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Die Zukunft, 28. September, Jahrg. XX, Bd. 80, Nr 52.

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xx. Jahrg. s sztiiym 28.Hskpkemm1912. »Yk.«52.

Ist-kunka-

Heraus-geka

Maximilian Hart-m

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Inhalts

Seite

Thrvniha ...............................409

DerIngenieur. Vonwichard von Moellcndorff ...........425

anuenrvkakivw EinBriefvonSchoy ...»............«.433

Grlbllanikigetr.Vontux,. Eoellen, Voigt ...............434

Elektrokckpikah Von-Laden ...,....,.·.-..,..........438

Uechdruck verboten.

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lErscheintjeden Sonnabend.

Preisvierteljährlich5Mark,dieeinzeer Nummer 50 Ps.

REP-

Berlin.

Verlag der Zukunft.«- WilhelmstkaßeZa-

1912.

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Abonnement

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bezogen

I.5.65,pkolalsr«l.

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Zwei der vornehmsten llotels der Neu-eit.

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Berlin, den 28.September 1912.

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Chronika.

NomsWittenberg

WiederwirdimDeutschen Reichüber dieLoyolitengefahrlaut gezetert;undwieder istinPreußeneinevangelischerPfarrer seinemAmt enthobenworden. FreiherrvonHerrling, Minister- präsident imKönigreich Vayern,fordert eineklareAuslegung des Jesuitengesetzes;demheute, nach vierzigJahren, nochdiesicher begrenzte,alleVundesstaaten aneinevonZweifelnnicht benag- bare Nechtspflichtbindende Deutung fehlt. Deshalbwirderge- scholten;alsEiner,derDeutschland verrömern,denEwigenBund lockern,Bayernvon derReichsspitzeabdrängenwolle. Thoren- rede. Ward schon vergessen (odernur denLesernder»Zukunft«

bekannt), daßeinliberalerReichsrath (Auer) demPrinzregenten Luitpold,derdoch gewiß nicht,,ultramontan« ist,und dessenmäch- tigem Generaladjutanten fürdieunbequemeNachfolgedes Gra- fenPodewils denProfessorderPhilosophie,Kämmerer und Ge- heimenRath Dr.GeorgFreiherrnvonHertlingempfahl?Derwar

»niemals dumm,niePreußensFeind,immer eindeutscher Patriotz unter seinem Borsitz hatdieCentrumssraktionfiirdieberlinerNe-- girung sovielgethan,daßihrzuthun fast nichts mehrübrigblieb.

Mitglied dermünchenerAkademiederWissenschaftund Verfasser der,,Kleinen SchriftenzurZeitgeschichteundPolitik«,dieauch demanders Empfindendenmanche AnregungundLehre besche- ren.Daßersich Dem,was Vismarck »diemaßgebende Zukunft«

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zunennen pflegte, anzupassen trachtet,ist nurnatürlich; Klugheit, PflichtundNeigung treibenihnindiesenVersuch.PrinzLudwig, derMann derletzten, ungemeinfrommen Tochterdes Hauses Este, ist strengem Kirchenwesen näheralsseinVater (und findet seinen Aeltesten, Rupvrecht, oftgewiß allzu ,,freisinnig«). Muß man drum, statt sichderThatsachezufreuen,daßdieschwankende GestaltdesauchimWillen kränklichenGrafenPodewils,dersich inWien seelisch stets wohleralsinBerlin fühlte,einemenergi- schenundgebildetenMann Platz gemacht hat,denBaron Hekt- ling verschreienundüberall austuten,erundsein Sodenseiennur dieExekutorender immünchenerErzbischofspalast ausgeheckten Jesuitenwünsche? DieKürung Hertlings,deneinegroße,festge- fügte Mehrheit stützt,war dersichtbarste Sieg,den imDeutschen ReichderParlamentarismus (die nächste,dieunvermeidlicheL- tapeunsererEntwickelung)bisheute erfochten hat; dieses Sieges Nachwirkungwirderweisen, daß aufdieZinne verantwortlicher Macht erhöhteParteihäupterinWollen undHandelnvorsichtiger sein müssenundsind,alssieindenTagender(nichtnur vonGlad- stone erstrebten)powerwithout responsjbjlitywaren ;wird, so dürfen wirhoffen, auchdenWahnausjäten,einHeydebrandkönne als verantwortlich Regirender anjedem SatzdesProgrammes kle- ben,demersichalsFührereinerFraktionverlobthat. Was Frei- herrvonHertling aufdemneuen Sitzgesagthat(zuthun vermochte ernochnichtsRechtes),warverständig;wederdemWittelsbachers staat nochdemReich schädlich.DieJesuiten? Erwachsenesollten sich nachgeradeschämen,denKindermärchenzuglauben,indenen dieSöhnedesgroßen,reinen,imfeinsten Seelensinn edlenJgna- tiusalseineBande vonSchleichern undTrügern,Gaunernund Meuchelmörderngaram hellenTagspuken. Fürchtet, heutenoch,.

