XXLeJahrg. zetliihden27.Ecptember1913. st.52.
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Heraus-geben
Maximilian Kardew
Inhalt:
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Bismbnslsyandkrap ............ .............409
pas camm Benedikt Spinokm vonKonstantin Brnnner ......414
Art-sann halbe-m VonPaul Kalifch ......... « .......425
Rahmens VonErnst Marbod ...................428
Americas- clklalcs. Voncadon ..........."..... ...4230
Unhalkgvrrxrirlxnitz für dieBändt 73bisW .............433
Uachdruck verboten.
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Erscheint jedenSonnabend.
Preisvierteljährlich5Mark,die einzelne Nummer 50Pf.
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-«-Vetlin,den"27; September 19lkk.
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Stambul-Handicap.
Griechenland hat gewollt: 1.DieErneunng desGlaubens anHellas
hat erlangt-
hat gewollt:
haterlangt:
s-2.Jn EuropadenNationalstaat allerGriechen 3.Jn Afieneinduldsmnes Siechthumder Türkei 4.JnNord einen Deichgegen dieSlavenfluth 5.Jn WestKöder undGunstkaufpreis fürJtalien 6. Das Erbrecht aufHadtians und Konstantins Städte;
1.DieDoppelungderReichsmacht,desReichsnimbus 2.LähmungdesUrfeindes,derBulgaro:Mongolen 3.TrutzeinheitmitSerben undDakosWalaehen 4.AlsoBrückennach OstundWest, Petersburg undRom 5.DieErste Hypothek auf Vyzantions Primat 6.ZwiefachenSpornausTrägheit:AlbanienundThrakien.
Serbien
1. Aus demDrinasDonausMorawasKessel ansMeer 2.Aus Ungarn-, Türken-, VulgarendruckinAthemfreiheit 3.AuspesterWillkürlaune ins RechtzurMarktwahl 4.Aus demNuch strolchenderHammeldiebeinAchtung; 1.Knsfowo, HauptftückedesSandfchaksundMakedoniens 2.Ernste-sLobseiner Schlagkraft,Tüchtigkeit.Würde
37
410
hat gewollt-
haterlangt:
hatgewollt:
hat erlangt-
DieZukunft,
3.Europens Bürgschaft fürdenWegandie Adria LI.DieKraft,Vosniaken undKroaten anzuziehen, 5.Albaniens Homunkelelend abzuwartenund 6.den Arm jedes Serbenpatrons wuchtigzuPariser-m
Vulgarien
1.Freche Täuschungder Großmächte,Genossen, Feinde 2.Ausrodung der Serben inWest,derGriechenin Süd 3. Numäniens Schnappen nach Serbenspeck(Negotin)und LI.Einzwängungindiese Winkelfalle,bis
.ausBelgradderDranginPersonalxnion erpreßt,
.demRäuberschwarmAlbaniensdieVruderhand gereicht,
.OstromdieBeute derMongolen geworden ist,
.Khan FerdisSimeon von Stambul bis Medua herrscht
.unddemgeprelltenWien RußlandsKnute zeigen kann;
.VierZüchtigungen (von jedem Nachbar eine)
.SchmälerunginNordost, schlechteGrenzeinSüdost
.GroßeBrocken vonMakedonien undThrakien
.Einungallerihm feindlichenBaikanchristen
.SchmählichesEnde erschwindelter Praestigia
.Welken süd-undnordslavischer Vruderliebe
.TodderstolzenHoffnungaufKonstantinopel .Trostrecht,inDemuthKarls Greisenhand zuküssenund,
.nachdemKreuzzug,desKhalifen Gunstzuerwinseln.
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Rumänien
1.Entschädigungvon demnach Plewna ihmGeraubten 2.Grenzschutz durchdieLinieSilistriasBaltschik 3.Rückkehrin denserboswalachischenBund von68 4.Ruszlands(nicht barsch gewährte)ErlaubnißzumBorsprung 5.EhrfürchtlgenDankaus Athen,Velgrad,Cetinje 6. Das Recht,laut anHabsburgs Numänen zu denkenund 7.nicht;alsdesDreibunds Wurmfortsatz,zuvereiternz
Alles; ohnegewichtigen Kostenaufrvand.
hatgewollt:
haterlangt:
hat gewollt:
hat erlangt:
Stambul-Handicap.
Nußland:
1.DehnungderMachtsphärevom WeißenMeer zurAdrta 2.VündelungallerSüdflavenzumVorpostendienst.
