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Die Zukunft, 25. Juni, Jahrg. XVIII, Bd. 71, Nr 39.

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XVlIL Zahl-g. Erklin,den25.Juni1910. It.39.

Herausgehen

Maximilian Hardew

Inhalt .

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Nachdruck verboten.

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Erscheint jeden Sonnabend.

Preisvierteljährlich5Mart, dieeinzelneNummer 50Pf.

Berlin.

Verlag der Zukunft

WilhelmftraßeIa.

«1910.

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Berlin, den 25.Juni 1910.

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Schoenebecks.

lleiistein,das OlsztyndermasurischenPolen, liegtaneinem NebenslußdesPregel, derAlle,woMarschallSoult 1807,.

vierTagevorderSchlachtbeiEylau,denrusso-preußischenNach- trabschlug. UngefährdreißigtausendEinwohner. Kreisstadtim preußischenRegirungbezirk Königsberg; fünfzigKilometer von derrussischenGrenze. Hochmeisterschloßxrestaurirte Katholiken- kirche; nahbeimStädtchendieProvinzialirrenanstalt Kortau.

Schneidemühlen, Vrauereien, Maschinenfabriken; Handelmit Holz, Leinwand, HopfenDragoner, Feldartillerie,zweiInfan- terieregimenter inGarnison.Dahin wurde imDezember1906der fastsiebenunddreißigjährigeHauptmannvonGoeben alsBatterie- chef versetzt. Sohnausderzweiten EheeinesGutsbesitzers,der als Sechzigjährigeran Leberkrebs starb.DieMutter, inderen FamiliePsychosen nachweisbar seinsollenunddieals einein hemmunglosenUeberschwangneigende, demSohnin blinderZärt- lichkeit anhangende Frau geschildert wird,war fünfunddreißig Jahre alt,alsdasKindihremSchoßentbunden wurde.Schwere Zangengeburt.DierechteSeite desKnabenkörpersbleibtinder Entwickelunghinterder linkenzurück.Arm undBeinsind rechts um einen Centimeter kürzeralslinks. DerJüngling,der Mann schleiftdas rechteBeinschwerfällignachundbenutztzumSchrei- ben undSchieszendenlinkenArm. AlsKindhateranMasern, Scharlach, Keuchhusten, Skrofulose gelittenundsicheinenLeisten-

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bruchzugezogen.AlsNeunjährigerdenVater verloren undseit- dem denstrengen Ernsteines Erziehersnie kennen gelernt.Ein leidlicherSchüler,derimSprachenunterrichtschlecht,inMathema- tik undGeschichtebesservorwärts kommt,neben Durchschnitts- verstand ungemeinenHangins Einbildnerischezeigtundoftauf derAeigung ertapptwird,Erträumtes fürErlebtes auszugeben.

Erentschmeicheltder Mutter dieErlaubniß,Seekadett zuwer- den,scheidetaberbald wieder aus diesem Eorpsundbestehtim zwanzigsten LebensjahrdieAbiturientenprüsung.Dann tritt er, dersich durch Leibesübung gekräftigt hat,ins Heer,wird 1891 Lieutenant ineinem nordwestdeutschenFeldartillerieregiment, nimmt 1899,alsOberlieutenant, denAbschiedundfichtinSüd- afrikaimBurenheergegen dieBriten. Dortwirderviermalver- wundet (anArmen undHänden,anderHüfteunddem fünften Metakarpalknochen) undvonseinem auf ihn stürzendenPferdan Darm UndNiere gequetscht.Erkrankt anMalaria undSchwarz-. wasserfieberundkehrtmitgeschwächtemKörper nach Europazu- rück.JneinerBrochure,dievon denSachverständigenbeachtet wird, schilderterdieBurentaktik. Beantragt seine Reaktivirung, wird in denGroßen Generalstab versetzt, geht 1903,imAuf- standsfrühling, nachMakedonien ·(woer an heftigenMalaria- rückfällenleidet),arbeitet dann wieder imGeneralstab undwird, nacheiner langwierigen Furunkulose,imAdvent 1906 alsBat- teriechefins MasurischeJeldartillerieregiment Nr. 73versetzt.

