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Die Naturwissenschaften. Wochenschrift..., 16. Jg. 1928, 14. September, Heft 37/38.

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20 $.1928 D IE is '

NATURWISSENSCHAFTEN

BEGRÜNDET VON A. BERLINER UND C. THESING HERAUSGEGEBEN VON

A R N O L D B E R L I N E R

U N T E R B E S O N D E R E R M IT W IR K U N G V O N HANS SPEMANN IN F R E IB U R G I. B R . ORGAN D ER GESELLSCH AFT D EUTSCH ER N ATURFORSCHER UND Ä R ZTE

U N D

ORGAN D ER K A ISER W ILH ELM -G ESELLSCH AFT Z U R FÖRDERUNG D ER W ISSENSCHAFTEN V E R L A G V O N J U L I U S S P R I N G E R I N B E R L I N W 9

HEFT 37/38 (S E IT E 705— 736) 14. S E P T E M B E R 1928 16. JAHRGANG I N H A L T :

D ie K rise der „W irk lich keit". Von K u r t R i e z l e r , j B e s p r e c h u n g e n

F ran kfu rt a. M . ...705 D ie W elternährung in Vergangenheit, Gegenwart

und Zukunft. Von M a x R u b n e r , Berlin . . 713 Interferenzerscheinungen bei Korpuskularstrahlen.

Von W . E l s ä s s e r , B e r l i n ... 720

Berichtigung. Von E . Gehrcke, Berlin . . . 727 B o t a n is c h e M i t t e i l u n g e n :

Experim entelle Studien der Blaauwschen Theorie. Phototropische Induktion in der Spitze der Avenakoleoptile. Untersuchungen über die Photodinese bei Vallistteria. Über die

Z u s c h r i f t e n : Bedingungen des nächtlichen Blühens

U ber die relativen Intensitäten der Starkeffekt-

j

Cereus grandiflorus 727

komponenten der Balmerlinien H ß und H y . j A s t r o n o m is c h e M i t t e i l u n g e n :

Von H. M a r k und R . W i e r l , Ludwigs- Die Tagung der Internationalen Astronomischen hafen a. Rh. (Mit 2 Abbildungen) . . . . 725 Union in Leiden ... 730 Neue Beobachtungen über den Um satz des j Veröffentlichungen der Mathematisch-physika-

„Phosphagens" im Muskel. Von O. M e y e r - lischen K lasse der Gesellschaft der Wissen-

h o f und O. N a c h m a n s o h n , Berlin-Dahlem 726 ! schäften zu Göttingen. G eschäftsjahr 1927 . 730

nach den n e u e s t e n E r f a h r u n g e n in K liniken ausgezeichnet verw endbar für

Farbenanalysen und Trübungs­

messungen an

Harn, Serum und Galle

für die Diagnose und Prognose vieler Funktionsstörungen Vgl. Veil: „ D ie Harnfarbe usw.“, Klin.W ochenschrift Nr. 47/1925 • Heilmeyer:

, , Klinische Farbmessungen“, Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. LVIII, Heft 3/5 • Herold: „Untersuchungen zur Leberfunktion in derSchwangerschaft“ , Zentralbl.

f. Gynäkologie Nr. 5/1928

Ausstellungsräume: H am burg, Alster däm m 12-13 (Alsterhaus)

B E R L IN W 9, Potsdamer Straße 139 KÖLN, Apostelnkloster 27

W IEN IX /3, Ferstelgasse 1

J E N A

wis». J

(2)

II D I E N A T U R W I S S E N S C H A F T E N . 1928. H e ft 37 / 3 8- 14. September 1928.

DIE NATURWISSENSCHAFTEN

erscheinen wöchentlich und können im In- und Auslande durch jede Sortimentsbuchhandlung, jede Postanstalt oder den Unterzeichneten V erlag be­

zogen werden. Preis vierteljährlich für das In- und Ausland R M 9 .— . H ierzu tritt bei direkter Zustellung durch den V erlag das Porto bzw. beim B ezüge durch die Post die postalische Bestellgebühr. Einzelheft R M 1.— zuzüglich Porto.

Manuskripte, Bücher usw. an

Die Naturwissenschaften, Berlin W 9, Linkstr. 23/24, erbeten.

Preis 'der Inland-Anzeigen: */i Seite RM 150.— ; Millimeter-Zeile RM 0.35. Für Vorzugsseiten besondere Vereinbarung. — B ei Wiederholungen Nachlaß.

Auslands-Anzeigenpreise werden auf direkte Anfrage m itgeteilt.

Klischee-R ücksendungen erfolgen zu Lasten des Inserenten.

Verlagsbuchhandlung Julius Springer, Berlin W 9, Linkstr. 23 24 Fernsprecher: Am t Kurfürst 6050— 53 und 6326— 28

sowie Amt Nollendorf 755— 57

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troskop m itReagensglasko ndensor. Kleiner Q uarzspek tro grap h f ü r medizinische Studien.

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN

16. J a h r g a n g 14 Septem ber 1928 H eft 37/38

Die Krise der „W irklichkeit“ .

V o n K u r t R i e z l e r , F r a n k fu r t a. M . U nsere äußeren und inneren W a h rn eh m u n g en

bild en einen b u n t schillernden S tro m w ech seln d er E m pfindu ngen , dessen helle und d u n kle a u fg litze rn ­ den und schon w ieder u n fa ß b a r en teilen d en W a sser­

tro p fen au f eine w u nd erbare W eise in ein er E in h e it Zusam m enhängen, die w ir n ach B elie b en Ich , B e ­ w u ß tsein oder sonstw ie benennen m ögen. D ie E in h e it dieses schillernden S trom s ist die erste V irk lich keit. V o n ihr ausgehend, fo rm t sich unser E rk en n en eine andere, die zw eite W irk lic h k e it.

E s ist die W irk lic h k e it der in R a u m und Z eit ausged eh n ten D in ge m it ih ren E ig e n sch aften , ihren B e zie h u n g e n zu ein and er, ih ren V erä n d eru n g en u n d dem Z u sam m enh an ge d ieser V erän d eru n g en . D e ra rtig e zw eite W irk lic h k e ite n h a t d er erkennende M en sch im L a u fe seiner G esch ich te u n zäh lig e vo n d u rch a u s versch ied en er S tru k tu r sich geform t, m a g isch e v o ll v o n G ö tte rn und D äm on en und Z a u b e rm ä ch ten , n a iv e v o ll vo n to te n und lebendigen D in gen , w issen sch aftlich e der E lem en te, G esetze un d F orm eln . A lle diese zw eiten W irk lich k eiten w ollen der sch w an ken den , w irren, in sich u n geo rd ­ n eten W e lt der Sinne eine in sich selb st gegrü n d ete, n ic h t m eh r su b jek tiv e, sondern o b je k tiv e W e lt gegen ü b erstellen , die nun n ich t m eh r r e la tiv zu irg en d ein em Ich, sondern ab so lu t fü r alle Ic h b e ­ steh en und gelten, ihnen allen gem ein sam sein u n d sie selb st und alle ihre ersten W irk lic h k e ite n in sich en th alten soll. Sie such en das U n w an d e lb a re a u f dem G runde des W an d elb aren , an S telle des w ech selnd en W a sserg eg litzers das B e t t des S trom es, die M acht, den Sin n u n d das G esetz, das ihn b e ­ w e g t: die In v a ria n ten d er W e lt. D a s g ilt fü r das m agische W e ltb ild d er ersten D en k en d en so gu t, w ie fü r das m ath em atisch e d er alle rle tzten P h y s ik . A b e r alle diese zw e ite n W irk lic h k e ite n sind u n ­ g e a c h tet des A n sp ru ch s, m it dem sie sich um geb en m ögen, n u r unsere B ild e r, besser oder sch lech ter, m ehr oder m in d er getreu od er v e rze rrt, einer d ritte n nun w a h rh a ft a b so lu ten W irk lic h k e it, die w ir such en, ab er n och n ic h t oder jed e n fa lls n ich t gan z u n d n ich t m it S ich erh eit gefu n d en h ab en . Ü b e r das V e rh ä ltn is dieser drei W irk lic h k e ite n zu ein an d er und ein er jed en zu der W a h rh eit, stre ite n die P h ilosop h en einen im m er neuen S tre it. D ie Sen- su alisten sehen in d er ersten W ir k lic h k e it d ie reale und ein zig w ah re, in d er zw eiten ein B ild unseres In telle k ts, in der d ritte n ab er ein leeres N ich ts.

D ie Id ea listen sehen in d er ersten W ir k lic h k e it das der E rk en n tn is au f gegebene M aterial, in d er zw e i­

ten eine W e lt der E rsch ein u n gen , die d er V e r ­ sta n d an H a n d seiner F o rm en aus diesem M aterial zu en tw erfen u n tern im m t, in der V o rstellu n g einer d r itte n ab er n u r eine Id ee, w elch e die ein zig abso­

lu te u n d w ah re R e a litä t, die V ern u n ft, als u n erreich ­ b ares Z iel ih rer S tre b u n g e n v o r sich h in stellt. D ie R e a lis te n seh en in d er ersten einen Sch ein der Sinne, in d er zw e ite n ein P ro viso riu m der E rk e n n t­

nis, in d er d ritte n a b er die a b so lu te R e a litä t.

D iese le tz te re A n s ic h t te ilte n m it den re a listi­

schen P h ilo so p h en die n a iv en M enschen aller Z eiten . Sie alle, g o tte s g lä u b ig od er d in gg lä u b ig , Irra tio n a ­ listen o d er R a tio n a liste n , su ch en in religiöser O ffe n b a ru n g o d er w isse n sch aftlich er E rk e n n tn is n ach ein er d ritte n a b so lu ten W irk lic h k e it, aus der die erste als ein b lo ß e r S ch ein der Sinne en tsp rin g t, und die sie in d er zw eiten als in einem n och lü c k en ­ h a fte n B ild e so g u t als m ö glich erfassen w ollen.

