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Technik und Kultur : Zeitschrift des Verbandes Deutscher Diplom-Ingenieure, Jg.16, H. 1

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technik und Kultur

□ □ □ □ Z E I T S C H R I F T D E S V E R B A N D E S

D E U T S C H E R D I P L O M - I N G E N I E U R E □ □

□ □

Schriftleiter C a r l We i h e , Patentanwalt, trankiurt a. M.

HEFT 1 15. JANUAR 1925 16. JAHRGANG

U n s t i m m i g k e i t e n

i m Z i e l g e d a n k e n d e r H o c h s c h u l r e f o r m .

Von Geheimen R egierungsrat Prof. W. F r a n z , Cnarlottenburg.

Die Ansichten über die Zweckbestim m ung der T ech­

nischen Hochschulen sind seit Jahrzehnten in B ew egung.

Schon bei dem U ebergang in ihre heutige Fassung, die sich bei den m eisten aus Fachschulen kleineren W irkungskreises in der zw eiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vollzogen hat, also schon in ihren Anfängen, ist Aenderung der Ziel­

richtung bemerkbar; zu der Erziehung von TeiUechnikern, der Aufgabe der ursprünglichen Fachscnulen, kam damals die Forschung und W issenschaftspflege hinzu. In dem V erfassungsstatut der preußischen Hochschulen heißt es diesbezüglich, daß sie den „Z w eck“ naben, für den tech­

nischen D ienst der technischen Staatsbehörden, der Ge­

m einde und der Industrie das notw endige Personal zu er­

ziehen und außerdem die W issenschaften zu pflegen, die zum technischen Unterrichtsgebiete genören — aber auch nur diese. Es dauerte nicht lange, da erhob sich (an den süddeutschen Hochschulen früher als an den norddeut­

schen) das Verlangen nach U nterw eisungen, die die g e­

zogenen Grenzen überschreiten mußten: in Kunstge­

schichte, Literaturgeschichte, politischer Geschichte, R echts- und W irtschaftsw issenscnaften u. a. Einen noch stärkeren Impuls bekam die B ew egung um die Jahrhun­

dertw ende. Jetzt wurden mit einer gleichzeitigen Reform der Prüfungen die akademischen Grade „Diplom-Ingenieur“

und „Doktor-Ingenieur“ geschaffen; das Bedürfnis an Tech­

nikern bester Fachbildung für Industrie und freie W irt­

schaft trat menr in den Vordergrund. Zugleich aber trat auch das Verlangen, den Studierenden w eitere Bildungs­

m ö g l i c h k e i t zu gew ähren, noch stärker hervor. Die Technik in ihrer gesam ten Aeußerung, so hieß es nun, g e ­ winnt immer mehr an Bedeutung für das öfferillicne Leben, für Staat und Nation. D e s h a l b m üssen auch die T e c h ­ n i k e r , d. s. die Träger des technischen W ollens und W ir­

kens, In der Volksgem einschaft höher g ew ertet w eiden.

Die Techniker als solche, und besonders die beam teten Architekten, W asserbauer, die Eisenbahner, die Maschinen­

ingenieure, Elektrotechniker usw . m üssen — sobald sie in ihrem Fachberuf sich bew ährt haben — „leitende Stellun­

gen“ ernalten, um so einen größeren Einfluß auf die G estal­

tung von Staat W issenschaft und Gesellschaft zu gew in­

nen. Daneben aber sollen Techniker aller Fachrichtungen sich überall auch im öffentlichen Leben, in den Ehren­

ämtern der Gemeinden und der sonstigen S elb stverw al- tungskörper, hauptsäcnlich aber in den Parlamenten, be­

tätigen. „Techniker in die L andtage!“ „Techniker in den R eich stag!“ Die Techniker haben die Pflicht, sich am öffentlichen Leben zu beteiligen.“ D as sind oft gehörte W orte der letzten Jahrzehnte; sie gaben das Leitm otiv für

die Propaganda der Fachvereine. Zur Erleichterung der Durchführung der Forderungen oder als selbstverständ­

liche V oraussetzungen wurde seitens der T echnikerver­

bände von den Hochschulen verlangt, durch Prüfungsbe­

stimmungen u. a. dafür zu sorgen, daß jeder die Hochscnuie verlassende junge Fachtechniker ein „gew isses Maß von Kenntnissen“ in den R echtsw issenschaften und in den W irtschaftsw issenschaften erworben hat. So wurde auch in vielen Reformschriften, die seit 1900 geschrieben w o r­

den sind, immer w ieder herausgehoben, daß die T ech­

nische Hochschule“, so sagt P rofessor Dr. N ä g e l - Dresden,, „muß in ihrem Lehrumfang die gesam te Technik mit ihren Beziehung zur U m w elt umfassen und darf sich nicht auf jene W issenschaften be­

schränken, die als Ingenieurwissenschaften im en ge­

ren Sinne angesprochen zu w erden pflegen und die auf m athematischer Grundlage aufgebaut <sind. Insbe­

sondere gehört die eingehende P flege der W irtschafts­

wissenschaften, der einschlägigen G ebiete der Rechtskunde., der Handelsw issensenaften, der modernen Sprachen, der Kulturgeschichte, der Sozialw issenschaften usw . durchaus zu den Aufgaben der Technischen Hochschulen“. Aehnlich Prof. Dipl.-Ing. L e w i c k i - D resden; „Das Ziel tecn- nischer Hochschulbildung müßte sein die Erziehung von Ingenieuren von hoher Charakter- und Allgemeinbildung . In einer Rede gelegentlich der Uebernahm e des R ektorats sagte Prof. Dr.-Ing. H e i d e b r o e k - Darm­

stadt; „ Darum erheben wir mit vollem Nachdruck die Forderung, daß neben der rein fachw issenschaftlichen Ausbildung die allgemeine geistige Erziehung unserer Stu­

denten zu vollw ertigen M enschen gepflegt w ird...

Wenn die Beherrschung der Matur und ihrer G esetze nicht zum reinen Rationalismus fünren soll, brauchen wir Er­

kenntnis über das letzte W esen der D inge. Darum fordern wfr bew ußt auch die philosophische Schulung, die Ausbil­

dung in der höchsten aller G eistesw issenschaften für u n - s e r e Studierenden. So streben wir bew ußt eine U niversalität der Bildung an und sehen auch in unserer Hochschule mit ihrem Bildungskreis die U niversitas. . . .“

Den Ansichten, w ie sie in solchen Ausführungen sich äußern, stehen andere schroff gegenüber. Zahlreiche Techniker im praktischen Berufsleben, insbesondere aucn Leiter von Industriewerken, fürchten aus den B estrebun­

gen zur Verbreitung von sogenannter Allgemeinbildung eine Beeinträchtigung der fachtechnischen Bildung. Sie sagen, daß der Zeitaufwand für Philosophie, G eschiente, Soziologie, V olksw irtschaftslehre, Jurisprudenz usw . selb st­

verständlich doch nur bei einer Minderung der auf die fachtechnischen Gebiete verw endeten Zeit möglicn ist, daß

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2 Technik und Kultur, Zeitschrift des VDiDI. 1925

also die mit vier Jahren schon knapp bem essene Studien­

zeit durch Einbeziehung der genannten g eistesw issen sch a ft­

lichen Fächer ungebünrlich verkürzt w erde. Dazu komme noch die Ablenkung von dem eigentlichen Studienzw eck.

