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Die Zukunft, 24. Januar, Jahrg. XIV, Bd. 54, Nr 21.

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EINJahrg. Berlin,den24.Februar1906. Alt-.21.

Herausgehen

Maximilian Larven.

Jnhalt:

Seite

Mel-tue ................................291

Tudwig Speck-eh Vongieri- Facteu ..................295

Bürgerl-tut aufKönigsklxrvnew VonOttoFreiherrn von Zungen- ..·297

Jndische Kunst. VonLI.Fred .....................302

»Der HäkchenNach;k-Tqi-Ye vonTheodor zus- ........·...312

Ilio-Rmidjao Bohn. VonYodaYedo .....«............313

Dervatlxekeeklapg. ZweiBriefe ....................816

Werihxuwachgsieuer. Vonotat-on ....................319

Uachdruck verboten.

V Erscheint jeden Sonnabend.

Preisvierteljährlich5Merk,dieeinzelneNummer 50Pfo

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Berlin.

Verlag der cZukunft.

Friedrichstraße10.

1906.

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Berlin, den 24. Xebruar 1906.

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Februa.

. . erChef hat sichamSechzehnten,FamilientagDerervonBülow, Punkt Zehn verabschiedet,weilnochzu arbeiten.Sensation.VonPressebei- fålligglossirt.AuchkeineKleinigkeit,daßderleitendeStaatsmann nachZehn nochinsGeschirrmuß.Niedagewesen.TrostinAbituriententhränen.Depe- schenausAlgesiras,woman rechtschaffenthut,als obman wasthäte?Mög- lich.AberauchVorbereitungaufallerlei Reden. DieAgrariernebst Afsiliir- tenfürdas denYankeeszugewährendeHandelsprovisoriumgewinnen.Kol- loqiumimKanzlerhaus. Nicht soganzeinfach.Erstensaber,meineverehrten Herren, istdieüberwiegendeMehrheitderbetheiligtenIndustriengegen den Zollkrieg,weilsie glaubt,drüben werde dieschutzzöllnerischeStrömungbald nachlassen,undnicht wünscht,diesenUmschwungdurch schroffeMaßregeln verzögertzusehen.UndzweitenssinddieSchwierigleitenderinternationalen Lagezu bedenken.SollenwirgeradejetzteinenKonfliktmit denVereinigten Staaten wagen,derengute Dienste uns,densovielfachVerkanntenundVer- dächtigten,sehrnützlichwerdenkönnten?HerrWhite,derAmerika ausder Konserenzvertritt,würdesofortandereJnstruktionenbekommen undvielleicht insLagerdesFeindesübergehen.KeinverantwortlicherStaatsmann darf sehendenAugeszusolcherWendungdieHand bietenzundauchJhrerpatrioti- schenEinsicht,meineverehrten Herren,wirdnichtentgehen...Famos.Die Industrieist mir indiesemFall einRebus.KeinMerkmal,daßdrüben derHoch- zollstromschonabebbt.Jm Gegentheil HerrRooseveltverstehtnichtsdavon,ist machtlosundwirdnichtmehrallzuernstgenommen.DerKongreßaberwird nachmenschlicherVoraussichtnocheinehübscheWeileprotektionistcschbleiben.

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292 DieZukunft.

Hoffnung auf Handelsvertrag ohnehin nichtsehrstark. Nochbeträchtlichge- mindert,wenn wirfürdieUebergangszeit,ohnewesentlicheKonzessionenvon drüben,denLeutenalleVortheile unseresTarifeseinräumen. Wasdanach kommt, ist, fürchteich,Bärme. Wobeiaußerdemzuberechnenwäre,wieun- günstigdieWirkungaufalldieStaaten,mitdenenwirnochVerträgeschließen wollen.DieSachemußteganzandersangefaßtwerden.Langevorhermitden Kommandirenden Preßgeneralender UnionFühlungnehmen.Centralbu-

