Technik und Wirtschaft
H e r a u s g e b e r: Dr.-Ing. O tto B re d t und Dr. G e o rg F re ita g / VDI-V erlag GmbH, B e rlin N W 7 29. Jahrgang
E nergiew irtschaftsgesetz und S trom w irtschaft
Von AD. RITTERSHAUSSEN, Kassel
Das S tudium des um fangreichen S ch rifttu m s zum 100 jährigen Bestehen der deutschen Eisenbahn gibt dem E lektrow irtschaftler immer wieder Veranlas
sung, die E ntw icklung unserer öffentlichen S trom versorgung m it der der Reichsbahn zu vergleichen.
Die Strom versorgung hat m it dem großen Verkehrs
unternehmen nicht n ur viel Ähnliches, sondern auch viel Gleichartiges, denn die Strom verteilung ist schließlich auch ein großes Transportunternehmen.
Durch einen solchen Vergleich kann man sich ein B ild von dem endlichen Ziel der Strom w irtschaft entw erfen und dadurch einen guten Überblick von der außerordentlichen Bedeutung des neuen Ge
setzes zu r Förderung der Energiew irtschaft fü r unsere ganze W irtsch a ft erhalten.
1835 verkehrte in Deutschland die erste Eisenbahn. Zwölf Jahre sp ä ter (1847) wurde der V erein deutscher Eisen
bahnen gegründet, 30 Ja h re sp ä te r (1877) entstand bereits ein E inheitstarif f ü r alle Bahnen in den deutschen Landen.
Dann vergingen aber noch 50 Ja h re bis zur einheitlichen Zusammenfassung aller zur Reichsbahn. W as die Reichs
bahn ist, und was sie zu bedeuten hat, das wurde vom F ührer und Reichskanzler au f der F eier in N ürnberg am 7. Dezember 1935 in hervorragender Weise zum Ausdruck gebracht. Sein U rteil lautete: „Die Reichsbahn ist in ihrer O rganisation, und im technischen und w irtschaft
lichen Betrieb m ustergültig.“
Es ist Pflicht der deutschen S trom w irtschaft, ebenfalls einem solchen Ziel nachzustreben. D aß es aber nicht von heute auf morgen, auch nicht in Jahren, sondern erst in Jahrzehnten zu erreichen sein wird, das lehren uns die eben genannten, wenigen D aten aus der Geschichte der Reichsbahn. Die öffentliche Strom versorgung begann etwa im Jah re 1885. Aus der Einzelanlage entstand die Block
zentrale, dann der Stadtversorgungsbetrieb und seine Aus
dehnung über die Grenzen hinaus au f die umliegenden Gemeinden. D ann kam das Ü berlandwerk mit der V er
sorgung der Kreise, der Provinzen und schließlich der Staaten, alles im S turm schritt von unten nach oben au f
gebaut zu dem, was w ir je tzt nach einer 50 jährigen E n t
wicklungszeit vor uns sehen.
Der reine P rivatbetrieb ist m it rd. 10 % Erzeugung heute nur noch von untergeordneter Bedeutung in der öffent
lichen Strom versorgung. Neben dem öffentlich-rechtlichen oder kommunalen Betrieb finden wir am stärksten die ge
m ischtwirtschaftlichen Unternehmen vertreten, u nter Be
teiligung von Genossenschaften, von Gemeinden, von K rei
sen, von Provinzen und Provinzialverbänden, von Staaten und schließlich vom Reich, und zwar in allen n u r denk
baren V erbindungen. Auch sind die Unternehmen in großer Zahl in einer W eise m iteinander finanziell ver
schachtelt, wie es au f keinem ändern Gebiet zu finden ist.
Einen ungefähren Überblick über die tätigen Unternehmen geben die folgenden Zahlen:
Stand d er öffentlichen Strom versorgung F ü r die öffentliche Strom versorgung sind 8,4 Mill. kW in D eutschland installiert, m it welchen im Ja h re 1934 etwa 17 Mrd. kW h erzeugt wurden. H ieran waren beteiligt mit rd.
90 % etwa 145 große Erzeugungs- und Verteilungs- Unternehmen. Der kleine Rest von
10 % verteilt sich au f rd. 1500 kleine und kleinste Elektrizitätsw erke. Daneben bestehen rd.
2600 reine Verteiler-Betriebe und außerdem noch über 5000 Elektrostrom-Genossenschaften.
Die Zahlen zeigen, daß w ir in der Strom w irtsehaft von einer Einheitlichkeit und W irtschaftlichkeit, die w ir m it Recht an der Reichsbahn bewundern, noch weit entfernt sind. Die finanzielle Verschachtelung der Unternehmen geht aus diesen Zahlen nicht hervor, aber m an erkennt sie daran, daß deren airsgewiesenes K ap ital das wirklich in den A nlagen arbeitende, zuzüglich der Betriebsmittel, m it über einer halben M illiarde RM überschreitet. Eine nicht geringe Anzahl der Unternehmen verrechnet jährlich Mil
lionen RM an Sehaehteldividende miteinander.
Die etwa 1500 kleinen Betriebe haben n u r eine Leistung von im M i t t e l etwa 600 kW . Nach den Regeln f ü r die A nschlußreife von Einzelanlagen ist es bekannt, daß neben einer Großerzeugung mit Maschinensätzen von über 20 000 kW eine nicht unbedeutende Zahl dieser kleinen E rzeugerstätten in der öffentlichen Strom versorgung keine wirtschaftliche Berechtigung mehr hat. Dam it soll nicht gesagt sein, daß alles über einen K am m zu scheren ist, denn die Größe des Betriebes ist noch kein absoluter M aß
stab fü r dessen Lebensfähigkeit; was lebensfähig ist, m uß erhalten bleiben.
Alle die vielen tausend V erteiler haben zweifellos einzeln hervorragende A u f b a u a r b e i t geleistet, wie mancher andere Baum eister auch. Aber die Entw icklung ist soweit vorgeschritten, daß nunm ehr der wirtschaftliche B e t r i e b und die billigste und zweckmäßigste V e r s o r - g u n g der Abnehmer m it Strom an oberster Stelle steht, und dem sind die vielen Verteiler, wie sich zeigen wird, im Wege. Der gegenw ärtige Zustand bedingt, daß Mil
liarden kW h in monatlichen Rechnungen, sehr vielfach sogar in „K ettenfolge“ , unter diesen vielen Unternehmen verrechnet werden. Alles dieses ist neben den tariflichen Hemm ungen ein Leerlauf mit einem A rbeits- und K osten
aufw and von ganz bedeutender Höhe, der die Strom w irt
schaft nicht n u r zwecklos, sondern auch schädigend be
lastet.
V erm ögen und B etriebsergebnisse
Es ist sehr lehrreich, die Vermögen und die Betriebs
ergebnisse der Reichsbahn und der Strom w irtschaft m it
einander zu vergleichen, und zw ar fü r letztere als Ganzes,
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also nieht n u r als V erteiler- sondern auch als Erzeuger- untem ehm en.
Das Vermögen der Reichsbahn w ird beziffert a u f 28 Mrd.
Reichsmark. Im J a h re 1934 w aren die Einnahm en 3300 Mill. RM, und die Ausgaben f ü r B etriebsführung 2000, f ü r U nterhalt 900 und f ü r E rneuerung 400 Mill. RM.
I n den sechs Ja h re n 1929 bis 1934 wurden im ganzen in
vestiert f ü r E rneuerungen 2976 und f ü r A usbau der A n
lagen 891 Mill. RM.