So versch ied en die V o rstellu n g en sein m ögen, die sie sich vo n jen er d ritte n W ir k lic h k e it in ihren zw eiten W irk lic h k e ite n en tw erfen, so stim m en sie d och ü b er das V e rh ä ltn is d er drei W irk lic h k eiten ü b erein : die d ritte is t die w ah re, die zw eite ein P ro viso riu m , die erste ein Sch ein .

D ie w issen sch aftlich e W e lta n sc h a u u n g der le tz te n J ah rh u n d e rte g a b d ieser G ru n d V o rstellu ng eine besondere F o rm . D ie W issen sch a ft d u rch fo rsch t die erste W ir k lic h k e it, vo n E x p e rim e n t zu E x p e r i­

m en t fo rtsch reiten d , n a ch G esetzen , als n ach k o n sta n te n B e zie h u n g e n des V a ria b le n . In diesen G esetzen sieh t sie ein A b so lu te s, ein S tü c k also jen er d ritte n W ir k lic h k e it, und n im m t an, jen e d ritte W ir k lic h k e it sei eine in sich geschlossen e O rd n u n g, d u rc h w a lte t vo n einem ein h eitlich en Z u sam m en h an g einer en d lich en A n z a h l solch er G esetze. D iese W ir k lic h k e it soll also ein gesch lossen er W irk u n g s­

zu sam m en h an g sein. Je m eh r w ir v o n diesen G e ­ setzen und ih rem Z u sam m en h an g en td ecken , d esto m eh r n ä h ert sich das P ro viso riu m der zw eiten W irk lic h k e it d er a b so lu ten d ritten , um am E n d e d er W issen sch a ft g a n z und g a r in ih r aufzu geh en . D iese A n sich t, d u rch die E n tw ic k lu n g der N a tu r ­ w issen sch aft in den le tz te n Jah rh u n d erten h e ra n - gew ach sen und zu r S e lb stv e rstä n d lic h k e it e rsta rk t, ist in den le tz te n J ah rzeh n ten d u rch die F o r t ­ sch ritte der P h y s ik zum E rsta u n en d er geleh rten und u n g eleh rten W e lt e rs c h ü tte rt w ord en . H ie r­

m it ist d er S tre it u m das V e rh ä ltn is d er drei W ir k ­ lich k eiten zu ein an d er v o n neuem e n tb ra n n t und w ird nun ab erm als m it neuen W a ffe n , K a m p ffro n ­ te n u n d K a m p fa u s s ic h te n g efo ch ten .

Jen e e rsc h ü tte rte S e lb stv erstä n d lic h k e it e n t­

h ie lt ein ige V o ra u ssetzu n g en , w elch e w ed er aus d er E rfa h r u n g zu entn eh m en noch v o r aller E r ­ fa h ru n g e v id e n t sind. D iese V o ra u ssetzu n gen b e ­ tre ffe n die M itte l d er E rk en n tn is, die S tru k tu r der d ritte n W ir k lic h k e it, und das V erh ä ltn is jen er E r ­ k e n n tn ism itte l zu d ieser S tru k tu r.

Nw. 1928 52

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706 R i e z l e r : Die K rise der „W irk lich keit“ I" Die Natur- [ Wissenschaften

E s w ird v o ra u sg ese tzt, d a ß die M itte l un serer E rk e n n tn is ein in sich geschlossen en S ystem , ferner, d a ß d ie a b so lu te W ir k lic h k e it eine d u rch eine end lich e A n z a h l in v a ria n te r G ese tze e in d eu tig beh errsch te O rd n u n g, d ritte n s, d a ß jen e M itte l dieser O rd n u n g a d ä q u a t seien, also zu ih rer E r ­ fassu n g au sreich ten .

E s ist kein esw egs selb stv e rstä n d lich , d a ß diese V o ra u ssetzu n g en z u tre ffe n — ja , es w ä re in m anch er H in sic h t erstau n lich , w en n sie es tä te n . W o rau s s ch ö p ft diese A n s ic h t d en S ch ein d er S e lb st­

v e rstä n d lic h k e it? A u s zw e i v ö llig versch ied en en Q u ellen : e in m a l au s dem G lau b en , d er H o ffn u n g und der L ie b e des w issen sch aftlich en M enschen, sod an n au s b ish erigen E rfo lg e n d er A n w en d u n g a u f T e ile d er E rfa h ru n g . W en n das le tz te Z iel der W issen sch a ft e rre ich b a r sein soll, m üssen diese V o ra u ssetzu n g en gelten . A u s d er L ie b e zu ih rer A u fg a b e e rw ä ch st die H o ffn u n g ih rer L ö s b a rk e it, aus d er H o ffn u n g der G la u b e. T ro tz d e m is t dieses A rg u m e n t n ic h t zw in g en d . D ie V o ra u ssetzu n g en ein er H o ffn u n g sind n ic h t d ie V o ra u ssetzu n g en eines F a k tu m s . V ie lle ic h t is t d as le tz te Z iel der W issen sch a ft g a r n ic h t e rreich b ar. V ie lle ic h t sind die M itte l d er E rk e n n tn is n ic h t au sreich en d , v ie l­

leich t ist die a b so lu te W ir k lic h k e it g a r n ic h t eine e in d eu tig e O rd n u n g o d er den E rk e n n tn is m itte ln n ic h t a d ä q u a t. E in e solch e A n n a h m e e n th ä lt kein en W id e rsp ru c h : w e r sie a p rio ri ve rw irft, k a n n sich n u r a u f den G lauben, die H o ffn u n g , die L ie b e berufen, w elch e d rei sie e n ttä u sc h t.

A b e r d as A rg u m e n t d er H o ffn u n g w ird d u rch die b ish e rig e E rfa h r u n g u n te r s tü tz t. E s ist uns ta ts ä c h lic h in ein em e rstau n lich e n M a ß e gelu n gen, den sch w an k e n d en W irrw a rr d er ersten W ir k lic h ­ k e it zu n ä c h st a u f eine O rd n u n g b e h arrlich er D in ge, so d an n k o n s ta n te r G ese tze zu bezieh en , die vo n d er S u b je k t iv it ä t unseres sin n lich en E rleb en s u n ab h än g ig u n d fü r d ie and eren S u b je k te , v o n denen w ir zu w issen g la u b en , d ie gleich e zu sein sch eint.

Im F o rtg a n g d er W isse n sc h a ft w u rd e die so e n t­

d e c k te O rd n u n g im m er gesch lo ssen er u n d ein h e it­

lich er. Im m er m eh r sch ein b a re R e g e llo s ig k e it erw ies sich als g e se tz lic h geo rd n et, im m er m eh r n eb en ein an d ersteh en d e S o n d erg e se tzlich k eite n k o n n ten u n te r allg em ein eren G esetzen zu sam m en ­ g e fa ß t w erd en . W a s w u nd er, d a ß d er forsch en d e M en sch en geist in d er e n td e c k te n O rd n u n g die G ew ä h r sah, d a ß sein G lau b e b egrü n d et, seine H o ff­

n u n g b e re c h tig t, seine L ie b e des L o h n e s sich er sei.

W a s w u n d er, d a ß er sich d as B ild d er d ritten , der a b so lu te n W ir k lic h k e it n a ch seinen W ü n sch e n form te, als ein e sich selb st gen ü gen d e, in sich b e ­ stän d ig e O rd n u n g, au s d eren W a h r h e it fü r unsere Sin ne jen er S ch ein d er ersten W ir k lic h k e it, fü r unseren su ch en d en V e r s ta n d die zw e ite W ir k lic h ­ k e it als ein P ro v iso riu m d er E rk e n n tn is h e rv o r­

gehe?

U n d d o ch h a t g era d e die E n tw ic k lu n g d er er­

fo lg reich sten F o rsch u n g , d er p h y sik a lisch en , diesen G lau b en ins W a n k e n g e b ra c h t.

Z u n ä ch st w u rd e ein T e il d er uns b e k an n te n

N a tu rg e s e tz lic h k e it als statistisch e G e s e tz m ä ß ig k e it e n tla r v t. M an ch w u n d erb are O rdnung e rw ies sich als sim ple F o lg e eines A u sg le ich s im M ittel o d e r d es S p iels d er gro ß en Z ah len , ihre th eoretisch u n ­ b e d in g te N o tw e n d ig k e it w u rd e z u r p ra ktisch u n ­ en d lich gro ß en W a h rsc h e in lic h k e it. D e r v e rb le i­

b ende T e il d er N a tu rg e s e tz lic h k e ite n geriet in V e rd a c h t, d er gleich en Q u elle zu en tstam m en . H ie rm it w a r d ie O rd n u n g k o n k re te r G e se tz lic h ­ k eiten , die d er A n b lic k d er N a tu r uns b o t, d er b is ­ h erigen K r a f t seines Z eu gn isses b e ra u b t. W en n das W u n d e r der O rd n u n g a u f d en g ro ß en A u s s c h n itt b e sc h rä n k t b lieb , ja au s einer U n o rd n u n g oder u n b ek an n te n O rd n u n g des K le in e n u n d K le in ste n h era u sw ach sen kan n , so v e rw e is t sie uns, s t a t t uns ein le tz te s d er a b so lu te n W ir k lic h k e it zu enth ü llen, a u f ein en d u n k len , w en n n ic h t ch ao tisch en , so uns d o ch u n b e k a n n te n G ru n d , v o r d em w ir vo n n eu em u m die le tz te n In v a ria n te n , an denen unser G lau b e u n d u n sere H o ffn u n g h ä n g t, zu rin gen h ab en .

