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Die Naturwissenschaften. Wochenschrift..., 17. Jg. 1929, 12. Juli, Heft 28.

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(1)

DIE NATURWISSENSCHAFTEN

17 . J ah rg an g 12. Juli 1929 H eft 28

Eduard Pflüger zur Jahrhundertfeier seines Geburtstages.

V on

Le o n As h e r,

Bern.

D i e

Physiologie ist wohl diejenige unter den exakten N aturwissenschaften, in welcher das höchst individuelle M oment der Persönlichkeit des F o r­

schers einen viel größeren richtunggebenden E in ­ fluß

b e s e s s e n

hat, als in den übrigen N aturw issen­

schaften. E s h at dies seine großen V orteile neben

e i n z e l n e n

N achteilen gehabt. B ei dieser histo­

rischen Sachlage der geistigen E ntw icklun gs­

geschichte der P hysiologie, geziem t es sich wohl, den hundertsten G eburtstag eines Forschers von so aus­

geprägter E igenart, von so nachhaltiger W irkun gs­

k raft auf einem w eit gesponnenen Gebiete seines Faches und von so schöpferischer Fülle in der T a t­

sachenerkenntnis, w ie es

Ed u a r d Pf l ü g e r

war, Gelegenheit eines R ückblickes sein zu lassen. Dieser R ü ckblick ist um so berechtigter, wenn er nicht bloß ein A k t pietätvollen historischen Interesses und einfühlender Vergegenw ärtigung eines zurück­

gelegten W eges verflossener Erfolge ist, sondern zugleich uns die V erknüpfung aktuellster Problem e m it der Forschung vergangener T age und som it neues Verständnis aus dem Zusam m enhang des Gegenwärtigen m it dem Vergangenen lehrt.

Gleich am A nfänge der Forsch ertätigkeit von P f l ü g e r steht sein berühm tes W erk „U n te r­

suchungen über die Physiologie des E lektrotonus“ , welches 1859 in B erlin im V erlage von H . H irsch­

wald erschien. H ätte P f l ü g e r nichts w eiter hin ter­

lassen als dieses eine W erk, so würde er sich ebenso hierdurch einen unvergänglichen P la tz in der G e­

schichte seiner W issenschaft erworben haben, wie etw a T h e o d o r S ch w a n n durch sein W erk „M ikro­

skopische U ntersuchungen über die Ü bereinstim ­ mung in der S tru ktu r und dem W achstum der Tiere und der P flanzen“ . In der Vorrede w ird der Inhalt dieses W erkes in zwei anspruchslosen Sätzen

a n

gekündigt, welche lauten: „H ierm it übergebe

ich meine Untersuchungen ,über den E influß des konstanten elektrischen Strom es auf die E rregbar­

keit des Nerven* in ausführlicher D arstellung der Ö ffentlichkeit. Dieselben behandeln zunächst und hauptsächlich diese Veränderungen, sowohl w äh­

rend der D auer des Stromes, als nachdem er unter­

brochen worden ist.“ D er junge Forscher ist sich aber über die w eit über das Spezialistische hinausgehende B edeutung seines Problem es durch­

aus klar gewesen, denn sonst h ätte er nicht im weiteren Teile der Vorrede so nachdrücklich G e­

w icht auf seine Bem ühungen, die sehr große waren, gelegt, eine exakte M ethodik zu schaffen, und er hätte auch nicht den Hinweis gebracht, daß in seinen U ntersuchungen eine A nschlußm öglichkeit an den damals noch jungen und größten Gedanken der exakten N aturw issenschaft, näm lich das