W egen der starken finanziellen V erschachtelung der Strom betriebe und deren häufige K up p elu n g m it der Gas- und W asserversorgung und m it S traßenbahnen und F a brikationsbetrieben sind die W erte f ü r die Strom w irt- sehaft, zum al bei der unzureichenden P u blizität, n u r an n ähernd zu errechnen. Das Vermögen der öffentlichen Strom versorgungsbetriebe k an n m an bei einer W erk
leistung von 8,4 Mill. kW nebst allen Verteilungseinrieh- tungen schätzen a u f rd. 7000 Mill. RM. Da in der Strom - w irtsehaft a u f die A nlagen sta rk abgesehrieben wird, so liegt das wirklich arbeitende K ap ital u n te r 4000 Mill. RM.
natürlich nach Abzug des Schachtelkapitals, das n u r au f dem P a p ie r steht und niemals aufgebracht wurde. Die E in nahm en betrugen im J a h re 1934 rd. 1300 Mill. RM, und zwar n u r die E innahm en von den Strom verbrauchem , ohne die B eträge der W iederverkaufs- und K ettenrechnungen der Unternehm en untereinander. Die Verwendung der E in nahm en kann auch n u r au f G rund der bisherigen E r fahrungen geschätzt werden. Die Betriebsausgaben, ein
schließlich der R ep aratu ren , belaufen sieh au f etwa 800, die A bschreibungen au f etwa 300 und die V erzinsung au f etwa 200 Mill. RM. I n norm alen Ja h re n decken die Ab
sehreibungsbeträge n u r etwa 60 % der Ausgaben fü r E r
neuerungen und E rw eiterungen der Anlagen, also in 6 Ja h re n werden d a fü r etwa 2900 Mill. RM verausgabt, so daß die S trom w irtsehaft je tz t nach 50 Ja h re n die n a tionale W irtsc h a ft jäh rlich schon annähernd so sta rk mit N eubauaufträgen befruchtet wie die E isenbahn nach 100 jährigem Bestehen. A uch ist beachtlich, daß das V er
hältnis zwischen E innahm en und arbeitendem K a p ita l in der Strom w irtschaft wesentlich günstiger ist als bei der Reichsbahn.
Tarifb ild u n g
Die E ig e n art der Gestehungskosten des Strom es m it den hohen festen K osten bedingt eine große E lastizität in der T arifb ild u n g ; n u r dadurch können allen den verschieden
artigen Abnehm ern trag b a re und A bsatz fördernde Preise geboten werden. E s gibt keinen E in h eitstarif, m it dem m an gleichzeitig den Strom absatz f ü r Licht oder K ra ft oder W ärm e, in allen ihren verschiedenen Verw endungs
arten, fö rd ern kann. Aus diesem G runde w ird die ta rif liche A npassungsfähigkeit bereits gestört, sobald zwischen dem E rzeuger und den Abnehm ern ein W iederverkäufer oder V erteiler eingeschaltet wird, denn die E inschaltung des V erteilers v erlangt einen K a u fv e rtra g m it dem E r
zeuger m it einer tariflichen B indung, wTelche a u f G rund der E rfa h ru n g e n nach A rt eines E inheitstarifes unmöglich im richtigen V erhältnis a u f alle die Feinheiten Rücksicht nehmen kann, die f ü r ein gesundes Geschäft m it den V er
brauchern zu r V erfügung stehen müssen. Die Möglichkeit, bis zu r Lam pe durchzugreifen, wie m an es zu nennen pflegt, w ird dem E rzeuger genommen. Die dam it ver
bundenen Nachteile potenzieren sich ganz ungewöhnlich, wenn auch noch w eitere Zwischenhändler eingefügt w er
den. B etrachtet m an den technischen V organg der Strom
lieferung, so entnim m t der Abnehm er beim E insehalten seines Gerätes den Strom m ittelbar der M aschine des E r zeugers u n ter Verw endung der dazwischenliegenden N etz
teile. Gehört etwas von diesem Netz einem D ritten, dann verm ittelt dieser praktisch n u r den T ra n sp o rt des Strom es über seinen Netzteil, denn e r kommt infolge der E igenart der M aterie auch nicht w ährend Sekunden in den Besitz des Stromes. D aß dieser T ra n sp o rteu r auch als H ändler a u ftritt, ist ein Überbleibsel aus dem A u f b a u der Strom w irtsehaft. E s ist vielfach ein K ettenhandel durch die E in fü g u n g von V erteilern entstanden, der sieh au f die D auer nieht halten kann, denn er ist volksw irtschaftlich ungesund. D aher ist das allgemeine Streben der Erzeuger durchaus natürlich, die Strom versorgung ohne V erteiler selbst bis an die letzte Lam pe durehzuführen. W ie ver
schiedenartig die Verhältnisse heute noch sind, zeigen die folgenden Beispiele:
Einheitliche E rzeugung und L ieferung bis an die letzte Lam pe finden w ir in fa st allen G roßstädten, wo durchweg die tariflichen Möglichkeiten restlos ausgew ertet werden, wenigstens soweit die Finanzaufschläge sich nieht hin
dernd geltend machen.
Von den großen Überlandwerken kommt diesem Ideal zum Beispiel am nächsten das „M ärkische E lektrizitätsw erk A.-G.“ m it seinem sehr großen und g u t abgerundeten Ab
satzgebiet, das sich über Provinzen erstreckt. Beteiligt am M E W ist n u r die öffentliche H a n d ; die Aktiengesell
schaft ist G roßerzeuger un d liefert annähernd 65 % seines Absatzes unm ittelb ar an die V erbraucher, wodurch auch hier eine vorzügliche tarifliche Beweglichkeit gewährleistet ist und auch festgestellt w erden kann. N u r etwa 35 % w erden durch eine kleine Zahl V erteiler dem V erbraucher zugeführt.
Im Gegensatz dazu steht der A u fb au z. B. der „ P reu ß i
schen E lektrizitäts-A ktiengesellschaft, B erlin“ , obwohl an ih r auch n u r die öffentliche H an d beteiligt ist u n d d aru n ter der S taa t P reußen m it 83 % . D eren Absatzgebiet in M itteldeutschland gleicht einem langen schmalen H an d tuch, reichend vom M ain bis nach Schlesw ig-Holstein; ge
tre n n t hiervon liegt das L iefem etz in W est- und Ost
preußen. Die P re ag ist ebenfalls G roßerzeuger, liefert aber 90 % ihres Absatzes durch einen ganz verwickelten A p p a ra t von V erteilerunternehm en, an denen sie m it wenig Ausnahm en u nm ittelbar oder m ittelb ar m it M ehrheit be
teiligt ist. M an findet in diesem K onzern etwa ein Dutzend erste Verteilex-, von denen eine A nzahl an m ehr als 50 zweite V erteiler w eiter liefert, und von diesen abermals eine Anzahl an eine ähnliche Menge d ritte r V erteiler.
A b b . 1. B e is p ie l e in e r L ie fe r k e tte
D as Beispiel einer L ieferkette in Abb. 1 m it drei Zwischen
händlern oder vierm aligem Besitzwechsel ist volksw irt
schaftlich au f die D auer u n erträglich; jegliche tarifliche Beweglichkeit w ird dam it zum Schaden der W irtsch a ft unterbunden.
W ohl kaum jem and h at die N achteile des K ettenhandels in der S trom w irtschaft so kennengelem t wie der V er
fasser, der sich als V a te r des elektrischen H eißw asser
speichers seit 1911 m it der E in fü h ru n g brau ch b arer N acht
ta rife beschäftigt. H eute, also 25 Ja h re nach E in fü h ru n g
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des Speichers, stehen noch vielerorts in D eutschland un
geeignete O rganisationen der Bildung brauchbarer N acht
ta rife im Wege.
Die P re ag ist neben einer A nzahl kommunaler und ähn
licher V erteiler eine Kom bination einer großen Zahl Ge
sellschaften, in denen n u r öffentliche Gelder arbeiten. Nicht in allen K onzernen lä ß t sich die A rt der Beteiligung so genau feststellen wie bei der P reag und beim M EW . Aber soviel steht fest, daß rd. 80 % des in der deutschen Strom w irtschaft arbeitenden K ap itals der öffentlichen H and ge
hören. W enn m an die T ariffehde erw ähnen will, die zwi
schen nachgeordneten und vorgeordneten Unternehm en beim K ettenhandel g a r nicht ausbleiben kann, so spielen sich diese Fehden nach A rt der Beteiligung beinahe ausschließ
lich zwischen den Sachwaltern öffentlicher Mittel ab. U n
geeignete T arife oder T arifstreitigkeiten sind häufig durch die A rt der Organisation, also an erster Stelle durch den K ettenhandel, bedingt. N ur die Ä nderung solcher a u s d e m A u f b a u stammenden, also veralteten O rganisa
tionen kann Abhilfe bringen. E rst hierdurch werden wir uns einer V ereinheitlichung der T arife im ganzen Reich nähern, die die deutschen Bahnen schon im 42. J a h r ihres Bestehens erreicht hatten.
Wie oben bereits erw ähnt, ist die Strom verteilung ta t
sächlich ein T ransportunternehm en. Die über das ganze Reich sich erstreckenden Hochspannungsleitungen be
zeichnet man sehr richtig als die großen Sammelschienen, an welchen aus den bekannten Gründen alle Erzeugungs
werke m ittelbar oder unm ittelbar angeschlossen sein sollen.