reau schaffen(wofürvonGoldberger,Ballin Fr-Co.sicherwerthvolleRath- schlägezuhaben waren)undnachweisen,wasauchfürUncle Samaufdem Spiel steht.Stattso zärtlichzuthun, daßselbstSpeckchenzögerte,immer, wie der VertretereinesVasallenstaates,mitGeschenkmeldungeninsWeiße Hauszupilgeru,maleinBischendieZähne zeigen. Nichtunhöflich,aber energisch.Ceterum censeo: IndustrielleoderGroßkaufleuteindieBotschaf- ten;dasGehaltvoneinerViertelmillion,unterdemsies nicht thäten,wäre, weißGott, dochnichtherausgeworfenJetzt müßtederYankee,bei dem Alles infloribus,wirklich,wie derseligeMiquelsagte,dergrößteEsel sein,wenn erunsweitentgegenkäme.DerReichstagaber kaumzufürchten.Da wirkt die»Schwierigkeitderinternationalen Lage«.Mußjetztüberallherhalten;so-

gar,wennsichsumdieAusgabekleinerBanknotenhandelt.DasMerkwürdigste:

daßKeinerfragt,warumwireigentlichin dieMaurengaleeregeklettertsind.

Dochfabelhaft,daß selbstgeschaffeneSchwierigkeituns jetzthindern,die Wirthschaftpolilikzutreiben,dieunserInteresseinkritischenTagen fordert.

Podwohlnichtsehrentzücktdavon.Für ihn persönlichinsoferngünstig, alsman ihn jetztmitGewalt halten müßte,dasonstgesagtwürde: Ergeht, weilerdieamerikanischeSache nicht mitmachenwill;und derFriedemitden BündlerischeninFragekäme.Deshalb neulichdielobendeCensur vomChes Erhattegewackelt;wofür,außerdenHilferuer agrarischerBlätter,die Art sprach,wie dieTippelskirchengeschichtein derPressegegenihn ausgebeutet wurde.’So waswächstnichtinReduktionen. Heute gilteralsbeiS.M.wieder ganzfest.DemChef isteinMann nicht bequem,derihnmitFleischnothlärm ärgertundihmdieBürgermeisteraufdenHalshetzt. AuchdasVerhältniß zuPosadowskyund dem(übrigensnichtgeschmacklos)liberalisireudenBeth- mannziemlichtrüb. DiebeidenJMIMUsindanihkeWekseganzeKerle;nobel

undselbständig.Trotzdemwünschteich-,daßPod bliebe. Nichtvon wegen seinertausendAnekdoten(diepolitischinunserenZeitläuftenja nichtunwichtig), sondern,weilerseinenKramverstehtund60111111011Sense hat.Glaubebis aufWeiteresauchdaran. DieSüßigkeitderMachtkitzeltalldieseHerren.

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Februa. 293 ObwohlersichstetsgegenKlebertendenzenverwahrt,arbeitetaucherdochgern weiter;undfürdasHandelsprovisorium,ausdemerjakeineKabinetsfrage macht,brauchensie ihn.AufVerkleisterungenverstehtderChefsichwieje Einer.Siehedie RedeaufdemFestmahl desHandelstagesDa bekamPosa lautes Lob undleisenRüssel;derSatzvonden,,hohlenWorten«,mit denen gegendieSozialdemokratienichtsauszurichtensei, istihmnicht vergessen.

Aeußerlichaber Alles inschönsterOrdnung. HomogeneRegirung. Kompli- mentenach rechts,Komplimente nachlinks.»HabeichmeineLiebezurLand- wirthschaftvordenKaufleutenetwaverleugnet?SienichtmeinSorgenkind genannt?«AlleHindernissesindweggeredet.DieserSpeechwollteauchvorbe- reitetsein.Wennman sichdes Lärmserinnert,dendiewildestenBündler und dieHändlerparteienmachten,als derZolltarifberathen wurde, mußman

sagen:JnderKunst,mit denLandsleuten umzugehen,istderChef beinahe schonMeister.Vertrauensvoten vomBundederLandwirtheundvomHandels- tag.Undwer behauptet,unter denKollegenfehleesanEinigkeit,ist sicher einErzschelm.Schade,daßdieserKniggestilaufAuslönder niemals wirkt.