das starke Deutschland sichvordemHäufleinderJesuiten? Die könntenihm,wenn sies selbst wollten, nichts Arges anthun; und wollens auchnicht:weilsie klug (nichtnur schlau) sindundfrüh gelernthaben, daßdesGeckenund anderer Rarren Artist, sich unerreichbareZielezusetzenSiesinddemProtestantismus feind?

Jeder gläubige Katholik ists; mußessein,wenn ersichnichtaus Roms Geistesbezirk scheidenwill.»DerJesuitenordenerstrebtdie VerherrlichungGottes durchdieKirche.Erwird, sobaldeineernst-

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Chronika. 411

hafte Versöhnung erreicht ist, seineganze Kraftandiewissenschaft- liche Verarbeitung derdringlichsten sozialen Fragensetzen.Er kommtausWillensrichtungen undGefühlsatmosphären,die uns fremd sind.Jm faltigenGewande derspanischen Priestertracht ahnt Mancher denDolch:underfändedadoch nichtsals einen eisernenBußgürtelaufdembloßenFleischDochsounmenschlich derJesuitgegen sich ist, so menschlich istergegenAndere. Das Ordensideal istnur fürdenBerufenen. DieÜbrige Menschheit stehtunter einem sanfteren Gesetz,das mitderganzen Schärfe aristotelischerLogikaus demeeck desMenschenunddemeeck dermenschlichenGesellschaftabgeleitetist.DiesesGesetzistmoralin- frei:freivonunmotivirten,willkürlichenZuthatenzesistgenaunach demZweckgedankenzugeschnittenundkeinDenkender,derseinund derMehrheitLebensrechtwahren will,kanneinwesentlichanderes Sittengesetzaufstellen.JnihrerSelbstsicherheitfindendieJesuiten nichteinmal derMühe werth,diegegensie gerichteten ungeheuer- lichenAnklagen zurückzuweisen.«Dashat hierEinergesagt,»der Jahrelang, ohnesichmitihnenzuidentifiziren,mitdenJesuiten unter einem Dache gewohnt hat«.Als derTrugglaubeentstand, LuthersEnkel könnten rasch, nach tollkiihnem Sturmlauf, die MauernNoms brechen,war derWunsch, zunächstdieLeibgarde desPapstes,dieKerntruppe desRömerheeres,ausdendeutschen Grenzenzuweisen, immerhinbegreiflich.Seit dieserWahn ver- west, istdasAusnahmegesetzgegen dieJesuiten,das einsamim Reichnoch giltige, einDenkmalschmählichenKleinmuthes Bis- marck,dernievor derKonsequenz seines Handelns bebte, hättees längstweggeschafft.»Die therapeutische Behandlung derKathos lischenKircheineinem weltlichenStaat ist dadurch erschwert, daß diekatholischeGeistlichkeit,wenn sieihrentheoretischenBerufvoll erfüllen will,über daskirchlicheGebiet hinaus denAnspruch aus Betheiligung anweltlicherHerrschaftzuerheben hat,unter kirch- lichenFormeneinePolitischeJnstitutionist undaufihreMitarbei- terdieeigene Ueberzeugungüberträgt,daß ihreFreiheitinihrer HerrschaftbestehtunddaßdieKirche überall,wosie nichtherrscht, berechtigt ist,überdiokletianische Verfolgungzuklagen. Aufdie juristischeDetailarbeit derMaigesetzewürdeichniederfallen sein.