Es sei doch unbestreitbar, daß ein junger Mann ein guter W asserbauer oder M aschineningenieur oder Elektrotech­

niker w erden könne, ohne auch nur eine Stunde seines H ochschulstudium s auf Philosophie, Soziologie, Geschichte u. a. v e rw en d et zu haben. Auf eine kürzlich veranstaltete Umfrage an tw ortete ein W erksdirektor, daß er schon gegen die Errichtung der Lehrstühle für Allotria sei: „Was w ir heute im Ingenieur-Beruf nötig haben“, m einte er dann w eiter, „sind Männer, w elch e im stande sind auf Grund inrer praktischen und theoretischen Ausbildung etw as Brauchbares zu schaffen. D agegen wird es unsere Auf­

gabe sein, in den nächsten Jahren die Anzahl derer, w elche nichts schaffen, sondern nur reden, registrieren, Statistik treiben, Feuilletons schreiben usw . auf das allerm indeste Maß zu beschränken Meine Ansicnt ist also, daß die Lehre der V olksw irtschaft auf den Technischen Hoch­

schulen höchstens als nicht obligatorisches Fach in v ie l­

leicht zw ei w öchentlichen Vorlesungen dargeboten wird, daß aber auf keinen Fall der Lehrplan der Ingenieure aller Art, der Architekten und Chemiker hiermit b elastet w ird.“

Es gibt auch viele Hochschullehrer, die jeden die technische Fachbildung nicht fördernden Unterricnt w ährend der v ier­

jährigen Studienzeit ablehnen; einzelne befürchten, w ie der W erksdirektor schon aus dem Vorhandensein einer auf nicht fachtechniscne Z w eck e eingestellten Studieneinrich­

tung eine Beeinträchtigung der w ichtigsten Z w eckbestim ­ mung Technischer Hochschulen.

D as sind unversönliche G egensätze: das Verlangen einerseits nach philosophischer und sonstiger g eistesw issen ­ schaftlicher Schulung der Architekten, Ingenieure und Che­

miker w ä n r e n d i h r e s v i e r j ä h r i g e n H o c h ­ s c h u l s t u d i u m s und die Furcht andererseits, es könne die Fachbildung ebenderselben Architekten, Ingenieure und Chemiker Schaden leiden, w enn an den Technischen Hoch­

schulen Lenrstühle und Studieneinrichtungen für nicht tech­

nische D isciplinen geschaffen w erden.

R eform vorschläge, die sich so gegen seitig aufheben, können keinen Fortschritt bringen. Unstim m igkeiten die­

ser Art sind aber auch nicHt ohne w eiteres hinzunehmen.

S ie fordern Erklärung und Ausgleich.

Ich glaube, daß die U rsache in M ißverständnissen und in Irrtümern beruht, und bin überzeugt, daß — sobald man einmal die Irrtümer erkannt haben wird — ein Ausgleich geschaffen w erden kann.

W enn die beam teten B erufsgennossen in denjenigen R essorts des R eichs, der Staaten, der Städte und sonstigen Kommunen, die technische Aem ter unterhalten, meinen, daß technischer Geist in den großen Organismus der V erw al­

tungen einziehen und technische Intelligenz voll und richtig b ew ertet w erde, sobald sie, die technischen Beamten, in ihren Arbeiten erst einmal selbständiger sind und die höchsten Stellungen ihres A rbeitsbereichs eingenommen haben, so unterschätzen sie w ahrscheinlich den W irkungs­

kreis der nicht technischen Aem ter und den Einfluß, den die technisch gebildeten L eiter d i e s e r Aemter auf das große Geschehen im S taats- und W irtschaftsleben unserer Zeit haben. D ie. mit nicht t e c h n i s c h gebildeten B e­

amten b esetzten Aemter innerhalb des V olksganzen sind den erstgenannten an Zahl w eit überlegen: sie sind aber den technischen Aemtern auch an Einfluß auf die L ebens­

führung w eit voraus. D as W ohl und W ehe der ganzen Nation ist praktisch in den Händen der g e iste sw isse n ­ schaftlich und nicht technisch geschulten Beam ten. Man vergleich e zw ei in Gehalt und Rang gleichstehende Grup­

pen von B eam ten der allgem einen V erw altung z. B. Leiter von preußischen Landkreisen oder B ürgerm eister von Klein- und M ittelstädten mit den Leitern von großen Bau- und B etriebsäm tern in ihrem Einfluß auf die V olksgem ein­

schaft. Wo die tägliche A rbeit der ersteren in das Tun

einer großen B evölkerung hineinragt und fast jeden ein­

zelnen berührt, ist das W irken der letzteren manchmal garnicht bemerkbar. Die Bau- und B etriebsam tsvorsteher sind der B evölkerung kaum dem Namen nach bekannt und treten mit dieser nur selten in Berührung. Ihr Einfluß auf das öffentliche Leben ist jedenfalls ganz gering.

Gewiß ist es im Sinne unserer B estrebungen (tech­

nisches Denken und Tun zu A nsehen und Geltung zu bringen) zu begrüßen, w enn die tüchtigen Techniker m ög- lichtst bald in leitende Stellungen ihrer B etätigu n gsgeb iete aufrücken. D a m i t i s t a b e r . n i c h t g e n u g e r ­ r e i c h t . Technischer Geist muß nicht nur in den tech­

nischen Aemtern und Führerstellungen zur W irkung kom ­ men, sondern auch in den nicht technischen und gerade in diesen. An technischem Geist fehlt es besonders in der allgem einen V erw altung, d. h. bei den Amtshandlungen der Nichttechniker. Daß es genüge, dem R egierungsprä­

sidenten, dem Landrat und dem B ürgerm eister — um nur drei w ichtige V erw altungsstellen zu nennen — Techniker mit großem W irkungskreis, hohem Ansehen und w ichtigen Funktionen an die Seite zu stellen, ist der eine Irrtum. Sind Regierungspräsident, Landrat, B ürgerm eister nicht selbst Träger naturw issenschaftlicher Erkenntnis, haben sie nicht selb st naturw issenschaftlich-technische Bildung (w ie sie geistesw issen sch aftlich e Bildung haben), stehen sie nicht selbst dem technisch-w irtschaftlichen G eschehen mit g e ­ schultem V erständnis nahe, so wird technische Intelligenz in denjenigen w ichtigen B etätigungen des täglichen L e­

bens, auf die technische Beam ten keinen Einfluß haben, nur ungenügend zur Geltung kommen.

Ein anderer Irrtum ist der, es könnten die (beam teten und nicht beam teten) Architekten, Ingenieure, Chemiker und andere Fachtechniker in größerer Zahl durch irgend w elche Mittel zu stärkerer Betätigung in den Parlam enten, in der Selbstverw altung und auf sonstigen Gebieten des öffentlichen L ebens veranlaßt w erden. Mahnungen und Aufforderungen dieser Art sind von allen Techniker­

vereinen seit Jahrzehnten ergangen. Sie sind immer v e r ­ hallt und niem als von nachhaltiger Wirkung g ew esen , w eil eine Betätigung im Parlam ent ganz andere Anschauungen, Fähigkeiten und Neigungen bedingt, als sie die Mehrzahl der Techniker hat. Die Parlam ente bieten w eder dem Architekten, noch dem Ingenieur, noch dem Chemiker, noch irgend einem anderen Fachtechniker ein ergiebiges B e ­ tätigungsfeld. Man bedenke doch auch, daß der Techniker, von Ausnahmen abgesehen, immer Fachtechniker ist; im V ergleich mit Landwirten, Offizieren, T heologen, Richtern, R echtsanw älten und höheren V erw altungsbeam ten, die in den Parlam enten in größerer Zahl vertreten sind, ist der Fachtechniker nur Teiltechniker (Teilfachmann) und außer­

halb seines Faches auf anderen technischen Fachgebieten ebenso Laie, w ie ein Nichttechniker. D as Parlam ent braucht deshalb auch keine Fachtechniker als solche. W ohl aber fehlen ihm, ebenso w ie der V erw altung, Männer mit tech ­ nischer Bildung — mit technischer, nicht mit fachtech­

nischer Bildung. W ie in der V erw altung und in den P arla­

menten so ist es in der P resse, in der Schule und in manchen anderen Teilen der Lebensführung. U eberall fehlt es an technischer Einsicht, an V erständnis für die Technik, an Arbeit im G eiste der Technik und an der M itwirkung seitens der technischen Intelligenz. Hier ist, w ie übrigens auch in den Parlam enten, jeder w eitsich tige Techniker w ill­

kommen. Er (der Fachtechniker) kommt aber nicht, w eil er Fachtechniker ist und sich aus seiner Facharbeit, von der er ganz erfüllt ist, nur sch w er trennen kann. Daß es so ist, ist nebenbei gesagt, ein S egen für die deutsche Technik, ist ihre Stärke und die Sicherheit ihrer Zukunft.