D iesem M o m en t fü g te d ie d iv ergieren d e E n t ­ w ic k lu n g d er E in ze lw issen sch a fte n ein zw eites h in zu . A lle W issen sch a fte n gin gen zu n ä c h st vo n ein em e tw a s rohen, a b e r gem ein sam en E n tw u r f ein er zw e ite n W ir k lic h k e it a u s. D iese zw e ite W ir k ­ lic h k e it w a r zu g le ich die n a iv e, in d er wir selb st u n d u n seresgleich en in m itte n ein er W e lt vo n W esen und D ing en allerlei A r t le b en u n d u n s b ew egen , G etreid e, H ä u ser u n d M asch in en b a u en . D e r R a u m dieser W e lt w a r d reid im en sio n al u n d eu klid isch , die Z e it ein d im en sio n al u n d n ic h t u m k eh rb a r. D ie leb en d igen u n d to te n D in g e h a tte n ih re E ig e n ­ s ch a fte n und ihre B e zie h u n g e n zu ein an d er, die V erä n d e ru n g en d ieser E ig e n sc h a fte n u n d B e z ie ­ h u n g en w aren vo n ein a n d er a b h ä n g ig u n d in d ieser A b h ä n g ig k e it zu erforsch en. D ie ser roh e E n tw u r f w u rd e n u n v o n d en ein zeln en W issen sch a ften w e ite r e n tw ic k e lt. W e n n w ir v o n dem G lau b en a u s ­ gehen, d a ß diese zw e ite W ir k lic h k e it n u r ein P r o ­ viso riu m ein er d ritte n ist, d er w ir uns im F o r t ­ s c h ritt d er E rk en n tn is n äh ern , d a ß diese d r itte eine in sich selb st ru h en d e O rd n u n g sei, so h ä tte e rw a rte t w erd en m üssen, d a ß die R ich tu n g en , in der die ein zeln en W isse n sc h a fte n an H a n d ih rer E rfa h ru n g en jen es n a iv e G erü st a u sb au en u n d w e i­

te r e n tw ic k elte n , am E n d e k o n ve rg ieren w ü rd en , d a ß also diese w eite re n tw ic k e lte n B e g riffssy ste m e in einem G e sa m tsy ste m v e re in b a r b leib en u n d in ih rer in h a ltlich e n E rfü llu n g w a ch se n d ü b erein ­ stim m en , ja sch ließ lich sich zu ein er T o ta lit ä t z u ­ sam m en sch ließ en m ü ß te n . D iese E rw a rtu n g w u rd e n ich t e rfü llt. D ie E in ze lw isse n sc h a fte n k o n v e r­

g ierten n ich t, son d ern d iv e rg ie rte n ; sie e n tw ic k e l­

ten ihre B e g riffs s y s te m e in v ersch ied en er R ic h tu n g .

H ie rd u rch gin gen diese B e g riffssy ste m e d er M ö g ­

lic h k e it eines gem ein sam en B e zu g e s a u f eine und

d ieselbe d r itte W ir k lic h k e it v e rlu stig . N u n t r a t

an S telle d er E rg ä n z u n g zu ein er T o ta lit ä t d er

W id e rs tre it. D a s e in h eitlic h e P ro viso riu m einer

zw e ite n W ir k lic h k e it zerfiel in m ehrere zw eite

W irk lic h k e ite n , v e rsch ied en er und ein a n d er w id er-

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R i e z l e r : Die Krise der „W irk lich k eit” . /° 7 sp rec h en d e r logischer S tru ktu r. H ie rd u rch w u rd e

d ie d r itte W irk lich k eit in eine eig en artige P ro b le m a ­ t i k v e rs tric k t. W ie konnten B e tra c h tu n g sw e isen u n v e re in b a re r S tru k tu r in einem u n d dem selb en G eg en stä n d e Zusam m enhängen? W e lc h e v o n den versch ied en en zw eiten W irk lic h k e ite n sta n d d er g e su ch te n d ritten am n äch sten? D ie a n o rgan isch e N a tu r erschloß sich der p h y sik a lisch en M eth od e, d ie organische N atu r, v o r allem a b er der leb en d ige M enschengeist, leistete W id e rsta n d . H ie r b lieb die Z u ord n u ng von G rößen, so w e it sie m ö g lich w ar, äußerlich . D er V ersu ch einer e xp erim en tellen P s y ­ chologie, n atu rw issen sch aftlich e M eth od en a u f d as seelische G esch ehen anzuw enden, m iß la n g . D ie H isto rie em an zip ierte sich v o n dem D r u c k d er n atu rw issen sch aftlich en M ethode und b ild e t einen In d iv id u a litä ts- und E n tw ick lu n g sb eg riff, der m it d e r G eltu n g des p h ysik alisch en K a u salb e g riffe s in einer und derselben W irk lic h k e it n ich t zu sam ­ m en bestehen kan n — es sei denn, der eine oder d e r andere w ird in dem G ew irr ein er k ü n stlich en T erm in o lo gie od er in d er V ersch w o m m en h eit b lo ß e r W o rte um die P rä zisio n seiner B e d e u tu n g g e b ra c h t . W ie die G esch ic h te m it d er N a tu rw isse n ­ s c h a ft um das E ig 3 n re ch t des G eistes, so ra n g die v ita lis tis c h e B io lo g ie m it d er m ech anistisch en um d en B e g r iff des L eb en s. In d er einen w a r fü r die eh erne N a tu ro rd n u n g , in d er ändern fü r das W u n ­ d er des L eb en d ig en kein P la tz. So erw uchs aus der D iv erg e n z der B e g riffssyste m e ein S tre it d er E in ze l­

w issensch aften , die sich w id ersp rach en , s t a t t sich zu ergänzen. D a s Z iel a ller F o rsch u n g , die d ritte W ir k lic h k e it und ihre a b so lu te O rd n u n g, t r a t ins D u n k e l zurü ck.

A b e r dieses E n tw ick lu n g sm o m en t w äre fü r sich allein v o r dem Z eu gn is d er a n o rgan isch en N a tu rw issen sch aft und ih rer E rfo lg e o h n m ä ch tig geb lieb en, w enn n ich t au ch a u f deren eig en stem G eb ie te neue E n td eck u n g en die P r o b le m a tik des verw a n d ten B e griffssystem s e n tla r v t h ä tte n . D ie P h y sik w urde gezw ungen, das B e g riffssy ste m , das sie als selb stverstän d lich zu u n terstellen g e w o h n t w ar, S tü c k fü r S tü c k u m zu g estalten . E s s te llte sich herau s, d aß gewisse ko n k rete E rsch ein u n gen , die b e i V erw en d u n g des g ew o h n ten O rd n u n g sg erü stes sich n ich t oder nur u n ter ü b erau s k ü n stlich e n u n d ko m p lizierten H ilfsm aß nah m en m itein a n d er in E in k la n g bringen ließen, b e i ein er U m g e s ta ltu n g dieses O rdnungsgefüges a u f eine w e ita u s ein fach ere F orm el geb ra ch t oder gar u n ter einem gem ein sam en G e s e tz zu sam m en gefaßt w erden k o n n ten . D ie P h y s ik m u ß te streben, ihre versch ied en en G eb ie te, M e ch a n ik , E lek tro d yn a m ik , O p tik, T h e rm o d y n a ­ m ik, C h em ie usw . m iteinander zu verb in d en , ihre S o n d erg e se tze als S p ezialfälle allgem ein erer G e ­ setze zu begreifen , die Zahl der N a tu rg e se tz e zu verm in d ern , ihre F o rm zu verein fach en u n d ih n en einen a llg em ein gü ltig en , vo n dem S ta n d p u n k t des B e o b a c h te rs u n ab h än gig en A u sd ru ck zu geb en . D iesem S tre b e n o p ferte die P h y sik S tü c k fü r S tü c k des O rd n u n g sg erü stes unserer anschaulichen W e lt, e rg riff die v o n der M a th em a tik gegebenen M ö g lich ­ H eft 37/38.1

14.. 9. 1928J

k e iten , ü b er die A n sc h a u u n g h in au s zu anderen O rd n u n gsgerü sten fo rtzu sch re iten u n d g e rie t in eine m a th em a tisch e S y m b o lik , die m it dem B e ­ g riffssy ste m der n a iv en W e lt, in der w ir leb en und h an d eln , w en ig m eh r zu tu n h a tte , ja sich s c h lie ß ­ lich je d e r a n sch au lich en Ü b e rse tzu n g zu en tzieh en d ro h t. D ie E in ze lh eite n dieser a u ch h e u te n och n ic h t ab gesch lossen en E n tw ic k lu n g , in deren V e r ­ la u f die B e g riffe d er S u b sta n z, die V o rste llu n g ein er m it E ig e n sc h a fte n b e g ab te n M aterie v e r ­ sch w an d en , d er p h y sik a lisc h e R a u m seine e u k lid i­

sch e F o rm , die Z e it ihre A u sze ich n u n g v o r dem R a u m e ve rlo r, u n d sch lie ß lich die P u n k te einer vierd im en sio n a len M a n n ig fa ltig k e it m it einer en d lich en A n z a h l p h y sik a lisc h e r Z u sta n d sg rö ß en b e g a b t w u rd en , m ögen v o n den sich streiten d en P h y sik e r n a u f die eine od er andere W eise in te r­

p re tie rt w erd en : d as O rd n u n g sgerü st des p h y s ik a ­ lisch en W e ltb ild e s en tfern te sich v o n dem n aiv en w ie v o n den d er and eren W issen sch a ften u n d b lieb au ch n ach dieser seiner V erw a n d lu n g fra gw ü rd ig u n d w eiter w an d elb ar.

J e tz t zerfiel au ch in nerh alb der P h y s ik die zw eite W irk lic h k e it, also das B ild der d ritte n , in m ehrere m ö g lich eW irk lich k eitsb ild er versch ied en er b e g rifflich e r S tru k tu r . D ie uns b e k an n te O rd n u n g des N a tu rg esch e h e n s ließ sich in versch ied en en O rd n u n gsgefü gen d arstellen . W elch e au s den M ö g lich keiten d er F o rm u lie ru n g is t die ric h tig e?

