneller Ehenschließen, vondenenerals KnabeschonsoUeblesvernahm? Demebenvom Hof- lupanar befreitenLande wieder dasSchauspiel unzüchtigenWandels bieten?

Nein. SeinLiebchensoll auch seineKönigin sein. Daß sieeinVürgerkind ist,wirdihmvomVolkgedanktwerden. Doch siegab sichohne Ringam

FingerschoneinemManne. Sieselbsthat esihmgestanden,alssieinseinem Armlagund mitgeschlossenenAugen flüsterte,siedürfejetzthoffen, durch seinerLiebeKraftdasreinsteMutterglückkennen zu lernen. DasGeständ- Uißthat ihm,erkannsichs nicht verhehlen,nichteinmalweh.Lafemme, enfnnt jnfirme etdouze foisjmpure!Undwieoft mochtenalle Ver- führerkünsteandieserSchönheiterprobtsein.Eiannder noch, daß siesich so hielt. Nun,dasieseinKindträgt, sollersieverlassen,siealsKebse unter dasHofgeschmeißstoßen? Zwar:dieGuteheischtnichtsAnderes.

Manchmal,sagt sieinsingendem Märchenton, während ihrwarmer Athem sein Haar zittern läßt, manchmal wirstDu mich besuchen. Jn meiner Einsamkeit,demTempeltreuen Gedenkens,demHeimDeines

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Kindes. Mit Deiner HerrscherlustwirstDuundmit Deinen Sorgen kommen und Diestets finden,die Dugeradesuchst.Dann plaudern wir;

auchvondesVolkesNothundSehnen.DavonhörstDuausDeinerHöhe nichts;davonkannnurein indumpferNiederung erwachsenesWesenDir erzählen.Und keineEifersucht,nieein Laut terKlage.Wiesollteich,die so begnadet ward,meinGeschicknichtpreisen? Vielleichtistsein Knabe Der sollüberreichlichdannAlleshaben,wasDirAermstem fehlte Vielleicht istseinKnabe. DerEntschlußist gefaßt.DieletzteUeberraschung,liebe Mitbürger!JnEurerMitte fand ichmeinWeib.Und zumZeichen,daß esfortan zwischenunskeineHeimlichkeitengiebt, sageichEuch, sageichvor derWelt: Dieichzum Altar führenwill, trägtmeinerLiebesprossenden Keim unter demHerzen.DieFrau erbebt,alssiedasWorthört.Seitsie dieHoffnungaufleuchten,dieTreppezumThron ihrem Fuß frei sah, hat sie gekämpst,mitderZähigkeiteinerVerwöhnten,dieihren Reizwelkenfühlt uudderaufgoldenerVettstatteinweichesLagerwinkt.Jetztist sieverpflichtet:

fieschuldetdemLandeein Kind. SollandereinenLügederganzePlanscheitern?

EineKöniginvermagviel.Und siewillihn ja glücklichmachen,willjadem Volk einenguten König geben«Ein Lebenlang hat siesichimDienst roher, trunkener, perverserMänner geplagt, sinnlofen Begierden Sättigungge- schafftund unterTaumelnden dietraurigeRollederheiterenAnimirdame gespielt.KeineListbliebihr fremd,ausjederGefahrwandsie behendsich heraus. NurgeduldigeRuhe:eswird,esmuß auchdiesmalgehen.Ein Arzt,eingalanter Franzose, bescheinigtdieSchwangerschaft.Monatefind gewonnen. DaplatzenbarscheMoskowiter herein.MitDenenist nichts zumachen;und zu demMittel, das,umMänner zukirren,eineMefsalina gewählthätte,magdienur nachmodernem Maß Ruchlosenicht greifen.

