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Die Zukunft, 21. Januar, Jahrg. XIX, Bd. 74, Nr 17.

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Uachdruck verboten.

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Erscheint jeden Sonnabend.

Preisvierteljährlich5Mark,dieeinzelneNimm-er-50Pf.

Berlin.

Veriagder Zukunft.

WilhelmstraßeZa.

1911.

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Berlin, den 21.Januar 1911.

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Gnade und Cölibat.

«lWormeinem Buch »Ehristenthinmund Kirche« hat besonders

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.laut ProfessorKarlVraig anderbadischen Universität Frei- burg gewarnt. Ermtachtt (inderLiterarischen Rundschau fürdas katholische Deutschland)mein Buchund denVerfasserschlecht.Das thuterausUeberzsetugungundausPflichtgsesühl.Dagegen ist nichts einzuwenden. sMitihmzudiisputirien, gedenke ich schondarum nicht,weil esvergeblichwäre;denn wirgehören zwei verschiedenen geistigenWelten an,zwischendenen Verständigung nicht möglich ist.Erist Scholastiker, ichbinEmpiriker. Jchwill nur dieGe- legenheit wahrnehmen, den Unterschied zwischen diesenbeiden Arten von Denkern an einer einzelnen theologischenMaterie zu beleuchten,an derLehrevon derGnade. DerScholastiker fragt:

»Was sagen Paulus, Augustinus, Thomasunddieübrigen großen Theologendarüber ?« Undkonstruirtaus deren Aussprüchsenein Dogma. DerEmpiriker fragt: »Was sagtdas Leben?« Nimmt dieBeleuchtung, welchedieDhatsachen durchs Schriftwort ersah- ren,dankbar an und untersucht, ob dieAnsichtenderTheologeiy ander Lebenserfahrung geprüft, stichhaltig sind. Paulus nannte seineund der übrigenzum Himmelreich Berufenen Aus-erwüh--l lung, Erleuchtung und Heiligung ein aus reiner lGüte gespens- detes Gnadengeschenk Gottes,ein-exeiknz und aus seinen Beschrei- bungen dieser Charis habendiekatholischen Theologen ihr Dogma von derRechtfertigung konstruirt. (DieabweichendenAnsichten derReformatoren damit zuvergleichen, ist hier nichtderOrt.) Dervon Gott entfernte Sünder (ich lasse Möhren reden) ,,wtrd,

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ohne eigenesVerdienst,zum göttlichen Reich zurück·gerufen.Der göttliche Ruf ergehtan ihn nichtblos von außen durchdieVer- kündungdes Evangeliums, sondern zugleich durcheine innere ThätigkeitdesHeiligen Geistes,derdieschlummernden Kräftedes

-.mehroderwenigerinsittlichen Todesschlaf verfallenen Menschen wecktund ihn antreibt, sichmitderKraftvon obenzuverbinden, um eineentgegengesetzteLebensrichtung zugewinnen unddieGe- meinschaftmitGottzuerneuern. HörtderSünder auf diesen Ruf, iso istdieersteFruchtdesZusammenwirkens von Gottund Mensch derGlaube, dieUeberzeugung vom Dasein einer höherenWelt- ordnung. Aus derErkenntnißderstrafendenGerechtigkeitGottes entspringt dieFurcht,aus derKunde von derLiebe Gottes, der seinen seingeborenenSohnfürdieMenschen dahingegeben hat,die Liebe zuihm;und Furchtund Liebetreiben ihnzurBuße,deren Fruchtdarin besteht, daß sichdem Menschen die Füllediesgött- lichen Geistes mittheilt. Gottes Liebeergießt sichinsein Herz, so daßdieSünde mitderWurzel getilgtund ererneuert wird,ein neues, gottgefälliges Leben lebtalseinwirklich Gerechter«.Die»

inneren Erleuchtungen undAntriebe, diezurBußeanregen und nachvollendeter Heiligung zum Ausharren imGuten gespendet werden,heißenwirkende Gnade, dieinnere Erneuerung aber,die Eingießungeiner gottähnlichen Gesinnung bei derRechtfertigung wird heiligmachende Gnade genannt.