Nicht n u r die Sammelsehienen sondern alle V erteilungs
leitungen entsprechen durchaus dem Schienennetz der Reichsbahn. Die S trom übertragung ist eine besondere A rt des Energietransportes, m it dem Betrieb der Reichsbahn vollkommen vergleichbar. Diese h at uns au f Grund der 100 jährigen E rfa h ru n g gelehrt, daß die einheitliche Z u
sammenfassung des ganzen Netzes zu r Reichsbahn das volkswirtschaftlich günstigste Ergebnis liefert. Unvoll
kommenheiten im Netz beruhten fast immer au f da
zwischenliegenden H oheitsgrenzen; sie w aren erst zu be
seitigen, sobald die U neinigkeit der früheren V erw altun
gen über den Zusammenschluß ausgesehaltet wurde. Leider stellt der unparteiische Beobachter m it einer gewissen Sorge auch im Leitungsnetz die ungünstige Auswirkung von Hoheits- oder K onzem grenzen fest. Man bemerkt manchen frem d anm utenden langen Arm, um entweder eine Rosine aus dem Kuchen herauszupieken oder Sonder
interessen zu verfechten. Auch hier m uß der Gemeinnutz Vorgehen, und dem kann schließlich nur eine einheitliche
Leitung genügen. Die Unvollkommenheit des gegenw ärti
gen Sammelschienenbetriebes macht sich bei der Eingliede
rung der S aar in die deutsche Strom w irtschaft recht deut
lich bem erkbar; eine Dauerleistung von 50 000 kW oder 400 Mill. kW h jährlich sollen von der S aar abgenommen werden. Da bisher keine einheitliche Leitung vorhanden ist, so müssen sich die 45 größten W erke im ganzen Reich über die H ereinnahm e verständigen; fü r diese V erständi
gung stehen freilich Monate Zeit zur V erfügung. Aber dor Strom betrieb im ganzen Reich ist wöchentlich, ja täglich, viel größeren Schwankungen unterw orfen; wie ist da überhaupt ein wirklich w irtschaftlicher Ausgleich und eine richtige V erw ertung der überaus kostbaren Sammelschienen denkbar, wenn jetzt noch der Strom an unzähligen G renzpfählen halt machen muß und ebenso viele Sonderrechte und Sonderwünsche beachtet werden m üssen!
Z w e c k des neuen G esetzes
W enn man sich den heutigen Zustand der deutschen Strom w irtschaft in dieser Weise vergegenwärtigt, dann ist der Zwrnck des neuen Gesetzes in wenigen W orten d ar
gelegt :
Das Gesetz stattet eine Stelle m it Vollmachten aus, welche denen der General-Direktion bei der Reichsbahn ent
sprechen, die aber nicht die Eigentüm erin aller Betriebs
anlagen w ird und sich auch nicht m it der Verwaltung, dem technischen und dem wirtschaftlichen Betrieb der Strom versorgung befaßt. Die Stelle überwacht lediglich die Ge
staltung der Organisation, der gesamten technischen E in richtungen und der Tarife. Das Gesetz gibt hierfü r kein Sofortprogram m , denn die richtige Gestaltung so großer Ge
bilde fo rd ert A rbeit und E rfah ru n g von Jahrzehnten, wie es die Reichsbahn lehrt. Bei der bisherigen Führungs- losigkeit in der deutschen Strom w irtsehaft ist das neue Gesetz ein gewaltiger S chritt vorwärts und von weit- tragender Bedeutung, denn es gibt der Stelle die B efug
nis, von h ö h e r e r W a r t e und z u g e l e g e n e r Z e i t au f alle gegenwärtigen und zukünftigen Schwächen in der Strom w irtschaft verbessernd einzuwirken, ohne die gewaltigen Einzelkräfte, denen w ir die bisherige Entwick
lung verdanken, und die wir fü r die nächste Z ukunft nicht entbehren können, lahmzulegen.
Die Entwicklung der Strom wirtsehaft und die noch in ihr ruhenden Möglichkeiten kann niemand voraussehen. Dieses Gesetz, ein Meisterwerk der Zurückhaltung, wird sich jeg
licher Entw icklung reibungslos und fördernd einpassen.
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Völker können au f eigener Scholle leben!
(N a tio n s c a n liv e a t h o m e )
U nter diesem Titel h at O. W . WUlcox im V erlag W. W. N orton & Company, Inc. New York, ein Buch herausgegeben, das trotz vieler Überspitzungen und P h a n tasien recht lesenswert ist. E r zeigt, daß die wichtigsten europäischen Völker die M althus’sche Schwelle überschrit
ten haben, d. h. daß ihre Bevölkerungsdichte so zugenom
men hat, daß bei der heutigen Form der Landw irtschaft die E rnährung von eigener Scholle nicht mehr möglich ist.
Diese Völker versuchen, durch A usfuhr die E rnährung ihrer dichten Bevölkerung zu sichern. Aber die A usfuhr stößt au f Schwierigkeiten, denn es genügt nicht, daß ein Land A usfuhrgüter erzeugt, es muß sie auch absetzen kön
nen. D er Absatz wird durch die Industrialisierung der rückständigen Länder mehr und mehr beengt. Damit wird die A usfuhr ein Tauschverkehr. Dieser Tausch h at aber die Schwierigkeit, daß dem Mangel an bestimmten W aren
in einem Volk ein Überschuß dieser bestimmten W aren in einem ändern Volke und zugleich ein Mangel an ändern W aren au f dieser Seite und ein Überschuß au f der ändern Seite gegenüberstehen müssen. Ein „Mono-Vacuum“ ge
nügt also nicht fü r den Güteraustausch, es müssen korre
spondierende „D uplex-Vacua“ vorhanden sein. ,,Die ame
rikanische Baumwolle geht nicht nur deshalb nach Jap an , weil dieses Land in bezug au f Baumwolle ein Vacuum dar
stellt, sondern deshalb, weil die Vereinigten S taaten von A merika ein Vacuum fü r japanische Seide sind.“ Diese Voraussetzung erschwert den Tauschverkehr ganz au ß er
ordentlich und macht es überaus schwierig, die B edarfs
deckung der Menschen in den bevölkerungsübersetzten L ändern sicherzustellen. In diesen Gebieten entsteht also ein Druck der Bevölkerung au f den Boden, der fü r den Frieden der W elt gefährlich ist. Denn die übersetzten Völker werden damit gezwungen, durch K riege neues Land zu gewinnen, um die E rn ä h ru n g und V ersorgung ihrer Menschen sicherzustellen. W er also den Frieden wünscht
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und den K rieg verurteilt, h at die Pflicht, nicht n u r den K rieg niederzusehreien, sondern an seiner Stelle Mittel und W ege zu zeigen, die das Ziel des K rieges, die Sicher
stellung der E rn ä h ru n g der Völker, au f friedliche A rt erreichen lassen.
Dieses M ittel ist nach W illcox die „Agrobiologie“ . Sie ist eine Zusam m enfassung aller landw irtschaftlichen W issen
schaften mit dem Ziel, durch wissenschaftliche A rbeiten die W ege fü r eine ganz außerordentlich hohe Intensivie
rung der L andw irtschaft zu bereiten. Die Agrobiologie schafft zu diesem Zwecke „üb erfru ch tb are“ (perfertile) Böden und „ p e ru ltra “ -Pflanzenarten. Die überfruchtbaren Böden haben alle Nährstoffe ausreichend und in der besten F orm und die p erultra-P flanzenarten sind a u f höchste E rträ g e gezüchtet.
Nach W illcox soll die Agrobiologie — ähnlich der Chemie nach der Entdeckung der Atome und Moleküle — in der Lage sein, nicht n u r qualitative, sondern auch quantitative Berechnungen durchzuführen und sie praktisch auszuw er
ten. Diese quantitativen Berechnungen fü h rt er in der S ch rift in reichem M aße durch. E s seien zum V erständ
nis einige Stellen wörtlich w iedergegeben: Angenommen, ein Q uadratkilom eter landw irtschaftliche Nutzfläche ergibt durch seine B earbeitung die E rzeugung der notwendigen K alorien f ü r 15 500 Menschen. W ieviel A rbeit, W asser, Düngestoffe usw. müssen dazu aufgewendet w erden? . . . Ganz kurz gesagt liegen die D inge s o : E in Boden braucht nicht wesentlich reicher zu sein, um nach agrobiologischer A rbeitsweise 15 500 Menschen zu ernähren als nach der alten Arbeitsweise n u r 770 Menschen. D er U nterschied hier ist der U nterschied zwischen der Gleichrichtung aller K rä fte gegenüber dem chaotischen W irken der K rä fte , zwischen der ausgewogenen H arm onie von einem Dutzend F aktoren, die f ü r das Pflanzenwaehstum in F rag e kom
men, gegenüber der Ungewißheit und dem H erum tappen bei Nichtanw endung der wissenschaftlichen Richtschnur.