Immerwiedermuß sievor demnüchternenBlickSachverständigerdie Scham entblößenundimmerbleibt es bei demSpruch: In diesemLeibe reiftkeineFrucht. SogardiekleineAlltagskomoedieeiner fausse couehe wirdihr versagt.Da kannnur Einsnochversuchtwerden,dasAeußerste:

Ich log,weilichDich liebe,weilichDich nicht verlieren, ohne Dich nicht sortleben kann, nun verdamme mich, zertrittdasGewürm,das Dir im StaubenachkrochlDasLeid kleidetsiegut.Und derKönig umschlingtden zuckendenLeib:Jch lasse Dich nicht, halte Dich sestalsmeineGehilfin.

UndschenktunsdasSchicksalkeinKind, so lehrtesmichdoppeltDichlieben.

JstdieGeschichtenicht rührend?DerKönig hättealleHerzenfür fich,derKöniginwürde derstrengsteRichtermilderndeUmständezuerken-

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nenund dieSpötterkönntensichinAchtnehmen. Doch sehr schön,daßes noch soidealeHerrschergestaltengiebt.Unddie armeFrau! Du lieber Himmel:werhatimEhebettnicht schoneine kleineNothlügeentdeckt?

Jetzt ist MajcstätMobunnahbargrausam. Jetzt thut Jeder,als kennt dieWeltgeschichtenur tugendsameKöniginnen.Undaußerdemspaß- haftenZwiespaltdessittlichenGefühls, das,wasesin derFabelbewun- dert,im Lebenverlachtundverachtet, zeigtdemBetrachter sich nochein ernsteresSchauspiel. Unter demFirnißleben die alten Gedanken. Die geprieseneBildungdesJahrhunderts hatandemSinnderMenge nichts Wesentlichesgeändert.Wirwaren-Rationalisten, sind Deterministenund Demokraten,aberwirgestattendenKönigennicht, Menschenzusein,und kämpfendieNaseundringendieHände,wenneinsechsundzwanzigjähriger Kronenträgerhandelt,wieausdemweitenRundderErdetäglichLegionen verliebterFanteinhitzigerThorheit handeln. Könige sollenimHermelin, mitKrone undSzepterinsBettgehenundKöniginnensolleninfrommer Ergebenheitwarten,bisderStorch klapperndnahtund sieinsAllerhöchsteBein beißt.DannfließtblauesBlut undingüldenerWiegezappelteinePrinzessin oder gar einPrinz.Sowar esimmerundso sollesbleiben. Denärgsten, durchsichtigstenSchwindel hätteman demserbischenAlexanderverziehen;

seinekeckeAufrichtigkeitist unverzeihlichUeberhauptpaßtessichnicht, daß

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einsouverainerHerreinebürgerlicheWittweheirathet, nochdazu eine,die nicht so keuschgelebthat wieKatharinaundElisabeth,EugenieundJsabella.

AllePutzmacherinnen ärgernsichan dendochsicherganz höllischen Machinationen,die derdunklenDame aufdenThron geholfenhaben,

dieselbenPutzmacherinnen,die denhier knappundkunstlos skizzirten HintertreppenromanverschlungenundseinerHeldinaus Papierblumen Kränzegewunden hätten. Ja,liebeLeute,warum zetertJhr dann, wenn dieMonarchensichaus ihr Gottesgnadenthum berufen?SiekennenEuch ganz genau undwissen,wasEuer Gaumenbegehrt.VorEuremRichter- stuhlist Draga nichtzu retten. Merkwürdigistnur,daßnoch keinemsozial- demokratischenFeuilletonistenderEinfall gekommenist, Saschas Frauals diegehetzteProlctarierinzusymbolisiren,die mitleidenschaftlichemGriffdie höchsteGewaltan sichreißtunddieMonarchiezurUnfruchtbarkeitver- dammt. Vielleichterleben wirsnoch. Einstweilen müssenwir unsmit der Lehrebegnügen,diezwischendenunbenutztenWindelnderpolitischenWochen- ftubeamBalkan zufindenwar.

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pobedonoszew.’««)

WieimerstenStockdes GrandHotelinWien gelegenenRäume,die dieEckezwischenKärtnerringundAkademiegassebilden,beherbergten imHerbst1896 einendermeistgenanntenMännerunserer Zeit,einen, wie man sagt,derMächtigendieserWelt.