H E L M H O L T Z s c h e

Gesetz von der E rh altu ng der Energie, gegeben sei. D as W erk behandelt also, unter Anw endung einer m ustergültigen, für die damaligen Zeiten ungewöhnlichen Technik die E r­

regbarkeitsveränderungen, welche ein N erv er­

leidet, wenn er m it H ilfe eines konstanten Stromes durchström t wird, zeigt, daß die Erregbarkeits­

veränderungen an der K ath ode und an der Anode beim Schließen eines konstanten Stromes gegen­

sinniger N atur sind, daß diese Gegensinnigkeit nach Öffnen des konstanten Strom es in das Gegen­

teil um schlägt, und daß das Verhalten der E rreg­

barkeit oberhalb, zwischen und unterhalb der E le k ­ troden in gesetzm äßiger Beziehung zu dem Z u ­ stande an den Polen steht. A us dem polaren V er­

halten des E rregbarkeitszustandes im E le ktro ­ tonus — so w ird das ganze Erscheinungsgebiet be­

zeichnet — leitet er sein berühm tes Gesetz der Zuckung ab, dessen In h alt die A bhängigkeit des Verhaltens eines Muskels auf R eizung durch seine N erven von der Strom stärke und von der R ichtung des Strom es angibt. D ie von

Pf l ü g e r

gefundenen Erregbarkeitsverhältnisse im E lektrotonus und sein Zuckungsgesetz sind bis zum heutigen Tage vö llig unveränderter B esitz der physiologischen W issenschaft geblieben, und jeder A rzt und M edi­

zinstudent muß dasselbe genau kennen.

E s gab eine nicht sehr w eit zurückliegende Zeit, wo in ungerechter W eise die jahrzehntelange A rbeit hervorragender Forscher in Muskel- und N erven- physik, eine Arbeit, welche für die Ausbildung exakter naturwissenschaftlicher Methoden und für die Schaffung der wesentlichsten B egriffe der P h y ­ siologie grundlegend gewesen ist, gering ein­

geschätzt, ja sogar als steril b etrach tet wurde.

A ber

Pf l ü g e r s

A n teil an Muskel- und N erven- ph ysik wurde von diesem harten und durchaus unberechtigten U rteil stets ausgeschlossen, weil

d i e

hohe biologische B edeutung und der im guten Sinne des W ortes praktische W ert der

P F L Ü G E R s c h e n

E ntdeckungen so offenbar war, daß die U nentbehr­

lichkeit seiner Forschungsergebnisse nicht verkannt werden konnte. W er in der G egenw art über

d i e

intimeren Verhältnisse der Erregungsvorgänge A ufschluß sucht, muß an den In h alt der

P F L Ü G E R ­

schen Lehre vom E lektrotonus anknüpfen, und sie erweist ihre Jugendfrische auch durch den U m ­ stand, daß die modernste physikalisch-chem ische Betrachtungsw eise der Vorgänge im N erven letzten Endes aus dem von

Pf l ü g e r

klargelegten polaren V erhalten des N erven gegen den elektrischen Strom abgeleitet werden kann.

Den großen Entdeckern reiht sich

Pf l ü g e r

durch den von ihm zum ersten Mal geführten N ach­

Nw. 1929

42

(2)

556

As h e r: Ed u a r d Pf l ü g e r

zur Jahrhundertfeier seines Geburtstages. [

Die N atur­

wissenschaften

weis an, daß der N ervus splanchnicus hemmende Fasern für die Bew egungen der Eingew eide en t­

hält. E s w ar dies der zw eite F all eines H em m ungs­

nerven, nachdem

W e b e r

im N ervus vagus den hemmenden N erven für das H erz en tdeckt hatte.

A u ch in einem anderen Teile der N ervenphysio- logie h a t

Pf l ü g e r

einen nachhaltigen E in fluß aus­

geübt, näm lich in der Lehre von den R ückenm arks­

reflexen. In scharfsinnigster W eise h a t er das da­

mals vorliegende M aterial über R eflexe, m it ganz besonderer B erücksichtigung der E rfahrungen der menschlichen Pathologie, kritisch durchgearbeitet, und er gelangte zur A u fstellung seiner bekannten R eflexgesetze, die lange Z eit in Physiologie und K lin ik vorherrschend gewesen sind. E rst in neuerer Z eit ist durch die nam entlich von