DerMißgriffwurdemirklaran demBildehrlicher,aber unge- 37.

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schickterPreußischerGendarmen, die mitSporenundSchleppsäbel hintergewandtenundleichtfüßigenPriestern durchHinterthüren undSchlafzimmer nachsetzten. Jchwar zufrieden,wenn es ge- lang,demPolonismus gegenüberdie imKulturkampfgewonne- nenBeziehungen derSchulezum Staatund dieeingetreteneAens derungdereinschlagendenBerfassungartikelals definitiveEr- rungenschaftenfestzuhalten.Beide sindinmeinen Augen werth- vollerals die Verbote geistlicherThätigkeit.Jchhielt für angezeigt, denFriedenanzubahnen,wenn dieSchulegedeckt,dieVerfassung vonden aufgehobenenArtikelnundderStaatvon derKatholischen Abtheilungfrei blieb.« Der(nochimWinter tiefsten Mißvergnü- gensam Wirken der imDienstEaprivis hurtigen Eentrumsfrak- tion) diese Sätze diktirte, hätteden»angebahnten« Friedenge- sichert.Unter keinenUmständenundumkeinen Preis die»Herr-"

sch.aft«derKirche geduldet;alleentbehrlichen Nüststückeaber ab- gelegt.Was erwollte, hatteerzunddieMajestät seinesMenschen- verstandes empfand immer, welcheinnere MachtdemKatholi- zismus aus deralten,eulenweisen Gewohnheit seiner Priester erwachs, ,,überdas kirchlicheGebiet hinaus«inalleweltlichen Lebensbezirkeeinzugreifen.(Die zornige Rüge, daßRoms Prie- ster sich auchum denErdenwandel ihrerHeerde,um dasstaats- bürgerliche Handeln jedesOechsleinsoderLämmchensbeküm- mern,kommtausdemNeid,nichtausverwundetemMoralbewußt- sein.SchwebtReligion denn,wirklich durchfühlte,hochÜber aller Lebensfunktion imBlauen? JstdieFrage,welchenMann Einer insReichshaus, indenLandtagabgeordnetzusehen wünscht,für dieJnventur seiner Seeleetwa unwichtig?UndmußderPfarrer, derseinAmtmitheiligem Ernst umarmt, nicht dafürsorgen, daß seiner Obhutanvertraute Gotteskinder auchinihrer Bethätigung politischen Rechtes nichtum Fingersbreite vonderPflichtdes treu gläubigen Katholiken weichen?)Bewundert das selbstlos leise Wirken derSoldaten JesuoderhassetdieKraft ihres Kampfes füreine Eurem Gefühlswillen widrige Sache:dasAusnahme- gesetzschütztEuch nichtvorderFruchtihrerThat;ducktEuchdem Blicknur indieArmsäligkeit ängstlicherSchwächlinge hinab.Ein Staatsman"n,der nicht,wie einaufs Trockene geworfenerKabeljau nachMeersalz",infrostigerEinsamkeitnachdemwärmendenAthem

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Chronika. 413 derBolksgunst schnappt,würde dasGesetz aufhebenundsprechen:

»Ihr Schüler Loyolas habet fortandasselbe RechtwiejederBür- gerindeutschenStaaten ; in dieselbe Pflicht Euchzuzwingen,sind wir, istdas vierzigjährige Reich nochinUnwettern starkgenug«

DenJesuitenistdieOrdensthätigkeitverboten. Was istOr- densthätigkeit?Vor vierJahrzehnten hatLudwigsMinisterLutz danach gefragt;undkeineunzweideutigeAntwort erhalten. Jetzt fragt LuitpoldsMinisterwiederz ihndrumzuschelten,istkindisch.