A uf G rund einiger Grundzahlen über V erbrauch von W ärmemengen bei dem Pflanzenwachstum stellt W illcox folgende Berechnung a u f: E in ac-re (0,405 ha) erhält au f dem 40. B reitengrad nördlicher Breite an einem Tage ge
nug Sonnenwärme, um 8,2 t pflanzliche Trockenmasse zu erzeugen, er kann also in den 173 Tagen der V egetations
zeit 1421 t pflanzliche Trockenmasse liefern. M it den „per- ultra “ -Züchtungen der beiden wichtigsten G etreidearten der gem äßigten Zonen, dem W eizen und dem Mais, werden H öchsterträge von etwa 13 t bei Weizen und 15 t bei Mais an Trockensubstanz erzeugt. M an sieht daraus, daß diese beiden P flanzenarten bei E n tfa ltu n g ih rer äußersten Le
benskraft n u r weniger als 1 % der W ärm e ausnutzen, die ihnen in dem kühlen K lim a zur V erfügung steht. W ir haben ausgeführt, daß die Z üchter versuchen, den Stick
stoffgehalt (Eiw eißgehalt) der Pflanzen zu verringern, um dadurch eine größere Lehensenergie zu erzielen. Dadurch wird es sich m it g roßer W ahrscheinlichkeit erreichen lassen, die E rzeugung von pflanzlicher Trockenmasse wesentlich zu steigern und sie a u f dem 40. B reitengrad nördlicher Breite a u f 1421 t zu erhöhen. Bei dieser Steigerung kön
nen von 100 ha landw irtschaftlicher Nutzfläche 1,25 Mill.
Menschen ern ä h rt werden. (3,51 Mill. je Q uadratm eile = 258 ha.) . . . D er theoretische H öehstertrag von W eizen mit einem Stiekstoffgehalt der ganzen Pflanze von 1,25 % be
trä g t 171 bushels reines K orn, bei diesem E rtra g können au f der Q uadratm eile 11 315 Personen mit einer täglichen Gabe von 2500 cal. m it 104 g Eiw eiß versehen werden. Es ist aber bis je tzt noch keine W eizenart bekannt, die so hohe E rträ g e gibt; die höchsten erzielten E rträ g e liegen erst bei etwa 71 % dieses theoretischen H öchstertrages. Die Züchter, die noch vor kurzem die Höchstgrenze mit 122% bushel je acre rechneten, glauben jetzt, in abseh
barer Zeit a u f 150 bushels zu kommen. W enn diese Züch
tung erreicht ist, sind bereits 88 % des theoretischen Solls erreicht. A ber abgesehen von diesen Zukunftsaussichten können W eizenzüehtungen m it einem E rtra g von 70 % des theoretischen Solls 7920 Menschen von der Q uadrat
meile (258 ha) ernähren, und wenn wir 30 % aus Sicher
heitsgründen abziehen, so bleiben immer noch 5544 P e r sonen, die von einer Q uadratm eile ern ä h rt werden können.“
Ähnliche Berechnungen werden von W illcox in reicher Zahl durchgeführt. A u f G rund dieser „agrobiologischen“ Be
rechnungen gibt W illcox den einzelnen S taaten, die über
völkert sind (England, Italien, D eutschland und J a p a n ) , gute Lehren, wie sie sich aus ih rer Landnot retten können.
W ir frag en uns unwillkürlich dabei, ob denn die W irt
schaft in den V ereinigten S taaten von A m erika so gut läuft, daß der A m erikaner W illcox gute Lehren an andere Völker geben kann, ohne sein eigenes Volk m it guten Lehren zu benachteiligen. A ber w ir sagen uns, daß man den guten W illen immer anerkennen soll. Jedenfalls rech
net W illcox den E ngländern vor, daß sie durch „agrobio- logische“ Intensivierung der L andw irtschaft in der Lage sind, au f ihrem eigenen Raum, also von den landw irt
schaftlichen Nutzflächen E nglands 244 Mill. Menschen aus
reichend m it N ahrung und landw irtschaftlichen Rohstoffen zu versorgen, w ährend doch bekannterm aßen je tzt 45 Mill.
nicht davon zu leben vermögen. Denn es kommen in E ng
land a u f den K o p f der Bevölkerung n u r 0,25 ha landw irt
schaftlich genutzter Fläche, so daß D eutschland m it 0,40 ha je K o p f der Bevölkerung sogar noch besser dran ist als England. In ähnlicher Weise werden den Italienern, den Deutschen und den Ja p a n e rn gute Lehren gegeben, wie sie die dichte Bevölkerung von der engen E rn äh ru n g sg ru n d lage gut und ausreichend sättigen können. I n Deutschland w erden die Möglichkeiten der E rtrag ssteig eru n g durch Bewässerung stark in den V ordergrund gestellt. W illcox gibt dabei E rtragszahlen von Feldversuchen an, die aus den Ja h re n 1910 bis 1914 stammen. E s handelt sich w ahr
scheinlich um Zahlen, die von P ro f. Gerlach in Bromberg gewonnen worden sind. W illcox h at dabei aber übersehen, daß D eutschland nach dem K riege und gerade in den letz
ten 10 Ja h re n das Bewässerungswesen durch künstliche Beregnung veredelt hat, und daß es die G eräte fü r dieses Bew ässerungsverfahren so verbessert hat, daß es damit an der Spitze aller Völker steht. Ganz so rückständig, wie uns W illcox von der agrobiologischen Seite aus ansieht, sind w ir also nicht. Dabei sind gerade in dem K apitel
„D eutschland“ sehr beachtensw erte Gedanken ausgespro
chen. W illcox stellt fest, daß das Deutschland der V or
kriegszeit die m ilitärische M aschinerie bis au f den letzten K n o p f in O rdnung gehabt habe. A ber der V erlau f des K rieges habe gezeigt, daß nicht der letzte K n o p f m aßgeb
lich sei, sondern die letzte K artoffel. D er H ungertod von 800 000 Deutschen w ährend des K rieges habe gezeigt, daß Deutschland vor dem K riege seiner E rnährungsgrundlage nicht die genügende Beachtung geschenkt habe. D arin müssen wir W illcox recht geben, müssen ihn aber d arauf aufm erksam machen, daß Deutschland schon aus diesem Grunde nicht die Schuld am W eltkriege trag en kann, es w ar sieh seiner schlechten E rnährungslage ja immer bewußt.
Bei den vielen guten G edanken bedauern wir, daß W illcox in seinen landw irtschaftlichen E rtragsberechnungen so ins Uferlose geht. W eniger w äre hier sehr viel m ehr gewesen.
E r nimmt vor allem als Agrobiologist die landw irtschaft
liche E rzeugung aus dem Rahm en der V olksw irtschaft her
aus und betrachtet sie isoliert. So m acht er die In ten sität der Bodennutzung allein abhängig von den natürlichen F ruehtbarkeitsfaktoren, K lim a und Boden. E r berücksich
tig t nicht, daß auch die w irtschaftlichen F aktoren. A bsatz
gunst und A bsatzungunst au f die In te n sitä t der landw irt
schaftlichen Erzeugung einen ausschlaggebenden Einfluß ausüben. E s ist die Lehre von den Thünenschen K reisen, die besagt, daß die In te n sitä t der landw irtschaftlichen W irtschaftsw eise bestimm t w ird durch die E n tfe rn u n g zum M arkt. Nach unsern B erechnungen w irken sich die Thünen
schen K reise dahin aus, daß in A bsatznähe 4- bis 5 mal soviel Menschen unm ittelbar und m ittelbar von der land
w irtschaftlich genutzten F lächeneinheit leben wie in A b
satzferne, gleiches K lim a und gleicher Boden vorausgesetzt.