Aus diesem G esichtspunkt ist auch garnicht einm al er­

wünscht, den Techniker zu veranlassen, aus seiner B erufs­

arbeit herauszutreten und V erw altungsbeam ter, P arlam en­

tarier, Journalist usw . zu w erden — jedenfalls dann nicht, w enn er als Fachtechniker, als Konstrukteur, B etriebsleiter oder Erfinder bereits Erfolge erzielt und Erfahrungen er­

w orben hat. Einen berufsfreudigen, erfolgreichen und er-

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1925 Technik und Kultur, Zeitschrift des VDDI. 3 falirenen Techniker aus seiner Tätigkeit herauszureißen,

um ihn V erw altungsbeam ter, Parlamentarier oder Journa­

list w erden zu lassen, ist ein Verlust für Technik und W irt­

schaft tmd kaum ein Gewinn für die anderen Berufe.

Aus diesem Grunde scheint mir unsere Technikerpolitik nicht mehr richtig zu sein. Wir sollten nicht die für ihre Facharbeit vorgebildeten Techniker an die anderen Berufe abgeben, s o n d e r n u m g e k e h r t den für d i e s e B e r u f e g e e i g n e t e n N a c h w u c h s a n d i e T e c h ­ n i s c h e n H o c h s c h u l e n z i e h e n — so w ie z. B.

jetzt schon Lehrern höherer Schulen akadem ische Bildung an Technischen Hochschulen geboten wird. Unser Pro­

gramm dürfte n i c h t lauten: Techniker in die V er­

waltung, in die Parlam ente und in das öffentliche in die Parlam ente und in das öffentliche Leben ! Unser Ziel müßte vielm ehr sein, d em öffentlichen Leben Männer zu gew innen, die neben g eistesw issen sch aft­

licher auch technische Bildung erw orben haben. So würden auch die oben genannten Reform vorschläge von H eidebroek, Nägel u .a . eine/besondere Bedeutung erhalten.

Ich sehe den entw icklungsfähigen Gedanken in der Kom­

bination von geistesw issenschaftlichem mit erfahrungs­

wissenschaftlichem Unterricht — Kombinationen, nicht um damit der fachtechnischen Lehre eine zusätzliche g eistes­

w issenschaftliche zu geben, sondern um die allgemeineren B erufszw ecken bestimm te einseitige geistesw issen sch aft­

lichen, durch naturw issenschaftlich — technisch — w irt­

schaftliche Studien zu beleben.

Oeffnen wir doch die Technischen Hochschulen als Studienstätten auch solchen jungen Leuten, die n i c h t Fachtechniker, n i c h t Architekten, n i c h t Ingenieure und n i c h t Chemiker werden w ollen. Folgen wir doch dem B eispiel der U niversitäten. Die philosophischen U niversi­

tätsfakultäten sind auch denen zugänglich gem acht w or­

den, die nicht Philosophen w erden w ollen. Lehrer der Jurisprudenz finden sich mit denen der Nationalökonomie zusammen, um Akademiker für W irtschaft und Verwaltung zu promovieren. Die U niversität ist nicht exklusiv; die Technische Hochschule braucht es auch nicht zu sein.

W enn die Technische Hochschule ebenfalls Studierende aufnimmt, die geistige Schulung für Berufstätigkeit in W irt­

schaft und Verwaltung und für andere T ätigkeitsgebiete des öffentlichen Lebens aufnimmt, so kann dabei die Schu­

lung von Fachtechnikern ganz unberührt bleiben. Die Schulung guter und bester Architekten, Ingenieure und Che­

miker soll und kann in jeder W eise gefördert w erden; daß sie gehemmt w erde durch andere Studieneinrichtungen für andere Zw ecke, ist eine wil'kürliche Annahme. Ich glaube, daß die Fachtechnikerschulung, die w ichtigste Aufgabe der Technischen Hochschulen, im Gegenteil erleichu rt wird, sobald die nicht für ein Studium der Fachtechnik besonders begabten jungen Leute an Technischen Hochschulen die Möglichkeit eines Studiums für andere B erufszw ecke fin­

den. Und dies aus folgenden Erwägungen. Wir haben seit Jahrzehnten in der Sphäre, der vorstehende Erörterung gilt, nämlich in der akadem isch-w issenschaftlichen V orbe­

reitung für die Tätigkeit in Technik, Industrie, W irtschaft und V erwaltung einen scharfen Dualismus. Infolgedessen vollzieht sich unbemerkt und automatisch eine frühzeitige Scheidung und Trennung des N achw uchses in Studierende der einen und in solche einer anderen Richtung nach un­

zulänglichen und oft trügerischen Merkmalen. Für die eine entscheiden sich diejenigen, die ordnend, verw altend und führend tätig sein wojlen; sie gehen mit oder ohne beson­

dere Neigungen zu den G eistesw issenschaften Jurisprudenz und Nationalökonomie und mit oder ohne Führereigenschai- ten an die U niversitäten. Die sich für die andere Richtung entscheiden, sind die jungen Leute, w elche m i t s e h r v e r s c h i e d e n e n F ä h i g k e i t e n und immer mehr Neigung zu den ErfahrungsWissenschaften sich an T ech­

nischen Hochschulen einschreiben lassen, w o sie schon v o r B e g i n n d e s e r s t e n S e m e s t e r s ein bestim m ­ tes Fach der Technik wählen m üssen. Unter ihnen sind manche, die trotzdem nicht die für die F a c h t e c h n i k nötige eigenartige Begabung in hohem Maße besitzen, (da­

für aber oft andere sehr w ertvolle Eigenschaften haben).

Würde man diesen jungen Leuten die M öglichkeit geben, an den Technischen Hochschulen, für die sie sich einmal entschieden haben, ein n i c h t fachtechnischen, sondern anderen — gleichgültig w elchen — Z w ecken bestim m tes Studium zu betreiben, so würden die Fachabteilungen jedenfalls in w eitem Umfange von denjenigen Studierenden entlastet w erden, die im Sinne des oben zitierten W erk­

direktors später „nichts schaffen, sondern nur reden“ ; bleiben aber würden in den Fachabteilungen diejenigen, die

— w ieder im Sinne des W erkdirektors — „imstande sind, auf Grund ihrer praktischen und theoretischen Ausbildung etw a s Brauchbares zu schaffen“.

Mein Vorschlag ist der Versuch, einer Verständigung zw ischen den sich gegenüberstehenden Meinungen einer­

seits der Intensivisten und anderseits der E xtensivisten auf Grundlage der Lehr- und Lcrnfreiheit. Die ersteren, die ungefähr die Meinung des W erkdirektors vertreten, sollten sich dabei bew ußt sein, daß eine Hochschule im alten Sinne des W ortes keine Lehrlingsschule ist, deren Lehrpläne allein die Industriekapitäne zu bestimm en haben, und w eiter, daß die Exklnskät im U nterrichtsbetrieb der Hochschulen niemals ein Erfolg sicherndes Mittel g e ­ w esen ist. In einer für ihr frei gew ähltes Fach b egeister­

ten und zielbew ußten Studentenschaft ist die w ohl v e r ­ standene Lehrfreiheit auch vom Standpunkte eines auf gut vorgebildeten Nachwuchs bedachten einzelnen Industrie­

zw eigs (w ie z. B. des der M ischm enm dustrie) wirksam er, als der durch Studienprogramme und Prüfungsverordnun­

gen nur unvollkommen zu erreichende Lernzwang. Der Erfolg des Unterrichts ist zudem ja nicht nur von der rich­

tigen Auswahl der Lehrdisciplinen und der Prüfungsfächer, nicht nur von Methodik, Lehrereignung usw . abhängig, sondern wird vielmehr auch von den Fähigkeiten und der besonderen Eignung der Studierenden bestimmt. Inten­

sive Fachlehre, multum non multa — Ja. Aber v o r h e r auch richtige Auslese. D iese A uslese wird, w ie schon g e­

sagt, gefördert, wenn denjenigen, die sich für den Fach­

unterricht nicht besonders eignen, und die doch an T ech­

nischen Hochschulen akademische Bildung suchen, andere Möglichkeiten geboten werden.