AmNeunzehntenhateraufgeathmet;und drumbeidenHandelsleuten somunter geredet.DesKaisers ReisenachKopenhagenlagAllen in den Glie- dern.WegenderWelerundEduards wegen,der,alsSchwiegersohn,sonst dieParlamentserösfnungverschobenhätteundhingekommenwäre.FürCum- berlandundGenossennicht sehrangenehm, denTrauertaginGesellschaftdes Preußenkönigsverlebenzumüssen.AuchwarS.M. dereinzigenichtganz nahverwandteSouverain beiderBeerdignng,dasVerhältnisszu Dänemark immerhinnochheikelund derJünglingsahdenGrundnichtein.Abervon diesemPersonal nichtsdagegenzumachen.Aufenthaltwurdewenigstensab- gekürztundscheintleidlichverlaufen.EinigesGerede über dieansolchemTag auffälligeglänzendeJlluminationdesKaiserschisses,die demkopenhagener MobaberFreudenruseablockte. DasGerüchtvoneinerUnterredungmitdem Welfenherzoghoffentlichunwahrund imGesprächmit Courcel keine marok- kanischennova. Ueberraschungenwaren,ohneministerielleBekleidungstücke, auchdortja möglich.Leiderstetsheutzutage.Beispiel:dieErnennungTschir- schkys,die denChef soüberraschte,daß erseinPortefeuilletonzurVerfügung stellte;war freilichleichtzubeschwichtigenundistwiederaufderHöhe.Ge- genTschirschkyeigentlichnichts zusagen; auchnicht,wieManchebehaupteten, daßerKandidat Holsteinswar. Ruhiger Mann,demwederbesondereMe- ritennoch grobeVersehennachzurechnen.Fatalnur, daßwiederein»Reisebe- gleiter«in die Sonne gebrachtist. Nach Wolsf-MetternichundSchoennicht

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geradeEmpfehlungWird neben demChefwohlkaumeinegrößereRollespie- len als derarme RichthofenundsämmtlichenApplausgelegenheitenfernge- haltenwerden.DaßaberdiesesStaatssekretariatüberdenKopfdesKanzlers hinwegbesetztwerdenkonnte,ist,als nettesSymptom, dochderRedewerth·

Ein paarTagewarhierdennauchderTeufellos.Mühlbergwar die Sacheangeboten;aberso,daßernicht gutJasagenkonnte. Alserdanndoch wollte,wars zuspät;undgute MenschenführeneineCampagnegegenihn (derbessergethanhätte,in derHandelsabtheilungsitzenzubleiben,woer heimischwar),deren Endenochunsicherist.Nichtsehr wahrscheinlich,daßer bleibt.Dazudie latenteHolsteinkrisis.DerChef hat sehrdarunter gelitten, daßderWirklicheGeheimein demfranko-britischenHandeldirektanS.M.

berichtetundGroebenspariserMeldungen,dievonRadolins ganzgewaltig abwichen,andieAllerhöchsteStellegebrachthat. Jedem,dershörenwollte, darübergeklagt.OberdenMann nun nochimmernichtentbehrenzukönnen glaubtodersichfür dieKraftprobe nicht stark genugfühlt:wasGewissesweiß man nicht. Daßesso,mitHühvorn undHott hinten,abernichtweitergeht, fühlteinBlindermitdemKriickstock.VielleichtkommtRuheinsGlied,wenn dasSultanspektakelendlichvorbeiist.Nöthigwärees;denntrotzdemichin diesemFalleherfürHolsteinalsfürden zu internationalen Geschäftennicht geeignetenChefwar,istdochnichtzweifelhaft,daßderVerantwortlichedie Karrelenkenmuß.Jedenfallsgiebtsbald wieder ein Revirement. Quoddeus bene ver-tat! MumminTokiowar einverständigerAnfang;und unterden jüngerenLeutenhatMancherdasZeugzuHöherem.EinSegen,daßRadolin nicht lange mehrbleibenkann.MansprachvonHohenlohe, derLondon,als SchwiegersohndesverstorbenenEdinburgers,also Halbneffe Eduards,ab- lehnenkonnte.Dann bekämePaaschedas kolonialeonus. FürLondon sollte man Jemandsuchen,dersichgesellschaftlich(,,Sportund Spiel«nenntmans in denZeitungen)mitdemKönigzustellen versteht,soungefährdie Nummer Reischach,undihm fürdasSeriösereeinenHandelsmann erstenRangesandie Seitesetzen.JnEduardsThronredesindjaalleBeziehungen»freundschaftlich«.

