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Die Naturwissenschaften. Wochenschrift..., 12. Jg. 1924, 19. September, Heft 38.

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D ie N a tu r w is s e n s c h a f t e n 1924

(3)

DIE NATURWISSENSCHAFTEN

Z w ö lfter J a h rgan g 19. September 1924 H eft 38

CARL CORRENS

ZUR FEIER

S E I N E S S E C H Z I G S T E N G E B U R T S T A G E S

(4)

Inhalt:

Carl Erich Correns. Von A.

Zi m m e r m a n n,

B erlin -D a h lem ...751 Die Botanik vor Mendels Auferstehung. Von O.

Re n n e r,

J e n a ... 752 Einige Züge aus der Entwicklung des Mendelismus. Von H.

Ni l s s o n- Eh l e,

Äkarp . 757 Über Fragen der Geschlechtsbestimmung bei Pflanzen. Von

Fr. v. We t t s t e i n,

Berlin-

Dahlem ...761 Einige Probleme der heutigen Vererbungswissenschaft. Von

Ri c h a r d Go l d s c h m i d t,

Berlin-D ahlem ... 769 Die nichtvererbungswissenschaftlichen Arbeiten von Correns. Von

He r m a n n Si e r p,

M ü n c h e n ... 772

Verzeichnis der von C. Correns veröffentlichten Arbeiten ...778-

(5)

/

Carl Erich Correns.

Zu seinem sechzigsten Geburtstage.

Von A.

Zi m m e r m a n n,

Berlin - Dahlem.

D er Geheime R egierungsrat D r.

C . Co r r e n s,

I. D irektor des In stituts für Biologie der K aiser W ilhelm -G esellschaft zur Förderung der W issen­

schaften und ordentlicher Professor an der Friedrich W ilhelm -U niversität zu Berlin, feiert am 19. Sep­

tem ber seinen sechzigsten G eburtstag. D urch seine vielseitigen und gründlichen U ntersuchungen ist es

C . Co r r e n s

gelungen, sich eine hochgeachtete S tellung in der Gelehrten w eit zu erringen. Dies beweisen auch die zahlreichen Ehrungen, die ihm bereits zuteil geworden sind:

C . Co r r e n s

wurde von der Sächsischen G esellschaft der W issenschaf­

ten zu Leipzig, der Preußischen Akadem ie der W issenschaften zu Berlin, der Akadem ie der W issenschaften zu W ien, der Bayerischen Akadem ie der W issenschaften zu München und der K öniglich Schwedischen Akadem ie der W issenschaften zu Stockholm zum M itglied ernannt und ferner von der m edizinischen F a k u ltä t der U niversität R ostock zum D r. med. h. c. und von der L an d w irtsch aft­

lichen H ochschule zu Berlin zum E hrendoktor der L andw irtschaft.

Es sei mir gestattet, an dieser Stelle einen kurzen Ü berblick über die w ichtigsten seiner zahlreichen Arbeiten zu liefern.

Dieselben wurden begonnen unter Leitung

Ca r l v o n Na e g e l i s,

dessen exakte und kritische Forschungsart auch in allen A rbeiten seines Schü­

lers hervortritt. Zum Andenken an seinen Lehrer h at er auch einer von ihm entdeckten interessanten neuen G attu n g der Chrysomonadineen den Namen Naegeliella gegeben. Außerdem h a t

C . Co r r e n s

auch in den Instituten von G.

Ha b e r l a n d t,

S.

SC H W E N D EN E R ,

W .

P F E F F E R

Und

H . VÖCHXING

gearbeitet, und es zeugen nam entlich die in das erste Dezennium seiner Forsch ungstätigkeit fal­

lenden Arbeiten davon, daß

C . Co r r e n s

alle Zweige der botanischen W issenschaft in einer W eise beherrscht wie w ohl nur wenige seiner Zeitgenossen.

In seiner 1888 erschienenen ersten A rbeit, die auf A nregung von G.

Ha b e r l a n d t

unternommen wurde, g ib t

Co r r e n s

eine gründliche Beschrei­

bung der extranuptialen N ektarien der Dioscoreen, sowie auch der Entw icklungsgeschichte dieser interessanten Gebilde.

D ann folgt eine Reihe von A rbeiten über die S truktur und das W achstum der Zellm em branen bei verschiedenen A lgen und höheren Pflanzen, in der

C . Co r r e n s

im wesentlichen die von

C . v o n Na e g e l i

aufgestellten Theorien über den mi-

zellaren A ufbau und das Intussuszeptionswachs- tum der Membranen durch exakte Beobachtungen und Beweisführungen bestätigen und gegen ver­

schiedene Angriffe verteidigen konnte. Ich er­

w ähne von diesen Arbeiten nur seine im Jahre 1889 erschienene Inaugural-D issertation, in der speziell das M em branenwachstum verschiedener Cyano- phyceen beschrieben wird und eine 1891 erschienene W iderlegung der W iesnerschen Derm atosom en- theorie.

In einigen dieser Arbeiten liefert aber

Co r r e n s

auch w ertvolle B eiträge zur E n tw ick ­ lungsgeschichte und S truktur verschiedener Algen gruppen, deren K enntnis er auch durch einige Spezialarbeiten gefördert hat. E rw ähnt seien an dieser Stelle auch seine Untersuchungen über die Bewegungen der Oscillarien.

D aß sich

Co r r e n s

auch m it der U ntersuchung von Pilzen b efaßt hat, zeigt die von ihm aufge­

fundene Schinzia scirpicola.

Sehr eingehend h at sich

Co r r e n s

aber nam ent­

lich m it dem Studium der Laubm oose befaßt und, nachdem er schon einige kleinere M itteilungen über dieselben herausgegeben hatte, in seiner 1899 er­

schienenen, dem Andenken

Ca r l Na e g e l i s

ge­

widm eten Monographie über die Verm ehrung der Laubm oose durch B rutorgane und Stecklinge die R esultate seiner m it großer E x a k th e it durchge­

führten U ntersuchungen niedergelegt. In die gleiche Zeit fällt auch eine in der Festschrift für

S . Sc h w e n d e n e r

erschienene A rbeit über Scheitel­

wachstum , B lattstellu n g und Astanlagen des Laub- m oosstäm m chens.

Für die S ystem atik der Phanerogam en hat

Co r r e n s,

obwohl er ein gründlicher Kenner der einheimischen F lora ist, nur einige kurze Notizen über die Schweizer Flora und Arbeiten über die G attu n g Cerastium geliefert.

Eingehender h at sich

Co r r e n s

ferner auch m it physiologischen Untersuchungen befaßt. So wurde er während seines ersten A ufenthaltes in Leipzig durch W .

Pf e f f e r z u

seiner A rb eit über die A b ­ hängigkeit der Reizerscheinungen höherer Pflanzen von der Gegenw art freien Sauerstoffs angeregt, m it der er sich 1892 an der U niversität Tübingen habi­

litierte. Später erschienen ferner noch physiolo­

gische U ntersuchungen, die sich auf die R eiz­

bewegungen der D rosera-Tentakeln und die der

R anken beziehen. Von besonderem Interesse ist,

daß

Co r r e n s

den Nachweis liefern konnte, daß die

Reizkrüm m ungen der Ranken nicht nur durch

(6)

7 5 2 R e n n e r : Die B otan ik vor Mendels Auferstehung.

K o n taktreiz, sondern auch durch T em peratur­

schw ankungen und chemische R eize b ew irkt w er­

den können.

In das G ebiet der Biologie fallen die bereits 1889 erschienenen M itteilungen über K ulturversuche m it den Pollen von Prim ula acaulis und ferner die im folgenden Jahre erschienenen B eiträge zur B iologie und Anatom ie der B lüten von Aristo- lochia-, Salvia- und Calceolaria-Arten, die außer verschiedenen anatom isch und cytolcgisch inter­

essanten Einzelbeobachtungen nam entlich auch eine genaue Schilderung und mechanische E r ­ klärung der bei diesen B lüten eintretenden B e ­ wegungserscheinungen enthalten.

A lle diese A rbeiten fallen in das vorige Jah r­

hundert, an dessen Ende

C . Co r r e n s

bereits m it dem Studium der Vererbungslehre begonnen hat, der er dann bald seine ganze A rb eitsk raft widm ete, sow eit dieselbe n icht durch seine L eh rtätigkeit und die In stitu tsverw altu ng in Anspruch genommen wird. N achdem er 1914 die L eitu n g des Instituts für B iologie übernommen h atte, w ar es ihm auch vergönnt, eine große A nzahl von gleichartige Fragen bearbeitenden Forschern um sich zu scha­

ren.