Daßdiechristliche Kirch-eeinLeben inGott,alsoinVernunft und Liebe,alsdas Ziel ihrerThätigkeitund aller ihrerVeran- skaltungenfesthält,bleibt ihr unvergänglicherRuhm und unter- scheidetsievon allen religiösenInstitutionen der Heiden; denn was inGriechenland, inJndien fürdiesittliche Reinigung und Erhebung geschah, ist nichtvon Priestern, sondern von Philoso- phen ausgegangen. Aberwenn wirwissen wollen, ob,inwelchem Grade und inwelcher WeisedieKirche ihr erhabenesZiel erreicht, so müssenwir das Leben befragen. Was sagtes? Wir sehen Etwas wiedievon denTheologen beschrieben-e Gnade, nur stellt sich ihr Wiesen einWseniganders dar,als esdieTheologenanihren Studirtischen und inihren Disputationen ausgeklügelt haben. Ka- tholischseBlätter warfen jüngstdem ApostelEduards von Hart- mann, Arthur Drews,Mangel anWirklichkeitsinnvor,weilerdie Existenz Jesu leugne,diedoch durchdievomHeiland iausgegiangene ungeheure Wirkung hinlänglich bewiesen sei,und siehaben Recht damit. Aber der naive Glaube an manchevon mittelalterlichen Theologen abseitsvomLebe-nausgedachte Dogmenbekundet einen noch größerenMangel an Wirklichkeitsinn. Eine unverdiente

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Gnade undEölibat. 105

Gnade mußesgenannt werden,wenn einMenschmiteinem ge- sundenLeibe,mitgesunden Geistes-undGiemüthsanlagen geboren wird,wenn erineiner gutenFamilie beivernünftiger Erziehung, zudereinverständiger Neligionunterricht gehört (wie unverstän- dig ist dieserleider oft !), aufwächst, gleichweit entferntvon dem verweichlichenden Luxusübermäßigen Neichthums wievom ver- pestenden SchmutzderViett-elarmuth, und wen-n er soein guter, rechtschaffenerund tüchtiger Menschwird. Bei wie Vielen oder vielmehrwieWenigen sich jene erhabene Gemüthsverfassungein- stellenmag, die als Wirkung der heiligmachenden Gnade Ebe- schrieben wird,weißGott allein;uns genügt Das,was wirsehen:

bürgerliche Rechtschaffenheitund Vrauchbarkeit mitein Wenig Edelmuth und Herzensgüte; und schon dafür sindwir dankbar.

BeiheroischenNaturen kann geradedasGegentheil dieserBedin- gungen desGedeihens als Gnade wirken ;siewerden unter ver- derblichen Einflüssenguteund imWiderstand gegen sie vielleicht sogar große Menschen. Auf dieseZuber-eitung desfürdasseelische Gedeihen des Vegnadigten erforderlichen Milieu beschränkt sich Gott nicht;er führtViele Schritt vor Sich-rittan der Hand, sie habendieEmpfindung, daßeinunsichtbarerHelfer sie geleitet,der ihnenimrichtigenMoment dasrichtige Buch darreich«t,ihnenim richtigenMoment den richtigenMann zuführt, sieimrichtigen -Moment aufdenrichtigen Platz bringt. Nietzsche bekennt, daßer solche Erfahrungen gemachtund daßesihn Mühe gekostet habe, denGlauben an dasfürsorgendeWalten eines Gottes abzuweh- ren. Besondersauffällig macht sichdieVorsehung bemerkbar,wenn sie ihren Schützlingauseiner großen sittlichen Gefahr herausreißt Ein Freund erzähltemir: ,,Jn jungenJahren verfolgteicheinmal leidenschaftlicheinen Plan, dessen Vereitelung michs fehrunglücks lich machte.Spätererkannte ich, daß sischhinterdermirbewußten edlenAbsichteineunter derSchwellelauerndie sehr gefährlich-ever- borgen hat«Seitdem kann ich nicht ohneGrauen und ohne tiefe Dankbarkeit gegen Gottiandie-schrecklichenFolgen denken,dieent- standen wären,wenn ichmeinen Kon durchgesetzt hätte.« Also Veranstaltungen, diedenMensch-enzum Guten leiten, sindGna- den. DerGedanke an innere Einwirkungen braucht nicht ausge- schlossenzuwerden. Diedeistische Auffassung, daß sichsGott von derWeltmaschine zurückgezogen habe, nachdemersiegebautund mitallen fürdieEwigkeit ausreichenden Selbstregulirungen ver- sehen, läßt sich nichtaufrechterhalten. Sogar schondasWunder desorganischenLebens,dasdieNaturforscher vergebenszuent- räthseln sich bemühen,erinnert uns anGoethes:»Waswär’ ein