JetztschweigenalleFlöten.SilberneHochzeit.Einegute,stillsorgliche Mutter;siebengesundeKinder,dieihre Pflicht thun,stattlichaussehenund nieAergernißgaben.Dasmachenunsdraußenheutzutagedie Anderennicht nach.S.M.hatGrund,imHause zufriedenundglücklichzusein.Und wir könnenihmweiter einungetrübtesFamilienglückwünschen;auchwenn wir finden, daßesimFebruar1881besserumdasDeutscheReichbestelltwar.

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Ludwig Speidel.

ÆudwigSpeidelwar Jahrzehnte langderallmächtigeKritikervonWien.

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Und Vielesagen jetzt,ersei auchdergeistige Führer dieserStadt ge- wesen. Jahrzehnte lang gaberdiebestenFeuilletons, diejeindeutscher Sprache geleistetwurden. UndVielebehaupten jetzt,inihm seieingroßer Dichterverlorengegangen. NurderMangelanArbeitlust habe ihn gehindert, unsterblicheNovellen, Theaterstückeoder Romane zuschaffen.Aberessteht fest, daßebendieseArbeitlust, gerade dieser siebernde Fleißzu denaller- wichtigstenBestandtheilendesTalentes gehörtunddaßSpeidels feine Schreiber- handdieenergischeKraftzusormenden,zugestaltenden Griffennieaufzu- bringen vermochte.

EinFührersEinSuchender,dereinfernes ZielalsErster schaut,der ungeduldig voraneilt,winkend,rufend,verkündend, dieMenge zwingt, ihm zufolgen,in neue Pfade einzuschwenken?DiesesAlleswidersprichtdemruhe- vollenBehagen seinerNatur. RichardWagnerwar da:undSpeidelwandte sichvon ihmab. FriedrichNietzscheleuchtete auf:und Speidel hat diese Flamme nicht früher wahrgenommenalsderganzeSchwarmderanderenGe- bildeten. Henrik Jbsentratunerkannt hereinundnichtvon Speidel,lange nichtvon Speidel gingderEntdeckerschreiaus. DaerdocheinFührerge- wesensein soll: wohin also haterunsjemals geführt? Ach, nirgendshin.Er hatunsnurimmerbegleitet. Langsam, gemächlich,zögend.Abermit wunderbar aumuthigen Schrittenund miteinerWeisheitderRede,deren melodischer Reiz oft bezaubernd, manchmal ergreifendwar.

Jetzt,dawirdiesenedlenBegleiter entbehren müssen,möchtenwir uns, unbeirrt von nekrologisirendenEinschätzungversuchen,lieberdarauf besinnen, welcheinhochstehender,seltenerundmerkwürdigkomplizirter Menschuns in Speidel vergönntgewesenundinwelchtief beschlossener,sinnreicherHarmonie dieNovelleseinesLebensabgelaufen ist.Erwar durchunddurchgeschaffen,

umSchönheitaufzunehmen, siezuempfinden,zufühlen,zugenießen.Alles inihmwar zurgenußreichenEmpfängnißbereit. SeineSeele, seineNerven, seinBlut: Das reagirteinihm auf SchönheitmitderselbensubtilenBe- weglichkeit,mitderdieQuecksilbersäuleaufWärmereagirt.Undseinheller Verstand schriebihmdabeidenverläßlichenGradmesser.Einfeines Instrument,