Der Vundesrath, indemPreußcns Mehrheit fast allzu festge- sichert ward,kannja antworten, was ihmbeliebt (undwas der ewig entschlußlosihmvorsitzendeTitularkanzlerfür»angebracht«

hält).Mit demFreiherrn vonHertlingwird immer,sogarunter PräsidirenderDummheit,zu redenundleidlich auszukommen sein- Erhatneulichgesagt,daszerbayerischeSonderrechte,die vonder Praxisals nutzlosundlästigerwiesenseien,ruhigaufgebenwerde.

Auchdasnichtnur lächerliche,sondernanmanchemdunklenTag geradezu schädlicheRecht,inDresden undWien,inParis und bei denHansarepublikendasKönigreich derWittelsbacher durch Sondergesandte vertreten zulassen?Auch denNamen,, Preußischs Süddeutsche Klassenlotterie«,der alles Reichsempsinden frech höhnt undinjedesnichtmit bethmännifcherFroschhautbespannte DeutschenantlitzdieSchamröthe treiben müßte? Auchdas Post- markenprivileg (das derpreußischeStaatlängst durchdielWeisung zerhöhlenmußte,imHoheitgebietderHohenzollernjedebayerische Marke alsgiltigzubehandeln)? Nehmt,Aktenstapler,dcharon beimWort. Thut, statt stetsnur mitHandundHinternzu arbei-

«ten,vordemPultzuhockenundUnterschriften auszuspeien,end- lichmalEtwas fürdieinnere EinungdesReiches. (Fälltihnen, natürlich,nichtein.NurnichtneueVerantwortlichkeit aufsichladen!

WiederrusfischeKollege Dolgorucki einst,denken sie:WirreUn-- ordnung istdas Element,indemUnsereinsam Bestengedeiht-)

DemProtestantismus droht nichtvon denJesuitenLebenss gefahr.Dieträgterin seinerFlanke.Bereitet ersich,vierhundert Jahre nachderwittenbergerThat, jetzt schonzumSterben? Bei- nahe möchtemans glauben.FallTraub; conferdemKasusJatho.

Jmmer dieselbeGeschichte;undwiederwirdringsum gegen»die Orthodoxie«unddenbösenOberkirchenrath gewettert;der in die-

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sem Fall nochderTotsündeschuldig sein soll,alsBeleidigterden Beleidiger gerichtetzuhaben.Konnte er,nach unsererInstanzen- einsetzung,anders? Wenn einSoldat brüllt,alleOffiziere seien Schweinhunde, Prasser, Leuteschinder,kommt ervor einen Ge- richtshof,indemOfsiziere sitzen.Wenn Einerschreibt,dasReichs- gericht besteheausMumien undRegirungbüttelmkanm inletzter Instanz,dieFrage nach SchuldundStrafmaßinLeipzigbeant- wortet werden. WozualsoderLärm? Der Pfarrer derdort- munder Neinoldi-Gemeinde ist seinemAmt enthoben worden, weil erüber das HandelndesOberkirchenrathes öffentlichUr- theile gefällt hat,diedemKirchenregimentmitsolchemAmt un- vereinbar scheinen. Löstman denKern desdarob entstandenen Grimmes aus derStachelschale, so findetman dieOeffentliche Meinung: Jedem Pfarrermuß dasNecht verbürgtsein, anjedem Ort,solaut,sogrob,wie erwill,auszusprechen,wasihnrichtigdünkt;

überGlauben,Dogma,Symbole,Kirch enverfas sung undBehörde;

auchdasRecht,vonAmtes wegennur dieihm genehme Pflichtzu erfüllenundjeder ihm unbequemen auszubiegen. Jstbeisolcher Wahrung jedes Willkürrechtes nocheine Kirche möglich? Herr Dr.Fromer, der,alsBibliothekarderberlinerJudengemeinde,Js- raels Glaubensgewöhnungmiternster Sachlichkeitkritisirthatte, wurde weggejagtund konnte sichineiner Hungerkur kräftigen.