KeinMustersoldatz doch einer,derseinen Beruf liebt. Jn der Moltkestrasze genügt seine Leistung nichtund aufderGeneral- stabsreisefälltseinUnvermögen,seineZerfahrenheitgeradezuauf.

Erist unpünktlich,imVureaudienstlässig,verträumt undmacht sichdurch hochfahrendeswiedurchwürdelos unterwürfiges Wesen manchem Vorges etzten verhaßt.Den Kameraden istereinSonder- ling, hinter dessen festverschlossenerFassadevielleicht auch beson- dereJähigkeitzusuchen ist. Einer,derschonBlut gerochen,Men- schengetötet,KerlsgegendenFeindgeführt hat:Das unterscheidet ihnvondenOffizierendesHeeres,dasseit fastsechsunddreißig JahrenimFrieden exerzirt. DazudieNomantikerpose Eines,der sich nach Märtyrien sehnt;nur nachderMöglichkeitzulechzen scheint, für denNächsten, denFernstenseinLebenzuopfern. »Ich würdemich ohneZaudern töten, wennichmitdiesem Opfereinem

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Schoenebecks. 409

bedrängtenMenschenhelfen könnte;dann hättemeinLebenwe- nigstens einenNutzen gehabt.aSosprichterzund findetGläubige.

TrotzdemKeiner ihn jeeinOpfer bringen sah,traut mans ihmzu.

Die Legende umspinntdieGestaltdes schlanken, mittelgroßen Mannes mitdemnach englischerSitte gestutzten Schnurrbart in dembreiten,gelbbraunenGesicht,über dem dasHaar frühzuer- grauen beginnt. WegeneinerFrausoller,in einemDuell ohne Zeugen,einen Kameraden getötet haben. Einen anderen wollte er,als VertheidigerderFrauenehre, würgen.Jnteressant. Jn Berlin hater,aufdemVictoria-Luise-Platz, einenhäßlichen,grin- sendenMann beimSchnurrbart gepacktundihmmitsowildem Blick in die überdenLiPpenrand ragendenZähne gelacht,daßder ErschreckteeinenTollen vorsichzusehenglaubteundhastigda-.

vonlief. Unheimlich. Nicht Einer,wieman ihninjederGarnison aufder Straße trifft.Er willausfallen:underreichts.DieMänner achtenaufihn;denPreußenmädchen istereinlockendesRäthseL DochdieWeiber,denen dermelancholischehelddesBurenkrieges leichteinen lächelndenBlickabstöhle,scheinternichtzusehen.

EineWeile auch nichtdieelegantesteDame derKleinstadt:

Antonie vonSchoenebeck (diesichlieberAntoinette nennen läßt);

dieFraueinesMajors, der alsSoldat beiVorgesetztenundUnter- gebeneneinen gutenRuf hat.Sonst? DieFrauhälternicht so festimZaumwieseinenGaul. Könnte vonihr wohlbessereMa- nierenundkorrekteres Wesenfordern.Einegutaussehende,aber schlechtdisziplinirte Dame,deren Schrulleninallen Eckenbe- schwatztwerden. Daß sieeinenihr noch nicht vorgestelltenRitt- meisterunter freiem Himmelum eine Eigarette bittetundihm, hinterdemRauchwölkchen,dannins Gesichtlacht,zeigteinenMan- gelanschüchternerZurückhaltung,der demKavalleristendasBlut indie Stirn treibt. Scheintaberharmlos,wenn mans Anderem vergleicht,was dasGerüchtausplaudert. SchlimmeErotika. Obs wahr ist?DieTochter-,dieFraueinesOffiziers!Kaum glaublich.