uminderBerührungmitallemWesenderKunstdieleisestenSchwingungen zuerhaschen.Erwar unentschlossenund fließendinseinemWollen. Er war unthätigemBetrachten geneigt,erwar Musiker...und erkamnach Wien. AufschlußreichfürBeideistes,für diese einzigeStadt undfür diesen seltenen Mann,wiesie zusammentrafen,wiesieeinanderumfingen,in ein- anderübergingen,einander besaßen. Jhmwar diese schwermüthig-heitere,

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lieblicheundüppigeStadt wieeinGeschöpf,dessenReizereinschlürsenmußte, dessenberückende und räthselhaftverführerischePersönlichkeiterauszukosten undin allihren geheimenQuellen auszuspürenbemühtwar. Wenn erdurch die wiener Gassenderitalischen PrachtalterPaläste vorbeischritt,wenn er sah,wieüber dieDächerderStadt indasGetriebe derMenschen grüne Berge hereinschauengleich großen,sanften Freunden, sah,wieJeder,demes zwischendenHäusernzu engumsHerzwerden wollte,mit einemHebender Wimpernur, miteinem rasch hinauszu dennah grüßendenWäldernund Gipfeln gesendetenBlicksichneue Zuversicht holen konnte,dann faßte ihn wohleinAhnen,wasdieWiener so leichtinihrerSeelebeschwingt.Wenn erdann draußenim anmuthigstenGelände, inGrinzing,andenHängen desKahlenberges,inSievringoderNeustist spazirte,dieWege,dieBeethoven gewandeltwar undSchubert,dannerkannte erdietieferenZusammenhänge:

Pastorale, Walzer,Müllerlieder ...

Schmeichlerischkamihm dieseStadt entgegenund erbündeltesichdie Gaben,diesie ihmbot,nachseinerArt. DiewienerischeLandschaft.Das wienerBurg-Theater Daskleine,gemüthlichewienerischeBeisel. DieseLand- chaft,diesein Fühlen,Denken undTräumen so schöninsFließen bringt undwoihneinGruß derBesten anweht,diejevon dieser Scholle getragen wurden. DasKaiserliche Burgtheaterdann,wo ihmdieBlüthe wienerischer KunstundalthabsburgischerKultur amStärksten duftet. Endlichdas,,Winter- bierhaus«,woinniedriger, verqualmterStubeamungedecktenTischdenulmer Studenten von einstinmittenderResidenzeineseligeKleinstädtereiumfängt,

woinPlauschundSchwatzdieAbende sachtverstreichenund wo man so hübschweitvon Arbeit undMühsal fortgleitet.

Zauderndnur, nur gezwungen, mürrischundbeleidigt, reißtersichvon so holdem Genießen,von so süßerBeschaulichkeitlos, versammeltdiespielenden Gedanken,diespielgewohntenEinfälle für kurzeStunden zuErnstundFleiß.

Undnun beginnt langsamdiemelodischeResonanz,derWiederklangall der köstlichempfangenenEindrücke-.Nun redeteinausgeruhter Geistinbehutsam erwählten,von feinem Geschmackohne Hast geprüften,blankgeputztenundge- schliffenenWorten. Meist erzählternur, weilErzählenbequemer istalsdas- AufrichtcneinerArchitektur.Aber dieedelsteZuschauerweisheit fließtunwill- kürlichmitein. Undinkurzen Sätzen,inüberraschendstrasfen Wendungen werdenVergleiche,werdenBilder geboren, wirklichgeboren,wie einewollüstig empfangene, zärtlichausgetragene Leibesfrucht,und sinddann wie Kinderso lebendig, so jugendfrischundso hinreißend.