Ein Hansabundesgenosse,der denVorstand schnöderDemagogie oderfeigerHeucheleiziehe,flögehinaus zmindestens ebenso schnell einMitglied des Vereins Berliner Presse,das dieeiternden Wundmale desPreßkörpers entwickelthätte.Gegensolche»Maß- regelung«wurde und würde nichtein armes Wörtchen gesagt- Nur dieKirche Luthers,diedochals Schutzhaus derim Geist Aermsten,imFleisch Schwächstengedacht ist, soll dulden, daßder inihrThätige aufallenWegenhandleundrede,wieihmjustpaßt.

Auch auf derKanzel sorede.Wie ihmdasMützchen sitzt,sei seine Sache.Pastor Schulze darf sagen: ,,Jesus istderSohnderJung- frau Maria, empfangenvom HeiligenGeisPastorMüller-:

»Jesus ist Mensch; Josephs,desZimmermanns,rechter Sohn.«

Pastor Wachtel: ,,Jesus istGottes Kindundselbstdarum Gott«

Pastor Lerche: »Der apostolische Mythos bindet mich nicht;als vom Born derNaturwissenschaftGetränkter weiß ich, daßeiner

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Chronika. 415

Jungfrau Leib niemals Frucht tragen kann,als modernerTheo- loge, daßGötter nichtimSinn irdischer Vorstellungleben noch garsichnach Menschenart fortpflanzen.Niemals ist, nichtalsGott nochalsMensch, einJesus über die Erdegewandelt.NurinHerz undHirnlebter;und wirdalslebendige,alsunsterblicheGottes- jdeevonmirgeehrt.«Diese Lehren sollen,alle vierundobendrein nochdreiDutzend,vonRechteswegengestattet sein.DieGemeinde derArmen undSchwachen, MühsäligenundBeladenen magda unddortdasKornauspicken,das ihremGaumen schmeckt.Mag nach MüllerWachtel, nach LerchewiederSchulze hörenundaus denLehrbrockenüberdemFeuersrommeranrunstsicheinenGlau- benskuchenbacken.DannkehrtdievonTasso ersehnteGoldene Zeit uns zurück,»da aus derfreienErdeMenschen sich,wie froheHeer- den,imGenuß verbreiten, wojederVogelindersreienLuftundjes desThier,durchBergundThälerschweifend,zumMenschensprach:

Erlaubt ist,was gefällt.«Dürfte dieseZeitsichabernochchristlich nennen? Müßteunter derAsche,diekalteVernunftfrüh undspät insHerdlochschüttet,dasFeuer deranrunst nichtbald verglim- men? DieGemeinde, dieeinfestes Glaubensgeländer,sichin Dunkelspein dran zuhalten, sucht, nicht rasch zerbröckeln,wenn siedasHolz,dasihrgesternals stützenderStab gegeben-ward, heute splittern sah? WährenddieRömerkirche schondenschüch- ternstenWillen zurApostasiemitderstrengsten Strafe ahndet, soll imreformirtenNeichjeglicherHirt seinerHeerdenachWillkürund ZufallslaunedieGlaubensweide erwählenundkeines zottigen Wächters Gebellihn je stören.WährendRoms tausendmaltot- gesagtePapstkirche ohne heftigenAufwand einVolksweihfestvon demgewaltigfortwirkendenRhythmos der wiener Eucharistischen Prozessionzu bereiten vermag,solldasBethausderProtestanten eines DisputirklubsheimwerdenDahin(täuschetnichtselbstEuch nochlänger)führtdervonOeffentlicherMeinungempfohleneWeg Uebermorgenwirddas GemeindemitgliedKurzdarm denPastor WachtelvordenKonsortenzurRedestellem »Warum, Hochwür- den, lehrestDunichtwieDein Amtsbruder, dertreue Lerche?«