(Vgl. S ta u ß : „B etriebsintensität und M aschinenbesatz in der L an d w irtsch aft“ Z. V D I 1935 N r. 22.) Die F olgerun
gen aus diesen Gedankengängen, die O rdnung im deutschen Raum, sind fü r die V erbesserung des deutschen N ahrungs
spielraum es zumindest ebenso w ichtig wie die V erbesserung der landw irtschaftlichen Erzeugung, wie sie W illcox vor
schlägt. D aran w ird ja in der T at seit vielen Jahrzehnten ununterbrochen gearbeitet, wie die S teigerungen der Lei
stungen der Pflanzen und Tiere zeigen. N ennen w ir es auch nicht Agrobiologie, so arbeiten in D eutschland W is
senschaft und P rax is außerordentlich intensiv an den A u f
gaben, wie sie W illcox sieht.
D ipl.-Landw irt W alter S ta u ß , B erlin [2596J
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S p ezialfab rik
oder gem ischter B etrieb?
Ein B eitrag
zur F rage des G epräges der S p e zia lfa b rik Von E. HEIDEBRO EK VDI, Dresden1)
Der vor dom Ja h re 1933 abgeschlossene industrielle Z eit
raum w ar in Deutschland wie in ändern Ländern gekenn
zeichnet als eine A usdrucksform des H ochkapitalism us und eine E n ta rtu n g der unpersönlichen Gesellschaftsformen, bei der das A ufsaugen kleinerer und m ittlerer Betriebe, die Zusammenballung in den verschiedenartigsten K onzern
form en und G roßunternehm en immer mehr überhand
nahmen.
Die Ursache dazu lag bei den einzelnen Unternehm en teils in dem K apitalverzchr der Nachkriegszeit, in F ragen der Roh- und Halbstoffversorgung, in steuerlichen Gründen, zum Teil auch in der technischen Entw icklung als solcher begründet. Mit dem F ortschreiten der technischen W issen
schaften, in denen das Ausland immer mehr anfing, den V orsprung der schwer belasteten deutschen Industrie au f
zuholen, wurde die technische Entw icklungsarbeit immer mühsamer und kostspieliger, der dazu erforderliche A ppa
ra t an Menschen und E inrichtungen fü r viele W erke kaum noch tra g b a r; dazu kam en die Erschw erungen des Aus
fuhrhandels, A rbeiter- und Lohnschw ierigkeiten: alles A uf
gaben, denen die gesammelte K ra ft des Großunternehmens besser gewachsen schien.
Dazu tr a t aber, als übles E rbe der Inflationszeit, immer mehr das m onopolartige Bestreben der Großfinanzen oder der hinter ihr w irkenden K rä fte , sowohl in dem vertikalen A ufbau wie in der Ebene gleicher Fabrikationsstufe ganze A rbeitsgruppen aus rein m achtm äßigen und finanztecli- nisehen Plänen zusammenzuballen und immer mehr F a b ri
kationszweige an sich zu ziehen.
Die A useinandersetzungen darüber z. B. in der Eisen ver
arbeitenden In d u strie sind bekannt; gerade in der mecha
nischen Industrie blieben manche altangesehenen W erke auf der Strecke; viele käm pften n u r mühsam um ihre Selbständigkeit. Ih re P roduktionen w urden von größeren Konzernen aufgesaugt, die dadurch und durch die Viel
fältigkeit ihrer Erzeugnisse manchmal den Charakter
„technischer W arenhäuser“ annahmen.
Es hätte den Anschein gewinnen können, als ob die Ge- samtentwieklung diesen W eg allgemein weitergehen sollte, wenn nicht neben diesen Gemischt-Betrieben eine Anzahl von Spezialfabriken eine besondere K risenfestigkeit be
wiesen hätte, die man ih rer Größe nach den kleineren und m ittleren Betrieben zurechnen muß, die aber durch die besondere Güte und E ig en art ihrer Erzeugnisse au f einem beschränkten Gebiet ihre Selbständigkeit und W e tt
bewerbsfähigkeit behaupteten. Zu H ilfe kam ihnen die im Laufe der K rise immer mehr zu Tage tretende E m p findlichkeit der G roßbetriebe gegen Schwankungen des Be
schäftigungsgrades infolge des starken Einflusses der festen Kosten.
Mit dem Anbruch der neuen W irtschaftsperiode, die durch die w irtsehaftspolitischen M aßnahmen der nationalsoziali
stischen R egierung eingeleitet wurde, ist ein deutliches Be
streben zur A uflockerung der überm äßig zusammengeball
ten U nternehm ungen zu beobachten. Nicht als ob der
1) D iese Studie wurde angeregt durch die Festschrift der Wanderer- W erke zum 5 0 jährigen Bestehen: „Vom W erden der Wanderer- W erke“, verfaßt von C. Matschoß. Berlin 1935, VDI-Verlag.
G roßbetrieb als solcher allgemein verschwinden sollte. Es gibt nach wie vor eine große Zahl von Erzeugnissen, die n u r im G roßbetrieb w irtschaftlich herzustellen sind, oder deren V erkaufsfähigkeit in Abhängigkeit von der Selbst
kostenkurve überhaupt erst durch eine Massenerzeugung größten U m fangs denkbar ist. M an denke an die Glüh
lampen, den Volkswagen, die R undfunkgeräte oder ähn
liche Dinge. Massenherstellung und Güte sind bei dem heutigen Stande der W erkstatt-Technik keine Gegensätze mehr.
Aber daneben beginnt die „S pezialfabrik“ wieder mehr und m ehr Bedeutung zu gewinnen, die sich bewußt au f ein A rbeitsprogram m beschränkt, das in seinem technologi
schen A ufbau, in seinen Beziehungen zum Absatzm arkt und in der Auswertung seiner F in an zk raft fü r das be
treffende Gebiet geradezu die „ o p t i m a l e“ (nicht m axi
male) Betriebsgröße zu erreichen gestattet. Dazu ist nicht Voraussetzung, daß überhaupt nur ein einzelnes und ganz bestimmtes Sondererzeugnis hergestellt wird, es können sehr wohl mehrere sein, sondern vielmehr die innere o r g a n i s c h e Zusammengehörigkeit in der A rt der K on
struktion, der Auswertung der einmal vorhandenen tech
nischen und kaufm ännischen Intelligenz und der fü r eine besondere A rbeitsrichtung geschulten Leistungsfähigkeit des Arbeiterstammes. Dieses bewußt im Gegensatz zu der äußerlichen, ans macht- oder finanzpolitischen Erwägungen bewirkten A neinanderreihung der verschiedenartigsten Dinge, wie sie etwa im verflossenen Stinnes-Konzern oder ähnlichen schnell wieder entschwundenen Erscheinungen der Nachkriegszeit zu beobachten war.
Im Hinblick au f diese zweifellos immer mehr zunehmende und sicher gesunde Entwicklung ist es reizvoll, einmal an einem typischen Beispiel diesen Begriff des „Spezial
betriebes“ , wie er hier angedeutet wurde, näher zu be
leuchten und die Grenzen abzustecken, innerhalb deren die E igenart der geschlossenen Organisation und die optimale Selbstbeschränkung au f innerlich wirklich verwandte A r
beitsgebiete den Charakter der „S pezialfabrik“ deutlich hervortreten lassen. Als solches Beispiel seien hier die W an derer-W erke A.-G., vorm. W inklliofer und Jaenicke A.-G., in Siegmar-Sc-hönau bei Chemnitz herangezogen.
Diese haben vor kurzem ih r 50 jähriges Firm enjubiläum begangen und bei dieser Gelegenheit in einer aus der Feder von Conrad Matschoß stammenden, ganz vorzüglich aus
gestatteten Festschrift einen besonders eindringlichen Bei
tra g zu der strukturellen Entwicklungsgeschichte der In d u strie geliefert.
D ie Geschichte der W anderer-W erke
Die äußeren Daten der Entw icklung sind durch folgende Ereignisse gekennzeichnet:
Der Betrieb beginnt, von den beiden M echanikern Winlcl- hofer und Jaenicke eingerichtet, als kleine R eparaturw erk
sta tt fü r F a h r r ä d e r ; schon bald setzt aber eine p la n mäßige F ertigung neuer R äder ein (1886). Da es sich um eine in Deutschland neuartige F ertig u n g sart handelt, muß das kleine W erk schon frühzeitig daran gehen, sich A p p arate und Maschinen fü r eben diese selbst herzu
stellen (z. B. H ärteöfen). D a diese sich bewähren, werden sie später eine Zeitlang auch an K unden geliefert.