E t w a d iejen ig e, die m it d er gerin gsten A n z a h l u n ­ a b h än g ig er V a ria b le n a u sk am , die die N a tu rg e se tz e in den e in fac h ste n u n d sch ö n sten m a th em a tisch en S y m b o len fo rm u lierte? A u c h dann, w en n diese V o rz ü g e m it ein em V e r z ic h t a u f die uns g ew o h n te F o rm des R a u m e s u n d d er Z e it e rk a u ft, m it ein er K o m p lik a tio n des zu g ru n d e geleg ten O rd n u n gs­

gefü g es b e za h lt w erd en m u ß ten ?

A b e r so p ein lich die P r o b le m a tik dieser F ra gen au ch w ar, so t r a f sie d och die b ish erige A n sch a u u n g vo n dem V e rh ä ltn is der drei W irk lic h k e ite n u n te r­

ein an d er u n d ein er jed en zu d er W a h rh e it n u r in einer T eilth ese, d ie v ie lle ic h t e n tb eh rlich oder w en ig ­ stens d er V erb esse ru n g fä h ig w ar.

W e n n die O rd n u n gsg efü g e w a n d elb a r und deren m ehrere m ö g lich w aren , so w a r das n a iv e O rd n u n gs­

gerü st, v o n dem w ir au sgin gen, eben n och n ich t das der a b so lu te n W irk lic h k e it, n och n ic h t d as ein zig m öglich e u n d ve rp flic h te n d fü r alle W isse n ­ sch aften und ihre W irk lic h k e ite n .

W en n so d as bish erige O rd n u n g sgefü g e noch n ich t d as le tz te und a b so lu te w ar, so ko n n ten w ir d o ch w e ite r anneh m en, d a ß es ein solches w ah res und le tz te s gab , d a ß w ir uns ihm näh erten u n d es am E n d e erreich en w ü rd en . D ie V o rstellu n g d er d ritte n W ir k lic h k e it als einer vollkom m en en , sich selb st gen ü gen d en O rdnung, b lieb u n er­

s c h ü tte rt.

N u n ab er v e rw ic k e lte n neuere E n td eck u n g en a u c h diesen K e rn p u n k t des bisherigen G lau b en s in eine u n erw a rte te P ro b lem a tik . In allen b ish e ri­

gen W a n d lu n g en d er p h ysik a lisch en G ru n d b e g riffe w a r die K a u s a litä t u n a n g eta stet geb lieb en. N u n

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708 R i e z l e r : Die Krise der „W irklichkeit*

stellten sich fü r d as G esch eh en im K lein en , also in der Q u an ten th eorie, Z w eifel ein, ob in an m it der bish erigen F o rm d er K a u s a litä t au sko m m en w ü rd e.

D ie e in d e u tig e D e term in a tio n des G esch ehens w u rd e s tr ittig . L ü c k e n d er D e term in a tio n tra te n au f. D a s G ese tz, die A b w a n d e lb a rk e it s tetig e r V erä n d eru n g , sch ien zu versa gen . D ie G eltu n g der K a u s a litä t, m it ih r die e in d eu tig e D eterm in a tio n , ist n u r m eh r fü r den gro ß en A b s c h n itt u n b e z w e ife lt:

h ier ab er kan n sie k r a ft des S piels d er W a h rsc h ein ­ lic h k e ite n au s einer ga n z and eren O rd n u n g, ja , aus der U n o rd n u n g des K le in e n h erau s w ach sen .

H ie rm it is t die le tz te der E ig e n sc h a fte n s trittig gew o rd en , die w ir je n e r d ritte n a b so lu ten W ir k ­ lic h k e it zu u n terste llen g e w o h n t w aren . W e n n es n ich t w a h r ist, d a ß diese W e lt u n ter den H än d en d er F o rsch u n g sich als eine ein d eu tige, in sich g e ­ schlossene O rd n u n g erw eist, d a n n s tü rz t m it dem N a tu rb ild d er le tz te n J ah rh u n d e rte d as gan ze, au f dieses N a tu rb ild g e s tü tzte G eb ä u d e u n serer A n ­ sch a u u n g en ; d an n ist alles anders, o d er k a n n w e ­ n igsten s and ers sein. D e r G lau b e an eine eherne O rd n u n g d er N a tu r n a ch u n verän d erlich en , das A ll d u rch w alte n d e n G esetzen , w a r die g rö ß te geistig e T a ts a c h e d er le tz te n J ah rh u n d erte. W enn dieser G lau b e w a n k t, m üssen Z w eife l die S e tz u n g d ieser a b so lu te n W ir k lic h k e it selb st u m ran ken . Wrozu d an n diese S e tzu n g ? W a ru m sich d an n n ich t m it jen er ersten W ir k lic h k e it begn ü gen, die z w a r v e rw irrt, a b er d och w en igsten s b u n t leb en d ig ist?

D ie S itu a tio n ist h ö c h st eig en a rtig u n d v o n u n ­ b e sch reib lich er V erw irru n g . U n sere K en n tn isse reich en aus, jed e n b ish erigen G lau b en in Z w eifel zu ziehen, n ic h t a b er ein en n eu en zu b egrü nd en . D ie P h y sik e r sind w ed er ü b er die E rg eb n isse ih rer F o rsch u n g en , n och ü b e r die w elta n sch a u lich e n K o n se q u e n zen d ieser E rg eb n isse einig. M an ch e vo n ih n en sind S p iritu a liste n , and ere S en su a listen g e ­ w ord en. D ie sp eku lieren d en N ic h tp h y s ik e r aber, die den P ro b lem en des leb en d igen G eistes z u g e w a n d t sind, b egin n en lan gsam , sich v o n d em D r u c k einer ehernen N a tu ro rd n u n g frei zu fü h len und n ach a llen S eiten in d as w eite, a b er e tw a s n eb lige L a n d b lo ß er M ö g lich k eiten a u szu sch w eifen , w o nun W u n d er-, A b e r- u n d U n g la u b e a ller A r t in dem F a lte n w u r f ein er w issen sch aftlich en T h eorie kreu z und q u er ein h ersch reiten.

A u s solch er V e rw irru n g keh ren w ir zu m A n fa n g zu rü ck . W a s w o llte n w ir eigen tlich , als w ir die M a n n ig fa ltig k e it des sinn lich en G eg eb en en a u f das o b je k tiv e S ein ein er ab so lu te n W ir k lic h k e it b e ­ zogen ? W ir w o llte n uns aus dem S ch w a n k en d en a u f das F este, aus dem W e ch se l a u f das B leib en d e, aus d er U n o rd n u n g in die O rd n u n g re tten . W ie ko n n te n w ir v o n vo rn h erein w issen, w ie d u rften w ir uns einbilden, zu w issen, ob, b is zu w elch em G ra d e und a u f w elch em W e g e uns das gelingen w ird ?

Z u n ä ch st is t die uns gegeb en e M a n n ig fa ltig k e it v o r allem D e n k en kein esw egs ein C h aos. Sie b e ­ ste h t au ch n ic h t aus E in zelelem en ten , den E m p fin ­ dungen, die sich b a ld so, b a ld so, w ech seln d v e r ­

binden. D iese V o rs te llu n g ist d as E rzeu g n is einer g a n z späten, n och d a zu falsch en R e fle x io n über d as G egebene, a b er n ic h t d as G eg eb en e selbst.

D e r schillernde F lu ß des E rle b e n s ist d u rch w eg v o n F o rm u n g en u n b e w u ß te r u n d v o rb e w u ß te r H e rk u n ft d u rch zogen und v o n ih n en a u f keine W eise zu trenn en . A u c h der Z u sa m m e n h a n g unseres in diesem F lu sse um feste F o rm u n g en rin gen d en Ic h s u n d seines V erstan d es, ist erste G eg eb e n h eit.

E s ist also kein esw egs ein fach , diesem form end en V erstä n d e H a lt zu geb ieten u n d b ei d er sinnlichen G eg eb en h eit als d er e rsten W ir k lic h k e it steh en zu bleiben, w ie die S en su a listen tu n .

W e n n w ir nun den T en d e n zen unseres D en k en s folgen d , zu der S e tzu n g eines „ o b je k t iv e n " Seins fo rtsch reiten , so h a b en w ir ein en gew issen, au ch v o n den S en su a liste n n ic h t zu leu gn en d en E rfo lg . E s g e lin g t uns u n b estre itb a r, uns selb st und unsere M itm en sch en in R a u m u n d Z e it ein zu o rd n en und unsere E m p fin d u n g en a u f re la tiv b eh arrlich e G eg en ­ stän d e ein er in R a u m u n d Z e it au sg ed eh n ten A u ß e n ­ w e lt zu b ezieh en , a u f D in ge, die w ir sehen, b erü h ren und w ied er vo rfin d e n u n d deren E ig e n sch a ften V erä n d e ru n g en u n d B e w e g u n g e n w ir d u rch R egeln m itein a n d er verb in d en .

N u n b e g in n t erst die e ig en tlich e S ch w ierig k eit.