(JmFallTraubhat sichs nichtum einenLehrprozeßgehan- delt,sondernum einDisziplinarvergehen, dessenderPfarrerals Artikelschreiberschuldig geworden ist.Das weiß ich. Auch, daß

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desLehrzuchtgesetzesVater,derallzunationalliberale Professor Kahl, nicht irgendein »Dunkelmann« istund daßdieKirchen- behörde heute nichtimDienstder»schwärzestenOrthodoxie«steht.

AufdemtiefstenGrunde desStreitgethürmesbleibt dennochdie Frage: DarfderPfarrer thunundreden,wieihm beliebt? Die Behördeantwortet: »Nein; nicht, so langeeralsPfründnerim Kirchenamt sitzt.«Sieläßt ihn nicht foltern noch schinden,nimmt ihmweder das Leben nocheinEhrenrechtzbittetihnnur, seine Thätigkeitdraußen,vorderKirchenthür,fortzusetzen.Martyrium?

BeifallundEinkunft sind draußengrößer.DieWirkungmöglich- keit weitet sich.Und denPlatzinderKirche,dieihm soengund dumpfig, soverwittert undbaufälligscheintwiedenJathos ihre, müßte derAufrechtefreiwillig räumen.WelchesUngeheurewird diesen Ketzern alsovom Kirchenregimentangethan? Und wozu daslangwieriglauteGeplärr?)

Unter allen Bureaukraten istderfürs Konsistorium fleißig Akten durchschmarutzendederunangenehmste. Dieanderen sind grauvonSchreibstubenstaub,werden beimSchoppenoderTrepp- chenaber schnell frisch.DerKonsistoriale riechtwieeinefürden Winter eingekampherte Wolljackeaus derKüsterkommodeund fühlt sichdemgottseligenAmt verpflichtet, nochimNachthemd, dichtvorderstillenZufluchtstätteleiblichBeladener,sichinehrbar steifeWürdenhaltungzustraffen. Auch seinNeich istnichtvon dieser WeltzdieFeinsten weichendemhehr,jeder3oll ein»Borgesetzter«, durchsJammerthal Schreitenden in weitem Bogenaus undder Bolkseinfalt istervonvielem Berhaßtendas BerhaßtestevWer möchteKetzerschnüfflernnichtgernans Fell? Niebe ihnen nicht gern Etwas von derlutherischenFreiheitdesChristenmenschen unter dieewigherumspürendeWitternase?Nurwarmitschranken- loserFreiheitnieeinStaat, noch wenigerjeeineKirche zumachen.

DeralteEisenbahndirektorSchrader,derbeiderBerstaatlichung nichtdemBeamtenkörper Preußenseinverleibt wurde undnun längst wohl auchimAufsichtrath derLandeskirchesitzt, behauptet- indieser Kirche seienMänner vomKaliber derJathoundTraub kaum nochzufinden(was denvielen redlichen,gescheitenundbe- scheidenenPfarrern nichtholdinsOhrklingenwird),nenntHerrn Jatho den»Pfarrer Deutschlands«, hebt ihn also auf Martins,