UndwerwillsichdieFingerverbrennen? DerEhemann erfährts jaimmer zuletzt.Dieserkümmertsichnurum dasVataillon(kaum um seine zwei Kinder)undum das Waidwerk. Fastjede dienst- sreieStunde verbringteraufdemgepachteten Jagdgrund. Läßt dieFrau thun,was ihrbeliebt. Müßteabernatürlichlosknallen, wennihmeinderSatisfaktionFähigerdieFrauverdächtigte.Sol-

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cher Gefahrwill Keiner sichaussetzen. ,,Laßts laufenundseid froh, wenn nicht auchinunsererkleinenGrenzgarnisoneinNiesenskan- dalzumHimmelstinkt.« GustavvonSchoenebeck,derselbstnur achtzigtausendMark, alsokaummehrals dreitausendMark Zin- senimJahr außerdem Sold zuverzehren hat,kannmitdem Gelde derFrau behaglichleben und seine Gäste besser bewirthenals mancherVrigadier. Warum sollman sichdenderben,aberbeque- men Passagier verfeinden?HauptmannvonGoeben hat gehört, daßüber dieMajorsfrauUebles getuscheltwird;demGerede aber nichtnachgedacht. JmFebruar1907siehtsieihnaufeinemKostüm- ball.EristinMatrosentracht, mitoffenemHalsundVrustansatz; undmag,mitderdunkelgelbenHautunddemschleppenden Gang, rechtin denAnzug passen. FrauvonSchoenebeck hatbeimAn- blick desseltsamfremdartigenVallgesellen durcheinjähesZucken ihrJnteresseverrathen,seinenNamenerfragtundihndann doch wieeinen ihrUnbekannten angesprochen. »Wer bistDu?«Mas- kenfreiheit, denktsie, ist auch ohneMaske möglich(und führtschnel- lerals konventionelle Damensitteans Ziel).Goeben erschauert beiso unzarterBerührungundkriechtraschinseine Schale zurück.

Die,wardihm gesagt, willjedenNeuen inihr Arachnenetz ziehen- Ersträubt sich.Giebt ihren drängenden Fragennur kargeAnt- wortund entzieht sichderEinladung, aufdemnächstenRegiments- ballihrKavalier undHaupttänzerzusein,mitderBegründung, Familientrauer hindere ihn,sichunter dieTanzpaarezumischen.

DocheinenBesuch schuldeterderbeängstigendfreundlichenDame.

Ergehthin,folgt auchderEinladungzumAbendessen,,inkleinem Kreis «,will aberweder inderBahnmitAntonie reiten noch ihr seine Pferde leihen. Immerhin: erkommtnunmanchmalins Haus desMajors undgewöhnt sichindenVerkehrmitderFrau.Der indergemäßigtenZonederGarnisongeselligkeitbleibt,bis die Er- fahrene denWildling soweitzuhaben glaubt, daß siediestärkste ihrer Künsteanihm erprobenkann. AlsMitleidigen, nachMar- tyrien Lüsternen stelltersichzurSchau: andieserStelle istder Stichfesteverwundbar. Sie schreibt ihm;bittetumseinenVesuch, seinen Rath,dendieSchätzung seines Charakters ihr werthvoll mache.Er kommt.FindetsiezumerstenMalallein. Undsojammer- vollunglücklich!Die Arme ist verleumdetworden, grundlos,ver- steht sich,undhat,allinihrer Unschuld, auf diesemweiten Rund der Erdenicht einenMenschen,der für sieeintritt. JhrenMann2 Alsob