Z.AbkehrvonjedemWegineinneues Mürzsteg,
.vonderPflicht,amBalkan mitOesterreichzuäugeln
.undGaliziens Grenzefrommzusalutiren
.Entkräftung,PäppelungdesVosporuswächters
.Gelegenheit,denWeftmächtengefälligzusein,
.inSüdostdenPestkreisUmDeutschlandzuschließenund
.denjungenWohlstand dochnichtaufsKriegsspielzusetzen;
.StärkungdesdoppelästigenSerbenstammes
.Demüthigungdesundankbarsten Pflegekindes
.Schirmgegen oströmischeTatartschina
.ErwärmungdesWalachengefühles
.Guthaben (DankundHoffnung)inRom undAthen 6.Oesterreichs SchwächungundVereitschaftzumFrieden
Neue FesselungFrankreichs, desOrientbankiers Mehrung slavischerZuversichtundAttraktivkraft Schlüsselrechtfür Marmara, Aegaeis,Mittelmeer.
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7.
8.
9.
Frankreich
1.SicherungdesZinsesvonSlaven, Griechen, Türken 2.Hellungdesfahl gewordenen Namensglanzes Z.SichtbareZärtlichkeitausAthenundBukarest
(Management: Dclcasså, V·londel, Eydoux83Co.)
.AndachtvorNeichthumundSchwertschärfederNepublik
.Vertrauenszuwachs Vonden nations francisåes
.Jn Südost sachte Spaltung desDreibundsappendix
.Jn NordoftFreundschaftfür Latino-Orientalen 8.StillungaltenNarbenyschmerzes(Stefano-Verlin) 9.DämpfungderGermanenmacht(ohneKriegsrifiko) 10.AblenkungdesNömerblickes vonTunis 11.Fernsicht auf slavosgriechifche HilfeimMittelmeer 12.Alles vonRußlandund Vritanien Vegehrtez
1.Gläubigerruhe,Anfehensrvuchs, Heeresmehrung 2.AlbanienalsBremsederJtalergier,also
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hat gewollt-
Nhaterlangt:
hat gewollt:
hat erlangt:
DieZukunft.
3.Minderung der-SorgeumTunissVisserta LI.Titus Livius MajorescualsthätigenMittler 5.OesterreichsSehnsucht nachdemSpartopsderFranzosen 6.LösungdesJslamvom Glauben an deutschen Beistand 7.KonzessionenundVorrechteinAnatolien 8.Ergo:was Friedenswasfen ersechtenkonnten.
England
1.DieEntwerthung desdeutschenTürkentrumpsesohne 2.Kränkungderindischen Mohammedaner 3.Slavoslatinischen Wall inSüdosteuropa LI.Latino-slavischeSchutzwachtimMittelmeer 5.Patronat überSudabai, Euphrat,Koweit 6.Anerkennung seines Erbrechtes ausArabien 7.EntgiftungdesUrplanes zurVagdadbahn 8.Sperrung destrockenenWeges nachVritischandien 9.Möglichkeit,bei Otranto Italien zu kirren 10.FreiesAlbaniem Schleswig-Holstein desOrients 11.Einlullung Deutschlands: »Prosit Mesopotamien«i 12.Alles,um jeden Preis, ohneEuropäerkrieg.
DerWünscheKrönung;unddieWeltrichterglorie.
Jtalien 1.Assekuranzgegen Rache sürTripolis 2.GrundbuchungseinerHypothekaufValona 3.Trautes KosenmitOesterreichisUngarn,bis 4.derRechtsanspruch amtlich eingetragenund 5.Giulianos Albanersaat zurErnte reif ist 1.Jn Afrika RuhevordenOsmanen 2.JmDreibund densonnigstenEhrenplatz Z.Schmeichelnde Huldzeichenvon derTriple-Entente LI.FreieWahlzwischendenBot-theilenbeiderBünde 5.Vürgschaftgegen berliner Familienpolitik 6.GalizienundKroatien, 7.Bosnien undHerzegowina, Z.Siebenbürgenunddas Banat: Jrredenta
hatgewollt:
haterlangt:
hatgewollt- hat erlangt:
Stambulshandicap. 11131
9.OefterreichsUngarnringsvonFeindschaftumdroht 10. DieUmarmungder Adria keinKnabentraum mehr.