In diesen fü n fu n d z w a n zig Jah ren u n erm ü d lich er T ä t ig k e it h a t n u n Co r r e n s eine g ro ß e A n z a h l v o n A rb e ite n g esch a ffen , die in h erv o rra g e n d er W eise d a zu b e ig etrag en h ab en , d a ß die V ererb u n g sleh re, die d u rch d as v o n Gr e g o r Me n d e l a u fg e ste llte S p a ltu n g sg e se tz d er e x a k te n F o rsc h u n g z u g ä n g lic h g e m a c h t w ar, in diesem J a h rh u n d e rt einen ga n z u n ­ ge ah n te n A u fs c h w u n g gen om m en h a t. B e m e rk e n s­

w e r t is t übrigens, d a ß Co r r e n s sch on bei seinen ersten B a sta rd ie ru n g sv ersu ch e n ohne K e n n tn is der v o n G . Me n d e l schon im Jah re 1866 v e rö ffe n tlic h ­ ten A rb e it, die d a m a ls w en ig B e a c h tu n g gefu n d en h a tte u n d b a ld in V erg e sse n h eit g e ra ten w a r, zu R e s u lta te n u n d S ch lu ß fo lg eru n g e n g e la n g t w ar, die m it denen v o n G . Me n d e l in allen w esen tlich e n P u n k te n ü b e re in stim m ten . E s is t fern er ein eig en ­ a rtig e r Z u fa ll, d a ß C. Co r r e n s, H . d e Vr i e s und E . Ts c h e r m a k fa s t g le ic h z e itig u n d u n a b h ä n g ig v o n ein a n d e r a u f die M end elsch e A r b e it a u fm e rk ­ sam w u rd en . C. Co r r e n s h a t sich au ch d a d u rch ein g ro ß es V e rd ie n st erw orb en , d a ß er d ie vo n G . Me n d e l an C. Na e g e l i g e ric h te ten B rie fe h era u sg eg eb en h a t. D iese B rie fe zeigen , d a ß

[

Die N a tu r­

wissenschaften

Me n d e l

eine große Z ahl von Versuchsreihen an­

gestellt hat, die er in seiner P ublikation nicht er­

w ähnt hat.

C . Co r r e n s

hat nun zunächst durch zahlreiche Reihen vo n Bastardierungsversuchen, bei denen zum Teil Tausende von Pflanzen bestäubt und die N achkom m en unter sorgfältiger K ontrolle gehal­

ten werden m ußten, die G ü ltigkeit des Mendelschen Spaltungsgesetzes erprobt und die scheinbaren Abw eichungen durch E rm ittelu ng der Erbfaktoren und deren V erkoppelung zu erklären verm ocht.

B ei M irabilis Jalapa albom aculata konnte er aber auch eine A rt von V ererbung feststellen, die un­

abhängig von der Mendelschen Spaltungsregel ver­

läu ft und nur dadurch zu erklären ist, daß außer­

halb des Kernes gelegene Substanzen als Träger der V ererbung dienen.

Ausgedehnte U ntersuchungen h at

Co r r e n s

ferner über die B ild u n g der X enien ausgeführt und festgestellt, daß der väterlich e E influß sich über den E m bryo hinaus nur in dem Endosperm nach- weisen läßt, das ja auch aus dem durch V er­

schm elzung des sekundären Em bryosackkerns und des zweiten generativen K ernes des Pollen­

schlauches entstandenen K erne hervorgeht.

Später h at sich dann

Co r r e n s

nam entlich sehr eingehend m it den Theorien der G eschlechts­

bestim m ung b efaßt und durch exakte B astar­

dierungsversuche m it diöcischen und gynodiöci- schen Pflanzen einen E in b lick in diese höchst v e r­

w ickelten Verhältnisse angebahnt. Diese U nter­

suchungen, die er nam entlich an M elandryum an­

gestellt hat, sind je tz t noch im vollen Gange.

Schließlich m öchte ich nun noch besonders hervorheben, daß

C . Co r r e n s

das G lück zuteil ge­

worden ist, in seiner im H ause

Na e g e l i

aufge­

wachsenen G attin , wie er selbst in der W idm ung zu seiner Vererbungslehre zum Ausdruck bringt,

„eine treue G ehilfin“ gefunden zu haben.

So schließe ich denn m it dem W unsche, daß dem E hepaar

Co r r e n s

noch recht lange ihre un­

geschw ächte A rb eitsk raft und geistige Frische bew ahrt bleiben möge, und daß es

Ca r l Er i c h Co r r e n s

vergön nt sein möge, durch Fortsetzung seiner von allen Fachgenossen m it dem größten Interesse verfolgten Untersuchungen weitere E in ­ blicke in die vielen noch ungelösten Fragen der Vererbungslehre zu liefern.

Die Botanik vor Mendels Auferstehung.

V on O.

Re n n e r,

Jena.

In. dem Jahrzehnt, das der W iederentdeckung der Mendelschen Gesetze vorausgeht, w irft

Da r­ w i n s

T a t noch immer m ächtige W ellen. D as A r t­

bildungsproblem steht w ie zuvor im M ittelpunkt der biologischen Forschung. Man steht vor neuen großartigen Erfolgen der künstlichen Zuchtw ahl z. B . in der Getreide- und Zuckerrübenzüchtung, wie die D arstellungen v .

Rü m k e r s

(1889 u. 1894) zeigen, und das Ergebnis eines in großem S til aus­

geführten natürlichen Selektionsexperim ents w ill

v .

We t t s t e i n

(1895)

i-n

dem „Saisondim orphism us“

gewisser W iesenpflanzen sehen, die der regelm äßi­

gen Mahd ausgesetzt sind und in einer früh- und einer spätblühenden Form Vorkommen. A ber welcher A r t die V ariatio n ist, die das M aterial für die Auslese, für künstliche w ie natürliche, liefert, ob es die kleinen fließenden Veränderungen sind, wie besonders

Da r w i n s

Herold

Wa l l a c e

m eint (1889), oder die auffälligeren Sprünge, die

Da r w i n

wenigstens zuzeiten vorzugsw eise im A uge hatte,

(7)

R e n n e r : Die B otan ik vor Mendels Auferstehung. 753

H eft 38. 1 19. 9. 1924J

d a rü b e r k a n n m an n ic h t e in ig w erd en . M an k ä m p ft v o r a lle m u m K la r h e it in der F ra g e d er „ V e re rb u n g e rw orb en er E ig e n s c h a fte n “ , u m d ie E n tsch eid u n g , w as die p ersö n lich en , z. B . d u rch äu ß ere E in flü sse w ie E rn ä h ru n g h e rv o rg e ru fe n en V a ria tio n e n , die M o d ifik a tio n en w ie N ä g e l i

(1884)

sag t, fü r d as W erd en n eu er e rb lic h fix ie rte r T y p e n b e d eu te n . N o c h n a c h d rü c k lic h e r als N ä g e l i b e str e ite t der Z o o lo ge W e is m a n n sch o n v o r

1890

aus th e o r e ti­

schen G rü n d en die M ö g lich k eit einer E in w ir k u n g p ersö n lich er V erä n d e ru n g a u f d as im K e im p la sm a n ied erg eleg te E rb g u t. D ie e x p erim en telle n B e ­ fu n d e sind versch ied en . In la n g jä h rig e n V ersu ch en B o n n i e r s (verö ffen tl.

1895)

n eh m en P fla n z e n der E b e n e , die im G eb irg e k u ltiv ie r t w erd en , w o h l a ll­

m ä h lich die T ra c h t v o n G eb irg sp fla n ze n an, v e r ­ lieren sie a b er v o lls tä n d ig w ied er n a ch d er Z u rü c k ­ v e rs e tz u n g an den a lte n S ta n d o rt. D a g e g e n g e ­ lin g t es H a n s e n

(1895),

H e fep ilze d u rch Z ü c h tu n g b ei h oh er T em p e ra tu r fü r die D a u e r u m d as V e r ­ m ö g e n d er S p o re n b ild u n g zu brin gen , u n d b ei S ch m etterlin g en , die d u rch e x tre m e T em p e ra tu re n in der F ä r b u n g a b g e ä n d e rt sind, fin d e t St a n d f u s s

(1896)

ein e gew isse N a c h w irk u n g in der b e i g e ­ w ö h n lich er T e m p e ra tu r erw ach sen en N a ch k o m m en ­ s c h a ft.