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Schoenebecks. 411

Dermehrvonihrwollte alsihrenLeib, ihrseelischesErlebenauch

nur ahnte!Derwürdesiegarnicht verstehen;hatsieniemalsver- standen. UeberDen dürfe sie,um nicht allzubitter zu werdenund dieehelicheDiskretionzuverletzen,überhauptnichtsprechen.Einen Freund!Abergiebtsdenn indieser häßlichenWeltderKonveni- enz,Heucheleiund Streberei nochaufrechte,zuverlässige,selbstlose Männer, diemiteinem Frauenherzen zufühlen wissen?Von Allen,Goeben,dieich je sah, sindSiederEinzige,demichszu- trauen könnte;obgerade ichJhnenaber nicht unangenehm oder gleichgiltigbin? Das alteSpiel; das älteste.DemHauptmann istsneu. Und derReiz dieser schlankemlangbeinigenFrau wirkt nochausstattlichen Resten. Goeben tröstet, räth,kommt wieder, wirdals Retter gepriesen,alsSchützerundfurchtloserHeld;und drückt,selig zunächstschonindemBewußtsein, lange genährtem Heilandwahn sobrünstigenGlauben gewecktzuhaben,seine Lippen auf deriMund derFrau, diesich,inderOhnmachtüberquellenden Dankbedürfnisses, erfröstelndinseineArmegleiten ließ.Siehat ihn.Erwird ihrRitter. Vor denKameraden ihr eisernderAn- walt. Und (sowillsies)derhitzigeAnklägerihresMannes.Der?

Einroher, nachGeldundFleischdieserherrlichenDulderin nur gieriger Patron. Wenn man redendürfte!AberdieUnvergleich- lichewillkeinanärm ;trägtmitderGeduld einesEngels,waskein Sterblicherzutragen vermöchte.DieKameraden heben lächelnd dieAchseln.Wieder Einer! DasNemontensystemdieserKavalle- ristin versagt wirklichnie. Na, schließlichistderguteGoeben kein Milchbart.SiebenunddreißigAllerleiWind hatihmumdieRase geweht.Der wird sich,miteinpaar Schrammen vielleicht, schon allein aus derEhose herauswickeln. Wie vorihm so Mancher.

AmzweitenTag nachderWeihnachtfindet, morgens vor Sechs,derDragoner,derdesMajors Burschen vertritt, Herrnvon Schoenebecktot inseinem Schlaszimmer. DieLeiche liegt aufdem Rücken,istnurmitNachthemdundPantoffelnbekleidet;auseiner Stirnwunde rinnt nochBlut. Zwischenden Beinen liegteinRe- volver. JmSchlafzimmer brennt dasElektrischeLicht.Diein das kleine,demHofbenachbarteSpeisezimmersührendeThüristoffen.

Der Dragoner sagt,was er gesehen hat, demPferdeburschen.

DenHausmädchenunddemKinderfräuleinwirdserzählt.Dieses FräuleinEuebringtder Witwe dieSchreckensbotschast. Frauvon Schoenebeckschreit,heult, tobt;bleibtaberim Vett.Renntnichtdas

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Treppchen hinunter,um denLeib desMannesszusehen,injdessen Umarmung sie zweiKinder empfangen hat.EinpaarKameradeTi Schoenebeckssindgewecktwordenund eilenherbei.Naubmordnach einem Einbruch? Jm Haushaltfehltnichts;Geld,Silberzeug,Uhr, Tischgeräth:Alles inOrdnung. Selbstmord? Beidiesemruhigen, gleichmüthigenManningeordnetenBerhältnissenschwerglaublich.

Auch wird,als dieNäthe desKriegsgerichtes angelangtsind,festge- stellt,daßderRevolver,der zwischendenVeinen derLeiche lag, noch mitallensechsscharfenPatronen geladenistund,mitseinemKaliber, nichtzu derEinschußöffnung auf Schoenebecks Stirnhaut paßt.