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Gott,der nur von»außen stieße!«Allein diesesWalten Gottes verbirgtsichindemJnnersten, dasuns nun einmal nicht zugäng- lich ist;was uns dieErfahrung zeigt,isteinGefüsgevon Verhält- nissen,Ereignissen, Belehrung-en, Mahnungen, deren psycholo- gische Wirkungen uns durchaus verständlich sind,und zuihnen- gehöreneben auchdiereligiösen Lehren und diePsådagogischen Veranstaltungen derKirche. Jnnere unmittelbare Einwirkungen Gottes ausdie Seele anzunehmen, zwingtuns dieweltgeschich-t- liche Wirksamkeit,dievon den großen Erweckten,einem Paulus Augustin, Franz von Assisi, Luther, Jgnaz von Loyola, Ealvin, Knox,Vincenz von Paul, John Wesley, General Vooth,ausges- gangen ist,unddieHerzensbereitschaft,mitdergroße Volksmassen die von Jenen ausgehenden Anregungen aufgenommen haben.

DaßdieGnadenhilfe zueinem gutenundvernünftig-enLebennicht Allen zuTheil wird, isteineSchwierigkeit,deren Lösungderchrist- liche Optimismus imJenseits erhofft,diemanchenanders gearte- tenDenker zumPessimisten macht,demtief religiösen,aberdüste- ren GeisteEalvins den Glauben an Prädestination eingegeben hat.Diekatholische Theologie versucht, sich ihmzuentziehen. Gott gebe Jedemdiezum Heile nothwendige Gnade;verloren seinur,.

wer dieseGnade zurückweise;diePrädestination seinur sozu ver- stehen, daßGott voraus wisse,welchedieGnade annehmen, welche ihr widerstehen würden;dieErst-en seiendiezur Seligkeit Prä- destinirten; Prädestination zurVerdammniß gebeesnicht.Doch abgesehen von den unzählbaren Millionen, die außerhalbder Kirchesterbenund nachderKirchenlehre an dserErlösungkeinen Theilhaben,lebenMillionen Christen(man denkean dieinden Gossenund Slums der GroßstädteGeborenen und Aufgewachse- nen)unter Umständen,dieihnendasSittengessetz nichtmalkennen zulernen nochgarzubefolgen gestatten. Sicher ist also, daß nicht- alleMenschendie(mitderKirchezureden)zum Heil nothwendige- Gnade bekommen ;und wenn dieFolgedavon die ewigeVer-s- dammniß ist,dann hatEalvin Recht,dererklärt: Gott wirket in denPrädestinirten dasGute,um inihrer Veseligung seineLiebe, und in denReprobirten das Böse,um in ihren ewigenQualen seineGerechtigkeitzuoffenbaren.

Das istnun, mag sichimUebrigen diekatholischeGnaden- lehremitderErfahrung vereinigen lass-en,dereinevon denbeiden Punkten, indenen diese Lehre zweifellosirrt. Daeskeine ewige.