W a s d ie h öh eren P fla n z e n b e tr ifft, so m iß tr a u t m an je d e n fa lls m eh r u n d m eh r der V e re rb b a rk e it w irk lic h in d iv id u e lle r E ig e n sc h a fte n . V o r allem an d er sch w ed isch en S a a tz u c h ta n s ta lt in

Svalöf,

w o N i l s s o n w irk t, d rin g t se it

1892

b eim S tu d iu m m o rp h o lo gisch er C h a ra k te re , die le ic h te r v e rfo lg t w erd en k ö n n en als p h y sio lo g isc h e w ie es der Z u c k e r­

g e h a lt d er R ü b e n ist, u n d b ei der H a n d h a b u n g des v o n V i l m o r i n g esch affen en Iso la tio n sp rin zip s, bei der G e tre n n th a ltu n g der S am en jed e r ein zeln en M u tterp fla n ze , die E rk e n n tn is d u rch , d a ß neue k o n sta n te T y p e n n ic h t d u rch lan g sam e S teig eru n g a n fä n g lic h sch w ac h er A b w e ich u n g e n en tsteh en , sondern s p ru n g h a ft u n d v ö llig fe rtig a u ftrete n , d u rch M u ta tio n , w ie d e V r i e s d en V o rg a n g ge­

n a n n t h a t. Z u d em selben E rg e b n is k o m m t K o r - s c h i n s k y in ,, H etero g en esis u n d E v o lu tio n “

(1899

ru ssisch ,

1901

d eu tsch ). So w ird die A u f ­ fin d u n g ein er n eu en k o n sta n te n F o rm des H ir te n ­ täsch els, C a p se lia H eeg eri

(1897,

ve rö ffe n tl.

1900

d u rch S o lm s - L a u b a c h ) als B e le g fü r p lö tz lic h e E n ts te h u n g ein er n eu en „ A r t “ fre u d ig b e g rü ß t.

D ie flu k tu ie re n d e V a ria tio n n a ch M aß und

Zahl,

deren B e d e u tu n g fü r die

Selektion so unklar ge­

w ord en ist, e rfä h rt e x a k te m a th e m a tisc h e B e ­ h a n d lu n g in der v o n Ga l t o n u n d Pe a r s o n b e g rü n ­ d e te n

biom etrischen Schule, besonders

v o n

1895 an.

D e r

Zoologe

Ba t e s o n, der

bald

einer der ersten u n d m ä c h tig ste n V o rk ä m p fe r des ju n ge n M end elism u s w erd en so llte, ge h ö rt diesem K reis an.

U m

d ie Ü b e rtr a g u n g der W a h rsc h e in lic h ­ k e itsre c h n u n g a u f

botanische

O b je k te m a c h t sich v o r allem Lu d w ig v e r d ie n t ; a ls frü h es M u ster einer U n tersu ch u n g , d ie die V a r ia tio n s s ta tis tik m it dem E x p e rim e n t v e rb in d e t, is t d ie vo n Vö c h t in g ü ber B lü te n a n o m a lie n

(1898) zu

n ennen. A b e r

1898

b e g in n t J o h a n n s e n , m it dem R ü stz e u g der B io ­ m e trik e r g e w a p p n e t u n d zu g leich m it dem S v a lö fe r V erfa h re n v e r tr a u t u n d v o n dessen W e rt ü b e r­

zeu g t, seine E x p e rim e n te an „rein e n L in ie n “ vo n G erste u n d B o h n en , die er den frü h eren B e o b a c h ­ tu n g e n an „ P o p u la tio n e n “ geg en ü b erstellt, und in w en igen Jah ren (v e rö ffe n tlic h t 1903) g e lin g t es ih m die E rfa h ru n g en der Z ü c h te r u n d die S ä tze der B io m e trik e r m it d em th e o retisch e n P o s tu la t W e is m a n n s zu versö h n en : S e lek tio n v e rsc h ie b t den T y p u s in P o p u la tio n e n , w e il m it den In d iv i­

du en R e p rä se n ta n te n versch ied en er T y p e n au sge­

w ä h lt w erd en , ab er sie is t m a ch tlo s bei g e n o ty p isc h ein h eitlic h em M a teria l, b ei rein en L in ie n . B io lo g ie is t

mit

M a th e m a tik zu treib en , d o ch n ic h t

als

M a­

th e m a tik , das b le ib t v o n j e t z t an L e its a tz der V e r­

erb u n gsforsch u n g , a u ch der m en d elistisch en . N ä ­ g e l i h a tte sein erzeit

(1867)

M e n d e l s F o rm e ln a ls

„em p irisch , n ic h t ra tio n e ll“ b ezeich n et, u n d au ch and ere Z eitg en ossen M e n d e l s m ögen seine R e g e ln w egen ih rer m a th em a tisch e n F o rm u lie ru n g m it M iß trau en b e tr a c h te t h ab en . U m 1900 sin d die B io lo g en d u rch d ie B io m e trik e r so sehr an die m a th em a tisch e B e h a n d lu n g b io lo g isch er E rsc h e i­

nun gen gew ö h n t, d a ß ih n en die M endelschen G e ­ setze als der G ip fe l ra tio n e ller D u rc h sic h tig k e it er­

scheinen kön nen . A ls „e m p irisch , n ic h t ra tio n e ll“

d agegen is t d u rch J o h a n n s e n das G alto n sch e G esetz v o m R ü c k s c h la g e n tla r v t.

K reuzungen werden von den Züchtern wie immer in Verfolgung praktischer Ziele ausgeführt, aber in der W issenschaft ist das K reuzungsexperi­

m ent in den 90er Jahren nicht recht modern. E in ­ sam und unbeachtet stehen die M äusekreuzungen

Ha a c k e s,

der einer exakten Form ulierung der B astardspaltung schon recht nahe kom m t (1893).

Interm ediäre, als konstant bezeichnete A rtbastarde, die

Ja n c z e w s k i

in der G attu n g Anem one erzielt (1892), werden vielleicht höher geschätzt, als B e ­ lege für die E ntstehung neuer A rten durch K reu ­ zung. A uch sonst steht das Bastardierungsexperi­

m ent im D ienst des A rtp rob lem s: das dominierende M erkm al soll das phylogenetisch ältere sein, und unter diesem G esichtspunkt b etrachtet ein großer Züchter w ie

Ri m p a u

seine Versuche m it Getreide (1891), betrachtet

St a n d f u s s

die seinigen m it Schm etterlingen (1895/98). V ielleich t das größte Aufsehen machen die „falsch en “ oder „einseitigen“

Erdbeerenbastarde

Mi l l a r d e t s

(1894), die ganz der M utter gleichen und w eiterhin konstant züchten, in ihrem Wesen übrigens bis heute nicht aufgeklärt sind.

Einen kaum abzuschätzenden A n teil an der E ntw icklun g der Vererbungslehre in unserem Zeit­

raum h at

We i s m a n n s

B uch „D a s K eim plasm a;

eine Theorie der V ererbung“ (1892).

F r u c h t b a r f ü r

die Vorbereitung auf

Me n d e l

ist an dieser

Theorie vor allem die konsequente A nknüpfung

der Vererbungserscheinungen an die Zellentheorie,

im G egensatz zu

Nä g e l i,

der sein „Id ioplasm a“ in

keiner W eise m it Zellstrukturen in V erbindung

gebracht hatte. A ls Träger des E rbgutes sieht

(8)

754

R e n n e r :

Die Botanik

v o r

Mendels Auferstehung.

We i s m a n n

m it

St r a s b u r g e r

und

He r t w i g

den Zellkern an, und in ihm wieder das Chrom atin.

Jedes Chromosom — die K on stanz der Chromo­

som enzahlen gilt um 1890 als erwiesen, die allge­

meine V erbreitung der numerischen R eduktion ebenso — ist für

We i s m a n n

Träger einer vo llstän ­ digen Erbm asse, wie zu dieser Z eit auch noch für

Bo v e r i,

der als erster die Chromosomen als selb­

ständige Individuen angesprochen h atte ; die Chromosomen eines haploiden Satzes als in d ivi­

duell verschieden, als Träger eines bestim m ten Teiles des Erbgutes, gelten zu lassen, kann man sich noch nicht entschließen, aber die Am phim ixis sorgt nach

We i s m a n n s

Auffassung doch dafür, daß die Chromosomen eines K erns gewöhnlich, nicht identisch konstituiert sind. B ei den Reifeteilungen, die der B ildun g der Keim zellen vorangehen, wird deshalb nicht bloß die Zahl der Chromosomen auf die H älfte reduziert, sondern die beiden Schw ester­

zellen der R eduktionsteilung erhalten, wenn U n­

terschiede zwischen den Chromosomen vorhanden sind, q u alita tiv verschiedene Chrom osom ensätze.

Einen experim entellen Bew eis dafür sieht

W .

in der Vielförmigkeit der Nachkommenschaft von Bastarden.