NachSieben kommtGoeben,um denHausherrnzu einem(angeb- lichv·ereinbarten)Jagdausflug abzuholenDerVurschemeldet,der HerrMajor habesicherschossen.Undenkbar,sathoebenzweiltnur eineMinute nebenderLeicheundstürmtdannhinauf:dieWitwezu trösten.Obsieihm(wiesiebehauptet)ihrSchlafzimmersperrteoder ihn (wieerbehauptet hat) einließ? Nach seiner Angabe hat sie, alsereintrat,geschrien: »Mein Gustel!«BeiseinemAnblick sich nichtberuhigtzgefragt: ,,Warergleichtot?JchweißvonnichtsJch bin verrückt.SagsAllen!« Als Goeben wieder unten ist, scheint erganzruhig-Spricht, wieschon lange, schlechtüberSchoenebeckz meint,Frau Antoinette könnesichderThatsache freuen, daß sievon diesem rohen,herzlosenWichtnunbefreit sei;ruft,alsderHühner- hundvor derSchlafzimmerthiir anschlägt:»Hirschmannverbellt ihn jetzt.«Kautbald danachgemächlichaneinemKuchenstück.Und fordertdieOffiziereauf, mehralsandenToten,fürdenjanichts mehrzuthun sei,an ,,dieLebenden da oben« zudenken-Schonan diesem Morgenwecktsein lautes, protziges,dann wieder scheues Wesen leisenVerdacht.ErgiltalsAntoniens LiebstenHat längst imTongrimmigen HassesüberdenMajor geredet.War amTag

vor derMordnacht Stunden langinSchoenebecks Haus. Cuj bono?Der altenKriminalistenfragefindetman nur einezureichende Antwort. NurGoeben bekannte sichalsSchoenebecksFeindznur erhatteeinInteressedaran,dieFrau(die ihmeineunverstandene, mißhandelte,geschändeteHeiligewar) freizumachen.Er wirdver-

nommen. Jn seinerWohnung eineMensurpistole gefunden,deren

Kaliber genau zu derEinschußöffnungam KopfdesTotenpaßt.

NachderVernehmungbeeiltersich,derWitwe denJnhaltseiner Aussage mitzutheilen.DerBriefwirdaufgefangen undbewirkt, mitanderen beträchtlichenBerdachtsmomenten, dieBerhaftung

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desHauptmannes DaZweifelanseinerZurechnungsähigkeitent- stehen,wirderzuerstinKortau beobachtet,dann,imMilitärgefäng- niß,vondemmünchenerPsychiater Freiherrn vonSchmuck-Rotz- ing untersuchtundbefragt.Unter derWuchtdesBelastungmate- rials hatersichinzwischenzuderThatbekannt.ZurTötung;nicht zuüberlegtemMordAm zweiten März1908hatersichmiteinem stumpfen TischmesserdieHalsaderndurchsägt.Erwolltesterbew

Goeben hat zuerstdie ganze Schuldlastauf sichgenommen und hitzig bestritten, daßFrauvon SchoenebeckalsAnstifterin oder Beihelferin mitschuldig sei. Später haterdieFrau schwer belastet.Umsich selbstderStrafe zuentziehen? Als ehr««durch krankhafte Geistesstörungder freienWillensbestimmungBe- raubter sichindieNechtswohlthat einzuschmuggeln,dieder ein- undfünfzigsteParagraph des Strafgesetzbuches gewährt?Die konnteihnaus derUntersuchunghaftnur insJrrenhaus führen.

Das wußteer.Hörte auchvondemSachverständigen,daß dessen Gutachten nichtAusschluß,sondernnurEinschränkungderfreien Willensbestimmung feststellenwerde unddaß unserStrafgesetz denBegriffverminderter Zurechnungfähigkeitnichtkenne (und nichtkennendarf, solangees indemWahnvon objektiverFrei- heitdesMenschenwillensbefangen bleibt).DatvarfürdenHaupt-

mann also nichtszuhoffen.SeineVerurtheilung zumTodsicher.