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Chronika. 417

des Germanenmagisters, Stuhl undhofft, daßeinvon denzwei Pastoralgenies geleiteter Protestantenbund der»Gesammtkirche« das Heil bringenwerde. Mancher vom Vorurtheil minder Be- fangene meint,nur Psarrern vomSeelenschlagderMärtyrervon Köln und Dortmund könnegelingen, die»Gebildeten«indieKirche zurückzulocken.Mag sein; doch:wäredasHaus,indemglitzernde, oft sogarerwärmende Vorträgeüber Gott und dieWelt gehalten würden, nocheineKirche?Was dahinzusammenliese,noch stark und im Wollen einiggenug, UmmitderWuchteinerDonnerlegion denDrangderimBatikanGewafsneten abwehrenzu können?»Der Glaube isteinhäuslich heimlich Kapital,wie esöffentlicheSpar- undHilfkassengiebt,worausmanin TagenderNothEinzelnenihr Vedürfnißreicht;hiernimmt derEinzelne sich seine Zinsenim Stillen selbst.«Also spricht Goethe;ausweiserGreisenstimmung aber auch:»Es giebtnur zweiwahre Neligionem dieeine,die dasHeilige,dasinundum uns wohnt,ganzformlos,dieandere, die es in derschönstenFormanerkennt undanbetet. Alles,was dazwischenliegt,istGötzendienst.«WünschtJhrdieschönsteForlmJ Diegediehbishernur in derKirche;undwer diewill, muß ihre Uebel,wieden DornmitderRose, hinnehmen.GenügtEuch form- loser Pantheismus, dann kommtihrmitdemZins aus,den das häuslich heimliche Kapital trägt,undkönntaufKirchenstiftung verzichten.Nur: rasfetEuchzumEntschluß!DerMündige muß wissen,was erwill,und denMuthzumWillensbekenntnißer- weisen.(Auchjnrebus jesuiticjs,HerrFridolinBethmann JmJuli demNeichsjustizamteinedermünchener schroffwidersprechende Auslegung desJesuitengesetzesentzupfen, diesen Spruchaber geheim haltenundimSeptember thun,alsschwebeder Deuter- streitnoch unentschiedenindenLüftenderWilhelmstraße:Das istdie Artkleiner Herzen; alsobethmännisch.)Zag scheint dem Auge,einschwächlicherHeuchler,wer,ohneGlaubensbedürfniß, ohnedensachtestenTriebins Uebersinnliche,sichinden Rock eines Gläubigen mummt,derseine geliebte KirchevomErzfeind erlösen und,wieJesusdieGeldkrämer ausZions Tempeljagte,nunmit derBrunstderVernunftfackeldieOrthodoxen wegscheuchenwill.

SiebenzigJahre schon währt insPreußenderZwist; seit auf demköthenerBahnhofdie,,Lichtfreunde«tagtenundBischofDrä-

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418 DieZukunft.

seke infrommemGrimmsich widerdenPfarrerSintenis aufreckte, der dieAnbetung Christi unchristlich gescholten hatte.DiePer- sonenwechseln,von Dräsekebis aufStoecker,von Wislicenus bisauf Traub; der Streitkern bleibtunverändert. Darf dogmas tische Vorschriftdas freie evangelischeGewissenfesseln?Einer BehördeBefehlundVerbotumgrenzen,wasderPfarrerzulehren habe?Wer für Freiheit, auch für rechtswidrige, einer Gemein- schaft schädliche,kämpft, schwatzt leichtdieMehrheit auf seine Seite. Und jeder Lehrprozeß isteinAergernisz.Einweiter alsje insLand hinhallendes, seitselbstindenGläubigen (der fromm liberale Twesten hats früh beklagt) mehr SehnsuchtnachGlauben als wirklicherGlaube lebt. Von zehn Menschen,dieüber den Kirchenhaderredenundschreiben,sind neunohne irgendeinGlau- bensbedürfniß; sie aber,denen Toleranzsoleicht·wirdwieAbs- tinenz Einem, denAlkoholwidert,geradesie bestimmendenTon, denTenor desUrtheils. Wenn Jhr, mahnen sie,,,Euch nichtin Duldsamkeitgewöhntundjede Lehre fortan gelten lasset, entläuft EuchdieSchaarundvor derKirchenthür sammeln sichFreieGe- meinden.« Und wiesähedieFolge läßlicher Duldsamkeitaus?