E r m alt sich den V organg der „q u a litativ e n R e ­ du ktion " aus unter der Annahm e, daß die V er­

teilung väterlicher und m ütterlicher Chromosomen auf die Tochterzellen nach dem Z ufall erfolge, und w agt die Voraussagung, daß in der 2. Generation eines B astards R ückschläge zu beiden E ltern ­ formen auftreten, wenn die Zahl der aufgezogenen Individuen groß genug ist, und ebenso noch in der 3. Generation, in der N achkom m enschaft solcher Individuen der 2. Generation, die genau M ittel­

formen waren w ie die ganze 1. Generation. Er kom biniert auf dem Papier die Einzelchrom o­

somen zu haploiden Garnituren und kom biniert diese zu Zygoten, alles nach dem Z u fall: der P ro­

phet sieht im Däm m er den R eigen Mendelscher Zahlenharm onie. F reilich werden die Zahlen für ihn andere als bei

Me n d e l,

w eil es für ihn keine antagonistischen Einheiten gibt, die nur einzeln, nicht gepaart in eine und dieselbe K eim zelle ge­

langen könnten. N och 1902, in seinen ,,Vorträgen über D eszendenztheorie“ , lä ß t er bei 2 U n ter­

schieden zwischen den E ltern den Mischling 6 A rten von Keim zellen bilden, nicht 4, und ent­

sprechend 36 A rten von Zygoten, nicht 16; w ie er das gegenüber den je tz t bekannt gewordenen Z a h ­ len

Me n d e l s

festhalten konn te ,ist für uns Spätere schwer zu begreifen. A ber davon abgesehen h at er doch schon 1892 ein Program m der A n alyse des E rbgutes m it H ilfe der B astardierung entworfen, und wenn nicht sofort die experim entelle Prüfung in A n griff genommen wurde, rührt das wohl nur davon her, daß die bis dahin fast allein bekannten A rtkreuzungen so hoffnungslos vielfältige A u f­

spaltung zeigten. Was not tat, war die Kreuzung von Varietäten, von Rassen.

Die W irkung dieser theoretischen Z urecht­

legungen ist außerordentlich gewesen. Es ist sicher zu einem großen Teil

We i s m a n n s

Verdienst, wenn

[

D ie N a tu r­

wissenschaften

nun

a l l e s , w a s m i t

F ortpflanzung und B efruchtung

z u s a m m e n h ä n g t , m i t e i n e r b i s d a h i n k a u m e r h ö r t e n E i n d r i n g l i c h k e i t b e a r b e i t e t w i r d . A u f b o t a n i s c h e m G e b i e t i s t w o h l d a s w i c h t i g s t e E r g e b n i s d ie E i n ­ s i c h t , d a ß d e r H o f m e i s t e r s c h e G e n e r a t i o n s w e c h s e l a l l g e m e i n , a u c h b e i d e n F a r n e n u n d

Moosen,

m i t

d e m K e r n p h a s e n w e c h s e l z u s a m m e n f ä l l t ; d e r G e ­ d a n k e w i r d

1893

v o n Ov e r t o n a u s g e s p r o c h e n ,

1894

d u r c h St r a s b u r g e r, d e r n a c h s e in e n f r ü h e n E n t d e c k e r t a t e n k a u m e i n e n e r l e u c h t e n d e n o d e r f ü h r e n d e n G e d a n k e n i n d i e E n t w i c k l u n g d e r C y t o ­ lo g i e g e w o r f e n , a b e r m i t s e i n e n S c h ü l e r n B e r g e v o n M a t e r i a l z u r P r ü f u n g f r e m d e r G e d a n k e n z u ­

sam m engebracht hat, und durch

Fa r m e r b e s t ä t i g t . A u c h b e i d e n A l g e n ( St r a s b u r g e r, Fa r m e r, Da n- g e a r d) u n d v o r a l l e m b e i d e n P i l z e n ( Da n g e a r d, Ha r p e r) w i r d d i e E r f o r s c h u n g d e s K r e i s l a u f s d e r K e r n z u s t ä n d e a n g e b a h n t u n d d a m i t e in e a l l g e ­ m e i n e B e h a n d l u n g d e s G e n e r a t i o n s w e c h s e l s e r s t e r m ö g l i c h t . D i e g e s c h l e c h t l i c h e G e n e r a t i o n d e r G y m n o s p e r m e n u n d d e r E m b r y o s a c k d e r A n g i o ­ s p e r m e n w e r d e n i n i h r e n z i e m l i c h u n b e t r ä c h t l i c h e n V a r i a t i o n e n b e i e i n e r g r o ß e n Z a h l v o n F o r m e n

bekannt, z.

B . d u r c h Co u l t e r u n d Ch a m b e r l a i n. D a b e i e r l e b t d i e

B o tan ik 2

Ü b e r r a s c h u n g e n e r s t e n R a n g e s : d i e

A uffin dung

b e w e g l i c h e r S p e r m a t o z o - id e n i m

Pollenschlauch

d e s

ehrwürdigen G inkgo­

b a u m e s ( Hi r a s e

1897)

u n d d e r e b e n s o e h r w ü r d i g e n C y c a d e e n ( I k e n o

1898),

u n d d i e E n t d e c k u n g d e r

„ d o p p e l t e n B e f r u c h t u n g “ i m E m b r y o s a c k d e r A n g i o s p e r m e n ( N a w a s c h i n

1898,

Gu i g n a r d

1899),

ü b e r d i e St r a s b u r g e r m i t d e n v i e l s a g e n d e n W o r t e n b e r i c h t e t : „ E s g i l t m i t d e r T a t s a c h e s i c h a b z u ­ f i n d e n , d a ß d e r e i n e d e r b e i d e n S p e r m a k e r n e m i t d e n P o l k e r n e n d e s E m b r y o s a c k e s k o p u l i e r t “ ; m a n h ö r t d i e V e r s t i m m u n g h e r a u s , d a ß ih m , d e r d i e E i b e f r u c h t u n g z u e r s t g e s e h e n h a t t e

(1884),

d i e a n d e r e H ä l f t e d e s V o r g a n g e s b i s z u r S t u n d e e n t ­ g a n g e n w a r . H a b i t u e l l e P a r t h e n o g e n e s i s m i t U n ­ t e r b l e i b e n d e r R e d u k t i o n s t e i l u n g e n t d e c k t Ju e l b e i

A ntennaria

a l p i n a

(1898, 1900);

d a m i t i s t d a s V e r ­ s t ä n d n i s d e r k o n s t a n t e n H i e r a c i u m - B a s t a r d e v o r ­ b e r e i t e t , d i e e i n s t Me n d e l S o r g e g e m a c h t h a t t e n .

A u f die E rforschung der feinsten Einzelheiten des Kernteilungsvorganges w irken „w ie ein F er­

m ent“ , w ie

St r a s b u r g e r

1907 sagt, die ungewöhn­

lich sorgfältigen B eobachtungen

Be l a j e f f s

(1894).

Im Streit um das Problem der Chromosomen­

reduktion treten Zoologen

w ie W E is M A N N , Rü c k e r t, Hä c k e r, Ko r s c h e l t

für die Reduktionsteilung ein, für die V erteilung der zunächst in voller Zahl an­

wesenden Chromosomen auf 2 K erne.

We i s m a n n

h at schon 1892 ausgesprochen: „ Ic h zweifle nicht, daß die Forschung noch w eit tiefer in die ver­

w ickelten Vorgänge an den Kernsubstanzen ein- dringen wird, wenn sie es nicht verschm äht, den Gedanken m it der bloßen B eobachtung zu ve r­

binden, und jeden weiteren Sch ritt auf dem Gebiet

der Theorie zu neuer Fragestellung in bezug auf

das Verhalten der geheim nisvollen Kernsubstanzen

zu verw erten“ , und das Vererbungsproblem hat für

ihn und seine Schule immer den Gedanken ge­

(9)

H e ft 38. 1

19. 9. 1924J R e n n e r : Die B otanik vor Mendels Auferstehung. 755

liefert, der die B eobachtung überw acht und leitet.

D ie Botaniker,

St r a s b u r g e r, Gu i g n a r d, Gr e g o i r e,

kom m en m it vielerlei Schwankungen immer wieder zur Annahm e einer zahlenm äßigen R eduktion ohne K ernteilung; die Chromosomen sollen in den ersten Stadien der R eifeteilung schon in der halben Zahl vorhanden sein. Noch 1900, selbst 1901 bleibt

St r a s b u r g e r

bei seinem V otum , trotzdem die Men- delschen R egeln m it

We i s m a n n s

Auffassung viel leichter vereinbar sind, aber bald sieht er sich doch genötigt m it seinem Sehen vor

We i s m a n n s

Schauen die Segel zu streichen. Ü ber ein K urzes werden von am erikanischen Zoologen m orphologische V er­

schiedenheiten zwischen den Chromosomen eines Kerns aufgefunden und w ird die Mendelsche Spal­

tu n g endgültig im Spiel der Chromosomen verankert.