UndimKreis derNechtsgenossenfiel auf ihneinungünstigeres Licht,wenn eralsWerkzeugeineskrankenDirnenhirnes, nichtals ein inmännischer LeidenschaftStrauchelnderinsVerbrechenge- glittenwar. Docherwußtenun, inwelche Pfützeerseinarmes Herzgeworfenhatte;und fühlte sichvonjeder Schonungent- pflichtet.Sollte insolchem Tümpelsichnoch einmaldasHimmels- lichtspiegeln? Der hamletische Todesstundenwunsch, sichund seine Thaterklären zulassen,oderderExhibitionistendrang, vor MenschenblickendieSchamzuentblößen:Goeben löstevomGe- heimniß seinesErlebens das letzte Siegel· Erwollte sterben.

DenqualvollstenTod.Doch dieUeberlebendensolltenihn kennen.

DenKnaben treibts inenthusiastische Freundschaft,dieihm aberkeinLustgefühlschafft.ErstdenSiebenzehnjährigenüberfällt dasPubertätfieber.JmTraumfühlter, den dieMutter,imScherz- spiel, einst auf ihremRückenreiten ließ,unter seinenvon zarten Armen umklammerten SchenkelneinenFrauenrücken,fühltinder

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e-ngenSchlinge seinerArme einenfeinhäutigenHals:underwacht indermüdenWonne,die desGeschlechtshungers Stillungwirkt.

Der Jünglingersehntund beschleunigtdieWiederkehrsolcher Träume;suchtsie,alserreiten gelernt hat, auchalsWacherher- beizuzwingenundgewöhntsich,im Sattel denAkkumulatorseines Geschlechtstriebeszuentladen. Liebtsein Roßwie einWeib, tätscheltes mitsanftemFinger,kraut ihm schäkernddieMähne, kitzelteszärtlichmitderFußspitze,demSpornzund läßtvonwol- lüstigerVorstellungdenFrauenleibformen,derihn,inseligerer Stunde, tragen soll.Keiner hat ihmvon Sexualbedürfnißund Sexualgefahrgesprochen,KeinerihnjevorschädlichemMißbrauch desBeugungorganesgewarnt. Den dumpfenSinn schrecktdas GeschlechtswesenderFrau,vondererdochdas höchste,heißeste Wohlgefühlhofft.Wer sie spornen,biszuräußerstenErmattung austreibenunddieKeuchende nachBelieben dann zügelnkönnte!

Der Lieblingtraum wird zurunentbehrlichen, zwingendenVor- stellungundderArtillerielieutenantthut wieOnan,Judaszweiter Sohnvon Sua, dendesHerrn Zorn traf,weil er,stattbei des Bruders Witibzuliegen, seinen Keimsaftindie Erdesickern ließ.

Jnsounkeuscher Enthaltung vom WeiblebterJahre lang;und dasNervensystemdesauskränkelndemStamm Ersproßtenwird imWirbel solchergewaltsam erkünsteltenWonnen früh morsch.

ObihnjeeinMannesleib reizte? Erhats geleugnet.Diebesondere ArtseinerLustvorstellung ließe leicht darauf schließen.Einerlei.

Ringsum riechts,in KaserneundKasino,nachWeibergeschichten:

unddieserLieutenant hatnieeineLiebstegehabt,nienur sichan einem Dirnchengekühlt. Hält sichdrum fürEinen von anderem Schlag ;vereinsamtimInnersten;darf,einvomFluchderLächer- lichkeit Bedrohter,sein schmähliches Geheimnißaber nichtent- schleiern;undsinkt,umsnochfester einzuhüllen,indieGewohnheit, jedemAuge sichanders zuzeigen,als erist. JneinenSumpf,der Wahrhaftigkeitnichtgedeihen läßt. Herrvon Goeben spieltden interessanten Sonderling. Das Leben? EinQuark. Füreines Vettlers,eines KrüppelsGlückwürfeers hin.Der Dienst? Jm FriedeneinfreudlosesHandwerk,das demErnst hoherWelt- auffassungnichtzugenügen vermag.Undwer darf zweifeln, daß solche Auffassungineinem Offizier lebt,dersichallergalanten Kurzweil fern hält,zu dem Weib wie zurreinsten Priesterin auf- schaut,inseinemFühlenKindern undThiereninnig gesellt ist,der