DieFreien Gemeinden(die auch dann, schneller nochundingrö- ßerer Zahldann entstünden)würden das Kirchenschiffsichals Heimstätte fordern und, zwischen zwei Predigten rechtgläubiger Pastoren, dortdieLehreeines mit dünnem Evangelienfirniß bestrichenen Humanismus, Monismus, Sozialismus künden.

Kann ein intiefster Brust Gläubiger,denReligionmorgen noch fürdieVölkerzucht nöthig dünkt,dieses Ziel innig wünschen? Jm August1845 hatGeneral Thileineiner Denkschriftan Fried- rich Wilhelmden Vierten auf solche Frage preußischsstrammge- antwortet: fürdieKirche seiesimmerhin nochbesser,wenn alle von derGlaubensgrundlage Gewichenenaus ihrschieden;tritt selbstdieHälftederGemeindemitglieder aus,so hält,wie das BeispielderAltlutheraner bewiesen habe,dieandere Hälftenur um so fester zusammen. WahnoderWahrheit: niemals kannder Staat, dernichtdenMuth hat,dasBand, das ihmdieKirche anknüpft,mitscharfer ScheerezuzerschneidenundjedeBekennts niszgemeinschaftihrem Schicksalzuüberlassen, dieserFrageandere Antwortfinden.Was alsowird?VomEishauchwissenschaftlichen

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Chronika. 419 Denkens imVrennpunkt des Glaubens gekühlteoderapplaus- süchtige Pfarrer, die,statt sich, nach Jesuitenart, in dasBewußt- seinzuverschanzen, daßderEinzelne sichundseinwirres Zwei- felndervon Weiserenerdachten,vonKlareren geprüften Jdee und derhartenRothwendigkeiteinerzuMassenwirkung,Massen- beglückungtauglichen Lehreunterordnen müsse, ihren werthen Namen derWeltescheeinkerben möchten,etabliren sichalsneue

Evangeliendeuter,alsHeilandemitbeschränkterHaftung,werden durch Konsistorialspruchdem Amtentsetzt,vonderliberalenPresse mitLob,vondenfürdieFreiheit erglühendenGemeindemitglie- dern mitnahrhafterer Speise gefüttertundgründen, jederum sein aus Dogmenscheiten aufqualmendes Lagerflämmchen,allerlei dem»Zeitgeis«lieblich duftendeSekten. Das Ganzemagdann noch Kirche heißen; ähnelt wohl mehrabereinem Waarenhaus, aus dem jede Glaubenssorte zuholen ist. »Orthodoxie?Vitte:im ErstenStockrechtsiWünschenSieChristenthum ohnePersönlichen Gott,Mutterschaft einer Jungfrau, Auferstehung undHimmel- fahrt? JstjaAllesda!Auchdielautere, homunkulisch gezüchtete Gottesidee inallenPreislagen, allen gangbarenMustern von Drews bisSteudel.« Nächste Folge: allesfesten, starken,vom Pfahlwurm nicht durchhöhlbarenGlaubens Vedürftigerückt all- mählich hinterNomsWälle Katholizitätwirdwieder das Merk- malgläubiger (nicht nachGlaubensmöglichkeitnur dürstender) Menschheit;dieimWesentlichennieduldsam sein darf.UnddieAn- deren ordnen ihr BerhältniszzuGott,zumChristus,zuseinerBot- schaft,wieihrWollenszweckjustheischt.Veinahesindwirsoweit.

Nogi als Erzieher.

DaMutsuhitos, desKaisersvonJapan, Erdenrest aufeinem vonOchsengezogenenWagenzurletztenNuhstatt geleitet wurde, hatGeneral Nogi,derEroberer derLiautungfeste Port Arthur, sichmitseiner Frau getötet;demTenno,derfür sechs Jahrzehnte sichtbargewordenenGottheit,mitvertropfendem Lebenssaftdie Treupflichtzubesiegeln.»DiegrößteThateines großenMannes ; vonso prunklosheroischerGewalt,daßsiejedesMenschengemüth bis indiedunkelste Tiefe erschüttern muß;einMuster,das im

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