Hölle geben kann, sokann auchdieUnzulänglichkeitderGnade oder ihre angebliche Zurückweisung nichtdieewig-e Höllenpeinzur- Folge haben. Franz Xaverius war unermüdlichimTausen. Es-

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litt ihn nicht langeaneinem Ort. Nur immer weiter! Nur immer taufen! Durch Vesprengung; besondersKind-er. Durchganz Jn-

·dienhin,dann inJapan; China wollte erso taufenddurchwan- dern;überderZurüstung starber. Alles aus Lieb-ezudenSeelen, um sie derewigen Verdiammnißzuentreißen.Ergehörte sicherlich nichtzudenrobustenHeiligen, dievom Anblick derQualen der Verdammten Erhöhung ihrer Seligkeit hoffen;darum isterein wirklicher großer Heiliger,derVerehrung würdig.Aber welchein große-r Thor isterzugleich!ErhältGott füreinen Justiznarren, der imStande ist, trotz seinerunendlichen Liebe um der einen Sünde Adams willen Milliarden schuldloserKinder derSeligkeit zuberauben (diemilderen unter denkatholischen Theologenlassen dieungetauften Kinder nur diepocna damnj, VerlustderAnschau- ung Gottes,nichtdiepoena sensus erleiden), durchdieViensetzung miteinem das Verdienst Christivermittelnden Tröpflein Tauf- wassersaber diekontrahirte Schuld getilgt seinzulassen.Wenn einmenschlicher Richter lähnlich urtheilen wollte,würde ihnauch der orthodoxeste TheologeineinSanatorium schicken.

Damit habe ich schondasZweite berührt,was an derkirch- lichen Gnadenlehre unannehmbar ist:daßdieGnade durchdie Sakramente mitgetheilt werde. Wenn eseine sichere Erfahrung giebt, soist esdie, daßdieTaufe garnichtswirkt. DasVerhalten desGetauften hängt gleichdem desUngetauften davon ab,was für Anlagen erhat,wieererzogen wird,inwelcher Umgebung er Iebt. Namentlich diespezifisch christlichen Tugenden sindin der Christenheit selten.Was denChristen MachtüberdieFarbigen verleiht, sindnicht ihre christlichen, sondernihre Rassetugendem dieTugenden, deren Inbegriff dieRömer mitdemWorte virtus.

Mannhastigkeit, bezeichneten,dienach Augustinus andenRömern mitderWeltherrschaft belohntwurden und welchedieKircheunter demNamen Kardinaltugenden (Klugheit,Måßigkeit, Gerechtig- keitund Stärke)inihrenMoralkodex aufgenommen hat.Wenn sichdie Völkerdeseuropiäisch-amerikanis-chienKulturkreisesim Gan- zen vortheilhaft von denJslamiten und denFarbigen unterschei- den,soberuhtDas zum Theilauf ihrersoebengenannten Rasse- tugend,zum Anderen aufderobjektiven Moral,aufderOeffent- LlichenMeinung, dieneben denAriertugenden aucheinen Zusatz christlicherMilde fordert,undaufdenEinrichtungen: Schule,Mi- litår, Justiz, Verwaltung, Polizei,diemitZwangnachhelsen,wo sichEiner denForderungen dergeltenden Sitte nicht freiwillig fügt. Diese objektive Sittlichkeit ist dadurch entstanden, daß, so oft dieChristenheitinGefahr kam,zuverwildern, ein Heiligeroder

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DieZukunft.

Reformator zügelndund erweckend eingriffund daß klugeund tüchtige Begenten- und Staiatsm.änner,diebiologische Nothwsen- digkeit jener Bassetugenden fürdieBolksgesundheit und fürden BestanddesStaates erkenn-end,dieHilfederKirche fürdieVolks- erziehung inAnspruch nahmen,dieReligion zueiner denZwang bald unterstützenden,bald-ergänzenden Staatseinrichtung mach- ten, auch nichts dagegen hatten, wenn Virtuosen der spezifisch- christlichen Tugenden Demuth, Selbstsvierleugnung, Barmherzigkeit dieHeidentugend veredelten und dieHärten milderten, welchedie HerrschaftderKraftmenschendenschwächer-enIndividuen auferlegt.