WerkenntnichtdenNamendesOberprokuratorsdesHeiligenSynod?

Werhat nicht gehörtvon Konstantin PetrowitschPobedonoszew?Jneinem geräumigenSalon,inden dasLichtdurch fünf großeFenstereinsiel, empfing

ermichdesOefterenzund dabei verbreitete ersichübereinigeProbleme,die dierussischeWeltbewegen.

DerOberprokuratoristeinschmächtiger,nun vierundsiebenzigjähriger Mann, ausdessenGesichtszügenuns einstrengerGeist entgegenweht.Seine durchdringenden,miteiner schwarzenHornbrille bewaffneten Augen sixiren denZuhörer,währendersichintemperamentvollerRedeergeht.Ermuß gewöhntsein,indergroßenWeltzu leben,denn inbeträchtlichemGrade besitzterdieGabedesCauseurs,dieerbesser entfaltet,wenn erfranzösisch spricht,alswenn ersichdesDeutschenbedient. DasFranzösischeist ihm sehr geläufig.In deutscherSprachedrücktersichmiteiniger Härteund Anstrengungaus.Z-Aberselbst«wenn er sranzösischplaudert, wirstervon ZeitzuZeiteindeutschesWortdazwischen,einenwissenschaftlichenoder lite- rarischenTerminus Sehrbaldbekommt man denEindruck,daßerüber Allesau oourant ist,wasdiehistorischeundtheologischePublizitätinEuropa zeitigt.EinEinschlagvonGläubigkeitziehtsichdurch seine Gespräche.Mehr vom StandpunktdesGlaubens alsderKunst äußerteersich auchüberDas, waserzuletztauf Reisen gesehenhatte.ErwarebenausJtalienzurückgekehrt, hatte mancheWocheimVenezianischenund Lombardischenzugebracht,hatte andenSchönheitenvon Venedig,Mailand undauchBellagioseinenviel- beschäftigtenGeist ausgeruht.

Jch dachtenun, dasallgemeinMenschliche;daserin den idealen Ge- bildenderKunstinJtalienzusehenbekommenhatte, müßtesein starres Herz erweichthaben,undsolenkteich, durch Alles,wasichüberihngehört,in derVorstellung befangen,einenGroßinquisitorvormirzuhaben,der die Einen kneble,um dieSeelenderAnderenzu retten,absichtlichdieRedeauf dieLiebeathmenden OsfenbarungenderitalienischenMalerei,diedoch nicht zu denMitgliederneinerKirche, sondernzu allenEdlerensprechen.

Ike)EinAbschnittausdemim,,Allgemeinen Verein für deutscheLiteratur«

(Paetel)inBerlin nächstenserscheinendenBuch »ModerneStaatsmänner. Bio- graphienundBegegnungen«.

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Pobedonoszem 297 ErnahmmitBehagendiesenFadenaufund erzähltevon einem Besuch,denerinderBrera zu Mailand gemacht:wie er mitEntzückenvor RaffaelsLoSposalizio gestanden hätteundwelchwarmer Tonauf diesem Gemäldeläge,dasdieVermählungderHeiligen Jungfrau darstellt-

Jcherwartete nun,ausdemMundedesMannes,in dem wirunsviel- leichtnur nachdemHörensagengewöhnthabenkönnten, eine ArtTorqu«e- madaoder Arbues, einenKetzerversolger,einenKetzerrichterzusehen, milde, weicheTöne über das Walten derReligionzuvernehmen,derenhoherDiener erinseinemVaterland ist. WährendereinePause machte,verdichtetesichvor meinemAugederGegensatzzwischendemgoldenenGemälde desUrbinaten, aus demsogardiezurückgewiesenenFreiermitihrenverdorrtenStäben inversöhnen- derAuffassungerscheinen,unddemvonmirsitzendendürren Mann, dernach derZeitlegendeindenWäldernRußlandsdieScheite bräche,um sie für Andersdenkendeanzuzünden.Undmirwar es,daersoeinenAugenblick schwieg,alsobsichseiner BrustderschrilleRuf entringenwollte: »Thut nichts,derJudewirdverbrannt!«