D a s e rstau n lich e F a k tu m , d a ß es uns g elin g t, eine r e la tiv b eh arrlich e O rd n u n g zu form en, re c h t­

fe r tig t n och kein esw egs die B e h a u p tu n g , d a ß die O rd n u n g, die w ir form en, die ab so lu te u n d s c h le c h t­

h in v o n uns u n ab h än g ig e sei. Sie is t w ed er ih rem A n h a n g n och ih rer in neren S tr u k tu r n ach fertig , a u ch n u r re la tiv zu dem w irren W a n d e l un serer sinn ­ lich en W e lt b e h arrlich u n d o ffe n b a r in ih rer B e so n ­ d e rh e it im m er n och a b h ä n g ig v o n d er B e so n d e rh e it un serer Sinne, w ie unseres V ersta n d es. T ro tzd e m w ill es uns n ic h t gelingen , d iesen re la tiv e n E rfo lg e tw a aus un serem V e r s tä n d e zu erklä ren und die e n td e c k te O rd n u n g als sein Wre rk au szu geb en . W ir kö n n en z w a r b e h au p te n , d a ß die fü r die W e lt der Z a h le n ge lten d en G ese tze un serem V e rstä n d e angehören, ja , d a ß w ir eben v o n d er uns g egeb en en sinnlichen M a n n ig fa ltig k e it d ie je n ig e S c h ic h t ab- lösen, die diesen Z a h len o rd n u n g en u n d den anderen O rd n u n gsgefü gen gem äß is t — a b e r w ir kön nen n ich t aus un serem V e r s tä n d e ab leiten , d a ß sich eine d er­

a rtig e S c h ic h t ü b e rh a u p t loslösen lä ß t u n d die A n ­ w en d u n g d er Z a h le n u n d ihre G ese tze a u f die sin n ­ lich e G eg eb e n h eit zu em pirisch en G esetzen v o n der A r t des F a llg e se tz e s od er d er H im m e lsm ech an ik fü h ren m u ß . D ie E ig n u n g d er sin n lich en G eg eb en ­ h eit, sich a u f diese W^eise r e la tiv ord n en zu lassen, ka n n nur aus d ieser G eg eb e n h eit selbst, n ic h t ab er au s dem V e rstä n d e e rk lä rt w erd en . D e sh a lb setzen w ir eine a b so lu te W ir k lic h k e it als den G ru n d dieser E ig n u n g u n d m üssen sie setzen . W ir setzen sie, a b er w ir w issen n och n ic h ts ü b e r sie. D a s Sein dieser a b so lu te n W ir k lic h k e it k a n n uns n och n ich ts ü b er ih r Sosein sagen, d enn dieses Sosein is t ja d u rch a u s a b h ä n g ig v o n den B e g riffssyste m en , O rd n u n gsgefü gen , F o rm g erü sten unseres V e r ­ stan d es. W7as w ir fassen, ist ein S p ieg elb ild ; der [" Die N atur­

wissenschaften

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14. 9. 1928J R ie z l e r : Die Krise der „W irk lich keit“ . 709

S p ie g e l is t unser Verstand. W ir w issen n ich t, in ­ w ie w e it dieser Spiegel getreu u n d in w iew eit er u n g e tre u ist. E r kann getreu sein, kan n a b er a u ch b is z u r U n ken ntlich k eit verzeich n en . W ir nehm en z w a r m it einer gewissen logisch en B e re c h tig u n g a n , d e r Spiegel sei desto getreuer, je w u n d erb arer d ie O rd n u n g ist, die w ir en td ecken , u n d w ären also d e r d ritte n W irklichkeit d a am n äch sten , w o die e n td e c k te Ordnung am ü b errasch en d sten ist.

D a w ir nun w eiter dazu ü bergingen , u m gew isser U n ord n u n gen willen von der G esch m eid ig k eit und A usd eh n u n g sfäh igk eit der m a th em a tisch e n F o rm ­ ge fü g e G ebrau ch zu m achen und den S p ieg el selb st e tw a s zu verändern, nehm en w ir an, d a ß d erjen ige S p ieg el am getreuesten ist, w elch er die ein fac h ste a n d erstaunlichste O rdn un g w ied erzu geb en v e r ­ m ag. So wurden w ir v e rfü h rt, m it der V o rstellu n g ein er absoluten W irk lic h k e it die einer lücken losen O rd n u n g zu verb in d en . U m der m ath em atisch en F o rm und E in h e itlic h k e it dieser O rd n u n g w illen, h ab en w ir das v e rw a n d te O rd n u n gsgefü ge seiner A n sch a u lich k e it e n tk le id e t u n d in eine m a th e m a ti­

sch e S y m b o lik h ö c h ste r A b str a k tio n u m g esta lte t.

U n d nun en td e ck e n w ir au f dem G ru n d e dieser O rd n u n g, w en n n ich tU n o rd n u n g , so d och das R e c h t d ie O rd n u n g zu b ezw eifeln . A b e r vie lleich t haben w ir b ei diesem S ch lu ß vo n d er O rd n u n g a u f das A b so lu te einen F eh lsc h u ß getan . W as d u rften w ir sch ließen und w as haben w ir geschlossen? W en n w ir eine O rd n u n g em pirisch er G ese tzlich k eit fan den, deren G rund n ich t in unserem V erstä n d e liegen k o n n te , so durften w ir den G ru n d d ieser O rd n u n g in ein er absoluten W irk lic h k e it v e rm u te n . W ir sin d indes über diesen e rlau b ten S ch lu ß h in a u s­

g egan gen und haben u n terstellt, d aß diese a b so lu te W irk lic h k e it n ich t nur einen G ru n d d ieser O rd n u n g e n th a lten , sondern eine ein h eitlich e in sich selb st fertig e, vo n einer endlich en A n z a h l v o n G esetzen d u rch w altete O rdn un g sein m üsse. Ja, w ir h a b en den B e g riff der vo n uns u n ab h än gig en , ab so lu ten W irk lich k eit selbst m it dem B e g riff einer solch en lückenlosen O rdnung v e r k e tte t. H ierzu w a ren w ir n ich t b erech tigt. W o h er kön nen w ir w issen, d a ß eine vo n uns un abh än gige W e lt, in sich lü ck en lo s u n d einheitlich geordn et u n d in dieser O rd n u n g b eh arrlich sei? N u r w eil w ir es so w ü n sch en ? W'eil w ir diese u n abh än gige W e lt berech n en u n d d ad u rch beherrschen w ollen und sie sich n u r b e ­ rechnen und beherrschen lä ß t, w en n sie in sich vo llk om m en , und zw ar au f eine b e stim m te W eise ge o rd n et ist? H aben w ir v ie lleic h t den W u n s c h zu m V a te r des G edankens g em a ch t u n d diese d r itte W irk lic h k e it m it einem Z u v ie l an E ig e n ­ sc h a fte n b elad en ?

In d er T a t : es kan n sehr w ohl eine v o n uns u n d u nseren S in n en u nabh ängige A u ß e n w elt g e d a c h t w erden , d er w ir selbst angehören und v o n d er u n ser sin n lich es E rleb en ab h än gig ist und die k ein esw egs eine fertig e, in sich geschlossene O rd ­ n u n g n a ch u n verän d erlich en G esetzen ist. V ie l­

le ic h t ist die W e lt g a r keine fertige O rdnung, son ­ dern O rd n u n g m it U n o rd n u n g gem ischt, um O rd ­

n u n g rin gen d und in B ild u n g b eg riffen . D iese A n ­ n ah m e is t m iß lich und u n b eq u em , denn d an n w äre d as Z ie l d er W issen sch a ft n ic h t e rreich b a r — sie is t a b er n ich t u n erlau b t. O d er diese O rd n u n g kan n so b esch affen sein, d aß sie m it den uns gegeb en en M itteln , w ie im m er w ir sie au ch u m g estalte n und erw eitern m ögen, n ich t, oder n u r u n vo llko m m en e rfa ß t w erd en k a n n . A u c h diese A n n ah m e ist u n ­ e rw ü n sch t, a b er a u ch sie is t e rlau b t. W ir m üssen n a ch d ieser O rd n u n g su ch en : ab er w ir d ü rfen sie w ed er als eine v o llk o m m en ere und fertig e v o ra u s ­ setzen , n o c h d er v o ra u sg e se tz te n eine besondere S tru k tu r, die M e ß b a rk e it, die D e term in a tio n n ach ein d eu tigen D ifferen tia lg le ich u n g en (K a u sa litä t) usw . v o r je d e r P rü fu n g u n terstellen .

E in g ro ß er P h y s ik e r ( P l a n c k ) g la u b t, den g o r­

d isch en K n o te n zu d u rch h au en u n d b e s t im m t :

„ W ir k lic h k e it ist, w as gem essen w erd en k a n n .“

D ie L ie b e ist eine u n geh eu er w irk lich e T a tsa ch e , ihren eigenen G esetzen folgen d, und ist d och n ich t m eßb ar. P l a n c k w ü rd e v e rm u tlic h erw id ern : das is t n ich t die W irk lic h k e it, fü r die ich m ich interessiere. Ic h interessiere m ich n u r fü r die p h y sik a lisch e. A b e r diese A n tw o rt, die den P h y s i­

k er b efried ig t, h ilft dem P h ilosop h en n ich t w eiter.

M an ka n n gew iß dekretieren , m an nenne das M eßb are w irk lich . M an kan n a b er n ic h t dekretieren , d aß die g esam ten D a te n d er ersten W irk lic h k e it und ihre B ezieh u n gen u n d A b h ä n g ig k e ite n u n te r­

ein an d er sich a u f G rö ß en b ezieh en u n d in G rö ß en sollen au ssch eid en lassen, d a ß also alles m e ß b a r und d a ß dieses M eß b are eine sich selb st gen ügende, v o n allem an d eren u n ab h än gig e T o ta lit ä t sei, in der alles G eg eb en e seine S telle h a t. M an m u ß d as s ta tt zu d ekretieren , v o n d er E rfa h ru n g erfragen.

A u f diese F ra g e nun a n tw o r te t die m oderne P h y s ik n ich t m eh r m it d er S ich erh eit d er a lten .