M it der Erfindung des L uftreifens und der Entwicklung des N iederrades nimmt der Betrieb schnell einen großen Aufschwung, nicht zum wenigsten auch durch die von A n
fang an hervorragende Güte des W anderer-Rades; in etwa zehn Ja h re n sind die ersten 10 000 Räder abgeliefert, im
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J a h re 1897 sind es bereits 200 000, die M assenfertigung w ird aufgebaut.
Schon in diesen J a h re n beginnt der B au von W erkzeug
maschinen und V orrichtungen fü r den E igenbedarf; im V ordergrund steht die F r ä s m a s c h i n e , die sich als die am meisten universale W erkzeugm aschine f ü r viele Einzelteile bew ährt. D er deutsche W erkzeugm aschinenbau brachte dam als noch wenig eigene K onstruktionen dieser A rt a u f den M ark t; meistens w aren es am erikanische Mo
delle oder deren Nachahmungen. So entsteht der E n t
schluß, die im eigenen B etrieb erpro b ten M aschinen auch dem M arkt zur V erfügung zu stellen: Im J a h re 1899 w er
den die ersten Fräsm aschinen, vier Typen, in Reihen gebaut.
Diese Maschine kommt offenbar einem großen B edürfnis der aufstrebenden deutschen In dustrie der M etallverarbei
tu n g entgegen. Die neue F räsm aschinenabteilung ent
wickelt sich zu einem selbständigen Zweig der Fabrikation, von A nbeginn an wegen ih rer besondern P räzision der H e r
stellung und Arbeitsweise bevorzugt. W as an E rfah ru n g en in ih rer V erw endung im eigenen Betriebe gesam m elt wurde, w ird durch die E rfa h ru n g e n in vielen än d e rn W erkstätten bei der K undschaft verm ehrt und bereichert; diese E r kenntnis kom m t wieder dem eigenen Betriebe zugute und befruchtet ihn.
D er nächste A bschnitt, der ebenfalls organisch heran
wächst, ist das M o t o r r a d ; hierzu gibt der im A nfang des Ja h rh u n d e rts aufkomm ende kleine Fahrzeugm otor den A nstoß. So entw ickelt sich neben dem F a h rra d in seiner v erstärkten und erw eiterten F orm als M otorrad der Mo
torenbau selbst, nunm ehr schon m ehr die ganze F ab rik atio n in den eigentlichen M aschinenbau überleitend; nicht lange danach (1905) folgt der erste K raftw agenversueh. Das bekannte „W anderer-P uppehen“ w urde von 1911 ab auf den M ark t gebracht, und dam it h at die F irm a den A n
schluß an den dam als m ächtig aufstrebenden K raftw ag en bau g e fu n d e n ; an die Stelle des schweren M otorrades tritt m ehr und m ehr der K raftw agen.
A llein schon einige Ja h re vorher fü h re n die immer mehr verstärkte L eistungsfähigkeit der F irm a, der w erkstatt- technische F o rtsc h ritt im V erein mit der gestärkten F inanz
k ra f t u nd U nternehm ungsgeist zu einem w eiteren Ausbau des P rogram m es in G estalt der S c h r e i b m a s c h i n e . E s vollzieht sieh hier ein ähnlicher V organg wie bei einer Reihe von ändern W erken: Opel, Seidel & Naumann, A dlerwerke, D ü rrkopp u. a. m., die sämtlich aus dem F a h r ra d herausgewachsen sind.
Das F a h rra d mit seinen zahlreichen kleinen Einzelteilen, die gestanzt, g ep re ß t, gefräst, gedreht, geschweißt werden müssen, h at die Firm en die Technik der M assenherstellung kleiner und kleinster Teile in geeigneten V orrichtungen gelehrt; M aßhaltigkeit und Austauschbau, sparsam e W erk
stoffw irtschaft bilden die V oraussetzung. Das F a h rra d steht somit schon an der Grenze der feinmechanischen M assenherstellung. So ist es n u r natürlich, daß die au f ähnlicher G rundlage entstandenen F irm en die so erarbeitete F ertig k eit noch a u f verw andte Gebiete auszudehnen suchen:
Schreibm aschine und Nähmaschine sind die bevorzugten A ufgaben, von denen die eine F irm a sich mehr diesen, die andere jenen zuwendet, nachdem sie ebenfalls vorher fast alle den K raftw ag en b au aufgenom m en haben. Die F irm a A dam Opel gibt den Nähm aschinenbau nach dem B rande der F a b rik 1911 wieder a u f und b etreibt n u r noch F a h r räd e r und K raftw ag en ; Adler fö rd e rt den B au von
Schreibm aschinen neben K ra ftw a g en und F a h rrä d ern , Seidel & N aum ann vorzugsweise die Schreibm aschine und N ähmaschine neben dem F ah rra d . So kom m t es, daß zwar die G rundlage bei allen m ehr oder „w eniger die gleiche war, der S chw erpunkt sich aber je nach der ge
schäftlichen R ührigkeit und N eigung m ehr nach dem einen oder ändern Gebiet verlagerte.
Die W anderer-W erke bringen im J a h re 1904 die ersten Schreibmaschinen, die bekannte „ C o n t i n e n t a 1“ her
aus, wiederum von A n fan g ein fertiges Erzeugnis von höchster Güte, das sich überraschend schnell im In - und A usland einführt. Die Schreibm aschine k ann von vorn
herein n u r als M assenerzeugnis hergestellt w erden; sie w ar niemals ein Gegenstand der K lein fab rik atio n ; grö ß te Ge
nauigkeit der H erstellung in all den Tausenden von klein
sten Einzelteilen w ar schon durch das W esen der Maschine von selbst bedingt; zudem w ar der W ettbew erb der weit vorgeschrittenen am erikanischen T ypen zu bekämpfen.
Schon im J a h re 1913 sind 64 000 Continental-Masc-hinen abgeliefert worden.
V on der Schreibm aschine ausgehend, wird in folgerichtiger W eiterentw icklung und A npassung an die F orderungen der neuzeitlichen Buehungsteehnik die A d d i e r - u n d S u b t r a h i e r - M a s c h i n e gebaut, und noch im K riege die ersten Lieferungen herausgebracht; aus ihnen entwickeln sieh in den ersten N aclikriegsjahren die eigentlichen B u c h u n g s m a s c h i n e n , die ebenfalls den bis dahin vorherrschenden am erikanischen Modellen zum mindesten a u f dem In lau d m ark t den R ang ablaufen können.
So zeigt die Entw icklung der W anderer-W erke bis in die K rieg sjah re eine einheitliche Linie, ein gesundes, sich immer wieder selbst befruchtendes W achstum , aus einer einheitlichen W urzel k rä ftig emporwachsende Triebe. U n
nötig in diesem Zusam m enhang zu betonen, wie daneben immer wieder a n dem technischen F o rtsc h ritt der erzeug
ten Typen und an dem A usbau der kaufm ännischen O rga
nisation erfolgreich gearbeitet wurde. S olidität der Aus
fü h ru n g schufen hier ein M usterwerk der deutschen mecha
nischen Industrie.
D er W eltkrieg, noch m ehr aber die N achkriegsjahre brach
ten auch hier den großen E inschnitt. Zw ar wurde an dem technischen F o rtsch ritt unentwegt w eiter gearbeitet. Aber Rohstoffschwierigkeiten, Lohnkäm pfe, G eldentw ertung usw.
ziehen auch dieses W erk in die K rise hinein, ohne jedoch seinen Bestand und seine finanzielle Selbständigkeit jemals ernstlich zu gefährden.
Am meisten hatte der K raftw ag en b au in D eutschland unter den K risenfolgen zu leiden. D er starke am erikanische W ettbewerb, die Z ersp litteru n g der deutschen K ra ftw a g en industrie in zahlreiche, bei ih rer Erzeugungsziffer kaum rentable Betriebe fü h rte ih n immer w eiter abw ärts. So entstand die A nregung der sächsischen R egierung im Jah re 1931, die sächsischen K raftw a g en fab rik e n zu einer einheit
lichen Gesellschaft, der A uto-U nion A.-G. zusammenzu
legen. Dies w ar f ü r die W anderer-W erke der A nlaß, sich von der bis dahin betriebenen K raftw agenherstellung zu trennen und W erkstätten, Belegschaft und E inrichtungen, die d a fü r bestanden, an die A uto-U nion abzutreten, wie
wohl sie a u f diesem Gebiete sowohl technisch wie w irt
schaftlich imm er erfolgreich gewesen w aren. W anderer- W erke un d A uto-U nion sind heute zwei rechtlich und w irtschaftlich vollkommen voneinander unabhängige Ge
sellschaften. D er „W anderer“ -K raftw agen w ird in dem von den W anderer-W erken an die A uto-U nion v erpachtet eh Siegm arer W erk von dieser gebaut und vertrieben.