SchmeichlerischkamaucherdieserStadt entgegen,diejeglichenWohl- lautsofeinhörigeinschlürft.Allehorchenaus,wenn Speidelredet. Erspricht nichtwie einSohn dieserStadt,aber wieihrBruder.ErsprichtihrausdemHerzen,

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Ludwig Speidel. 297 redetihrinsGemüth,insTemperament. Erbegleitetdie Wienerauf ihrer Landpartie, auf ihren WegenzurKunst,begleitet siein dieprimitiven,ge- liebtenBierstuben,wosie sich heimwärtssehnenin diegutealteZeittrau- licherKleinstädterei.Ererzählt ihnen,was sieimTheater gesehenhaben, sagt ihnen,wieesihnen gefallen hat«Undin derleerenEpochedersieben- zigerundachtzigerJahreadelterihrdramatischesVergnügendurchdiePracht seiner Feuilletons; läßt sieinseinenKritikenfinden,was ihnendieBühne nichtzugebenvermag: Poesie.Jn dieser schlimmenZeitundnochdarüber hinaushälterdasNiveau derwiener Kunstbetrachtungaus stattlicherHöhe.

Diegelassene Selbstverständlichkeitseiner vornehmenKultur verhindert nein Sinken desGefchmackesund seine geläuterteGenießerfreudelegitimirt,was AllenimTiefsten theuer ist:denGenuß.DerGoldglanz seiner Sprache, darinnen sievon JakobGrimms klarerRechtfchaffenheitundvon Gottfried KellerseinfacherGrößeeinenHauch verspüren,bezaubert sieunddieseelische Fülle,diesie hinter feinen knappen Sätzen errathen, bringt sie aufdenEin- fall, Ludwig Speidelkönne,wenn ernur ernsthafteinmal denVorsatz fasse, eingroßerDichterfein.Einliebreicher,allzu«begreiflicherJrrthum,demübrigens Jedervon uns einmalerlag,wenn erüberSpeidel dachte.Dennirgendwo,

andenäußerstenGrenzen beglückendenEmpfangens, nähert sichderimhöchsten Sinn GenießendedemDichter. AbereineWahl hatesdafür Speidel nicht gegeben.EinfreiesWollennichtundkeinEntschließen.Ermußtewerden, wozuergeschaffenwar: dergroße Epikuräer;undnirgendinfeinemLeben zeigt sich auch, daßerdarinetwagefchwankt,daßersichmißverstanden,daß

ergekämpfthabe,umeinGottfriedKellerzu werden, daerdochderSpeidelwar.

Damagesdennbesser,magesgerechtererscheinen,ihn nichtals einen imZeitungseuilleton verbrauchtenundverlorenen Dichter zu betrauern. Sondern alseinenGanzen,alseinen Vollkommenen von feinerundseltenerArt. Ein alterAristokrat.Gutweimarisch-konservativ,mitall derVornehmheitdes ancien resgima Exklusivundvon demunbewußtenHochmuthedlerRassen.

EinSeigneur,wieihn sichdieKünstleralsMaeeendesVerstehensnurwünschen können.EinerlauchterZuschauer.EinfürstlicherGenießer.UnterdenFeu- dalenfeinesRanges vielleichtderletzteBeredfame.Undesist schön,zu denken, daß geradeerinWienallmächtigerKritikergewesen ist.

Felix Salten.

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Bürgerblut auf Königsthronen.

WieVerlobungdesKönigsvonSpanienmitderPrinzessinvonBattenberg sollte unseren Herren Staatsrechtslehrern undGenealogenzudenken geben-. Die Braut ist nicht ebenbürtig.Siekönntenach strengemdeutschenEbenbürtigkeitrecht nicht Fürstin aufeinemunsererkleinenThrönchen werden; nicht Herrscherinin einein