D ie W e lt ist e in e ra u m ze itlich e, also v ie r d im e n ­ sionale M a n n ig fa ltig k e it. Jed er „ W e l t p u n k t “ d . h . also ein R a u m p u n k t in einem b estim m ten Z e itp u n k t, is t d u rch v ie r K o o rd in a te n , drei des R a u m es und eine d er Z eit, festg e leg t, v o n deren geom etrisch er F o rm h ier ab geseh en w erd en kan n . Zu seiner v o lls tä n d ig e n B e stim m u n g sind n och einige w eitere Z ah len erford erlich , die seine p h y s i­

kalisch en Z u sta n d sg rö ß e n b ed eu ten sollen. N u n w ird z u n ä c h s t b e h a u p te t, d a ß die A n g a b e all d ieser Z ahlen fü r jed e n Wre ltp u n k t die gesam te W e lt u n d ihren In h a lt v o lls tä n d ig u n d ein d e u tig b ezeich n e.

Wrenn ich in d es b e i d ieser B e h a u p tu n g steh en bliebe, w ä r e d as gan ze V erfa h re n sinnlos. W o zu eig en tlich diese e tw as u m stä n d lich e A r t d er B e ­ zeich n u n g m it Z a h lg eb ild en und Z a h lgestalten , die n ich ts w en iger als ein fac h sind? U n d w oh er s ta m m t d er G lau b e, d aß es n ich ts g ib t und geben k a n n , das n ic h t an solch e R a u m - und Z e itp u n k te zu h e fte n u n d als G rö ß e zu m essen w ä re ? D o ch o ffe n b a r aus d er A n n ah m e, d aß alle diese Z a h l­

g e s ta lte n u n terein an d er n ach R egeln d e rg e sta lt

Z u sa m m e n h ä n g e n , d aß sie e in e au f sich s e lb s t g e ­

ste llte E in h eit, eine sich selb st gen ü gend e T o ta litä t

b ild e n ; d e rg e sta lt also, d aß jed e d ieser Z a h lg e sta l­

(8)

7 io R i e z l e r : Die Krise der „W irk lich keit" r Die Natur­

wissenschaften

ten n ach einem b e stim m te n S y s te m d u rch andere dieser Z a h lg e sta lte n ein d e u tig b e stim m t, also in n ich ts v o n e tw a s a u ß e rh a lb a b h än g e, w as n ich t w ied er eine solch e Z a h lg e s ta lt w äre. D en n d er Sinn der Z a h lg e s ta lt ist die R eg el, d er sie u n terste h t.

M an w a r n u n b ish er d er A n sic h t, d a ß die p h y s ik a li­

schen Z u sta n d sg rö ß e n jed es b elieb ig en W e ltp u n k ­ tes d u rch d ie Z u sta n d sg rö ß e n der rä u m lich b e ­ n a ch b a rte n W e ltp u n k te des vo rau sg eh en d en Z e it­

m om entes ein d e u tig b e stim m t sind. E s ist d as die T h ese d er p h y sik a lisch en K a u s a litä t, g e s tü tz t au f die au ssch ließ lich e G e ltu n g ste tig e r N a h ew irk u n g s­

gesetze und a u sg e d rü c k t in ein d eu tigen D iffe re n tia l­

gleich u n gen , den N a tu rg esetzen . M an ist h eu te w oh l ziem lich allgem ein ü b erzeu gt, d aß m an fü r das G esch ehen im K le in s te n des K le in e n m it d ieser T h ese n ich t m eh r au sk o m m t. N u n k a n n m an zw eifellos an S telle dieses k a u sa len D e te rm in a tio n s­

system s andere au sd en ken , w elch e e b en fa lls e in ­ d eu tig, w en n gleich w en iger e in fach sind, w eil sie andere als d ie b e n a ch b a rten W e ltp u n k te h e ra n ­ ziehen, a u f die A lle in h e rrsc h a ft v o n N a h e w irk u n g s­

gesetzen v e rz ic h te n u n d den d eterm in ieren d en G leich u n gen eine andere, w e it k o m p lex e re F o rm g eb en m üssen. W e n n w ir n u n h e u te in der A to m ­ p h y s ik v o r gew issen L ü c k e n d er D e term in a tio n stehen, so kö n n en w ir n ic h t w issen, ob es uns n ich t noch gelin gt, diese L ü c k e n , sei es a u f dem B o d en d er a lte n K a u s a litä t, d u rch R e v isio n d er bisherigen Z u sta n d sg rö ß en oder E n td e c k u n g n euer, sei es d u rch eine Ä n d e ru n g des D e term in a tio n ssy ste m s, au szu fü llen . W e n n a b er jem a n d , s t a t t sich a u f d e ra rtig e b lo ß e H o ffn u n g en zu v ersteifen , diese D e term in a tio n slü ck en h in n eh m en u n d b e h au p te n w ill, diese vierd im en sio n a le M a n n ig fa ltig k e it m it ihren W e ltp u n k te n u n d p h y sik a lisc h e n Z u sta n d s­

g rö ß en sei g a r k ein in sich selb st geschlossenes und sich selb st gen ü gend es S y stem , w esw egen d an n d er­

a rtig e L ü c k e n n ic h t n u r a u ftr e te n kön nen , sondern a u ftre te n m üssen, so k a n n ih m eine solche T h ese be i dem je tz ig e n S ta n d d er n atu rw issen sch a ftlich en E rk e n n tn is a u f keine W e ise v e rw e h rt w erd en . W a s w ü rd e n u n aus so lch er T h e se fü r den B e g riff ein er ab so lu te n W ir k lic h k e it u n d ih r V e rh ä ltn is zu r p h y sik a lisch en E rk e n n tn is fo lgen ? W ir kön nen ersten s ann eh m en , d a ß die gesam te W ir k lic h k e it d u rch je n e Z a h lg e sta lten , w elch e die W e ltp u n k te un d ihre p h y sik a lisch en Z u sta n d sg rö ß e n b ed eu ten , v o lls tä n d ig b e ze ich n et sei, d a ß es also n ich ts gäb e, w as n ic h t eine solch e Z a h lg e s ta lt w äre o d er sich in ein er solch en a u sd rü ck e n ließ e. D a n n e n th ielten n ach un serer T h e se diese Z a h lg e sta lte n einige E lem en te od er W e rte , w elch e n ic h t v o n anderen Z a h lg e sta lte n n ach G ese tzen a b h än g ig , sondern sch lech th in u n g e o rd n et w ären . D iese E lem en te b e d eu te n d an n z. B . V erä n d e ru n g en v ö llig u n ­ g e re ge lte r A rt, w illk ü rlich e S p rü n g e als U rsach en ih rer selb st. D e r uns b e k a n n te S ta n d der N a tu r ­ g e se tz lic h k e it w äre m it dieser T h e se d u rch die B e h a u p tu n g in E in k la n g zu brin gen , d a ß sich der E f f e k t dieser w illk ü rlic h e n S p rü n g e, die an das kle in ste des k lein en geb u n d en sind, im M itte l des

groß en A u ssc h n itte s au sgleich e. D iese e rste A n ­ n ah m e b e d e u te t a lso : d ie a b so lu te W ir k lic h k e it w ird in d er p h y sik a lisc h e n v o lls tä n d ig erfaß t, is t a b er keine lü ck en lo se O rd n u n g. A lle s w as ist, ist m eß b ar. D a s M eß b are is t a b e r un vollkom m en g eo rd n et.

O d er w ir kön nen zw eiten s a n n eh m en : die g e ­ sam te W ir k lic h k e it w ird d u rc h die W e ltp u n k te und ihre Z a h lg e s ta lte n n ic h t v o lls tä n d ig b ezeich n et.

E s w ird n u r d iejen ig e S c h ic h t e rfa ß t, die sich a u f das v o n der P h y s ik v e rw a n d te O rd n u n gsg e rü st vo n R eih en und G rö ß en ü b e rtra g e n lä ß t. D a diese S c h ic h t sich n ic h t selb st g e n ü g t, tre te n in ihr L ü c k e n d er O rd n u n g a u f. H ie r ist d as M eß b are n ach ein er R e g e l, d ie w ir n ic h t kennen, a b h ä n g ig vo n e tw a s U n m e ß b a re m , d as in d e r S p ra ch e d er P h y s ik n ic h t e in m a l a u s g e d rü c k t w erd en kan n . D a h e r b e d e u te t diese zw e ite A n n a h m e im G eg en satz zu der e r s te n : die a b so lu te W ir k lic h k e it is t b re ite r und reich er als die p h y sik a lisch e. Sie w ird d u rc h die p h y sik a lisc h e n ic h t ein m al v o lls tä n d ig b e ze ich n et.

Ih re O rd n u n g ist dem O rd n u n g sge rü st n ic h t v ö llig a d ä q u a t. O b sie in sich vo llk o m m en o d er u n v o ll­

kom m en, fe r tig od er u n fe rtig ist, w issen w ir n ich t.

Sie ka n n b eid es sein.

W e lc h e r v o n diesen b eid en A n n ah m en sollen w ir nun den V o rz u g g eb en ? D ie P h y s ik kan n diese F ra g e n ic h t en tsch eid en . Ih re K o m p e te n z und ih r In teresse en d e t m it d e r m eh r o d er w en ig er resign ier­

ten H in n ah m e v o n D e term in a tio n slü c k en . W e n n sie d a ra n ve rz w e ife ln m u ß , diese L ü c k e n m it p h y sik a lisch en M itte ln a u szu fü llen , g ilt es ihr gleich, o b sie m it a u ß e rp h y sik a lisc h e n A n n ah m en a u sfü llb a r sind o d er n ich t. F ü r die P h ilo so p h ie aber, w elch e sich u m die E in h e it des W e ltb ild e s zu bem ü h en h a t, k a n n w ed er d as In teresse an dieser F ra ge, n och ihre E n ts c h e id u n g zw e ife lh a ft sein.

S ie m u ß d er zw e ite n A n n a h m e v o r d er ersten den V o rz u g geb en . N ic h t nur, w eil die zwre ite eine H o ffn u n g o ffen lä ß t, w elch e die erste zerstö rt.