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Kein leichter E ntschluß fü r den V orstand eines U nter
nehmens, diese selbstgewollte E inschränkung von U m fang und Absatz, aber ein kluger E ntschluß! Die nunmehr gesammelten K rä fte schufen die Grundlage f ü r einen neuen Aufschwung des W erkes au f den verbliebenen A rbeits
gebieten : B ü r o m a s c h i n e n , F r ä s m a s c h i n e n und W erkzeuge sowie F ah rräd er. Mit über 6000 M ann Gefolgschaft steht die F irm a im J a h r ihres 50 jährigen Bestehens in der vordersten Reihe der einschlägigen F ir men. Die durch Abgabe der K raftw agenfertigung einge
tretene S chrum pfung ist mehr wie eingeholt. D er Schwer
punkt der B etätigung liegt — nach der Umsatzmenge und der Zahl der G efolgschaft gerechnet — jetzt au f den B üro
maschinen, an denen allein nahezu 4000 Personen Be
schäftigung finden. Durch den Bau der ersten deutschen g e r ä u s c h l o s e n S c h r e i b m a s c h i n e , der „Si- lenta“ , wird ein außerordentlicher technischer und ge
schäftlicher F o rtsch ritt erzielt, und alle Anzeichen deuten darauf hin, daß das Unternehm en einer weiteren Blüte entgegengeht.
S p ezialfab rik oder G em ischtbetrieb?
Mit dieser T rennung vom K raftw agenbau hat das U nter
nehmen bewußt einen S ch ritt von der Ausweitung in die Breite zurück zu seiner organischen Grundlage und zu dem Zustand ausgeführt, der das eigentliche Wesen des Spezialbetriebes ausmacht. D er K raftw agenbau mit seinen vielen Sonderaufgaben hatte sieh inzwischen selbst zu einem Fabrikationsgebiet von solchem Ausmaße entwickelt, daß seine technologische Zusammensetzung ganz selb
ständige V erfahren verlangte. Man denke nur an die in sich schon weit auseinandergehenden Aufgaben des Baues der Motoren, W agenrahm en und K arosserien, neben den unzähligen sonstigen Zubehörteilen. Auch die geschäft
lichen Risiken, die Zusammensetzung der Abnehmerkreise und ihre B etreuung weisen in ganz andere Richtung. Dem
gegenüber bleibt bei dem jetzigen U m fang des F ertigungs
programms der W an derer-W erke n u r noch einmal die Frage zu untersuchen, ob die beiden H auptgebiete: F rä s
maschinen und Büromaschinen in ihrer technischen und kaufmännischen O rganisation sieh insoweit organisch zu
sammenfügen, daß m it einer einheitlichen Leitung die höchsten Spitzenleistungen herausgeholt werden können.
Denn wenn in irgendeinem P unkte der „Spezialbetrieb“
im engeren Sinne einen V orsprung vor dem „gemischten“
Betrieb in A nspruch nehmen könnte, so wäre es der, daß eben durch seine Zusam m enfassung au f e i n O bjekt alle technische und kaufm ännische Intelligenz nach dem Grund
satz einer aufs höchste gesteigerten A rbeitsteilung weiter kommen kann, als wenn diese K rä fte sich au f mehrere Gebiete verteilen müssen. D erartige Behauptungen, von einer geschickten W erbung ausgestreut, können immerhin im W ettbewerb eine gewisse Bedeutung erlangen.
Gegen eine derartige einseitige Ü bersteigerung des Ge
dankens der A rbeitsteilung sprechen aber sowohl in w irt
schaftlicher wie in technischer Beziehung sehr erhebliche Bedenken. Die Schäden der einseitigen „Amerikanisie- rung“ und der dort aus den besondem V erhältnissen her- ausgewachsenen Überspezialisierung fü r unsern deutschen M arkt, die eine Z eitlang auch bei uns gedankenlos nach
geahmt wurden, sind heute wohl allen einsichtigen Leuten zum Bew ußtsein gekommen.
W irtschaftlich betrachtet ist zunächst d arauf hinzuweisen, daß die K onjunkturabschnitte verschiedener Erzeugnisse sowohl zeitlich, wie in ihrem Ausschlag verschieden zu ver
laufen pflegen. Büromaschinen und F ah rrä d er z. B. sind reine V erbrauchsgüter, w ährend dio W erkzeugmaschinen zu den A nlagegütern zu zählen sind. Beide unterliegen im A blauf einer K rise und im W iederaufstieg verschieden
artigen Bedingungen. S tützt sich ein Unternehmen n u r au f ein einziges Erzeugnis, so kann eine schlechte K on
jun k tu r, Übererzeugung und ausländischer W ettbewerb in diesem Erzeugnis das Unternehmen leichter in eine solche K rise führen, daß seine Existenz gefährdet wird. K ann sich das Unternehmen au f mehrere Herstellungszweige stützen, so ist eher die Möglichkeit gegeben, daß der eine Zweig noch lohnend bleibt und dem ändern über die K rise hinweghilft. Solche Beispiele lassen sieh aus den letzten Ja h re n vielfach anführen.
D erartige Überlegungen treffen insbesondere au f hoch
wertige Erzeugnisse zu, bei deren H erstellung ein großer Stab von bew ährten K aufleuten, Ingenieuren, Meistern und F acharbeitern benötigt wird, also eine hohe Belastung mit festen K osten vorliegt und dagegen die eigentlichen F e rti
gungslöhne zurücktreten. Diese Kosten zu verringern oder au f eine breitere Grundlage zu verteilen, ist eben der Zweck einer F ertigung in verschiedenen Richtungen, sofern nur die gegenseitige U nterstützung der einzelnen Ab
teilungen gew ahrt bleibt. Das gleiche gilt fü r den V er
k aufsapparat, der auch in schlechten Zeiten erhalten bleiben, ja vielleicht sogar in verstärktem M aße arbeiten muß.
Von der technischen Seite gesehen, stellt sich das Problem so dar, daß überbetonte technische Einseitigkeit sehr leicht zu einer E rstarru n g führt. Die Entw icklung der tech
nischen W issenschaften in der letzten Zeit zeigt deutlich, wie befruchtend der geistige Austausch m it verwandten Gebieten sich auswirkt, so daß es geradezu eine Notwendig
keit ist, die Entwicklung auf ändern Gebieten zu verfolgen und sich zunutze zu machen. Gilt das allgemein in der W echselwirkung z. B. von Maschinenbau und Elektrotech
nik, Werkstoffkunde, Chemie, ja auch der angewandten Physik, so noch viel mehr auf dem Gebiet der W e r k - s t a t t - T e c h n i k zwischen Erzeugnis und erzeugendem W e r k z e u g , diesen letzten Begriff weit g efa ß t als Werkzeug, V orrichtung und Werkzeugmaschine. Höchste Güte der Erzeugung und größte Genauigkeit bedingen ein dem besondern Zweck angepaßtes W erkzeug. Die erzeu
gende Maschine m uß immer genauer sein als das zu er
zeugende Stück. Zwischen beide schiebt sich, als die eigentliche Brücke, erst die „ V o r r i c h t u n g “, durch die in vielen F ällen die universell arbeitende Maschine sich erst dem Stück a n p a ß t; durch die V orrichtung ent
steht oft erst die fü r den eigentlichen Bearbeitungsgang b r a u c h b a r e Werkzeugmaschine. Sie selbst aber kann wiederum n u r au f W erkzeugmaschinen g rößter Präzision richtig hergestellt werden.
So greifen W erkzeug, V orrichtung, Maschine und zu er
zeugendes P rodukt eng ineinander. K am i es da ein günstigeres Zusammenspiel geben, als wenn die Firm a in ihrem eigenen H ause über einen Stamm von Fachleuten verfügt, der im W erkzeugmaschinenbau bewandert und schon von daher an die höchsten Genauigkeitsgrade und die vielfältigsten A rbeitsverfahren gewöhnt ist? Denn der W erkzeugm aschinenbau beschränkt sich, wenn er als selbständiger Geschäftszweig fü r andere K undschaft be
trieben wird, ja doch nicht au f die reine H erstellung der betreffenden Maschine allein. Jeder Richtmeister, der hinausgeht, um in einem frem den Betriebe eine Maschine fü r deren besondern Zweck einzuriohten, b ringt einen Zu
wachs an E rfa h ru n g e n mit nach H aus. Jed er Kunde, der f ü r einen Sonderzweek über die A rbeit der Maschine m it dem H ersteller derselben berät, stellt diesem neue A u f
gaben und erw eitert seinen Gesichtskreis!