Die V ertreter und Befürw orter der bis zur U niversitas zu steigernden Lehre aber andererseits werden sich sagen müssen, daß die Aufnahmefähigkeit des Studierenden be­

schränkt ist. Sie w erden w eiter auch zugeben, daß unsere Technik und unsere Kultur, daß Staats- und W irtschafts­

leben nicht davon abhängig ist, daß jeder Diplom-Ingenieur, jeder Statiker der Brückenbauanstalt, jeder Konstrukteur der Maschinenfabrik, jeder Oberingenieur der Bauunter­

nehmung als Studierender, also während seiner Studien­

zeit, philosophische Bildung erw orben hat. Ich hebe es nochmals hervor: es kann sich nicht darum handeln, ob die Technischen Hochschulen es ermöglichen können, daß j e d e r aus ihnen hervorgehende Diplom-Ingenieur n e b e n der besten fachlichen Bildung als Architekt, Ingenieur oder Chemiker auch ein g e w isse s Maß an philosophischer, histo­

rischer, juristischer und soziologischer Bildung hinausträgt, i oder ob dies nicht möglich ist. Auch den E xtensivisten geht es vermutlich mehr darum, die Verbindung zw ischen geistesw issenschaftlichem und erfahrungswissenschaftlichem Denken herzustellen, den Dualismus, unter dem das öffent­

liche Leben leidet, zu beseitigen oder doch zu mindern, so ­ w ie schließlich darum, für technisch geschulte Akademiker eine breitere Verwendungsm öglichkeit zu schaffen. Letzten Endes ist es einerlei, ob der Träger technischer Intelligenz Baumeister oder Bürgerm eister, Baurat oder Landrat heißt

— w e n n e r z u e r r D i p l o m - I n g e n i e u r i s t . Für einen gesunden Egoism us der im Verband Deutscher Diplom-Ingenieure zusam m engeschlossenen Akademiker und V ertreter eines großen Standes halte ich es deshalb, wenn dieselben Akademiker auch einheitlich für eine brei­

tere Zweckbestim m ung ihrer Hochschulen eintreten. Sie fördern damit die w eitere V erwertung technischer Bildung und treiben zugleich praktische Standespolitik.

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4 Technik und Kultur, Zeitschrift des VDDI. 1925

T h e o r i e u n d P r a x i s .

Von Prof. Dr. K. S c h r e b e r , Aachen.

Mit gütiger Erlaubnis des V erfassers und der Schriftleitung von D inglers P olytechnischem Journal bringen wir den nachstehenden A ufsatz zum noch­

m aligen Abdruck. Die Schriftltg.

W issenschaft und W erktätigkeit.

1. D ie w erktätigen Ingenieure hegen vielfach Miß­

trauen gegen w issenschaftliche Untersuchungen und an­

dererseits sehen die V ertreter der reinen W issenschaft gar zu häufig auf die Leistungen der w erktätigen Ingenieure als m inderw ertig herab. B eide tun sich gegen seitig Unrecht.

B eide A rbeitsgebiete stehen auf derselben Grundlage, v e r ­ w erten sie aber in ganz verschiedener W eise.

Der w erktätige Ingenieur soll eine ihm von außen g e ­ stellte Aufgabe in ganz bestim m ter Zeit, Lieferfrist, lösen und muß dazu die Erfahrung benutzen, w ie sie gerade v o r ­ liegt; er darf nicht w arten, bis alle zur restlosen Lösung der gestellten Aufgabe nötigen Erfahrungen gew onnen sind.

Dadurch unterliegt er in der Durchführung seiner Arbeit einem g ew issen Zwang, w elcher ihm die volle Freiheit nimmt, w elcher ihm dafür aber auch einen augenblicklich erkennbaren Nutzen bringt.

Der V ertreter der reinen W issenschaft bearbeitet die vorhandenen Erfahrungen, verm ehrt und vertieft sie ganz nach seinem eignen W illen und seiner augenblicklichen Stimmung, ohne zu fragen, ob diese Fortentw icklung v e r ­ langt wird oder nicht, ob sie irgend jemand einen unm ittel­

baren N utzen bringt oder nicht. Er ist in der W ahl seiner Aufgaben und in der Zeit ihrer Fertigstellung unbehindert und unbeschränkt.

D iese Freiheit gegenüber dem von ihm zu bearbeiten­

den Stoff betrachtet der W issenschaftler als etw as b eson ­ ders w ertvolles, w elch es ihm das Recht zu geben scheint, sich als den höher stehenden einzuschätzen. Umgekehrt m ißachtet gar zu oft der w erktätige Ingenieur jede Arbeit, deren Nutzen nicht unmittelbar in die A ugen springt, die sich nicht sofort bezahlt macht; er betrachtet sie als v o ll­

komm en nutzlos und daher erscheint ihm die Tätigkeit des reinen W issenschaftlers m eist als überflüssig.

D ieser G egensatz Zwischen W erktätigkeit und W issen ­ schaft besteht schon so lange, w ie beide G eistestätigkeiten nebeneinander bestehen. W ie Plutarch berichtet*), soll sich schon Archimedes nur durch inständiges Bitten des ihm noch dazu verw andten Königs Hiero haben b ew egen las­

sen, sein e W issenschaft in den D ienst seiner V aterstadt bei deren Verteidigung zu stellen. Schon damals sahen die Philosophen, die V ertreter der reinen W issenschaft, auf die W erktätigkeit als eine nur zum K riegsw esen gehörige Kunst geringschätzend herab. W ie sich die V ertreter der Kriegskunst dafür an den Philosophen rächten, darüber be­

richtet allerdings Plutarch nichts. W ahrscheinlich w erden sie den Philosophen mit gleicher Münze gezahlt haben.

Noch in anderer Beziehung ist ein Unterschied z w i­

schen W issenschaftler und W erktätigen vorhanden. Ein ähnlicher w ie zw isch en D ichter und Schauspieler. Von die­

sem sagt Schiller: D em Mimen flicht die N achw elt keine Kränze. S o hat auch der Ingenieur erfahrungsgem äß von der N achw elt keinen Kranz zu erw arten. W er weiß etw as von den Ingenieuren, w elche die von A rchim edes ersonne­

nen K riegsm aschinen ausgeführt haben? W er kennt außer­

halb der unmittelbaren Fachkreise einen Eugen Langen, einen R iedler? Aber er hat mit dem Schauspieler und noch mehr als dieser gem ein, daß er mit der G egenw art geizen kann; er kann sich seine Arbeit von seinem Auftraggeber bezahlen lassen, denn er hat einen Auftraggeber. Der W is­

senschaftler, der sich seine Aufgabe selbst stellt, hat keinen Auftraggeber, der ihn bezahlt. Er veröffentlicht das Er­

gebnis seiner Forschungen, so daß gleich das ganze Volk,

*) Gerland, Geschichte der P h ysik , 1913» S eite 86 u. 87.

die ganze M enschheit, es kennen lernt. D iese aber fühlt keine Veranlassung, für die Bereicherung ihrer Erkenntnis etw a s zu zahlen; es schiebt jeder die B ezahlungsverpflich­

tung auf den anderen, w eil keiner den Auftrag gegeb en hat.

Nur einsichtige R egierungen, w elche die W ichtigkeit w is ­ senschaftlicher Forschung erkennen, bezahlen als V ertreter des Volkes den W issenschaftler.

2. Nicht nur das Kind" fragt bei jeder G elegenheit, die ihm etw a s N eues bringt, nach dem Warum, sondern jeder denkende M ensch tut dieses, wenn auch mit anderen W or­

ten, gerade so in dieser B eziehung bleibt er dauernd Kind.