Oesterreichsungarn 1.StärkungderVö:ker,die esnichtherbergt
(Vulgaren,Türken,Albaner)
2.SchwächungderStämme, derenSplitter es imFleischhat- (Serben, Kroaten, Walachen, Nussen),und 3. allerFeindederliebenVulgaren (Hellas) Li.FreiheitvonPanslavismus undJrredentismus 5.Losung:»DerVulkan denBalkanvöxkern!«
(DenenderHerrüberSarajewosichzuzählt);
1.DenRäubersundBluträcherstaatAlbanien 2.Italiens Recht, dessenBodenfortzudüngen Z.Patronatsgemeinschaft also (inder
Wien fünf Feinde,Rom fünf Freundehat) 11.Einitalosalbanifches Skutari 5.EnttäuschungderTürken 6.Entfremdungder Numänen 7.EnthüllungdesBulgarentruges 8.Serbengelübde,sichaneinMeer zukämpfen.
9.Dumpf brausenden Haßaller(nicht polnischen) Slavcn 10.LeerungderStaatskassen, Gewerbekrisis 11.Fünfumdräute Grenzen: PflichtzurWehrstäikung
(DieohneTisza,Wiens Hort, nichtzuhaben ist) 12.Schrumpfung derZuversicht, jungenGemeindewusztseins 13.Gefahr:innen Zersetzung,außenKoalition 14.Gewinn: Freundschaft mongolischer Kinderschänder 15.Trost:Morgenrothzürnt hellausdenbestenHirnen.
Das DeutscheReich DieWahrungdesEuropäerfriedensz Seiner Feinde gefegnete Friedensmahlzeit.
W
YOU DieZukunft.
Das Lamm Benedikt Spinoza.
In tausend Büchern steht geschrieben, Spinoza seiein Un- menschvon einem Murmelthier und ein geborenes Opfer- Tlammgewesen.lDaswar erabernich-t, vielmehr inderThatvon
Hausaus ein-ehöchst leidenschiaftlicheNatur. «
Vor mirliegtdaskürzlichimVerlage von EugenDiederichs herausgekommene Werk ,,Spsinoza imVortrait« von ErnstAlt- kirch,woman nun diesämmtlichen Bildnisse Spinozas vorsich hat. Jedes wsidersprichtderhergebrachten Auff-assung;-auf keinem fehltdsieeiserne Disziplisn über sich selbstund die gebändigte Leidenschastli.ch-ke-i.t.Das aber hatNiemand ang-erührt.Selbst
«Lavater,derfeine, feinstseGesichtslseser, sprichstdavon nicht, hatin unseremFall überhaupt kleinlich, schief, plump gesprochen: freilich hatteer ein klieinliches, schiefes,plumpes Vortrait vor sich,eine unglücklicheVerklotzigung dies Kupferstichesvon Fessart. Lavater selbst sagtvon derFratze,dieerbringt (Vsysiognomische Frag- mente III, 277): »Nichtdasbeste Bild,dasich schonvon Spinoza gesehen. Nicht drin sinddie starkenAugenbrauen des tiefen Denkers", nichtim unteren Umriß.der Nase die unkindische Spur-erei,nichtimMund-e dieMächtigkeitund Melancholie des Urbild-es. Aber so,wies daist, welcheinsprechend-er Kopf!Wie stiehtderMann insichund auf sichallein! Wie wandelt ereigene Pfade ohneRückblickauf Schmäherund Nachfolge!Wie bildete, wurzelt-eer sichintiefer Still-e! Welch stille Festigkeit inder Stirn! Was liegtnicht für erstaunlicher Verstand zwischenden Augenbrauen biszurNasenwlurzelt Wie vielund tiefbemerkend derBlick! Wie aufspsiirendalle lockereStellen jedesihm begeg- nenden Systems! Wie ermüdetvon Denken, Forschen, Zweifean Indem(-obgl·eichgewiß.nur halb wahr-en)Mund-e wievielWeis- heitund stiller Adel,— Laune und Salz! Das ganze Gesichtein liebliches GemischvsonTrübsinn, KampfmitZweifelnund philo- sophischerVehaglichkeit,diegeglaubtes Gefundenhsaben der«Wahr- heiterzeugt. Die Miene lächeltdenvoltairischen Vers: ,,J’aide platsäcoliers etdemauvais critiques«.Lavater warÜbrigensein feinerKopf,aber sein Verstand von-Philosophie und von Philo- sophenwar nichtweit her.Wer einem Vhilosopheneine kleinlich lächelndeMiene ein-es Kleinlings zutraut, wer bei Philosoph-en von Trübsinn, Melancholie, philosophischer Behaglichkeit und endlichgar vsonKampfmitZweifeln redet,Der redet nachder landläufigen Vorstellung von Vhilosophen,abernichtvon Philo- sophien, gewiß nichtvon Spinoza und nichtvon demAussehen
Das Lamm Benedikt Spinoza. 21151 Spinozas, —- esistkeineinzig-ernegativer Zugindiesem posi-- tivstenGesichtvon der Welt-
Schönerkannt hatLavater nur dsiieFestigkeitdesMannes- inseinen Gedanken,aberdiegleiche Festigkseit istzuerkennen auch in der Herrschaftübersich selbst;gebändigt-eLeidensch-aftlichkeit,.