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Schoenebecks 415

Schwachen,Mißhandelten, BedrohtenBertheidiger wird und vomSchicksalnur dieMöglichkeitschmerzhafterSelbstaufopferung heischt?Goeben findet Freunde;findet jüngere Kameraden, die andierauheTugenddieses fastheiligscheinendenKriegersglau- ben. Friertaberindenmühsam gespeisten Weihflammen dieses Kultes undmöchteihm, möchtesich selbstgern entlaufen. Wenn ersichinsRollen der Be ebenheit stürzt,demKörper-,demKon dieletzte Leistungabverlangt,diederKrafteines Menschener- reichbarist,wirdderBannvielleichtgebrochen; lindertsichwenig- stens wohlderZwangundermöglichteinhelleresLebenimsicheren GehegederNorm. Solche Hoffnungtreibt ihnindenBurenkrieg (woeremsignachdemRuhmtollkühnerTodesverachtungtrachtet) undindieblutige WirrniszdesMakedonenaufstandes. Dochdie Hoffnung trügt. Schwere Malariarückfälle zerrüttendenKörper.

Als einAlternder, demsichanderSchläfe schondasHaarbleicht, kehrterheim;und kann dieLeistungfähigkeitderLieutenants- zeit nicht wiedergewinnen. Schlaflosigkeitundhäufige Schweiß- ausbrücheschwächenihn.Erist düsterenSinnes, oft mürrisch,mit- tenimDienstbetrieb manchmal zerstreut;underzähltinlebhafte- ren Stunden aus seinerKriegszeitGeschichten,diejede gründ- licheNachprüfungalserfundenodergefärbterkennen muß.Sein Geschlechtslebenhatsichnicht geändert.Nur haben sich,unter heißererSonne, infremdartigen,seelisch erregendenundganze TagelangindenSattel zwingenden Verhältnissen,dieExzesse vonMond zu Mond gemehrt; ist täglicheMasturbationzurGe- wohnheit geworden, derenZwangdann auchinBerlin weiter- wirkt.DiespärlichenBersuche,imArm einerFrau Stillung,Heil- ung zufinden, sind fruchtlosgeblieben.Derfast Siebenunddreißig- jährige,der alsBatteriechef nachAllenstein versetzt wird, hatals einGlücklicherniemals nochdenLeib eines Weibes umschlungen.

Jm März haterdievon überströmendem Dankgefühl hin- gerisseneAntonie geküßt;demDrängen ihrer nachkörperlicher VereinigunglechzendenHypererosieaber,imBewußtseindes Un- vermögens, nicht nachgegeben.Erläßt sichlieben;doch durchdie ungestümsteZärtlichkeitnichtaus demvorsichtig gewähltenTrieb- gewahrsamlocken.Auch nicht,alsderMajor demHausein paar Wochen lang fernbleibt. DerLenzkommtendlichinsPregelland.

DieLufterwärmt sichund unter demletzten Schnee steigt sacht, in Wald undGarten,aus derWurzelderSaftins Gesträuch.