Du B ois-R eym ond sagt in seiner A ntw ort auf die A ntritts­

rede von W erner Siem ens in der Berliner A kadem ie, das W ort W arum ist unter allen W örtern der m enschlichen Sprache das m enschlichste. D iese dauernde Frage zu b e­

antw orten, ist Aufgabe der reinen W issenschaft, sie fördert die allgem eine Erkenntnis, das V erstehen der Natur und des G eschehens um uns herum. D as ist ihre Aufgabe und ihr Nutzen. In w irtschaftlichen W erten läßt sich dieser Nutzen natürlich nicht angeben. Er ist aber doch vorhan­

den und drückt sich in der allgem einen Anerkennung aus, w elche jedem Fortschritt der reinen W issenschaft auch von solchen gezollt wird, w elche nicht unmittelbar mit ihr zu tun haben.

Die W issenschaft fördert die Erkenntnis lediglich um ihrer selb st w illen, ohne an eine Nutzbarmachung zu den­

ken.

Als Lord Kelvin seinen Freund Joule veranlaßte, den bekannten U eberström ungsversuch G ay-L u ssac’, w elcher für die Kenntnis der Eigenschaften der u a s e von grund­

legender Bedeutung ist, zu verfeinern, hatten beide nur das B estreb en , die Erkenntnis der Natur zu fördern. Daß 33 Jahre nach der Veröffentlichung jener rein w issen sch a ft­

lichen Forschung durch die w erktätige G eschicklichkeit Lindes aus ihr das äußerst w ichtige und große, in w irt- schaftlichen^-Werten leicht anzugebenden N utzen bringende Gebiet der Luftverflüssigung entw ickelt w erden konnte, haben jene Forscher nicht geahnt. Der Gedanke an eine w irtschaftliche V erw ertung ihrer rein w issenschaflichen Forscheigedanken war ihnen vollständig fremd. Dennoch wird jeder, der jetzt den auf Grund ihrer Gedanken h erge­

stellten künstlichen Dünger verw ertet, eingestehen m üssen, daß diese Gedanken recht w irtschaftlich waren.

Es ist falsch, eine Arbeit, die nicht unmittelbar einen w irtschaftlichen Nutzen bringt, gleich als nutzlos zu be­

zeichnen; man kann nie sagen, w as für Folgerungen noch daraus gezogen w erden können.

U ebrigens arbeitet gelegentlich auch die W erktätigkeit nach diesem Verfahren der reinen W issenschaft, und es sind nicht gerade die erfolglosesten ihrer V ertreter, w elche so handeln. „Nachdem das Ziel erreicht w ar, eine Kälte­

maschine zu besitzen, w elch e bei einem mehrfach höheren W irkungsgrade gegenüber den seitherigen Eism aschinen einen zu verlässigen und ökonom ischen Betrieb g ew ä h r­

leistete, ging ich an die U eberlegung, w ie die V erw endung der Kälte in zw eckm äßigster W eise zu gestalten sein w erd e.“ So schreibt von Linde in seiner L eb en sb esch rei­

bung von den K olbenverdichterm aschinen und, nachdem er die Erfindung sein es Verfahrens der Luftverflüssigung dargestellt hat, schreibt er w eiter: „W enn es Aufgabe der Naturforscher ist, ohne R ücksicht auf die N utzanw endung zu arbeiten, so erfüllt der Ingenieur die sein ige gerade durch m öglichst v ielseitig e A nwendung der F orschungs­

ergebnisse. In diesem Sinne frage ich mich: W as ist mit der neuen Errungenschaft einer einfachen Vorrichtung zur V erflüssigung beliebiger G asm engen anzufangen.“ Die An­

w endungsgebiete, w elche damals gefunden wurden, sind gegenüber den jetzigen so klein und m inderw ertig, daß man wohl sagen darf, ein unmittelbar augenblicklicher Nutzen

(5)

1925 Technik und Kultur, Zeitschrift des VDDI. . 5 der Erfindung w ar nicht vorhanden. Jetzt hat sich aus die­

ser im ersten Augenblick nutzlosen Erfindung eine so große Technik entw ickelt, daß man das Verfahren gar nicht mehr missen kann, daß man sich gar nicht vorstellen kann, daß es einmal nutzlos g ew esen ist. Linde hat also zunächst als reiner W issenschaftler gearbeitet und trotzdem wird jeder Ingenieur ihn mit Stolz als Ingenieur bezeichnen.

3. Im allgem einen ist aber die Aufgabe der W erktätig­

keit eine ihr von außen gestellte, auf einen bestim m ten Nutzen hin arbeitende. D as Verlangen des M enschen nach Bequem lichkeit und Annehmlichkeit des Lebens verlangt von der W erktätigkeit bald d ieses bald jenes W erk, w e l­

ches sofort angefertigt w erden muß. Der Mensch, w elcher ein V erlangen geäußert hat, läßt sich, nachdem ihm dieses Verlangen einmal zum B ew ußtsein gekomm en und dadurch zu einem Bedürfnis gew orden ist, nicht hinhalten noch v e r ­ trösten, bis die W erktätigkeit einmal die Stimmuüg gefun­

den habe, die Aufgabe zu lösen, sondern verlangt sofortige Befriedigung.

Gerade durch diese „Lieferfrist“ wird die Aufgabe der W erktätigkeit schw ieriger als die der reinen W issenschaft.

Das hohe Lied dieser Schw ierigkeit ist Max Eyths Erzäh­

lung: Berufstragik, die in dem Brief des Brückenbauers an seine Erau vom 6. Novem ber 1872 gipfelt: „Von manchem kritischen Punkt w issen wir noch so blutw enig und sollen und müssen darauf los bauen.“ Er hat dieses Müssen mit dem lo d e bezahlt; aber die W erktätigkeit hat sich nicht abschrecken lassen, die Brücke ist w ieder aufgestellt w or­

den und nun steht sie da, allen Schw ierigkeiten zum Trotz.

Der damalige Ingenieur hat seine Aufgabe gelöst so gut sie damals gelöst w erden konnte. Spätere m ögen ähnliche Auf­

gaben besser lösen, — man denke an die Müngstener Brücke —, aber darauf konnte und w ollte der Erbauer der Eisenbahn, w elcher die Brücke in Auftrag gegeben hatte, nicht warten; die Brücke mußte sofort gebaut werden und w enn es den Tod koste.

D iese durch die Lieferfrist bedingte Schw ierigkeit über­

winden zu können, ist der Stolz der w erktätigen Ingenieure, w ie ihn der reine W issenschaftler nicht empfinden kann.

4. W ie nimmt nun der Mensch das Ergebnis der reinen W issenschaft und das der W erktätigkeit auf?

Die reine W issenschaft gibt Früchte vom Baume der Erkenntnis, sie macht den M enschen allw issender, „Gott ähnlicher“ ; sie schafft Befriedigung des G eistes. Die der W erktätigkeit gestellten Aufgaben beziehen sich auf das rein leibliche Behagen, sie arbeitet für den Körper, für das dlem Tiere verw andte im M enschen. Sie schafft B efrie­

digung des Leibe&

Ein A bw ägen zw ischen W erktätigkeit und W issen­

schaft in bezug auf ihren W ert, ihren Nutzen ist nicht m ög­

lich. Die eine hat die schw ierigere aber für den meist als w eniger w ertvoll eingeschätzten Leib bestimm te Auf­

gabe. Die andere hat zw ar die größere Freiheit und be­

quemere Schaffensm öglichkeit, verlangt also geringere An­

strengung, arbeitet aber für den als w ertvoller eingeschätz­

ten Geist des Menschen.

W erktätigkeit und W issenschaft haben keinen zum gegenseitigen Vergleich ihres W ertes brauchoaren gem ein­

schaftlichen Maßstab; sie sind inkommensurabel. Beide sind aber gleich nötig für das volle, das geistige und leibliche Behagen des M enschen und deshalb muß man sagen, sie sind einander gleichw ertig. Es darf keine der anderen vorgezogen w erden, keine darf höher einge­

schätzt werden als die andere, keine ist minder nötig als die andere.