sageich, sprichtaus denZügenaller Vildnisse. Und nichtnur ausdsenVildnissen Jedem,dernachlesen will,werden Beispiele- genug sogarvon offensich zeigendem raschen, feurigen,ja, hef- tigen Temperament inden SchriftenSpinozas aufstoß2en.-Von Dienen,dieDas leugnen,sollteman glauben,daß-siejemals in denTheolosgisch--PolitischsenTraktat hin-e-ingeguclthaben?DieUr- theiledarin überJud-enund jüdischeLiteratur sindzum Theil stachelsigund hart bis an die Ungerechtigkeit. Hierfassenwir- Spsinozaan dserprim·itivsen,noch nicht völligindieTheorieer- hobenen qubjektsivität sein-es ·Erlebse«ns;nochlitt er unter den Affekten,von denen ersich endlich sowunderbar freirang, aber wir versteh-en, daß.die Lehrevon den Affektenund von ihr-er Bewältigunginseinemvollendeten Syst-em,inder Ethik,einen sobreit-en Raum einnimmt. Und wer ganz wirklich lesenkann (d-enn ichbinnichtder Meinung, daßlAlle lesen,diegedruckt-:
Wörter entziffernund dieSprachedesGedruckten verstehen, son- dern meine, daß. recht-e Leser ungefähr so selten seienwierechte Schreiber;zum Beispiel: die kleinen Spinoza-Philologen, auf was fürArt DiedenSpinoza lesen,nun ja,Das läßt sichaus- kennen nachdem Geschreiibund den Albere·ien,womit sieden RieseninihrenSackzustecken wähnenund-sichund Anderen zu- zueignen: man wird ihnaber vergeblichbeiihnen suchen, sein-e Abwesenheit liegtan ihrerAnwesenheit; — daist mir nun bei denSpsinoza-Philologen, ausFreudigkeit,derSatzübergelaufen),.
einrecht-er Lesermitfeinem Ohrwird selbstaus denabstraktesten Theilen dserEthik,eben so wenigwieden überallnur gemildertcn Enthusiasmus,denTondeswerdeckt feurigen Temperaments über- hören.Das ist einanderer Punkt desallgemeinen Mißverständ- nisses: auchder Enthusiasmus Spinozas wird durchwegver-- kannt,wiedieganze fundamsentale Wahrheit von derWesens-ver- wandtschaftzwischendem philofophischenund dem künftlerischen Gsenius Goethe verkannte sie nichtund sagteallgsemeinhin:
»Ohne UeberschwänglichkeitgiebteskeineGröße« (Hegel: »Nichts-«
Großes ohne Leidenschaft«); Jean Paul verkannte sie nichtund schrieb; »Die erfindsenden Philosophen waren alledichterisch,Das- h-eißt:die echt-systematischen«Das ist so richtig, daß Fehlen des poetisch--enthusiastischenNioments ohneWeit-eres genügs»
2116 DieZukunft.
überJeden, dermitdem Anspruch-eines Philosophen auftritt.