Dahobernun an, zog dasKünstlerischeaufdenBoden despositiven Glaubensundbemerkte,daßdasLebenohneReligion nichts sei, daßder GlaubeBerge versetze, daß unsere Zeit,indemsie nicht glaube, krank, ster- benskrankseiund daßdieErhaltungdesGlaubens derVäterderFunda- mentalartikel für jeden russischenPolitiker sein müsse.Das deutscheWort

»Zersetzung«schienihmdenmoralischen ZustandderGegenwartamBesten zukennzeichnenundso flochterwiederholtdenAusdruck indie Konversation, Auchalsdiese französischgeführtward. ErsagtevondenmodernenDenkern-

»Siehaben zerfetzt,sie haben nichtzu bauengewußt. JnderSphäredes Christenthumeszumal habendieHäupterdertübingerSchule—- ermeinte Baurund Strauß—- Unheil angerichtetundGöttlicheszerstört.SieYhaben eine Weltvon SchuttundTrümmern geschaffen.«

Jcherlaubtemir, zu bemerken,Europa hättesichgewöhnt,in Seiner ExcellenzeinenHortderRechtgläubigkeitzusehen,dervon seinem ortho- deenStandpunktausdenAndersgläubigenfeindlichgesinntsei.

MitLebhastigkeitfielernun ein:»IchbineinunglücklicherMensch- Die Welt lebt in demWahn, Alles,was inRaßland geschehe,werdedurch Michgethan. Ich, heißtes,beeinflussedieGesetzgebungin derRichtungder Unduldsamkeit,ich, sagtman, verfolgedie Judenundtreibesieaus. Jch seiesauch,derdenKatholiken nachsetze. Alles,allesRussische,wasin Europamißsällt,wirdindenNamen Pobedonoszew hineingelegt.Ueber- zeugenSiesichdaeinmalselber, daßman mirnichteinmaljetztRuhe läßt, WoichzurErholung außerhalbdesVaterlandes weile.«

Underlasmir einenebeneingetroffenenanonymen Briefvor, in

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dem derSchreiber ihmansHerz legte,dieJuden besserzubehandeln. »Es ist«, äußerteer,»ein recht harmloses Schriftstück, harmlosimVergleich mitgewissenDrohbriefen, ja sogar Todesurtheilen,diemirwegen meiner angeblichenGrausamkeiten manchmal zugehen.Es hat sichebeneinever- hängnißvolleFamaum denNamen Pobedonoszewgebildet,indemsichfür Europadasböse Prinzip verkörpert.«

»Undkönnten EureExcellenznicht durch entschiedeneErklärungen die,wiesie sagen, befangeneMeinungderZeitgenossenvorderOeffentlich-

keitzerstören?« -

Ererwidertehart: »Die Oeffentlichkeitsetzt sichauslauterLügezu- sammen.Undwer möchtedievon gewissen nach EffektundSensation jagendenSkribenten erdichtetenLegendenalledesavouiren,dievorunseren eigenenAugenausdemNichts erstehen?«

»Wirkönnenalso,« fiel ichein, »aus derArt,wiesogardieZeit- gefchichtegemachtwird,dieMancher,zumBeispielEureExcellenz, nach vielenRichtungen hinzukontroliren imStande ist,dieLegendenbildungen frühererTage beurtheilen?«

»O,andenschönenLegendenderVorzeitmagichnichtrüttelnlassen.Sie sindunter demGesichtspunktederEwigkeitwahreralsdieGeschichte,dieauf Raub, Mord,Schande, Schuld basirt. Dochumzu denangeblichenVerbrechen zurückzukehren,wegen deren michdieöffentlicheMeinung Europas ächtet,so versichereichSie: meinRessort istdieorthodoxeKircheund nur diese.

DieMaßregelngegen dieJudengehörennichtin meine Domäne. Jn Europa bestehenübrigensdurchaus unrichtigeVorstellungenvondenMotiven derEntscheidungen,die dierussischeRegirunggegendieJuden getroffenhat.