Die große Menge ist nicht imstande, miteinander nicht vergleichbare W erte gegeneinander ¡abschätzen zu können;

und da der Geist, der den M enschen vom Tiere unter­

scheidet, mehr geachtet wird als der Leib, den ja das Tier auch hat, so wird auch der G eistesarbeiter, welcher sich für die Fortentw icklung des G eistes bemüht, ein größeres An­

sehen bei der großen Menge besitzen, als der, w elcher für die Bequem lichkeit des Leibes tätig ist.

Hat nicht jedes W inkelblättchen große Aufsätze über Einstein gebracht, ohne daß der Schreiber auch nur einen Schimmer von Ahnung hatte, worin eigentlich die L eist­

ungen Einsteins bestehen? W er kennt dagegen den Er­

bauer der M üngstener Brücke? Ich befürchte, nicht ein­

mal die Solinger und Rem scheider w erden ihn kennen, so oft sie auch über die Brücke fahren.*)

Manche Ingenieure machen aus dieser geistigen Ein­

stellung der großen Menge gerade den D eutschen einen Vorwurf; das ist unberechtigt; sie findet sich in derselben W eise bei allen Völkern. We'r unbefangen den Einstein­

rummel mit angesehen hat, und die Literatur fremder V öl­

ker kennt, findet ihn, muta.tis mutandis, in M olieres Gelehr­

ten Frauen herrlich schön beschrieben.

5. Beide A rbeitsgebiete des m enschlichen G eistes b e­

ruhen auf der gleichen Grundlage; beide gehen von der Erfahrung aus und zw ar von der Einzelerfahrur.g. Säm t­

liche Erfahrung besteht aus einzelnen Erfahrungstatsachen, aus einzelnen Beobachtungen. Die w issenschaftliche T ätig­

keit besteht darin, diese einzelnen Erfahrungen zu ordnen.

Zusam m engehöriges zusam m enfassen und, sow eit dieses möglich ist, durch ein einfaches N aturgesetz auszusprechen.

Die ersten Anfänge dieser w issenschaftlichen Tätigkeit macht auch der einfachste V ertreter der W erktätigkeit, der H andw erksm eister mit. Er bildet ebenso w ie jeder, der unmittelbar Erfahrungen und Beobachtungen v e r w e r ­ ten will, aus einer Reihe von einzelnen Erfahrungen seinen allgem einen Satz, der sich in der sogenannten Faustformel ausdrückt. Mit dieser arbeitet er dann w eiter, mag ihm diese geistige Tätigkeit des Zusam m enfassens von Erfah­

rungstatsachen zu einer Formel zum Bew ußtsein gekom ­ men sein oder nicht.

Je umfassender aber das Gebiet wird, aus dem die Einzelerfahrungen stam m en, um so w eniger genügt die ein­

fache Faustformel, um so schärfer muß sie zu einer m athe­

matischen Gleichung durchgebildet sein.

Das Ziel jeder Forschung, das der reinen W issenschaft sow ohl, w ie das, w elches von der W erktätigkeit verlangt wird, ist und bleibt die mathematische Gleichung. Erst eine, alle Umstände richtig bew ertende m athem atische Gleichung gibt die M öglichkeit, Einzelerfahrungen leicht und richtig auszusprechen, so daß M ißverständnisse au sge­

schlossen sind, um die Erfahrungen für neue Aufgaben an­

wenden zu können. Schon Leonardo da Vinci sagt**),

„allein w o Mathematik anwendbar ist, herrscht G ewißheit, und nur sow eit sie sich anw enden läßt, steht das W issen unbedingt fest“. Ohne Mathematik können sich technische Fächer nur entwickeln, so lange sie in den Kinderschuhen stecken.

Galilei hatte die Grundgleichung für die F ailgesetze aufgestellt. Keppler hatte dasselbe für die Planetenbe­

w egung geleistet. N ew ton faßt beide Gleichungen in sei­

nem G ravitationsgesetz zu einem N aturgesetz zusammen, w elches nun säm tliche Erfahrungen über die B ew egung der Planeten und der anderen Sterne w ie der Körper auf der Erde umfaßt und sie leicht und richtig auszusprechen gestattet, so daß jedes M ißverständnis ausgeschlossen ist.

Aus ihr kann man säm tliche B ew egungen in ihrem Verlauf beschreiben, ohne sie selbst beobachten zu m üssen; ja so ­ gar bevor die B ew egung eintritt, ihren Verlauf Vorher­

sagen.

Mit der Aufstellung dieser umfassenden Gleichung haben wir aber schon das der W erktätigkeit noch m ög­

liche Gebiet der wissenschaftlichen Tätigkeit verlassen und sind in das Gebiet der reinen W issenschaft gekomm en.

Während die W erktätigkeit sich mit dem Sammeln der Ein­

zelerfahrungen, und gedrängt durch die an sie herantreten- den Aufgaben des Lebens, mit der Aufstellung der einfach­

sten Faustformeln begnügen muß, gelangt die W issenschaft durch immer w eiter und w eiter um sich greifendes Zusam­

*) Schreber, H ervorragende Leistungen der Technik 1913, S. 39.

**) Gerland, Geschichte der P hysik 1913, S eite 244..

(6)

6 Technik und Kultur, Zeitschrift des V'DDI. 1925 m enfassen zwiar zu immer größerer und größerer Erkennt­

nis, entfernt sich aber im selben Maße immer w eiter und w eiter von der M öglichkeit der unmittelbaren A nw endbar­

keit ihrer Errungenschaften durch die Vertreter der W erk­

tätigkeit.

Hier tritt nun die angew andte W issenschaft verm it­

telnd ein. Ihre Aufgabe ist es, aus den von der reinen W issenschaft aufgeslellten allgem einen Sätzen die F olge­

rungen zu ziehen, w elch e gew isserm aßen die Faustformeln der W erktätigkeit auf eine breitere, gesichertere Grundlage stellen. G leichzeitig soll sie aber auch für die mit der Ent­

w icklung der W erktätigkeit immer schw ieriger und sch w ie­

riger gew ordenen Aufgaben die rechnerische Grundlage verm ittelst der allgem einen S ätze der reinen W issenschaft liefern.

Wir bekomm en also für. die auf Sinneserfahrungen b e­

ruhenden G eistestätigkeiten folgendes Schaubild:

E inzelbeobachtung und -erfahrung.

\

/

G elegentliches H äufen von E inzelbeobachtungen

und -E rfah ru n g en

Planm äßiges Sam m eln von E in ze le rfa h ru n g e n

A ufstellen d e r die un­

m itte lb a re n B eobachtun­

gen zusam m enfassenden F au stfo rm eln

/

A nw endung von un­

m itte lb a re n B eobachtun­

gen, F au stfo rm eln und Schlußfolgerungen d e r angew andten W issen­

schaft z u r Lösung w irt­

s ch aftlich er A ufgaben W erk tä lig k eit

A ufstellen des m ath e­

m atisch en A usdruckes iiir das einfache N a tu r­

g esetz

\ / \

Ziehen von Schlußfol­

g eru n g e n aus den all­

gem einen G esetzen z u r E rle ic h te ru n g d e r Lö­

sung w irtsc h aftlic h er A ufgaben

A ngewandte W issen­

sch aft

V ereinigung m e h re re r m a th e m atisc h e r G leich­

ungen zu einem um ­ fassenden N atu rg esetz zu r F ö rd eru n g d e r allge­

meinen N atu rk en n tn is

Reine W issenschaft

Je w eiter im Laufe der Entwicklung die Glieder der Endreihe d ieses Schaubildes auseinanderrücken, um so mehr trennen sich auch die Glieder der früheren Reihen, so daß zur Zeit schon in der zw eiten die Trennung immer m erkbarer wird. A ndererseits ist die Grenze zw ischen den Gliedern der letzten Reihe durchaus nicht fest: W as der eine noch zur W erktätigkeit zählt, w ird der andere v ie l­

leicht schon w eit in die angew andte W issenschaft hinein versetzen . Ebenso ist es bei der anderen Trennung.