den Stab zubrechen,und wen-n erdieBeflexion und ihreDia- lektik sohoch hinaufzuspielen wüßtewieJmmanuel Kant. Die bloße Reflexion machtkeinen Phsilosophen, so wenig wieeinen Dicht-er. Spinoza war getrieben von einer gewaltig-en Leiden- schaft:dsieWahrheit, mitihrerBerklårnng und ihremFrieden, Lsändigte sie. Feuerbach gebrauchteinmal beianderer Gelegen- heitdenAusdruck ,,Leidens-chaftlich-eRuhe« Das scheintmirein recht-es WsortzurBezseichnungvon Spinozas Stil wievon seinem AussehenaufdenBsildnissenx leidenschaftliche Ruhe. "
Das Urtheil überSpinozas Seselenleben bleibt einseitig verkehrt aufs A-e«ußserste,so lang-enichtzur Sanftheit der Ge- sinnung hinzuauch nochdas feurige Temperament anerkannt wird. Jnden späteren Jahren freilich dürftedavon nichtviel zum Vorschein gekommensein;nur im Spiegel sein-erDiktion
blieb esimmer nocherkennbar: es war kaum Gelegenheit zur Aeußerungunter deneinfachen Lebensverhältnissenmiteinfachen
"Menschen;und auchindenBrieer wirddavon nur wenigange- troffen,zumal dsieFreund-e beider Herausgabe all-eirgendper- sönliche Gröffnung wieggeschnitten haben. Sollen wirdeshalbgar glauben, daß auchderjung-e Spinoza bereits dieRuhedesälteren besessen habe?Nochbevor dieGedanken inihm wirklich freiund flüsssiggeworden waren, welche nach seiner Abriechnung mitder
·Allgemeinheit, und nachdemer sich außerjeglicherMensch-en- knechtschaft, außerhalbdes Sollens und ganzallein aus-seinWollen gestellt hatte,— dieGedanken, welche fürdieSeselienverfassungdes glorreich Einsamen und wahrhaft insich selbst Beruhenden Alles bedeuten? Nochbevordieganz wunderbar-e Wahrheit inihmzur Herrschaft gelangt war: »WennwireineGemüthsbewegung oder
«einen Affektvon dem Gedanke-n der äußerlichen Verursachung trennen und msitander-en Gedanken verbinden, sowerden Liebe oder Haßgegen dieäußerliche Berursachung und damit auchdie Schwankungen desGemüthes,dieaus dLejexiAffektsen entspringen, vernichtetwerden. Ein Affekt,der imLeiden ist, hört auf,ein Leiden zusein, sobaldwireine klar-eund deutliche Ideevon ihm bilden. Und esgiebtkeineKörpererregungund alsoauchkeinen Affekt,wovon wirnichteinen klaren unddeutlichen Begriff bilden könnten. Ein Jeder hat«dieMacht,sichnnd seine Affekt-e,wenn auch nicht absolut, so dochzumTheilklarunddeutlichzuerkennen und folglich auchzubewirken,daßer weniger von ihnenleid-a.
Darauf hauptsächlich muß daherunserBemühen gerichtetsein»
wir jedenAffekt, soviel wie möglich,klar und deutlicher-
Das Lamm Benedikt Spinoza. 417 kennen,damit soderVerstand,von demAffekt aus,zum Denken Dessen bestimmt werde,waser klarund deutlich erfaßtund.worin ersichsvollständig beruhigt,undsoderAffektselbstvondemGe- danken deräußerlichenVerursachungslosgelöstund mit wahren Gedanken verbunden werde.« Dasisteinganz wunderbarer Satz, ein wunderthiätiger Strahl dserErkenntnißund Seelenb-eruhi- gUUg,ein Strahl, von der Sonne abgebrochen,dserauchinder finstersten Nacht leuchtetund beglückt.Sollen wir glauben an dieUnerschütterlichkeitdesGemüthesund an dieSelbstbehserrs fchUngbereits desjugendlichenSpinoza? »Ich sage aber,solange der ErbeseinKindist, so istunter ihmundeinem Knechtkeinsun-
-tekschied.«Fürlunserscheintnur derGipfelvon Spinozas Leben bestrahlt,wirwissen sogut wienichtsvom jungen Spinoza (trotz demgroßenund übrigens ausgezeichneten Werke von Dunin- Vorkowsksi:»Der junge Spinoza«); nichts davon,wie erbewegt War,nur, daß.ihnVieles bewegthat auf stürmischerFahrt,und wirwissen wenigvonDem,was erindenJugendtagen getrieben, wieer gehandeltund wieer geredet hat«·):inAllem aber,was wir davon wissen, erscheint Spinoza festund streng,tapferund leidenschaftlich hindurchbrechsendzganz gewißwar ihm Fluthund Springfluth sinder Seele und von dem Trotzder tragischen Empörer.Kann esanders sein? Unmöglich besitzt auchnur die geringste Vorstellung von der Revolution durch Spinoza, wer sich nicht auchdas Herzvorstellt,aus welchem dieseRevolution auskam,dierevolutionäre Natur desMannes, dersich selberge-.
zeichnet hatin der Trachtdes Rebellenhäuptlings Msasianiello (d-emerähnlich gesehen haben soll;inNeapel, imMuseum San IMartino, find-etman seinenKondesMasaniello, derthatssächlich demdesSpinoza ähnlich sieht.)