W ie sehr die zellmorphologischen Studien gerade dich t ante lucem, gegen 1900 hin, sub specie here- d itatis b etrachtet wurden, verrät ein unscheinbares Zeichen in der Botanischen Zeitung. In Nr. 5 des Jahrgangs 1899 tritt in den Listen der neuen L ite­

ratur zum erstenm al die R u brik „F o rtp flan zu n g und V ererbung“ auf, die von nun an ständig zu finden ist und häufig auch cytologische Arbeiten einschließt, trotzdem in der ersten Num m er des­

selben Jahres die ebenfalls neugegründete R ubrik

„Z e lle “ , abgetrennt von „A n ato m ie“ , erscheint.

D ie ersten Arbeiten, die unter dem genannten Sam m eltitel in 2 Num m ern aufgeführt werden, be­

treffen: B efruchtung bei Cycas, Chromosomen­

reduktion, E m bryosack, spontan entstandene B astarde, P eriodizität der partiellen Variation, doppelte B efruchtung; was für ein R eichtum in diesen Morgenstunden der verjüngten W issenschaft.

N i c h t

zu übergehen ist die

m ä c h t i g e

Förderung, die in

u n s e r e m

Jahrzehnt die E ntw icklungsphysio­

logie (Entw icklungsm echanik, experim entelle Mor­

phologie) erfährt. Jede Theorie der Vererbung muß sich

m i t

der B etätigu n g der Erbanlagen,

m i t

der E n tfaltu n g der Charaktere auseinandersetzen, muß den alten

S t r e i t :

E volu tion oder Epigenese aus­

fechten. Zu diesen Fragen, die uns hier nicht aus­

führlicher zu beschäftigen brauchen, haben B o ta ­ niker wie

Sa c h s, Vö c h t i n g, Go e b e l, Kl e b s, Jo s t, Wi n k l e r,

Zoologen wie R o u x ,

We i s m a n n, Bo v e r i, Dr i e s c h, Ko r s c h e l t, Lö b, He r b s t, Wi l s o n, Mo r­ g a n

unschätzbar wichtige

B e i t r ä g e

geliefert. In be­

sonders enger

B e z i e h u n g

zu

u n s e r e m

Gegenstand stehen die

V e r s u c h e

über

B e f r u c h t u n g

kernloser E istücke (Merogonie) und ihr Gegenstück, die B e ­ m ühungen um künstlich hervorgerufene Partheno­

genese : man verm ißt

s i c h ,

in die letzten

G e h e i m n i s s e

der Zeugung einzudringen und das W under der Virgo genetrix m it chemischen und physikalischen M itteln zu erzwingen. Noch näher steht der M endelforschung das Problem der G eschlechts­

bestim m ung, m it dem wir

St r a s b u r g e r

seit 1890 beschäftigt finden; er kom m t bei experim entellen

S t u d i e n

an zweihäusigen Pflanzen (1900) zu dem Schluß, daß das G eschlecht nicht von außen her bestim m t, sondern m it der B efruchtung ent­

schieden, also vererbt wird.

W ie stehen die drei W iederentdecker der Men- delschen Gesetze in den Strömungen ihrer Zeit ?

Ts c h e r m a k

greift 1898 eine von

Da r w i n

ge­

stellte Frage auf, die nach der W irkung von K reuz- und Selbstbefruchtung innerhalb einer Sippe.

Rassenkreuzungen nim m t er vor, um auf Xenien (vgl. unten) zu prüfen und um das Verhalten der Bastardnachkom m en zu verfolgen. E r h at Anfang 1900 noch kein anderes M aterial als die Spaltung seiner Erbsenbastarde nach 3 : 1 bei Selbstbefruch­

tung, nach 1 : 1 bei R ückkreuzung m it dem recessiven E lter. W ie er m itteilt, h at er aber bei diesen ersten Versuchen das Gesetz schon erkannt.

D e V r i e s h ätte im vorausgehenden schon oft, und zwar als einer der Führer, genannt werden müssen. E r hat, im Bannkreis von S a c h s und P f e f f e r , der B otan ik die Methode zur A nalyse der Turgor kraft und der P h ysik die isotonischen K o effi­

zienten geschenkt (1884), und w irft sich nun m it der ganzen W u ch t seines W illens auf das A rt­

problem. E r p ackt den Stier bei den Hörnern und sucht von 1886 an system atisch nach neu ent­

stehenden Arten, die er gleich im Beginn in der Nachkom m enschaft der Oenothera Lam arckiana (L am a rck s Nachtkerze) zu finden glaubt, der Pflanze, in deren Zeichen der zw eite A bschnitt seines Lebenswerkes vorzugsw eise steht. E r sucht ebenso nach neu entstehenden V arietäten und studiert die E rb lich keit jeder Form von V ari­

ation, die ihm in die H ände fällt, von Anomalien wie Zwangsdrehung usw. E r kom m t bald dazu, das A rtb ild aufzulösen in selbständige, beliebig kom binierbare Merkmale, das E rb gu t der A rt, ähn­

lich wie schon

Nä g e l i,

in unabhängige und selb­

ständig variierende Erbanlagen. So erscheint schon 1889 die „In tracellu lare Pangenesis“ , die an D a r w in s „Pangenesis“ anknüpft und W eism an ns Keim plasm atheorie stark beeinflußt h a t: seine erste Veröffentlichung aus dem Gebiet der E rb lich ­ keit ist der Versuch einer allgemeinen Vererbungs­

theorie, die ihm für lange Jahre Führer bei seinen, alle Fragen der Vererbung berührenden E xp eri­

menten wird. Zahlreiche Arbeiten über sterile Rassen, über E rblich keit von Zwangsdrehung, V er­

bänderung, Verw achsung, über V ariationskurven, über K urvenselektion, über P eriodizität der par­

tiellen V ariation, über E rnährung und Zuchtw ahl, erscheinen 1889 und im L au f der 90er Jahre, aber das ganze riesige M aterial legt er 1901 im 1. Band seiner „M utationstheorie“ vor. Jetzt wird erst recht deutlich, wie er die Erfahrungen der älteren A utoren und der großen gleichzeitigen Züchter m it seinen eigenen verbindet, w ie er zur A uswertung des Zahlenm aterials die Technik der Biom etriker verw ertet, w ie klar er unterscheidet zwischen per­

sönlicher M odifikation und erblicher M utation.

D och den größten E in druck machen seine M it­

teilungen über das Herausspringen eines ganzen Schwarm s neuer „ A r te n “ aus der „m utierenden“

O enothera Lam arckiana, wodurch die Capsella

Heegeri tie f in den Schatten gestellt w ird: hier

glau b t m an bei dem M ysterium der A rtw erdung

(10)

756

R e n n e r : Die B otan ik vor Mendels Auferstehung.

[

Die Natur­

wissenschaften

w irklich einm al zugegen sein zu dürfen. D er zweite B and des unvergänglichen W erkes, 1903 erschienen, heißt Allgem eine Bastardlehre und illu striert u. a.

die Mendelschen Gesetze an um fangreichem Ma­

terial als etw as schon allgem ein B ekanntes. A uch dieser zw eite T eil war, recht spät, angekündigt durch Einzelveröffentlichungen, durch die M it­

teilung über B astardbefruchtun g des Endosperm s beim Mais (1899), also über einen experim entellen B eitrag zu dem aktuellen Them a der doppelten Befruchtung, wobei ganz kurz erw ähnt ist, daß die Samen der selbstbestäubten B astarde zu etw a 3/4 dem einen, zu 1/i dem anderen E lter gleichen, und durch „D a s Spaltungsgesetz der B astard e” (1900), wo zum erstenm al die Mendelschen R egeln ausge­

sprochen sind. E s ist m erkw ürdig: schon in der

„In tracellu laren Pangenesis“ ist die U nabhängig­

keit der M erkm ale u. a. aus dem Verhalten der B astarde abgeleitet, aber erst 1892 fän gt er lang­

sam an, das in seinem W ert längst klar erkannte W erkzeug der B astardierung zur A n alyse der an­

genommenen Zusam m engesetztheit zu verwenden, seit 1894 h at er nach 3 : 1 spaltende Rassen­

bastarde in Händen, 1896 schon die 3. Generation eines solchen B astards. Augenscheinlich beschäf­

tig t ihn das M utationsproblem viel stärker, wie er ja m it seinen mutierenden Önotheren auch seit 1894 Kreuzungsexperim ente m acht, die teilweise ganz andere Ergebnisse bringen als die Versuche m it Rassen von Mohn und L einkraut usw.

Co r r e n s,

den w ir heute feiern, geht von einer Sondererscheinung aus. D ie älteren P flanzen­

züchter w ußten viel von einer W irkun g sippen­

fremden Pollens zu erzählen, die sich über den B astardem bryo hinaus spürbar m acht; auf den liebenswürdigen Nam en Xenien, Gastgeschenke, h atte F o c k e die rätselhaften Erscheinungen ge­

ta u ft. V or allem vom Endosperm , dem den E m bryo um gebenden N ährgewebe, doch auch von der Sam enschale waren solche W irkungen beschrieben.