DaßdieDurchschnittschsristen nicht »geheiligte«, sondern nur ge- zügelte sind,zeigtsich gewöhnlich,wenn sieineineUmgebung ge- rathen, wosiesich ungestraftgehen lassen dürfen,etwa ineineexo- tischeKolonie. Ein Missionar berichtet,einNegerhabe ihmge- sagt: »Du hastuns denTeufelbeschrieben;dieBeschreibungpaßt ganz genau aufdieWeißen,die uns heimsuchen.«Gegen den Zwang derobjektivenMoral wird stets angekämpst, nichtnur von denBerbrechern, sondern auchvon respektablenLeuten imNamen irgendeiner edlen Jdee;heute verbirgt sichdieAuslehnung hinter derSchulresorm, derSexualreform, derästhetischenKultur-. Bei Erwachsenen sinddieSakramente nichtganzunwirksam;aber was- siewirken, geschieht nicht durcheine gehieimnißvolleübernatür- liche Kraft,sondern durchdiefrommen und nützlichen Betrach- tungen, Ermahnungen und Borsätze,diemitihrem Empfang ver- bunden zuseinpflegen. Und wieunbedeutend ist im Ganzen ihre Wirkung! EinHandwerksmeister, dervor fünfzig Jahren alsGe- selle Frankreichdurchwandert hat, erzähltemir: »Jeweiter süd- wårts man indiesemLande kommt, desto ärgerwird derleibliche unddersittliche Schmutz;aber auchschonimNorden istdasErste.

wonachman denAnkömmling fragt,oberschoneine ,Freundi-n«

habe.«Und dernichts weniger als kirchenfeindlicheFigaro ver-- spottetevor dreißig Jahren einmal dieMütter,diesichentrüstet stellen,wenn derSohndasersteMal überNacht wseggeblieben ist.

Underklärte kategorisch:Avingtans, chaqueFrancais afait ses

noces. Jch nehme soEtwas nichttragisch,aber derrechtgläubige

Katholikmuß Das,wsaser fürTodsünde hält, tragischneh·men;

und ich frage ihn:Wo bleibt dieWirkung derSakramente, wenn indiesem katholischenLande dieTodsündiedasallgemein Uebliche und Selbstverständlich-e ist? Als dieGeistlichen noch ziemlichall-- gemeindieJugend-erziehung leiteten, ließensiedsiejungen Leute vom vierzehntsen Lebensjahr an (-auchin manch-enkatholischen Gegenden Deutschlands leid-erschonvom zwölften an)die»Sakra-

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Gnade undEölibat. 109

mente derBußeund desAltasrs«alljiährlich mehrmals empfangen.

Jnvielen protestantischen Familien Deutschlands giltes (trotz Georg Hirth) nicht für selbstverständlich-,daß Neunzehnjåhrige

font leurs noces. (EineVoulevardanekdote habe ichmirgemerkt.

Ein Kriiegsschüleroder Polytechnikerwsar von solch-erSehnsucht nacheiner Schauspielerin verzehrt,daßer kaumnoichizuarbeiten vermochte. Da er ein armer Teufelund dieTheiaterdame an- spruchsvollwar,legten schließlich-dieLehrer zusammenund halfen ihm durchdasGeschenkdiesSümmchensans Ziel seiner Wünsche.) Vom Sakrament derPriesterweihezusprechen, giebtmirder andere Warner Gelegenheit, Herr Max Vierbaum, der sichmir brieflich vorgestellthat. Eristeinfür seinen Beruf und fürdie Katholische Kirche begeisterter Kaplan,stehtmirimGanzen nicht unfreundlich gegenüberund Polemifirt nur (imJanuarheft der mainzer Zeitschrift »Der Katholik«)gegen mein Urtheil übe-r den Eölibat. Jch verstehe, daßeinGeistliche-r,dersich seinereigenen Reinheit bewußt ist,als einePersönliche Beleidigung empfindet, wenn dieReinheit seines Standes inFragegeftelltwird. Jchver- steheauch, daßVierbaums AufmerksamkeitandenStellen haften gebliebenist,dieihn besondersverletzthaben, daßerdarüber den Zusammenhang aus denAugenverloren und mich gründlich miß- verstandenhat. Jch führtedenEölibat aufdenManichäismuszu- rück,meint er,erschütterte freilich selbst ,,theilweise« diese Behaup- tung,indem ichdieGegenbehauptung -aufstellte: »Der Manichäis- mus istvon der Katholischen Kirche ausdrücklich verworfen wor-- den.« Seheichwirklich sodumm aus, daßman mir zutrauen kann, ich behauptete »aufderselben Seit-e,asei= bund nicht= b? Und dann beweister,daßdieLehrederKirchevom Vorzug der Jungfräulichkeitdie Ehenicht herabwürdige;sehr überflüssiger.