DieJudenfrage istuns keinereligiöseFrage.SowenigwiedieKatholiken werden dieJudenaus konfessionellenGründen mitUnduldsamkeitbehandelt.

JnPetersburgkenntman jene Jntoleranz nicht,diejetztetwainWien vorhanden ist·DerrussischeStaat kannsich wohlan Duldsamkeitmit manchemanderen messen,derda meint,imAlleinbesitzderGesetzeder Menschlichkeitzusein.JedeGlaubensgenossenschaftdarfsich,ohne daß ihr dieBehörde auchnur diegeringsteSchwierigkeitbereitet, inRußland ihre Kirchenbauen. JnOesterreich,wo derStaat auf katholischeGlaubens- einheit hält, istDasvielleichtweniger einfach... DieJudenfrage istuns Russenein rein wirthschaftlichesProblem;und was unsereStellungzu denKatholiken anbelangt, so ist sieeinenational-staatlicheDieVekenner derrömischenKirche identifizirensichleiderganzmitdemPolenthum.Das können wirnicht ruhig hinnehmen.DieMaßregelngegendieKatholiken gelten also eigentlichdenPolen.DieJuden wieder dürfenwiralsdie wirthschaftlichStarken nicht gewährenlassen. Jch sageesoffen heraus:die

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Pobedonoszew. 299 Rassenkönnen inderKonkurrenzmitden Juden nicht aufkommen.Die JudenRußlands sind religiös, mäßigund hängenmitJnnigkeitan ihren Familienbanden. Jhre Zähigkeitistunvergleichlich.Wassichder Jude bei uns indenKopf setzt,Dasführteraus,imGutenundimSchlimmen.

AufdemLande undindenkleinenStädtenschlägterAlleaus dem Felde- Judenwaren es,die dieSchänken hieltenund dieBauern benachtheiligten undbewucherten.So ward derJude Rußlandszueinerwirthschaftlichen GefahrfürdieLandbevölkerung.UndDies um so mehr,alserjungzu heirathenpflegtundzahlreicheNachkommenschafthat.SeinFamilienleben macht ihndenAnderen überlegen.AberauchindenhöherenStänden war der Judedurchseine radikalen AnschauungeninunliebsamierWeisebemerkbar.

Gewiß:esgiebtunterunseren Juden tüchtigeAdvokaten,hervorragendeAerzte undsie nehmen eifrigangeistigerArbeitTheil. Aberwerkönnteihnenden HangzumRadikalismus absprechen?Siestellenanunseren Universitäten eingroßes KontingentvonSozialistenundNihilisten..

»Undsollten nicht«,wandteichein,»dieallgemeinenGesetzedenJuden gegenübersogutausreichenwiegegenüberdenAnderen? Wirdnicht Rußland dadurch,daßesdieJuden schlechtbehandelt, Schaden nehmen?Soll die Austreibungder Judenetwa demHandelunddemVerkehrNutzenbringen?

LeidetnichtSpanien, das wirthschastlichso tief gesunken ist, noch heute darunter, daßesseineJuden,die einhervorragendesElement derKultur unddesWohlstandeswaren, vorJahrhunderten ausgetrieben hat?«

Pobedonoszew:,,VergleichenSienichtSpanienmitRußlandlBei Uns istes,wiegesagt, wirthschaftlicheNothwehr,dortwaresreligiöser Zelotismus.DaschristlicheSpanienwolltesichder Mauren undderJuden alsAndersgläubigerentledigen.Wirdagegen sindkeineGlaubensfanatiker.

WirwürdenauchzurkatholischenKircheandersstehen,wäresie nichtdie feurigeAgentindesPolenthumes. ErmessenSie an einereinzigenThat- fache,werfanatischerist:diekatholischeKirchemitdemPapstanderSpitze oder dieorthodoxe,derenOberhauptderZarist. DierömischeKirchever- bietet demKatholiken,einGotteshaus orthodoxenGlaubens zubetreten.