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416 Die Zukunft-

WühltundwirktauchindesHauptmannsSinnen dieZeuger- kraft diesesFrühlings? Jn schwülerMittagsstunde bebrütet, währenddesHeimrittesvomUebungplatz,die Sonne inGoebens HirndieHoffnung,jetzt, so spät noch,das volleGlück der Mann- heitzuerlangen. Wer weiß? Vielleicht hat ihm bishernur der seine scheue, verschüchterteGeschlechtsartergänzendeWeibtypus gefehlt;derbesondereWesensduft, dessenWehen auch ihninden großen Orgasmus lenzlicherNatur taucht.JnunbewußterBe- wegung sinktdiefieberndeHandvom Zügelund streicheltden Rücken desThieres.Das denNeiter so willig trägt.»Aus heißen Dunsts chleiern schältsichdieJünglingsvorstellung:einfeinhäutiger Hals,denseineArme einklammern ;unterseinenSchenkeln,indie sich rosigeFingernägeloderEllbogen bohren,einFrauenrücken Kann dieserTraumnieWirklichkeitwerden? Schon istermitder imLustverlangenBedenkenlosen weitgenug,um denVersuchwa- gen zukönnen-Setzt sie,wieeinKindzumHuckepackspiel,auf seine Schultern;beugtdann lachend denNumPfundläßt sie auf seinen Rückengleiten;undendetdas JauchzduomitdemRuf,dervon übermüthigerMinutenlaune ausdieLippe getriebenscheint:,,Nun sollmalder Reiter das Pferdchensein;sollstDuDein-enBrau- nen tragen!«Zum erstenMal erlebtersmitwachem Auge; fühlt sichvon beseligendem Wollustspasma geschüttelt; istzumersten Mal ineines Weibes warmer Nähe seiner Mannheit frohge- worden. DochinderselbenSekunde auchderwillenloseSklave dieser Veglückerin.Milans Sohn hateinerHofhure,weilsieden Scheinbann seineerpotenz brach,dieSerbenkrone aufsHaupt gesetzt.WasvermöchteGoebenderFrau zuweigern,die alsErste ihn,als Einzige,die Wonne einer derNatur nahen Geschlechts- besriedigung erlebenließZDie nistetnun inderHerzkammerseines Geheimnisses Weiß, jetzt erst,was diesemZagendieschlafer Adern inSchwellung bringt, welcher Genitalreiz diesemWeib- scheuendenGenuß natürlicher Paarung ersetzt.Denkannsiege- währenundkannihn versagen;demder Norm nicht mehrganz Fernen auch völlige Heilung verheißen.Aus sicheremHerrschaft- sitzspinnt siedünne Fädchen,knotet eins behutsamins andere:

undhatmitengmaschigem NetzbaldKopfund Sinne des Mannes umstrickt. Noch spürterdenDruck nicht.JstmitderSeligenselig, die mitihren Buhlkünsten nicht geizt und,inVereitschaft immer, mitihrem langenden Blick, ihrem Lächeln,zusprechen scheintwie

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(Daß der Vertreter einerfremden Großmacht in derReichshauptstadt von dem GesandtenVayerns zum Festmahl geladen wurde, dann dreiTageinMünchensaß, den Prinzen Luit- pold, Ludwig

und es war keine Schadenfreude. Denn auf beiden Seiten kam, bei Alten und Jungen, ein so starker Gemeinsinn zum Vorschein, daß man sich wie bei einem Zwist zwischen verliebten

Das Centrum entschloßsich jedoch zum Kompromiß, weil es sich als große (im Abgeordnetenhaus nicht größte) Partei den Luxus der Linken, Alles abzulehnen unter dem Vorwand, daß sie

Dies-e neuen Stände hatten nun aber beide das lebhafteste Interesse an dem gleich-en und all- gemeinen Wahlrecht: der Arbeiterstand, weil dieses Recht ihm so- fort einen

,,Pleb-ejisch fühl’ ich meines Landes Wunden«, sagt der Dichter; und meint mit dem nicht ganz zutreffenden Wort feinen Gegensatz zum Sonderstandpunkt der Kaste. Diesem Dichter, der

Die neuere Physik hat nun über das Wesen dieser Relation doch etwas sehr Wichtig-es er- mittelt: daß es nämlich in der Metamorphose einer ihrer Dan- tität nach vergleichbaren

Und wie Hamlet, im Konflikt des Willens mit dem Gewissen, sehnsüchtig nach einer That, der brutalsten, lechzt, schien auch demManne, dem der alte, vermeintliche Dua-- lismus

Alle mir bekannten Techniker sagen- einstimmig : Auch die Schiffe von Parseval, Groß, Siemens haben, trotzdem ihre Konstruktion mit geräuschloser Emsigkeit verbessert- worden ist,