Wir nehmen Spinoza nich-ts,indem wsirleugnen, daßerein Lamm gewesen sei (wsahrlich-ein Lamm von seltsamer Gesinnung, das gar trefflichmit demWolf gestrittenhat!); wir möchtenviel- mehr, daß ihm seineganzemenschliche Größe zurückgegebenwerde.
Deswegen muß auch aufdenWeghingedeutet sein,denSpinoza zugehen hatte,bevor er so groß ward,wie erinder Ethikvor uns steht, so groß, daßerdieLeidenschaftenderMensch-enweder beweinte nochbelachte, sondern verstand·auch da,.wo sie ihm selber zsumsSchicksal geworden waren; so groß, so riesigund erhabenan
V) EsgiebtkeineAufzeichnungendarüber VonAugenzeugen,von Juden; überhaupt fehlt jederjüdischseBerichtüber seinLeben;unter seinenFreunden war keineinzigerJude.
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418 Die Zukunft.
-Macht, daßer dieeigeneGemüthssbewegungvon dem Gedanken öderäußerlichen Verursachcung lösenund sieverbinden konnte mit ewigenGedanken und keinHaß zurückblieb,keineKlageundkein Schmerz, vielmehrvonAllsedem seineFreiheit und seine Thatkraft noch sich nährteund-wuchsWie Rück-ert,völlig spinozistisch, sagt:
Wenn Du Dein Leiden selbstinThatverwandeln kannst, Dann magstDu rühmen lDich, daß Freiheit Du gewannst.
GemüthsbewsegungenlösaufinDein Erkennen, Dann thust Du, leidest nich-t,und magst sofrei Dichnennen.«
Ein Leben und ein Werk wie dassSpinozas wächst nichit LohneWeiter-es aus der Natur und aus dem Stegreif; diedrei Wunder Spinozas verstehenwirnach ihrerganzen Wunderbar- keiterst dann,wenn wirerkennen,was erimInnersten herunter- zukämpfenund wasemporzubringen hatte,um dieserdrei Wunder mächtigzuwerden: ,,gegenüberden ihn verfolenden Menschen, gegenüber seiner Krankheit,und dieser grandiose Wunderbau der Ethik, den ichkeinen Augenblick anstehe, ganz vollkommen zu nennen, und worin auchdieSpur nichitvon Leiden weder durch lMenschen noch durch sein Siechsthum angetroffen wird, noch auch eine Anwandlung von irgend-einer SchwächedesGemüthes; es istdas Werk desübermenschlichgesündestenund- stärksten,des heroischisten Menschen. (Dsie Lehrevon den Geistigen und vom Volke« von KonstantinVrunner.)
Spinoza istkein Lamm von Natur, aber zum Lamm ge- w«ordenerLöwe;seinLöwe an Zorn und Will-en,der sich selber gebändigt hattezum Lamm. Dies istseine Größe, daßer das lmenschlichLeidenschaftlicheunddasmenschlicheLeiden besiegtund aufgehoben hatineinem höher-en Sieeleseinzder Sieg aber hat idenKampf,der Viefreitehatdenunfrei Gewesenen in sich.So imüssenwir wissen, sowollen wir sprechen,anders dürfenwir micht: sonst sprechenwirvon Unmenschlichiem,was nicht ist, nicht Iwarund niemals sein kann,und greifen nachdemSchatten;sonst treten wiraufdieStufederBienge,diesogleichderabergläubigen Vorstellung Raum giebt,wo Etwas ihremgemeinen Sinn und Zustand nicht faßlich erscheint.Wir müssen auch. aufhören,und zwar endlichvollkommen damit aufhören, daßwir den großen Menschenihre Tugenden rauben, um daraus Götter zudich-ten;
und solltenuns dann Menschenhervortreten, höheralsdiege- wöhnlicheKlasseder-Menschen, die,weilsiedenüberlegenen Geist Micht fassen kann, sich selber fürdieeinzige einheitliche Mensch- heit ausgiebt: nun wohl,wirkönnen an keineGötter,aber wir inüssen Herer glauben. Stolzfreudig wollen wirsie anerkennen,