Ist durch das Zusam m enfassen von Einzelbeobachtun­

gen zu einer m athem atischen Gleichung ein Satz gefunden, so ist dieser erst dann als richtiges N aturgesetz anzuerken­

nen, w enn er in allen seinen Folgerungen mit der Erfahrung übereinstim m t. Es müssen aus dem Satz säm tliche, mathe­

m atisch möglichen Folgerungen gezogen und an der Erfah­

rung geprüft w erden. D as ist die Aufgabe des Forschens, des Studierens.

Beim Studieren wird also ein bestim m ter aus der Er­

fahrung erschlossener Satz obenan gestellt, dessen F olge­

rungen geprüft w erden. Stimmen die gezogenen Folgerun­

gen mit der Erfahrung überein, so ist der Satz in diesen Fällen bestätigt.. Stim m t auch nur eine nicht, so ist der S atz falsch, oder muß w enigstens in seiner A llgem einheit beschränkt w erden. Je w eitere Folgerungen aber gezogen w erden, die mit der Erfahrung übereinstim m en, um so rich­

tiger ist der S atz, um so berechtigter w ar seine Erschlie­

ßung aus der Erfahrung und mit um so größerer Ruhe daif man ihn auch dort anw enden, w o man nicht gleich nach­

prüfen kann..

Beim P robieren dagegen wird auf gut Glück ein V er­

such iangeste!lt, der vielleich t zufällig das erw artete E rgeb­

nis zutage fördert. Er braucht aber trotzdem nicht b e w e is­

kräftig zu sein, denn das Ergebnis ist vielleicht gar nicht von der für w esentlich gehaltenen Bedingung abhängig, sondern von einer anderen nicht erkannten, w elche zufällig ebenfalls erfüllt w ar. V ersuch in diesem Sinne ist durch­

aus nicht immer nur ein einzelner V ersuch; oft kann das Probieren eine lange kostspielige V ersuchsreihe oder gar v iel V ersuchsreihen bedingen.

Eyth*) schreibt über d ieses Probieren: __ „Viele T au­

sende w erden alljährlich in England für V ersuche v e r g e u ­ det, w o eine einfache Berechnung, eine richtige Anwendung physikalischer oder selbst geom etrischer L ehrsätze die Frage sicher entschieden hätte. Oft genug führt dieser W eg des Experimentieren« zum praktischen Ziel, man muß a b e r sehr reich sein, ihn zu begeh en .“

S o manche Frage läßt sich w egen dieser ungeheuren Kosten gar nicht auf dem W eg e des P robierens b ean tw or­

ten. Fragen wir z. B„ w elch es die zum Betrieb von Dam pf­

maschinen g eeign etste F lüssigkeit ist, so erkennen wir

■schon aus der ungeheuren M enge von F lüssigkeiten w elche es gibt, daß durch Probieren hier gar nichts zu erreichen ist. Auf w issenschaftlichem W ege, durch das vielfach so verpönte Studieren ist diese F rage leicht zu beantw orten und man findet dann gleichzeitig auch noch die Grenzen der W irtschaftlichkeit der Dampfmaschine überhaupt.**)

Beim Forschen kann ein falsches E rgebnis nicht Vor­

kommen; der v oran gestellte Satz w ird en tw eder bestätigt oder als unrichtig erw iesen. Beim Probieren kann leicht ein falsches, ein täuschendes Ergebnis herauskom men.

D as Forschen erfordert v iel V orbereitung; es muß erst durch eine, vielen vielleicht zu umständliche m athem atische Rechnung die zu prüfende Schlußfolgerung aus dem allge­

meinen Satz gezogen w erden, dann m üssen die Bedingun­

gen des V ersuches dieser Schlußfolgerung entsprechend aufgestellt w erden und erst dann kann das B eobachten b e­

ginnen.

Hierzu hat der V ertreter der reinen W issenschaft, der durch nichts gedrängt wird, die nötige Zeit und Ruhe. Seine Tätigkeit ist deshalb w esentlich Forschertätigkeit. Dem w erktätigen Ingenieur bleibt diese Ruhe m eist nicht. Er muß die ihm gestellte Aufgabe in vorgeschriebener Zeit lösen. Er ist deshalb, w enn die w issenschaftliche Lösung seiner Aufgabe nicht schon bekannt ist, auf das Probieren an gew iesen, w elches ihm durch einen Versuch oder eine kurze Versuchsreihe eine Entscheidung für einen v o rlieg en ­ den Fall zu treffen gestattet. Daher in den Kreisen der w erktätigen Ingenieure die U eberschätzung des S a tzes:

Probieren geht über Studieren. Von den m eisten, die sich auf ihn berufen, w ird dabei v erg essen , daß das Probieren keine Sicherheit für die R ichtigkeit des E rgebnisses bietet und keine Uebertragung auf andere Fälle zuläßt.

Der reine W issenschaftler kann bei seinem Forschen den einzig und allein zum vollkom m enen Ziel führenden W eg des Baco „dissecare naturam “. anw enden, die ein zel­

nen Grundveränderlichen aufsuchen, m ögen es noch so viele sein, durch teilw eise Differentiation der zu prüfenden Gleichung nach diesen V eränderlichen, deren Einfluß zu­

nächst rechnerisch feststellen und nun für jede einzelne nachprüfen, ob die Gleichung den Erfahrungen standhält oder nicht, ob sje so bleiben darf oder ob, und in diesem Falle, w o sie_ abgeändert w erden muß, oder ob sie ganz zu verw erfen ist.

Der w erktätige Ingenieur muß gleich „auf das G anze“

gehen, w eil er schnell fertig sein muß; dadurch entgeht ihm die M öglichkeit, das Ergebnis sein es Probierens auf andere Fälle anw enden zu dürfen. Der W issenschaftler verbraucht viel Zeit, erhält aber dafür ein leicht zu verallgem einerndes Ergebnis, wodurch sich der Zeitverbrauch w ieder bezahlt macht.

6. Der eben angeführte Satz von M ax Eyth gilt, s o ­ w eit es sich um d essen U rteil über den W ert des P ro ­ bierens handelt, für alle Zeiten und für alle Länder, auch für unser jetziges D eutschland; aber so w eit es sich um die Anwendung auf England handelt, nur für die Zeit, v,o Eyth in England lebte. England und namentlich Amerika haben längst erkannt, daß der Vorsprung, den D eutschlands F ein­

industrie hatte, nur durch die w issenschaftliche Durchdrin­

gung der Technik erm öglicht ist. Beide machen die größ-

*) W eihe, M ax E yth 1916, S eite 32.

**) Schreber, Theorie der M ehrstoffdampfmaschinen 1903.

(7)

1925 Technik und Kultur, Zeitschrift des VDlDL 7 ten

Anstrengungen, wissenschaftliche

Forschungsinstitute

für

die Werktätigkeit nutzbar

zu

machen und

so D eutsch­

land

zu

überflügeln.

Nur so lange die Führer unserer Industrie w issen ­ schaftlich geschult bleiben, nur so lange ihnen während ihrer Studienzeit Achtung auch vor der W issenschaft bei­

gebracht, die nicht einen sofort in Geld angebbaren Nutzen bringt, nur so lange dem N achwuchs die Ausbildung des G eistes das w ichtigste ist ohne Rücksicht auf schnelles Examen, nur so lange darf Deutschland damit rechnen, daß seine Industrie trotz der Schäden, die ihr Krieg und R ev o ­ lution gebracht haben, die führende Stellung beibehalten wird, die sie sich, seit Preußen den Zollverein gegründet hatte, errungen hat.

Das einzige, w as Deutschland ausführen kann, sind die Erzeugnisse der Feinindustrie, sind Fertigw aren. Als' Jahr­

hunderte altes Kulturland hat Deutschland keine Rohstoffe mehr; die einzigen, die es noch hatte, Kohle und Eisen, sind in V ersailles abgetreten w orden. Wir müssen alle Rohstoffe aus dem Ausland holen, hier im Lande zu Fertig­

waren verarbeiten und dann diese Erzeugnisse der Fein­

industrie ausführen. Ohne sorgfältige allgemein w issen ­ schaftliche Ausbildung und die Fähigkeit, diese Ausbildung anwenden zu können, ist die Fortbildung der Feinindustrie nicht möglich.