Sh e r r i n g t o n

geschaffene M ethodologie der E rforschung der Rückenm arksfunktionen am Säugetier die

Pf l ü-

GERsche Form ulierung der R eflexgesetze zum großen Teile verlassen worden. A ber sehr vieles, was

Pf l ü g e r

statu iert hat, besteht heute noch zu R echt, und auch das interessante Problem , welches er unter der B ezeichnung „d ie Rückenm arksseele“

in höchst anregender W eise zur Diskussion gestellt hat, ist heute noch, wenn man ehrlich sein will, ein ungelöstes Problem , und so manches, was heute durch die H ypothesen von U nbewußtem oder U nterbew ußtem oder anderen bildhaften A u s­

drücken versu cht w ird zu erklären, ist dem Sinne nach n icht w esentlich von dem verschieden, was

Pf l ü g e r

m it seinem B egriff der R ückenm arks­

seele sagen w ollte.

G anz bahnbrechend h at P

f l ü g e r

in der Lehre von den Blutgasen im respiratorischen G as­

wechsel gew irkt. Neben C

a r l

L

u d w ig

ist er es vor allem gewesen, der eine exakte M ethodik der G asanalyse des B lutes geschaffen hat, und er war unerm üdlich in der fortwährenden Verbesserung der M ethodologie. Den entscheidenden F ortsch ritt auf diesem G ebiete bedeutete seine Erkenntnis, daß die Gasspannung und n icht die Menge der Gase im B lu t der wesentliche F ak to r für den A u s­

tausch der Gase zwischen L u ngenlu ft und B lu t- capillaren und zwischen B lutcapillaren und G e­

weben sei. Im Sinne dieser Idee schuf er sein in­

geniöses Aerotonom eter, und so sehr sich die äußeren Form en und Dimensionen unserer heu­

tigen A p parate geändert haben, P

f l ü g e r s

Prinzip, die Flüssigkeiten, deren Gasspannung gemessen werden soll, an einem Luftgem enge, dessen G as­

zusam m ensetzung und Gasspannung bekannt ist, vorbeiström en zu lassen, ist in allen erhalten ge­

blieben. W er die heutige L iteratu r durchsieht, überzeugt sich sofort, daß in den so beliebten P ro ­ blem en der N eutralitätsregulation, des Säuren- und Basengleichgew ichts, des M inutenvolum ens des Kreislaufs die Lehre von der Gasspannung, wie sie von P

f l ü g e r

geschaffen worden ist, ein unentbehr­

liches Glied ist. A u ch eine andere auf diesem G e­

biete eingeführte M ethodik m utet durchaus modern an, näm lich sein Lungenkatheter, bestehend aus zwei ineinander geschachtelten Röhren, die in einen

Bronchus der Lunge eingeführt werden konnten, um durch eine geeignete Absperrungs- und A n sau g­

einrichtung L ungenluft zu erhalten, um die Z u ­ sam m ensetzung und Spannung derselben zu er­

m itteln. W enn heu tzutage die

H A L D A N E s c h e

M e­

thode der Sam m lung der A lveo larlu ft die Methode der W ahl geworden ist, beruht dies nicht zum ge­

ringsten Teil darauf, daß sie weniger G eschicklich­

keit erfordert. D ie zahlreichen, w ertvollen E r ­ kenntnisse für die vorhin genannten Problem e, die aus der näheren E rm ittlu n g der Zusam m ensetzung der A lveo larlu ft gewonnen worden sind, sind Früchte auf einem W ege, den

Pf l ü g e r

überhaupt erst eröffnet hat. Die m inutiöse B earbeitung m ethodologischer Problem e h a t

Pf l ü g e r

niemals davon abgehalten, den großen Zusam m enhängen nachzugehen und zu Sätzen von allgem ein b io ­ logischer B edeutung zu gelangen. E ine Studie, die au f dem besprochenen G ebiete diese Seite des