DerOrthodoxedagegenkanneinekatholischeKirche besuchen,ohne daß ihn eineStrafe trifft. Wennich,dericheinsohohesAmtinderorthodoxen Kirchebekleide,zufälligin einem Ortweile,wokeineKapelle unseresRitus ist-svdarf ichinein katholisches Gotteshaustreten unddasSakrament in der Form derrömischenKirche empfangen. Darfman also sagen, daß wirFanatikerseien?Romfreilichhat den Gedankennichtaufgegeben,uns km sichzureißen. PapstLeo XllL ist ohne Zweifelein starker Geist, aberwennervon derVereinigungderrufsischenKirchemitder römischen träumt, so istDiesnurChimäre...DerkatholischeKlerus darf sichauch

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kaum darüberbeklagen,daßwirihmnichtkonziliantbegegneten.Als Kardinal Agliardibei derletztenZarenkrönungalsAbgesandterdesPapstesinMoskau weilte,gabereinMahl,bei demichmeinGlasaufallehomines bona-e yoluntatis leerte. Erwar zufriedendamit... Dochwie könnten wirdem- Polonismus derkatholischenGeistlichenmitverfchränktenArmengegenüber- stehen?DerKatholikinDeutschland fühlt sichalsDeutschen.DerKatholik inRußland fühlt sichnur alsPolen. Undwirdenkennichtetwadaran, demPolenzu verbieten,seineSprachezu lernen,seine Sprachezusprechen.

Wirwollennur imStaatsinteresse, daßdasRussischeüberallAmtssprache sei,als offiziellesJdiom in amtlichen Schriftstückenfigurire. Jstdamit gesagt, daßwirdenPolen wehren, ihre Sprache, ihreLiteratur zupflegen?... Freilich:denGegenfatz,derzwischenderrussischenundderpolnischenVolks- seele besteht, möchteundkönnteich nicht wegleugnen.DerRusse isternster undgründlicher,derPole mehr äußerlichangelegt, glatt, prunkvollerRe- präsentationundchevalereskenFormen zugethan.DemPolenverdankenwir so manches Uebel, auchdenZustand,indemsichderJudebefindet,der gewöhntwar,denShlachzizenzurHandzusein,unddernoch heuteinEr- mangelungeineswirklichenMittelstandesinPolen zwischendemglanzvollen Adel undderarmen, elendenVolksmengesteht.«

Das Gebot derHöflichkeiterforderte, daß ichdemOberprokurator nichtzuscharf opponirte. Keineswegsaberließ ichesan derAndeutung fehlen, daßmirseine Darstellungder-Dingezusehrvon feinem eigenen retrograden Geist,vonfeinen eigenenNeigungendiktirtscheine,daßvondem Ausland undvielleicht auchvon denaufgeklärtenRuserdiejüdischeund polnische FrageinRußland aufGrund anderer Thatfachenund anderer Jdealeinanderem Licht gesehenwürden. Jchkonntewohl nichtdenvor mir stehendenMann und mitihmdieMachthaber Rußlands offendes erimen laesae mujestatis andemMenschengeschlechtzeihenundbegnügte mich,mitkühlemZweifel seine Argumente aufzunehmen.

Es wollte mirnicht recht einleuchten,warum Unduldfamkeit,auswirth- schaftlichenMotiven hervorgegangen, weniger grausam sein solltealssolche, dieaufreligiöserGrundlage ruhtundsich dochwenigstensmiteinemidealen Mantel drapirt. Mir schiendieJudenverfolgunginSpanien oder die HugenottenverfolgunginFrankreich,diedochzurangeblichenEhreGottes insWerkgesetztwaren, fast eherzuentschuldigenalseineaufmaterielle, ökonomischeBerechnung gestützteUnterdrückungDerGottPobedonoszews kammirzu einem erbärmlichenwirthschaftlichenund nationalen Schutz- zöllnerdegradirtvor.

Jch fragtedenOberprokurator,oberinRomgeweiltundwelche EindrückeerinderHauptstadtdesKatholizismus empfangen habe. Zu

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