D ie P h ilo so p h ie h a t es n ic h t n u r m it den E r g e b ­ nissen d er P h y sik , sond ern a u c h m it denen d er anderen W issen sch a fte n zu tu n . S ie w eiß au s der W e lt des leb en d igen G eistes v o n F o rm u n g en und O rdn un gen, d enen m it d em O rd n u n gsg efü g e der P h y s ik n ic h t b e izu k o m m en ist. S o lan ge m an a n ­ nah m , d as p h y sik a lisc h e W7e ltb ild ergäb e eine in sich geschlossene, sich selb st g en ü gen d e O rd n u n g, w a r es v e rstä n d lic h , w en n m an um d er E in h e it des W e ltb ild es, diese F o rm u n g en zu leu gn en , als b lo ß en S ch ein a u szu g eb en u n tern a h m od er w ie z. B . in d er A ss o zia tio n sp sy ch o lo g ie , sich v e r ­ z w e ife lt b em ü h te, sie m it d er lo gisch en S tru k tu r des p h y sik a lisc h e n W e ltb ild e s fü r v e re in b a r zu erklären u n d a u f seine G ese tz lic h k e ite n zu ü b e r­

tra g en . W e n n d as p h y sik a lisc h e W e ltb ild gar keine in sich gesch lossen e O rd n u n g e rg ib t und L ü c k e n in d er D e te rm in a tio n o ffen h ä lt, die d u rch p h y sik a lisc h fa ß b a r e F a k to r e n g a r n ich t a u s fü ll­

b a r sind, so h a b en w ir w ed er einen G run d, n o c h ein

R e c h t, jen en F o rm u n g en an d erer S tr u k tu r ih r

E ig e n re c h t a b zu sp re ch e n : W ir m üssen ihnen

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R i e z l e r : Die Krise der ,,W irklichkeit“ . 7 1 1

R a u m geb en und können sie in ein er a b so lu ten W ir k lic h k e it, welche die P h y s ik n ic h t v ö llig zu e rfassen verm ag, m it der p h y sik a lisch en G e se tz ­ lic h k e it zusam m en bestehen lassen, j a ve rm u ten , d a ß sie oder ihresgleichen ü b era ll d a w a lte n m ögen, w o die P h y sik vo r L ü ck en d er k a u sa len D e te rm i­

n a tio n ihre M ittel versagen sieh t.

Ic h kann nicht v o r a ller F o rs c h u n g w issen, o b die absolute W irk lich k eit in sich vo llk o m m en geo rd n et ist. Ich kan n n och w en ig er w issen, ob ih re Ordnung vo n einer unserem V e rstä n d e und seinen M itteln faß b aren A rt ist. Ic h k a n n m ich d a h er keinesw egs darü b er verw un dern , d a ß d as W e ltb ild d er P h y sik m it seinen vier D im ensionen, seinen W e ltp u n k te n und p h ysikalisch en Z u sta n d sg rö ß en u n geo rd n ete Stellen oder D e term in a tio n slü ck en a u fw e ist. Ic h h ä tte w eit m ehr G ru n d , m ich zu w u n d ern , w enn das n ich t d er F a ll w äre, w en n also d ie ab solu te W irk lich k eit die G n a d e h ä tte , n ich t n u r vollkom m en geo rd n et zu sein, sondern sich ge ra d e diesem, d u rch au s beson d eren u n d ab son d er­

lich e n O rd n u n gsgerü st zu fü g en . Ic h gebe z w a r zu, d a ß ein großer T e il d er m ir gegeb en en M a n n ig ­ fa ltig k e it sich a u f diese W eise ordn en lä ß t und w ü rd e m ich v ie lle ic h t dem Z eu gn is d ieser w u n d er­

b a re n O rd n u n g, n äm lich d er uns b ek an n ten N a tu r ­ g e s e tz lic h k e it, beugen, w enn sich n ich t deren g rö ß ter T e il zw a n g lo s und ohne besonderes W u n d er aus dem A u sg le ich im M ittel der groß en A u ssch n itte , also aus dem S p iel d er W a h rsch ein lich k eiten erklären ließ e. D a dies indes d er F a ll ist und d ah er die uns b e k a n n te kausale O rd n u n g im G roß en des G e ­ sch eh en s sowohl m it ein er U n o rd n u n g w ie m it ein e r m ir un faß baren au ß erk a u sa len O rd n u n g im K le in e n des Geschehens zu sam m en b e ste h en kan n, b in ich n ich t m ehr b erech tig t, aus d em G ro ß e n au f d a s K lein e, aus dem m ir b e k an n te n T e il d er N a tu r ­ g e setzlic h k e it au f den m ir u n b ek an n te n zu sch lie ­ ßen.

D ie p h ysikalisch e W ir k lic h k e it ist n ic h t die absolu te. Sie v e rh ä lt sich zu der ab so lu ten , w ie die geom etrische F o rm ein er grü n en W iese zu der R e a litä t dieser W iese m it ih rer E rd e, ih ren G räsern u nd K ä fern .

D ie absolu te W irk lic h k e it is t b re ite r als die p h ysikalisch e. Sie e n th ä lt p h y sik a lisch -u n fa ß b a re s, w ie die W iese geom etrisch u n fa ß b a res e n th ä lt.

W ir haben eben eine S c h ic h t a b g elö st und a u f ein gewisses O rd n u n gsgerü st ü b e rtra g e n . A b e r diese S c h ic h t ist n ich t das G anze. W e il sie n ic h t als G a n ­ zes a u f sich selbst steht, ist sie keine sich selb st g en ü g en d e O rdnung. E s m üssen d a h e r in ih r L ü c k e n d er O rdnung au ftreten, w o die v o n uns fe stste llb a re n p h ysikalisch en Z u sta n d sg rö ß en n ic h t d u rch a n d e re ein d eu tig b estim m t sind . D iese L ü c k e n b ra u ch en keine absolute U n o rd n u n g zu b e d e u te n : sie b ed eu ten nur eine U n o rd n u n g r e la tiv zu dem a n g ew a n d ten O rdnungsgefüge.

W en d e ic h an d ere O rdnungsgefüge an, so tre te n v e rm u tlic h an d ere L ü c k e n und U n v erein b ark eiten a u f. D e r ein e S p ieg el ve rzeich n et auf diese, d er a n ­ d ere au f je n e W eise — w eil die angew an dten O rd ­ Heft 37/38.]

14. 9. 1928 J

n u n g sge fü ge der ab so lu ten W ir k lic h k e it n ich t a d ä q u a t sind . E s ist d a h e r fü r die F ra g e n ach der a b so lu te n W ir k lic h k e it irre le v a n t u n d eine rein p h y s ik a lis c h e Z w e c k m ä ß ig k e itsfra g e oh n e w e lt­

a n sch au lich es In teresse, w elch es p h y s ik a lis c h ­ m a th em a tisch e O rd n u n gsgefü ge ich anw en de. Ic h k a n n versch ied en e anw enden, w ie ich a u f die grün e W ie se lo b atsch ew sk isc h e oder eu klid isch e G eom etrie a n w en d en k a n n . E s h ä n g t d u rch a u s v o n dem S t ü c k W iese u n d seiner F o rm ab, w elch e z w e c k ­ m ä ß ig e r is t u n d d ie ein fach eren F o rm eln ergib t.

D a s L e b e n d er K ä fe r u n d G rä ser fa ß t w ed er die eine n och die and ere. D ie m a th em a tisch e S y m b o lik d er m od ern en P h y s ik is t also kein esw egs die a b so ­ lu te W ir k lic h k e it. Sie h a t v o r d er ersten W ir k ­ lic h k e it eine r e la tiv g ro ß e O rd n u n g, B e re c h e n b a r­

k e it u n d B e h e rrs c h b a rk e it vo ra u s. S ie s te h t ihr in des an b u n te r K o n k re th e it und F ü lle n ach . Sie liest z w a r einen T e il des W irrw a rrs au f, den w ir in der ersten finden , z e rstö rt a b er a u ch m an ch e der F o rm u n g en u n d Z u sam m en h än ge, v o n denen die erste du rch zogen ist. S t a tt indes zw isch en dem W irrw a rr der ersten W irk lic h k e it u n d d er a b str a k ­ ten S y m b o lik der zw eiten , p h ysik alisch en , in V e r ­ zw e iflu n g zu g e ra ten und den G lau b en an eine d ritte ab so lu te ü b er B o rd zu w erfen, h a lte ich diesen G lau b en fest, sehe diese d ritte , ohne sie m it der F o rd e ru n g ein er fertig en O rd n u n g o d er ein er m einer V e rsta n d esm itteln en tsp rech en d en S tr u k tu r zu b elad en und sehe in ih r den G ru n d ein m al der ersten W ir k lic h k e it, ihres W irrw arrs, w ie ihre v o rb e w u ß te n F orm u n g en , d an n jen er em pirischen G e se tzlich k eiten u n d O rd n u n gen, die ich in der zw e ite n erfasse, u n d w e ite r m eines V erstan d es und seines R in g e n s u n d S treb en s. W ie diese drei in ih r Zusam m enh än gen m ögen — ist m ir zu w issen v e r ­ w eh rt, zu v e rm u ten fre ige ste llt.