Weise, sofernermich belehrenwill. JchleitedenEölibat aus dem Höllenglauben ab,meint Bierbaum weiter und verweistmich auf Matthäus 19,12,wo Christusvon Denen spricht,diesichum des Himmelreicheswillen verschnitten haben. Er bildet sich wirklich ein, mir,derich fast sechzig Jahrelang fleißiger Bibellesergewesen bin, sei dieseStelle unbekannt, eineStelle, dieich oft behandelt habeund dieso in Aller Munde ist, daß ich für überflüssig hielt,.

sieindem Abschnitteüberden Eölibat anzuführen. Eine Seite vorder von ihmcitirten habe ich gesagt,dsaßsasketischeVerzicht- leistung auf Genüsse, auch »aufdieEhe,um eines höheren Zweckes willen gerechtfertigtundunter Umständen geboten sei,und aufder selben Seite,dieercitirt,sage ich: ,,D-arum gehörtseineGesinnung, diebereit ist, dieses Opferzubringen,fallsesdieUmstände for--v

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dern,zum geistlichen Beruf« Jch habenur geleugnet,daß diese UmständebeijedemDorfpfiarrer und Dorfkaplan obwalten. Ein halbes Stündchen Messelesen,ein StündchenVrevierrecitation jeden Tag, allsonntäglicheine Predigt, allwöchentlich zweiStun- denNeligionunterricht, alle vierzehn-Tage einKrankenbesuchund eineBeerdigung, etliche Tausen,dengrößten TheildesTagesmit Spazirengehen, Plaudern undKartenspielen vertrödeln, allenfalls manchmaleinpaarStunden bei einem wissenschaftlichen Buchzu- bringen: Das sinddoch wahrhaftig keine Leistungen, diedurchs Familienleben geschädigtwerden könnten;daleistetdenndochein Vismarck,denseineGattin nicht gehinderthat,dasDeutsch-e Reich- zugründenund unter denschwierigsten Verhältnissenzuregiren, einVischen mehr.NichtdenEölibat,deranseinem Ort,wiebei einem Paulus, löblichund nothwendig ist, habe ich aufden Ma- nichäismusund dieHöllenfurcht zurückgeführt, sondern ichhabe nur diesebeiden alszweivon dendrei unevangelischen Motiven bezeichnet,diebei derAusgestaltung diespriesterlichenEölibats zueiner Zwangsinstitution mitgewirkthaben.NichtdenEölibat».

sonderndenZwang zum Eölibat verwerfeich.Das Manichåisch- Gnostischeund das echt Evangelische hat dochinder Kircheder erstenvierJahrhunderte nichtneben einander gelegenwieAepfel undBirnen bei derObstfrau, sondernbeideElemente verschlungen unddurchdrangen einander, so daßeinJahrhunderte langerKampf nöthigwar, zwischenbeiden wenigstens eine äußerliche Scheide- wand aufzurichten. Aber diese orientalischen Philosopheme aus den Gemüthernder Christen völlig auszutilgen, istbis aufden heutigen Tagnicht gelungen;siehabenimkatholischen Asketis- mus,imEalvinismus nachgewirkt, siewirken invielen heutigen Schwärmereien nach, sie machen sichinmanchen katholisch-enLob- preisungen der Jungfräulichkeit deutlichbemerkbar. Soerinnere ich mich einer,indervor beinahe vierzig Jahren gefragtwurde, welcher zartfühlende Mensch sich eines leisenVedauerns erwehren könne,wenn ereine reine Jungfrau zumTraualtar schreiten sehe.