C o r r e n s nim m t sich 1894 vo r> den dunklen V o r­

gängen, die hier ihr W esen treiben, nachzuspüren.

F ü r das Endosperm des Maises kann er die älteren A ngaben bestätigen, aber über das Nährgewebe hinaus reicht, w ie er seit 1897 weiß, die W irkun g der X enienbildung nicht, und er verm utet und sucht deshalb die doppelte B efruchtung, die dann N a w a s c h in und G u ig n a r d w irklich auffinden. B ei den Erbsen kann er von X enien nichts entdecken, w eil sie kein Endosperm haben, aber er findet in der N achkom m enschaft der E rbsenbastarde klare Zahlenverhältnisse, klarere als m itunter beim Mais, und treib t die Untersuchungen darüber „a ls A llo ­ tria “ , wie er 1922 sagt, weiter, bis ihm die F ru ch t der Mendelschen Gesetze reift (1900). D as große, 1902 erschienene Maiswerk, dessen w ichtigste E r­

gebnisse schon 1899 m itgeteilt werden, steht als ein M arkstein der neuen Zeit da; so ist niemals vorher in die genetischen Beziehungen einer großen Sippschaft verw andter Form en hineingeleuchtet worden. Bezeichnend für den A usgangspunkt der Corrensschen E xperim ente ist, daß er sofort das

Problem sieht, das in der triploiden Beschaffenheit des Endosperms, in seiner E ntstehung aus drei haploiden Kernen liegt; ein Bastardendosperm , das von der M utter, im schon diploiden E m b ryo ­ sackkern, A A m itbekom m t, vom V ater, im Sperm a­

kern, a erhält, ist etw as anderes als ein solches, dem durch die reziproke Verbindung die K o n sti­

tution aaA zugeteilt wird, und in diesem Sonder­

fall löst sich das R ätsel der Dom inanz auf v e r­

hältnism äßig einfache W eise.

A uch für die weitere A usgestaltung der Theorie und für den A usbau des experim entellen W erkes ist die m orphologische Verankerung von

Co r r e n s

Studien von der größten Bedeutung. E r knüpft die Mendelsche Spaltung sofort (1900, besonders eingehend 1902) an die cellularen Vorgänge an.

B ei der E m bryosackbildung verlegt er die Trennung der Anlagen vor die Teilung des primären, ha­

ploiden Em bryosackkerns, also in die R eduktions­

teilung, w eil das E xperim ent die K erne des E m ­ b ryosacks als gleich beschaffen erkennen läßt.

B eim Pollen sollte, nach der H om ologie zu urteilen, die Trennung ebenfalls vor der Ausgestaltung des Pollenkorns erledigt sein, aber der A u sfall eines ihm eindeutig erscheinenden Experim ents ve r­

bietet ihm diesen Schluß zu ziehen: der B astard zwischen zwei W eidenröschenrassen, deren Pollen­

körner verschieden gefärbt sind, hat lauter gleich gefärbte Pollenkörner, und deshalb glaubt

Co r r e n s

annehmen zu müssen, die „q u a lita tiv e R edu ktion“

falle in das schon haploid gewordene Pollenkorn hinein, werde erst bei der Ä quationsteilung aus­

geführt, in der sich die generative Zelle von der vegetativen tren nt; die beiden generativen K erne des Pollenschlauchs sind wieder gleich konsti­

tuiert. E r gerät darüber in eine K ontroverse m it

St r a s b u r g e r,

der sich dafür ausspricht, daß in beiden Geschlechtern die E ntscheidung bei der R eduktion der Chrom osom enzahl falle, und dam it recht behält. W enn

Co r r e n s

die Trennung der Anlagen bei einer Äquationsteilung im Jahre 1900 für m öglich hält, so ist daran zu erinnern, daß

Ba t e s o n

bis in die allerjüngste Zeit diese A n ­ schauung ve rtritt.

A u f demselben Grunde ruht eine andere B e ­ sonderheit schon der ersten M itteilungen von

Co r r e n s.

E r begnügt sich nicht dam it, ein Zahlen­

verhältnis in einer B astardspaltung „em pirisch“

festzustellen, sondern er bem üht sich um das zu ­ grunde liegende „ratio n elle“ Gesetz. Beim Mais findet er einm al 16% recessive Individuen sta tt 25% , und er w eist nach, daß n icht die Keim zellen in einem von 1 : 1 abweichenden V erhältnis ge­

b ildet werden, sondern gewisse zygotische K om bi­

nationen vor anderen bevorzugt sind (1902); ob dabei selektive B efruchtung oder verschieden rasches Pollenw achstum vorliegt, bleibt unent­

schieden. E r sieht auch die M öglichkeit voraus, daß verschiedene zygotische Kom binationen ve r­

schiedene em bryonale E ntw icklun gsfähigkeit oder bei vollständiger E m bryonalentw icklung verschie­

dene K eim fäh igkeit haben werden, und daß so

(11)

N i l s s o n - E h l e : Einige Züge aus der Entw icklung des Mendelismus. 757

H eft 38. l 19. 9. 1924J

die schwersten Fälschungen der „m echanischen“

Zahlen Verhältnisse, w ie er sie später genannt h at, zustande kommen können. V or allem die K o n ­ kurrenz der Pollenschläuche beschäftigt ihn von A n fang an, und der Gedanke treib t ihn schon 1896 zu Versuchen ,,über den E influß, welchen die Zahl der zur B estäubung verwendeten Pollenkörner auf die N achkom m enschaft h a t“

(veröffentl. 1900), und ebenso zu Versuchen, in denen er zweierlei Pollen zur B estäubung ve r­

wendet. Hier liegt die W urzel des Erfolges, den er später bei der Behandlung des Problem s der Geschlechtsbestim m ung haben sollte.

Mancher Irrw eg in der Vererbungsforschung wäre nicht gegangen worden, wenn alle Forscher die entwicklungsgeschichtlichen Vorgänge, die zwischen der Aufstreuung des Pollens auf die

N arbe und dem Aufw achsen der neuen diploiden Generation liegen, sich so wie

Co r r e n s

bei jedem Vererbungsexperim ent vor Augen gehalten h ätten;

wenn nicht m itunter vergessen worden wäre, daß für den Biologen das M ikroskop auch heute noch ein

w i c h t i g e r e s

H andw erkszeug ist als

d e r R e c h e n ­

schieber.

Co r r e n s

haben w ir auf dem sicher ge­

gründeten Fundam ent seiner X enienstudien bauen und bauen sehen, in die Höhe und in die Breite, ohne R a st und ohne Irrung. W as W under, wenn ihm, ohne daß er es m erkte, das geworden ist, was

Ha n n s Pf i t z n e r

seinem Palestrina werden läßt, was ,,still und m it der Zeit sich um ihn legte wie ein Feierkleid“ . Möge der niemals feiernde Mann wenigstens dieses Feierkleid, dem sicher Jahr um Jahr neue Zier

Z u w a c h s e n

wird, noch lange auf rüstigen Schultern tragen.

Einige Züge aus der Entwicklung des Mendelismus.

Von H.

Ni l s s o n- Eh l e,

Äkarp.

W enn die W iederentdecker der Mendelschen Gesetze,

d e Vr i e s, Co r r e n s

und v.

Ts c h e r m a k,

heute, nach vierundzw anzig Jahren, einen all­

gemeinen R ü ck b lick auf die Erfolge des Mendelis­

mus im G ebiete der Vererbungslehre werfen, so müssen sie sich w ohl sagen, daß diese Erfolge in manchen Hinsichten erstaunlich groß gewesen sind.

Die erste Aufgabe, die sich die auf

Me n d e l s .

Entdeckungen gegründete Forschungsrichtung stellte, würde n atürlich sein, zu untersuchen, inw iew eit die Mendelsche Vererbungsweise allge­

meine G ü ltigkeit in bezug auf formen- und arten­

trennende erbliche E igenschaften besaß. Diese sowohl in theoretischer wie praktischer H insicht überaus w ichtige und grundlegende Frage läß t sich heute w eit sicherer als vor etw a 20 Jahren be­

antw orten. In den ersten Jahren nach der W ieder­

entdeckung der Mendelschen Gesetze w ar be­

kanntlich die A nsicht ziem lich herrschend, daß die Mendelsche Vererbungsweise nur für ganz be­

stim m te, meistens scharf diskontinuierlich ge­

trennte, altern ativ auftretende, rein äußerliche, biologisch oder jedenfalls phylogenetisch, wie man glaubte, im allgemeinen mehr unwesentliche M erk­

male, w ie Farbe, B ehaarung u. dgl. G ü ltigkeit besaß. D ie Forschung änderte aber in wenigen Jahren ganz w esentlich diese Ansicht.