Gewiß werden viele W erkzeugm aschinen in Reihen her
gestellt und als H andelsw are verkauft, ohne daß eine unm ittelbare Beziehung zwischen K ä u fe r und H ersteller entsteht. A uch die W erkzeugm aschinenfabrik m uß w irt
schaftlich herstellen können und sich deswegen a u f be
stim m te T ypen und F orm en beschränken. A ber gerade bei so universell arbeitenden Maschinen, wie z. B. der Fräsm aschine, k ann eine solche F e rtig u n g n u r betrieben w erden, wenn bei den beteiligten F achm ännern eine U n
summe von allgem einer K enntnis und E rfa h ru n g in der W erkstattechnik vorhanden ist. D aß diese befruchtend und anregend a u f j e d e andere F ertig u n g im eigenen H ause einwirken m uß, ist selbstverständlich.
F ü r diejenigen Betriebe, die selbst keine W erkzeugm aschi
nen bauen, aber verwickelte A p p arate und Maschinen herzustellen haben, gehört es zu den schwierigsten A u f
gaben, die zu ih rer S onderfertigung benötigten V orrich
tungen und W erkzeuge selbst herzustellen und einzurich
ten. D er V o r r i c h t u n g s b a u und W e r k z e u g b a u nim m t daher in allen derartigen B etrieben eine besondere Stellung ein und ist ein sehr wesentlicher K ostenanteil.
O ft ist es auch schwierig, d a fü r geeignete Fachleute zu finden, und gerade a u f diesem Gebiet finden sich viele F ehlkonstruktionen und versteckte V ergeudung von M ate
ria l und A rbeit, die sieh der N achprüfung der Leitung leicht entzieht. Zieht ma.n aber frem de Lieferer heran, so m uß m an ihnen Einblick in die eigenen E rfah ru n g en gewähren und kann nicht hindern, daß sie diese auch än dern K unden, also den eigenen M itbewerbern, überm itteln.
Aus diesen G esichtspunkten heraus h at sich in vielen Be
trieben f ü r besondere, sta rk spezialisierte Erzeugnisse eine bem erkenswerte Entw icklung dahin vollzogen, daß diese einen Teil ih rer Arbeitsm aschinen aus ihren eigenen Be
dürfnissen heraus selbst entw erfen und auch ausführen, sich also eine kleine M aschinenfabrik angliedern. Solche Arbeitsweise finden w ir z. B. bei den N adelfabriken, in der K ugellagerfabrikation, in der Schokoladenindustrie, der Feinm echanik u. a. m .; teils weil die Zahl der be
nötigten Maschinen im ganzen zu gering ist, um einem Zweiten eine lohnende R eihenfertigung zu gestatten, teils aber, und das ist die H auptsache, um nicht eigene E rfa h rungen an jeden D ritte n preiszugeben, der dann die eigene jahrelange E ntw icklungsarbeit sich mühelos zu eigen machen kann, wenn er n u r über das nötige Geld verfügt.
I n diesen Zusam m enhang gehört es auch, d aß z. B. ge
wisse Sondermaschinen, nam entlich am erikanischer B au
art, wie z. B. Schuhmaschinen, von ihren E rzeugern gar nicht verkauft, sondern u nter P atentschutz n u r mietweise abgegeben werden, um so dem E rfinder und K o n strukteur einen dauernden A nteil an dem Nutzen zukommen zu lassen, den der betreffende E rzeuger durch ihre E n t
w icklungsarbeit erzielen kann.
Som it zeigt sich, daß allgemein in den meisten F abriken f ü r Sondererzeugnisse die S elbstanfertigung von W erk
zeugen, V orrichtungen und ganzen A rbeitsm aschinen in m ehr oder w eniger großem U m fang gebräuchlich ist. Von hier bis zu r E ntw icklung eines selbständigen V erkaufs- zweiges dieser Dinge ist n u r ein organisatorischer Schritt, der aber den inneren Zusam m enhang m it der eigentlichen G rundfertigung nicht aufhebt. Um diese W erkzeuge und M aschinen an die h ie rfü r geeignete K un d sch aft heran
zubringen, ist natürlich eine besondere V erkaufs- und W erbeorganisation aufzuziehen, die aber diejenige der eigentlichen Stam m fertigung nicht zu stören braucht. Der V erkauf von Fräsm aschinen beispielsweise wendet sich in der H auptsache an die technischen Betriebsleiter, der von Bürom aschinen an die kaufm ännischen und staatlichen V erw altungen. E s ist n u r eine F ra g e der G r ö ß e n o r d n u n g der betreffenden B etriebsabteilungen, ob der U m fang des A bsatzes es gestattet, auch h ie rfü r die besten Sonderfaehleute heranzuziehen und den W erb eap p a ra t aus
zubauen. Es w ird sich wohl dann von selbst ergeben, daß m an nicht denselben V e rtre te r m it Fräsm asehinen- angeboten zu den technischen Stellen der K undschaft und mit Bürom aschinen zu den kaufm ännischen schickt. Über dem Ganzen m uß selbstverständlich eine obere Verwal
tungsspitze stehen, die alle Zweige der H erstellung und des V erkaufes überw acht und regelt, die großen Gesichts
p u nkte der E ntw icklung und K o n ju n k tu r v erfolgt und gemeinsam m it den F achleuten der einzelnen Zweige das A rbeitsprogram m festlegt.
E s g ilt f ü r j e d e n Betrieb, einerlei ob reinster Spezial
betrieb oder gem ischter, daß die obersten Stellen der kauf
m ännischen und technischen L eitung sieh den K o p f von den täglichen Einzelheiten möglichst freih alten müssen, um nicht vor lauter E inzelfragen den Blick f ü r das große Ganze zu verlieren. Die technische Einzelentw icklung in H erstellung und A nw endung k ann niemals in der General
direktion geleistet werden, sondern ist A ufgabe der Ab
teilungsleiter, der Sonderingenieure, M eister und Fach
arbeiter. Diese als Persönlichkeiten zu gewinnen, f ü r ihre besondern A ufgaben zu erziehen und heranzubilden, sie zu einem einheitlichen Organismus, zu einer B e t r i e b s g e m e i n s c h a f t zu form en, das ist ein Problem der Leitung überhaupt, ein allgemein menschliches Problem, das nicht aus der Fachkunde allein, sondern mindestens in gleichem M aße aus rein persönlichen E igenschaften heraus gelöst werden kann, m. a. W. dadurch, daß die leitenden P ersönlichkeiten wirkliche F ü h r e r e i g e n s c h a f t e n besitzen.
W enn dabei dann, wie es das Beispiel der W anderer- W erke zeigt, der leitende technische K o p f ein ganzes Men
schenalter hindurch aus den ersten A nfängen heraus die Entw icklung in allen A bschnitten richtunggebend beein
flußt, eine zielbewußte, kaufm ännische Leitung durch eine ganze Periode der Umstellungen, K risen und w irtschaft
lichen Umwälzungen hindurch den K u rs des Unternehmens steuert, dann ist jede denkbare Gewähr d a fü r gegeben, daß die einer solchen Leitung unterstellten Betriebszweige sich zur höchsten B lüte entwickeln.
Denn das ist das wesentlichste M erkm al des d a u e r n d e n E rfolges im einzelnen wie im g a n z e n : die Stetigkeit in den Personen, den V erfa h ren und der Zielsetzung, das sorgfältige Abwägen der einzelnen K rä fte im H inblick au f die W iderstände d er Umwelt, das E rsp äh e n der E r folgsmöglichkeiten u nter kluger Selbstbeschränkung auf das E rreichbare, ohne jenen wilden A usdehnungsdrang, der manche Perioden der N achkriegsjahre kennzeichnete, k u r z : d i e G e s t a l t u n g d e r o p t i m a l e n B e t r i e b s f o r m !
J e unnatürlicher die Z usam m enfassung verschiedener Be
triebszweige, desto g rö ß er der tote A ufw and an büro
kratischem V erw altu n g sap p arat, an L eerlauf und Reibun
gen. Das Kennzeichen des eigentlichen S p e z i a l - b e t r i e b e s in diesem Sinne ist daher im m er die bew ußte Selbstbeschränkung a u f eine solche A usdehnung und