Das katholische Priesterideal und das Jdeal der Kranken pflegendenOrden sinddiehöchstenund feinstenaller Jdeale; der sichganz und rückhaltlos für seine Mitmenschen Aufopfernde, der für sichgar nichtswillunderstrebt, auf jede persönlicheBefriedi- gung verzichtet,dienicht unbedingt zur Erhaltung seinesLebens nothwendig ist, verkörpertdenhöchstenund feinsten Typus. (Die Alleinherrschaftkann dieser Typus nichst erlangen, wseil diejaden Untergang-des Msenschengeschlechtsbedeuten würde,undauch vor- herrschend darfer nicht werden,weil Das denvon Gott augen-

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Gnade undCölibat. 111

scheinlich gewollten Kulturfortschritt hemmen würde, welcherder Habsucht,Herrschsuchtund GenußsuichitalsTriebfedern und der selbstsüchtigen Härtegegen dievom FortschrittGeschådigtenund darum ihmWiderstrebenden bedarf.) Aber er istein heroischer Typus;und denHeroismus kannman nichtzur Grundlage eines ganzen zahlreichenStandes machen,indenderJüngling eintritt wieineinen anderen Stand, derBersorgung wegen. Esist wahr, daß einzelne edleKnaben undJünglinge ihnaus religiöserBe- geisterung wählenund daßwackereAlumnsatsleiter beiden Ueb- rigen die weltlichen Motive durchdie höherenzuverdrängen suchen;abersall Das ändert nichtsanderThatsache, daßderdurch- schnittliche Pfarrer und Kaplannichts weniger istals einHeros.

Jch habe persönlichnur zweiMänner kennen gelernt, diedas Priesterideal verkörperten, also Heiligewaren: meinen Alumnats- rektor Sauer und den Geistlichen Rath Müller, dsenBegründer des katholischen Bereinswesens inBerlin. (Männer, von deren vollkommener Keuschheit ich überzeugt bin,waren auch einigealt- katholische Professoren, wieBaltzer,Döllinger, Michelis, Neusch.

Doch gehören dieseinein-eander-e Kategorie: indiederMänner, beidenen irgendein geistigesJnteresse sostark ist, daßdieSinn- lichkeit verkümmert,indieselbe Kategorie alsowie dieweltlichen Cölibatäre Adam Smith,David Hume,Kant,Alexander von Hum- boldt und vieleAndere.) Füreinen wahrhaftHeiligenistdieEhe- losigkeit selbstverständlich;aberauchnur ineinem solch-en Leben, zudessenArt siewesentlich gehört, hat sieSinn und sittlichen Werth. Wird sie,wirddieEnthaltung vom Geschlechtsverkehr für sichallein geschätzt,so beweistDas dieWirksamkeitentweder des imvierten KapiteldesErsten Timotheusbriefes verurtheilten ma-

nichäischen (schoninderApostelzeit unter demNamen desgnosti- schen wirkenden)Motivs oder desimGalaterbrief so entschieden zurückgewiesenen Glaubens, daßGott rituelle Reinheit fordere.

Für sich allein,ineinem gewöhnlichenMannesleben, istdieEhe- losigkeitweiter nichtsals einegefährlicheAbnormität. Und was giebt es Gewöhnlicheres, Unheroischersesals (vonden schwarz- betuchtenBiertonnen nichtzureden,dieman inBayern herum- wandeln sieht)einen gemüthlichenund behäbigen Dorf- oder Kleinstadtpfarrer2 Jede brave arme Mutter seinerGemeinde ist imVergleichzuihmeine Heroine,vor derersich«beiseinemMit- tagsmahl zuschämenhat«

HerrBierbaum müßte eigentlich merken, daßwirBeide in allem Grundsätzlichen einig sind,undauchdievon ihm perhorres- zirte»Allgew-altder Naturtriebe« wird keinHindernißderVer-

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