Eine w ichtige R olle spielten dabei die Arbeiten von

Co r r e n s.

Die eingehende K enntnis und der weite Ü berblick über die große Menge, zum Teil sehr feiner, aber doch distinkter, form entrennender, erb­

licher Merkmale, die der scharf beobachtende, ge­

übte B otaniker bei fast allen Pflanzenarten aus den verschiedensten Gruppen des System s findet und die er o ft ohne vorausgehende Anbauexperim ente der Pflanzen, aber lediglich durch direkte B eobach­

tung in der N atur, so zu sagen gefühlsweise meistens richtig von Standortsm odifikationen oder anderen von äußeren Faktoren bedingten Abänderungen zu trennen weiß, bildeten die breite, nicht hoch genug

zu schätzende U nterlage dieser U ntersuchungs­

reihe von

Co r r e n s. So

wurde es bald klar, daß nicht nur solche äußerliche morphologische V arie­

tätsm erkm ale wie Färbungsunterschiede, sondern auch allerlei Form m erkm ale, die gerade bei der A rten system atik eine w ichtige R olle spielen und deshalb aus allgem ein theoretischem G esichtspunkt besonders interessieren, den gewöhnlichen Mendel­

schen Spaltungsregeln gehorchen. Sehr w ichtig war auch der Nachweis, daß nicht nur biologisch mehr unwesentliche Eigenschaften, sondern auch sogar die aller wesentlichsten, wie herabgesetzte oder fehlende Chlorophyllbildung, der K ategorie men­

delnder Merkmale angehören konnten. Ferner reihten sich hier an biologische erbliche E igen­

schaften wie Ein- und Zweij ährigkeit, V egetations­

dauer (Blüte- und R eifezeit), Resistenz gegen K älte oder gegen gewisse Infektionskrankheiten usw.

Die meisten dieser Unterschiede sind durchaus

„norm ale“ , gewöhnliche, in der N atur vorkom ­ mende arten- und form entrennende Merkmale, ein prinzipiell sehr w ichtiges Moment, das dadurch in keiner W eise verschleiert werden darf, daß eine R eihe spaltender Merkmale mehr oder weniger den C harakter von M onstrositäten haben.

A ls zweites besonders wichtiges M om ent bei der Auseinandersetzung der G ü ltigkeit der Mendel­

schen Vererbungsweise kam dann die A ufstellung des Erbeinheits- oder Genbegriffes. D ie K o n ­ struktion einer roten Sippe aus K reuzung einer konstant weißen m it einer konstant gelben bei

Co r r e n s

M irabilisarbeiten (1903) und die kom ­ plizierte Spaltung in der Kreuzungsdescendenz war einer der A usgangspunkte der prinzipiell äußerst wichtigen Trennung zwischen den äußeren, sich t­

baren Eigenschaften und den inneren Anlagen, den Erbeinheiten oder Genen, welche die äußeren E igen­

schaften aufbauen. D urch Aufstellen des Presence- und Absencebegriffes von

Ba t e s o n

und anderen eng­

lischen Vererbungsforschern wurde der gesetzm äßige

N w . 1924. 10 0

(12)

7 58 N i l s s o n - E h l e : Einige Züge aus der E ntw icklung des Mendelismus.

V erlauf nach den Mendelschen Regeln und die reine Trennung der A nlagen bei der Spaltung auch für eine R eihe kom pliziert aufspaltender E igen ­ schaften zahlenm äßig e x a k t nachgewisen und die Erbeinheitsanalyse von Farbeneigenschaften sowie anderen E igenschaften von

Ba u r, v. Ts c h e r m a k

und einer R eihe anderer Forscher in weitgehendster W eise durchgeführt, wobei die auffallende P aralleli­

tä t im Verhalten der Gene einer und derselben Eigenschaft, z.

B .

der Chlorophylleigenschaft, in den verschiedensten system atischen Gruppen der höhe­

ren Pflanzen w ohl eines der w ichtigsten Z ukun fts­

probleme der Forschung bildet.

A u f Grund des Presence- und Absencebegriffes konnte auch der N achw eis der sog. gleichsinnigen, polym eren, homomeren oder m ultiplen Gene erfol­

gen. E in prinzipieller U nterschied zwischen solchen Genen, die jede für sich eine äußere E igenschaft zur G eltung bringen, und denjenigen, die nur in B e ­ gleitung m iteinander eine E igenschaft hervorrufen, läß t sich gewiß nicht machen, wie unter anderen

Ha g e d o o r n

m it R ech t geltend gem acht hat. D as H auptgew icht liegt wiederum darauf, daß der N achw eis von in bestim m ter W eise wirkenden solchen Genen den gesetzm äßigen V erlauf auch bei solchen Fällen kom plizierter Spaltung, w o diese interm ediär oder transgressiv verläu ft, hervor­

treten läßt. E s ist vor allem au f dem G ebiete der für praktische Ziele arbeitenden Pflanzenzüchtung, die oft m it außerordentlich großem M aterial von Pflanzennachkom m enschaften arbeitet, daß die Spaltung allerlei q uan titativer, in vielen kleinen Abstufungen auftretender erblicher Eigenschaften (Größe, Form , K älteresistenz, V egetationsdauer usw.) genau untersucht wurde, wobei als H a u p t­

resultat anzusehen ist, daß die Abstufungsreihe eine K om binationsreihe darstellt, wie schon

Me n­ d e l

voraussah. A uch zwei reine konstante Linien im Sinne

Jo h a n n s e n s,

die die gleiche A bstufun g darstellen, können dabei verschiedene Genotypen sein und bei K reuzung m iteinander deshalb Transgressionen ergeben.

D ie praktische Pflanzenzüchtung h at daraus die Konsequenzen gezogen. W eit davon, an eine intermediäre, von der Mendelschen verschiedene Vererbungsweise in solchen Fällen mehr zu glauben, obwohl eine solche im ersten A n fang m anchm al vorzukom m en scheint, strebt sie nunmehr, unter anderem durch außerordentlich große F 2-Genera- tionen, die theoretisch möglichen K om binationsrei­

hen praktisch m öglichst zu verw irklichen. In der W eise treten die Elternabstufungen auch nach K reuzung stark verschiedener E ltern schließlich wieder auf, und die M öglichkeit besteht, wie durch die P raxis nunmehr sicher b estätigt worden ist, z. B . einen gewissen Grad von K älteresistenz m it gegebener höchster E rtragfäh igkeit zu kom bi­

nieren, ein besonders großer, ökonom isch be­

deutungsvoller Züchtungsfortschritt, der aber in ­ folge der überaus kom plizierten Spaltung nur a ll­

m ählich in mehr als zw anzigjähriger äußerst um ­ fangreicher A rb eit durch m ehrfach wiederholte

r Die N atu r- 1 Wissenschaften

Kreuzungen und Kom binationen praktisch v e r­

w irklich t wurde. A u ch die Transgressionsspaltung wurde absichtlich und m it E rfolg verw endet. In ­ folge der sehr kom plizierten Spaltung der meisten praktisch bedeutungsvollen Eigenschaften steht die Z üchtung bei der absichtlichen Kom bination w ertvoller E igenschaften nur im allerersten A n ­ fang. R iesenaufgaben, die sehr lange Zeit erfordern werden, um vo llstän dig gelöst zu werden, w arten auf diesem Gebiete. Ü beraus große praktische Schw ierigkeiten bestehen jedoch dabei, nicht nur infolge der kom plizierten Spaltung, sondern auch z. B . dadurch, daß die transgressive Spaltung aus teilweise verständlichen Gründen äußerlich sehr oft in einseitig schlechter R ich tu n g geht. Es ist auch dabei verständlich, daß Artenkreuzungen für die praktische Züchtung m anchm al größere Schw ie­

rigkeiten als V arietätenkreuzungen bieten. Viele Kom binationserfolge wurden jedoch auch schon bei manchen A rtkreuzungen erreicht (Garten­

pflanzen, Luzerne usw.).

In der W eise h a t es sich mehr und mehr heraus­

gestellt, daß zweifellos die allerm eisten erblichen Unterschiede in der gleichen W eise vererbt werden, daß mendelnde Erbeinheiten ihnen zugrunde liegen.

M it besonderem N achdruck h at C

o r r e n s

darauf hingewiesen, daß dies n icht nur für varietätstren ­ nende, sondern auch für artentrennende Merkmale G eltung besitzt. W enn m an das sehr große je tz t vorliegende Tatsachenm aterial von A rtenkreu­

zungen (B

a u r

, L

o t s y

, H

e r ib e r t

-N

ilsso n

und viele andere) im Pflanzenreich überblickt (in Fällen, wo sich die A rten kreuzen lassen und eine genügend fertile N achkom m enschaft ergeben), dann muß man ihm darin unbedingt R e ch t geben.