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unserer Kleinstaaten. Darüber kannnichtdergeringste Zweifel sein. Nach allge- meiner Auffassunginfürstlichen FamilienundinKreisenderStaatsrechtslehrer, diesichmitderFrage beschäftigthaben, sind ebenbürtigbei unsnurdieregireuden Familienunter einander undein

ganzgeschlossenerKreisvonFamilien,denendas RechtderEbenbürtigkeitnachdenBeschlüssendesWienerKongresses ausdrücklich zuerkanntwurde: dieStandesherren. Zuihnen gehörtdieFamilieBattenberg nicht.DiespanischeKönigsbrautistdieEnkelin einerEhezurlinkenHand,der EhedesPrinzenAlexandervonHessen (gestorben 1888)mitderTochtereines Grafen MoritzvonHauke,ehemals polnischen Ministers. DieGräfinvonHauke bekamdenTitel einerGräfinvonBattenberg. 1858wurdesie Fürstin. Jhr Sohn, Graf,dannPrinz HeinrichvonBattenberg, heirathetediePrinzessin Beatrixvon Großbritanien, SchwesterdesKönigs Eduard. DieseBattenbergsgehören nicht zumgroßherzoglichenHaus Hessen.DieStellung,diesiesich verschafften,die Ver- wandtschaftmitdemenglischen Königshaus machte siedenspanischen Königeneben- bürtig. JnDeutschland gelten siealsausgeschiedenausdemEbenbürtigkeitver- bandunserer fürstlichenFamilien.

Genau sostehtesmitderKronprinzessinvonGroßbritanien,derPrinzessin Maryvon Wales,TochterdesHerzogsvonTeck. Sie war dieEnkelin eines Herzogs AlexandervonWürttembergausdessen morganatischerEhemiteiner ungarischen Gräfin RhedayvonKiß-Rhede, gehört nichtzumHausWürttemberg, nichtzuden»ebenbürtigen«Prinzessinnen.

DasUnsinnige,die ganzeUnhaltbarkeiteinesEbenbürtigkeitrechtesfür unsere Zeiten habe ichinmeiner Schrift »DasProblemderEbenbürtigkeit«gezeigt. Jch binüberzeugt,daßnurUnkenntnißdeshistorischenEntwickelungsganges, Unkenntniß derthatsächlichenVerhältnisse,derObservanzindenFürstenhäusern,dazu führen kann, daß sich unsere Juristen heute noch durch fürstlicheHausgesetzeüberEben- bürtigkeitleitenlassen.Sofehlt,zumBeispiel,derneustenBearbeitunginRehms

»Modernem Fiirstenrecht«allefamiliengeschichtlicheundgenealogischeKritik. Aber dieEbenbürtigkeitgesetze,diesicheinige deutsche FürstenhäuserimLaufdesletzten Jahrhunderts statuirt haben, sind so streng, so stolz: mußesnichteineFreude für jeden Richter sein, sich blindlings danachzurichten? Endlicheinmal klaresRecht!

Wozudazweifeln? Noch schwebtimHause OldenburgderStreit umdieEben- bürtigkeiteinesoldenburger Fürstensohnes,dermitseiner Mutter,einemFräulein VogelvonFriesenhos, nachdemTodedesVaters denNamen Welsburgbekam.

DieMutter Friesenhof ist nichtvonanderemStande alsdiebattenbergische Ahn- frau,derenEnkelin desspanischenThrones würdig ist.JnDeutschland sindwir strenger;undsowerdensichvielleicht deutsche StaatsrechtslehrerundGenealogen andieBrust schlagen: Ja,imstolzen Spanien! Aberbeiunsists noch anders.

Nun: beiunsistesebennicht wesentlich anders. Allerdings mußman wohleinWenigin Stammbäumen Bescheid wissen,umDasherauszufinden.Aber Stammbaumstudien sindgarnicht reizlos. Mandarfnur nicht glauben,man könne damiteinEbenbürtigkeitrecht(oderüberhaupteinRecht) beweisen.

Jch greifeindie Mappe und suche. Sollte wirklich bürgerlichesBlutnur inSpanien...Das wäredoch merkwürdig! »Nur« schlicht adeliges Blut,ge- wiß,Dashaben sie ja Alle, unsere Fürsten·Man brauchtinihrenStammbäumen garnichtweitzurückzugeben,um ganz unebenbürtige adelige Ahnenzufinden.

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