D e r en glisch e P h y s ik e r E d d i n g t o n , in seinem 1920 ersch ienenen B u c h e ,,T im e , S p ac e and G ra ­ v it a t io n “ , b e ze ich n et d as V e rh ä ltn is d er p h y s ik a ­ lisch en E rk e n n tn ism ö g lic h k e it zu d er N a tu r der D in ge, das is t zu d er d ritte n W irk lic h k e it, in einem G leich n is: eine A lte rtu m sfo rsc h u n g n ach T au sen d en v o n Jah ren e n td e c k t ein B u c h m it zah lreich en S ch ach p a rtie n , d a rg e ste llt in d er Z e i­

ch en sprach e d er S ch ach sp ieler. D ie F o rsch er w issen n ich t v o n S ch ach u n d Spiel, en td e ck e n a b er in den Z eich en gew isse R e g e lm ä ß ig k e ite n und Ü b erein stim m u n gen . Sie kön nen n u n z w a r n ach langen U n tersu ch u n g en die S p ielregeln a u sfin d ig m achen. D ie w ah re N a tu r d er S ch ach fig u re n n och des S ch a ch b re tte s kö n n en sie n ic h t e n td eck en . Sie geben den S ch ach fig u re n w illk ü rlich e N am en und u n tersch eid en sie n ach ihren E ig e n sch aften . Sie kön nen feststellen , d a ß die O rte des S ch ach b retts d u rch zw ei dim en sion ale O rdn un gsbezieh un gen v e r k n ü p ft sind, n ich t aber, ob das S ch ach b re tt au s H o lz od er P a p p e , die F eld e r Q u ad ra te oder R a u te n od er sonst e tw as sind. T ro tzd em kön nen die F o rsch e r fü r sich in A n sp ru ch nehm en, das S ch ach sp ie l versta n d en zu haben. E d d i n g t o n

in te rp re tie rt nun dieses G leich nis. D ie a u fg e ze ich ­

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712 R i e z l e r : Die Krise der ,,W irklichkeit“ .

n eten P a r tie n sind die p h y sik a lisch en E x p e r i­

m ente. D ie S p ielregeln sind die G esetze d er P h y sik . D a s b a ld so, b a ld so g e d a ch te S c h a c h b re tt ist der R a u m oder die Z e it eines B e o b a ch te rs, seine, der einen w ie d er and eren zu gru n d e liegen d enO rd n u n gs- b ezieh u n gen sind die a b so lu te n ra u m zeitlich en O rd n u n gsb ezeich n u n g en . D ie S ch ach fig u ren sind die E le k tro n e n oder P u n k tereign isse, ihre B e ­ w egu n g sm ö g lich k eiten sind d ie v o n ihnen a u s­

strah len d en B ezieh u n gsfeld er, also die elektrisch en und S ch w erefeld er. U n ser W issen v o n d er N a tu r d er D in ge ist, w ie d as W issen d er A lte rtu m s fo r­

sch er v o n d er N a tu r d er S ch ach stein e, d a ß sie B a u e rn und F ig u ren , n ich t, d a ß sie au s H o lz g e ­ sc h n itzte G e sta lte n sind . In d ieser B e zie h u n g m ögen sie „B e z ie h u n g e n und B e d eu tu n g en a u f­

w eisen, die alle T rä u m e der P h y s ik w eit h in ter sich la sse n ".

D e r englisch e P h y sik e r h a t es b e i d iesem G le ic h ­ nis a u f d as logisch e V e r h ä ltn is zw isch en den re la tiv e n O rd n u n gsg efü g en die w ir anw en d en, und den a b so lu te n O rd n u n gsb ezieh u n gen , die w ir in ihnen erfassen, abgeseh en. M an k a n n indes d a s­

selbe G leich n is n och in ein er and eren R ic h tu n g w e ite r e n tw ic k eln , u m h ie rd u rch die S itu a tio n zu kenn zeich n en , in w elch e die p h y sik a lisch e W e lt ­ a n sich t d u rch die seith erige E n tw ic k lu n g d er A to m ­ p h y s ik g e ra ten ist.

G esetzt, die A lte rtu m sfo rsc h e r käm en g a r n ich t a u f die Id ee, d a ß die V orgefun denen Z eich en ein vo n leb en d igen Sp ielern n ach L a u n e u n d G e ­ sch ick gesp ieltes S p iel b e d eu te n k ö n n ten , sondern h ä tte n sich, u n ter dem E in d ru c k ein er gew issen, an diesem Z eich en und ih rer A u fein an d e rfo lg e da und d o rt b e o b a c h te te n O rd n u n g in den K o p f g e ­ s etzt, diese Z eich en w ären ein S tü c k eines ein zigen in sich zu sam m en h än g en d en S y stem s, das k r a ft d ieser O rd n u n g d e rg e sta lt v o n ein d eu tigen G e ­ setzen d u rc h w a lte t w erd e, d as ü b e ra ll ein G leich es a u f ein G leich es folge u n d fo lgen m üsse. Sie h ä tte n m it d ieser H y p o th e se fü r gew isse S tü c k e d er ü b e r­

lieferten Z eich en E rfo lg ge h a b t, fü r an d ere n ich t.

E s ist n u r n atü rlich , d aß sie u m dieses sozu sagen lo k alen M ißerfolges w illen n ic h t ihre so n st b e w ä h rte H y p o th ese au fgeb en , sondern lieb er b eh au p ten w erden, d aß an diesen M iß erfo lgen eine u n v o ll­

stän d ig e K e n n tn is od er Ü b e rlie feru n g d er Z eich en die S ch u ld trage.

In diesem G leich n is b ed eu ten die Z eich en die Sum m e u n serer K en n tn isse, die in gew issen S tü c k e n b e o b a ch te te O rd n u n g ist die p h y sik a lisch e K a u s a li­

tä t, die sich an der a n o rgan isch en N a tu r im G roßen bew äh ren , v o r der leb en d igen w ie v o r d er G esch ich te des M ensch en geistes a b er zu v e rsa ge n sch ein t. D ie T h ese ih rer a b so lu ten G e ltu n g ist die bish er ü b ­ lich e W e lta n s ic h t d er N a tu rw isse n sc h a ft — das

sta tisch e W e ltb ild , d er in sich fertige, v o n ehernen G esetzen d u rc h w a lte te K o sm o s. N un k o m m t ein fu rch t- und sch am lo ser W itz b o ld und e r k lä r t:

seh t ih r denn n ich t, d a ß diese Z eich en w eit d a v o n e n tfern t sind, einem S y s te m e in d eu tig er O rdnung an zu geh ören ? D ie O rd n u n g an ein igen Stellen b e ­ w eist g a r n ich ts. Sie ist n u r ein A u sg le ic h im M ittel des g ro ß en A u ssc h n itte s u n d k a n n d er U n o rd n u n g en tw ach sen . B e o b a c h te t gen au er, s te ig t h in u n ter ins kle in ste des K lein en , eure Z eich en u n d die ein ­ d eu tig e O rd n u n g ve rsc h w in d e t h V e rs u c h t es einm al m it einer ga n z an d eren T h ese! D e n k t euch, d as g an ze w äre ein S p iel, eu ch u n b e k a n n t und seh r v e rw ic k e lt und g e sp ie lt v o n ein er A n z a h l v o n S p ie ­ lern. D ie S p ieler m a ch en g u te und sch lech te Z ü ge, lau n isch e, k lu g e u n d feh lerh afte. Ih r m ögt d ah er ü b er die Z u sa m m e n h än g e zw isch en den ein zeln en n o ch so lan g e n a c h d en k e n — w en n ih r w ed er den Sin n des Spielers n o c h d ie S p ieler kenn t, w erd et ih r nie erfah ren , w aru m a u f ein en Z u g in dem einen F a ll diese, in dem än d ern F a ll jen e A n t ­ w o rt erfo lgt. D ie P h y s ik ü b e rm itte lt eu ch im besten F a lle e tw a s v o n d er G eb u n d e n h eit des Spieles an S pielregeln . D ie w ah re W ir k lic h k e it aber, die ihr d och s u c h t, ist d er Sinn des Spieles u n d die M ühe d er S pieler. W e n n ih r d a rü b e r etw a s erfah ren w ollt, b e fra g t die eigene Seele, ih r Sin nen, R in g e n und S treb en — v ie lle ic h t is t sie v e rd a m m t, das S p iel m itzu sp ielen und w eiß d a h er e tw a s vo n ihrem S in n ! U n d w en n ih r d an n e tw a s v o n diesem Sin n e rra ten h a b t, d a n n v e rs u c h t es ein m a l u n d b e h a n d e lt diesen Sin n als die eig en tlich e In v a r ia n te der W e lt und den S ch lü ssel, d er die Z eich en d e u tet, die euch b e k a n n te G e s e tz lic h k e it a b er als eine b lo ß e O b er­

fläch e, deren O rd n u n g zu m einen T e il dem In e in ­ and er d er vie len S p ieler und d er V e r k e ttu n g ih rer A b sic h ten u n d F eh ler, zu m än d ern den Spielreg eln en tstam m t.

D ieser sch am lo se W itz b o ld is t ein m ö glich er M e ta p h y sik e r d er n eu sten N a tu rw isse n sc h a ft. D ie K rise des bish erigen W irk lic h k e its b e g riffs v e rs c h a fft ihm s ta tt H o h n g e lä c h te r und E n trü s tu n g , d er er v o r ku rzem n och g e w iß gew esen w äre, h e u te m iß ­ trau isch es zw ar, je d o c h g e d u ld ig es G eh ör. D ieser scham lose W itz b o ld e rö ffn e t d ie M ö g lich k eit einer geistig en U m w ä lzu n g , d eren A u s m a ß w ir eben erst zu erah n en b eginn en.

E in neues W e ltb ild w ird m ö glich . D ieses n eu e W e ltb ild is t d yn am isch , n ic h t sta tisch . D ie W e lt ist n ic h t fertig , sondern u n fertig . Ih re O rd n u n g ist keine seiende, sondern eine w erd en d e. Ih r G leich ­ nis is t n ich t die ve rm e in tlic h e H a rm o n ie des S tern en h im m els und sein er ew ig en G esetze, sondern die M ensch en gesch ich te, die ru helose, in d er sich n ich ts gleich b le ib t — es sei denn d er Sinn, die M üh e und das S ch ick sa l.

f Die Natur­

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