W enn ein System atiker je tz t den V ersuch wagen sollte, je nach einer verschiedenen Vererbungs­

weise erblicher Eigenschaften V arietäten und A rten aufzustellen (daß diese E inteilung sonst als ordnen­

des Prinzip in der W issenschaft festgehalten werden muß, ist eine ganz andere Sache), so würden sich die ,,A rten “ jedenfalls bei Pflanzen bald als reine Fiktionen herausstellen. W o würde man denn eine ,,rich tige“ A rt mehr finden? Jedenfalls müßte, wenn man beschlossen hätte, was für ,,A rten“ ge­

halten werden sollte (etwa nach S terilität nach K reuzung, Chrom osom enzahl oder nichtm endelnde Eigenschaften), eine vollkom m en andere E in ­ teilungsweise als die je tz t existierende geschaffen werden. V on der lästigen Synonym ik wäre die W issenschaft allerdings zum großen T eil befreit, denn wie viel ließe sich von jetzigen Namen be­

halten? Zw ar liegt bei sich nicht kreuzenden T ier­

arten, die eine R eihe paralleler M utationen men­

delnder Erbeinheiten zeigen (welche M utationen aber nicht eben die spezifischen Artenunterschiede betreffen), der V erdach t an geheim nisvolle spezi­

fische, m it den mendelnden Erbeinheiten nichts zu tun habende Artenunterschiede nahe (Drosophila).

H ier kann aber die K reuzungsanalyse wegen der

S terilität keine K larh eit bringen, und für solche

Fälle soll deshalb das sehr w ichtige und große

(13)

N i l s s o n - E h l e : Einige Züge aus der Entw icklung des Mendelismus. 759

H eft 38. 1 19. 9 . 1924J

M aterial bei fertilen Pflanzenartenkreuzungen nicht übersehen werden.

W enn es also nunmehr klar ist, daß jedenfalls ein sehr großer Teil auch der artentrennenden M erkm ale ihre Grundlage in Genen derselben A rt w ie die V arietätsm erkm ale haben muß, so ist es eine ganz andere Sache, daß die Spaltungs- und Kom binationsm echanik, die der D istribution dieser Gene dient, gerade bei manchen Artenkreuzungen in anderer und w eit unvollständiger W eise fu n k­

tioniert als bei Kreuzungen näher verw andter Sippen, wie dies F e d e r l e y bei Schm etterlings­

kreuzungen in schlagender W eise dargetan hat.

D ie eingeschränkte oder ganz fehlende R edu ktions­

teilung der Chromosomen, die hier stattfin d et und die das gewöhnliche Trennen der Gene mehr oder weniger verhindert, ist w ohl nur als eine mehr extrem e Ä ußerung solches unvollkom m enen M echa­

nismus anzusehen. W ahrscheinlich kom m en als Zwischenstufe zum

normalen

V erhältnis auch A b ­ schwächungen im Kom binationsm echanism us vor.

Fernerhin treten andere K om plikationen hervor, die übrigens auch bei Varietätenkreuzungen

Vor­

kommen, wie Elim ination oder Zurücktreten von Gam eten des einen Gliedes eines M erkmalspaares, Elim ination von Zygoten, die von d e V r i e s zuerst nachgewiesene und aus noch unbekannten U r­

sachen herrührende H eterogam ie oder ungleiche Verteilung desselben Gens au f Eizellen und Pollen­

zellen usw. A uch in diesen Fragen schafften die U ntersuchungen C o r r e n s ’ vielfach A ufklärung (Mais, Melandrium). A lle derartigen K om p li­

kationen bewirken zw ar abweichende Zahlen­

verhältnisse und auch Abweichungen von der gewöhnlichen Mendelschen äußeren Vererbungs­

weise der Eigenschaften bei Artenkreuzungen, beziehen sich jedoch nicht auf die Grundfrage, die Erbeinheiten als Grundlage der erblichen E igen­

schaften, besagen nichts über eine Verschiedenheit zwischen A rt- und V arietätseigenschaften.

Abgesehen davon, ist es vor allem auch durch die Untersuchungen

Co r r e n s

klar geworden, daß schon innerhalb einer A rt gewisse durch die Samen au f die N achkom m enschaft übergehende U n ter­

schiede, die nicht mendeln, d. h. n icht auf ge­

w öhnliche Erbeinheiten zurückzuführen sind, Vor­

kom m en können. Eine R eihe eingehender U n ter­

suchungen seinerseits, besonders der letzteren Jahre, bei vielen Pflanzenarten verschiedener Gruppen haben bekanntlich innerhalb der Chloro­

phylleigenschaft gezeigt, daß neben vielen m endeln­

den Unterschieden, die sich auf die R edu ktion des Chlorophylls beziehen (Chlorina-, X an tha-, A lb a ­ sippen u. a.), auch ganz andere T ypen Vorkommen (Albom aculata, A lbovariabilis u. a.), die einen krankhaften Zustand des Plasm as oder der Chro­

m atophoren oder sogar der G enträger selber, der Chromosomen (Capselia 1919) bezeichnen.

Zwei Fragen stellen sich hier je tz t auf. Sind diese K rankheiten, wie es vorläufig unzw eifelhaft erscheint, von infektiösen K rankheiten (Chlorosen,

B

a u r

), die auch Form endifferenzen hervorrufen

können (Datura,

Bl a k e s l e e)

m it Sicherheit und prinzipiell verschieden? In dem Falle, können denn nicht derartige nicht-m endelnde Unterschiede auch Form - und Größeneigenschaften u. dgl. be­

einflussen? M it dieser M öglichkeit muß unbedingt gerechnet werden, und auch die praktische Züch­

tung, die soviel gerade m it Größendifferenzen ar­

beitet, h at allen Grund, dieser prinzipiell sehr w ichtigen Sache volle B each tu ng zu widmen.

Ausgeschlossen wäre dann keineswegs, sondern im G egenteil ziem lich wahrscheinlich, daß der­

artige plasm atische Unterschiede innerhalb einer G attu n g größere R olle als innerhalb einer A rt, d. h.

für A rten größere R olle als für V arietäten spielen, ebenso wie A rten im allgem einen (mit Ausnahm en muß n atürlich gerechnet werden, eben w eil der A rtb egriff ja nicht auf Grundlage der K enntnis der Gene herausgestaltet wurde) m it H insicht auf die mendelnden Gene mehr verschieden sind als F o r­

men innerhalb einer A rt. D azu kom m t noch und vor allem der der K reuzungsanalyse nicht zugäng­

liche G rundstock gemeinsamer Züge im A ufbau der Organismen

( Jo h a n n s e n, Wi n k l e r). Wo

liegen z. B. die K räfte, die den Spaltungs- und K om b i­

nationsm echanism us, die D istribution der Gene, beherrschen ? D er experim entelle Mendelismus gibt darauf keine A n tw o rt; ich kann aber auch nicht finden, daß er jem als Ansprüche darauf erhoben h at. E r analysierte eben nur die Unterschiede der am nächsten verw andten T ypen innerhalb einer A rt oder G attung, soweit dies m öglich war, und konnte daraus den an und für sich sehr w eit­

gehenden, theoretisch und praktisch bedeutungs­

vollen Schluß ziehen, daß hier ein sehr großer Teil, soweit die jetzige E rfahrung lehrt, sogar die w eit­

aus m eisten formen- und artentrennenden E igen ­ schaften, jedenfalls bei den höheren Pflanzen, dem spaltenden T yp u s gehören und auf Genen der gleichen A rt zurückzuführen sind.

D ie E rkläru ng einer ungeheuren M annig­

faltigk eit in der N atur, der zahlreichen Variationen auch innerhalb derselben E igenschaft, in erster Hand durch verschiedene Kom bination einer relativ geringen (obwohl absolut vielleicht großen) A nzahl von Grunddifferenzen, ist w ohl neben der K o n ­ stanz der reinen (homozygoten) Linien von

Jo h a n n­ s e n

(der F esth eit der Gene), welche beide Prinzipien einander gegenseitig stützen und ergänzen, in all­

gemein theoretischer und auch praktischer H in­

sicht als eine der w ichtigsten Errungenschaften der modernen B iologie zu betrachten. Diese beiden neuen Prinzipien, von denen m an noch vor fünfund­

zw anzig Jahren keine Ahnung hatte, verändern im Grunde die Denkweise in diesen Dingen, die Auffassung über die U ngleichheit in der N atur und ihre Ursachen, und die w eitgehenden Konsequen­

zen, die dies Jahrhundert daraus ziehen wird, auch im menschlichen Gebiete, lassen sich vorläufig nicht überblicken.

D ie E rw eiterung unserer Kenntnisse im je tz t

erörterten Teil des Mendelismus, d. h. über das

allgem eine V erhalten formen- und artentrennender

Cytaty

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