Die Fähigkeit, das Gelernte anwenden zu können, läßt sich nicht gut lehren und lernen, sie ist im w esentlichen angeboren, eine Gabe der Natur, die der Einzelne bei der Geburt mitbringt. Aber sie läßt sich doch mehr oder w eniger ausbilden. Die U niversitäten benutzen dazu schon seit jeher das Hilfsmittel der Prom otionsarbeit. Leider haben die Ffochschulen namentlich die Fakultäten für M aschinen­

wirtschaft von dem ihnen schon seit der Jahrhundertwende verliehenen Prom otionsrecht nicht diesen unterrichtsw is­

senschaftlichen Gebrauch gemacht. Die Mehrzahl der in dieser Fakultät vorgenom m enen Promotionen betrifft Herren, w elche schon lange in der W erktätigkeit gestan­

den haben. Nur ganz selten sind Herren, w elche ihre Pro­

motionsarbeit als Abschluß ihres Studiums anfertigen.

Hier liegt noch eine w ichtige Lücke im Hochschul­

unterricht vor. Der Hochschullehrer soll nicht nur W issen verm itteln, sondern er soll auch die Anlagen der Schüler zum selbständigen Verarbeiten des Gelernten, die Fähig­

keit das Gelernte anw enden zu können, ausbilden. Daß das so w enig geschieht, liegt vielleicht daran, daß die aus der W erktätigkeit geholten Professoren nicht geübt sind, Aufgaben zu sehen, zu deren Bearbeitung sie dann ihre Schüler anregen können. W ährend ihrer Beschäftigung in der W erktätigkeit sind ihnen die Aufgaben, die sie aus­

führen sollten, von den Vertretern der W irtschaft gestellt worden, so daß ihnen die Uebung fehlt, selbst Aufgaben zu sehen, deren_ Ausführung einen Anfänger begeistern kann.

Der gute Oberingenieur ist noch lange kein guter Hochschullehrer.

Arbeitsverfahren der angew andten W issenschaft.

1. Die angew andte W issenschaft steht zw ischen W erk­

tätigkeit und reiner W issenschaft. Mit der letzteren hat sie das Arbeitsverfahren, das Arbeiten mit mathematischen Gleichungen gemein, mit der ersteren das Ziel, die Aufgabe.

Auch sie muß ihr von außerhalb, nämlich von der W erk­

tätigkeit g estellte Aufgaben zu der Zeit lösen, w o sie g e ­ stellt werden.

Sie muß dabei in den allerm eisten Fällen auf die V oll­

ständigkeit verzichten, w ie sie die reine W issenschaft bie­

tet, sie kann nur selten die ihr gestellte Aufgabe vollstän ­ dig lösen. W ie das gem eint ist. läßt sich am besten an einem Beispiel zeigen.

Bei der Behandlung der V orgänge in den W ärm ekraft­

maschinen, w ie ich sie mir in meiner Vorlesung über tech ­ nische W ärm elehre als Aufgabe gestellt habe, zeigt sich die Zahl der Bedingungen, von denen die Umwandlung der aus der Natur genomm enen chemischen Energie in die g e ­ w ünschte m echanische Arbeit abhängt, oder mathematisch

gesprochen, die Zahl der Veränderlichen in der Grund­

gleichung so groß, daß, wenn wir sie alle beibehalten w o ll­

ten, wir einen m athem atischen Ausdruck erhalten würden, den kein M ensch, und w äre er der gesch ick teste M athe­

matiker, übersehen kann. W ir können die uns gestellte Aufgabe nur angenähert lösen, indem wir uns von Anfang an darauf beschränken, nur die w ichtigsten dieser V erän­

derungen beizubehalten und die anderen in einer b eson ­ deren Rechnung nachher zu berücksichtigen.

Auf diese W eise behandeln wir mit vollem B ew ußt­

sein in der Rechnung V orgänge, w elche es in der W irklich­

keit gar nicht gibt; Vorgänge, w elche mit denen der W irk­

lichkeit nur eine mehr oder w eniger große Aehnlichkeit haben.

Jeder, der mit Gasmaschinen schon einmal zu tun g e­

habt hat, w eiß, daß das Verbrennen des G asluftgem isches in der Gasmaschine, wenn auch sehr schnell, so doch immer noch mit einer endlichen G eschwindigkeit verläuft. Ja, wir w issen sogar, daß bei den neuzeitlichen Schnelläufern die Größenordnung der K olbengeschw indigkeit der der Flam­

m engeschwindigkeit ziemlich nahe kommt- Trotzdem neh­

men wir beim ersten einfachen rechnerischen Verfahren zur w issenschaftlichen Behandlung der Gasmaschinen an.

das Verbrennen verliefe im Vergleich mit der Kolbenge­

schw indigkeit unendlich schnell.

Eine andere stets gem achte Annahme ist die, daß die in den Gasmaschinen auftretenden Gase der einfachen Zu­

standsgleichung genügen, trotzdem wir w issen, daß kein einziges diese Gleichung erfüllt.

Aehnlich machen wir es in anderen Fällen. Ueberall treffen wir eine Auswahl in der Zahl der Bedingungen, von denen der Vorgang abhängig ist und die also in der v o ll­

ständigen Gleichung enthalten sein müßten. Mit diesen so ausgew ählten Veränderlichen berechnen wir jetzt die Um­

wandlung der chemischen Energie in Arbeit nach einem Verfahren, w elch es mit dem der W irklichkeit eine große Aehnlichkeit hat, w elches aber doch von ihm in ganz b e­

stimmter, eben durch die Auswahl der Veränderlichen be­

dingten W eise abweicht.

Ich nenne dieses der Rechnung zugrundegelegte Ver­

fahren der Umwandlung der chemischen Energie in Arbeit, diesen Umlauf der die Umwandlung verm ittelnden Stoffe den rechnerisch einfach zu verfolgenden, zum V ergleich dienenden Umlauf oder kurz den Vergleichsumlauf, das V ergleichsverfahren. Vielfach findet man ihn als den theo­

retischen Umlauf, als das theoretische Verfahren und den mit seiner Hilfe berechneten W irkungsgrad als den theo­

retischen W irkungsgrad bezeichnet. D ieser Name ist irre­

führend. Mit dem W ort Theorie verknüpft man vielfach die Vorstellung von etw as vollkom m en richtigem, w ogegen es keinen Einspruch, w obei es keine Abweichung gibt. Im G egensatz hierzu sind wir mit vollem B ew ußtsein von der W irklichkeit abgew ichen, w eil unsere Hilfsmittel nicht a u s­

reichen, die W irklichkeit in allen ihren Einzelheiten zu v e r ­ folgen. Der Vorgang, mit dem wir rechnen, ist nicht der richtige, der vollständige; er ist, dessen sind wir uns voll bewußt, ein anderer, ein einfacherer. W ir sind zu ihm ge­

zw ungen, w eil wir w egen der m athematischen S ch w ierig­

keit, säm tliche Veränderlichen gleichmäßig zu beachten, eine große Reihe von Veränderlichen nicht haben in die Rechnung einfiihren können.

Haben wir den W irkungsgrad dieses V ergleichsverfah­

rens berechnet, so finden wir, das ist die notw endige Folge unseres V orgehens, daß er von dem an der wirklichen Ma­

schine gem essenen abw eicht. Aber wir w issen, daß er ab­

w eichen muß. und wundern uns über dieses Ergebnis nicht.

Wir suchen vielm ehr festzustellen, w o die Abweichungen bemerkbar sind, und forschen entsprechend der Vorschrift:

„dissecare naturam“ nach den Veränderlichen, w elche diese Abweichungen veranlaßt haben.

Dann rechnen wir nach, w ie groß der Einfluß der ein­

zelnen, nicht beachteten ist und können hiermit unseren rechnerischen W irkungsgrad verbessern. So könnten wir,

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