P F L Ü G E R s c h e n

Geistes klar hervortreten läßt, ist jene große A rbeit, die in dem Satze gipfelt, daß n icht das Sauerstoff an gebot, sondern das Sauer­

stoffbedürfnis der Zelle m aßgebend für die Größe des respiratorischen Gaswechsels sei, und diesem Satze, der die Superiorität des Biologischen über dem Mechanischen festlegt, dürften wohl die Z e it­

genossen m eistens beipflichten. E s m ag wohl die Beschäftigung m it dem Gaswechsel gewesen sein, die

Pf l ü g e r

veranlaßte, sich m it dem Stoffwechsel zu beschäftigen. Seine Arbeiten au f diesem G e­

biete waren von einer unerhörten kritischen Schärfe und nahmen gegen andere allgem ein verehrte M eister der Stoffwechsellehre eine Form an, die besser unterblieben wäre. Sehen w ir von der nicht zu billigenden Form ab, so w aren diese Arbeiten M eisterstücke der kritischen V erw ertung nicht bloß eigener, sondern auch frem der Arbeiten. A ls B ei­

spiel sei genannt, wie

Pf l ü g e r

aus einer der be­

rühm testen A rbeiten von

Vo i t,

die als eine der wesentlichen Beweise der E ntstehun g von F e tt aus Eiw eiß galt, in klarster W eise den strengen B e ­ weis für das G egenteil errechnete, und diese wie einige andere A rbeiten von

Pf l ü g e r

zur vorlie­

genden Frage w irkten so nachhaltig, daß man recht allgem ein davon A bstand nahm, der M ög­

lichkeit der E ntstehun g von F e tt aus Eiw eiß irgendeine praktische B edeutung beizumessen.

B ei w eitem am m eisten interessierte sich aber

Pf l ü g e r

für den E iw eißstoffw echsel

i n

seiner B e ­ ziehung zur M uskeltätigkeit. In geradezu leiden­

schaftlicher W eise ve rtra t er im G egensatz zu der dam als herrschenden Lehre von

Vo i t

und der auch heute herrschenden Lehre die überragende B e ­ deutung des Eiw eißes als Quelle der sog. M uskel­

kraft. Man m ag über seine Stellungnahm e denken wie man will, auch diese Arbeiten haben der W issen­

schaft durch ihre M ethodik und ihre m annigfachen tatsächlichen Aufschlüsse genützt. W ie fruchtbar

Pf l ü g e r

als M ethodiker war, zeigt sich darin, daß er, der Physiolog, die Fehlerquellen der H arnsto ff­

m ethode des berühm ten Chem ikers

Li e b i g

er­

kannte und sie so verbesserte, daß sie erst richtig

(3)

Heft 28. 1

12. 7. 1929J Gr i m m:

Zur Systematik der chemischen Verbindungen.

557

brauchbar wurde. Im D ienste dieser Fragestellung verbesserte er ferner die M ethodik zur Bestim m ung des wahren Fettgeh altes der M uskulatur, wozu er die vorsichtige A ufschließung durch Pepsinverdau­

ung einführte; das V erhältnis N zu C wurde einer äußerst eingehenden experim entellen Ü berprüfung unterzogen. E s ist klar, daß bei einem so gewissen­

haften D urcharbeiter der M ethodik nicht bloße Starrköpfigkeit die Sonderstellung in der A u f­

fassung der B edeutung des Eiw eißes für die M uskel­

tätigk eit diktierte. Tatsächlich m ußten auch die Gegner ihre bisherige Stellungnahm e revidieren, und der o b jektive B eurteiler kom m t zu dem Schlüsse, daß wohl die schönste R echtfertigung

von

Pf l ü g e r s

Stellungnahm e darin zutage tritt,

daß sein hervorragendster Schüler

N . Zu n t z

in seinen groß angelegten, im PFLÜGERschen Geiste durchgeführten Arbeiten am Gesam torganism us der höheren Säugetiere und des Menschen zu dem Schluß gekommen ist, daß unter B erücksichtigung obwaltender Bedingungen den drei N ahrungs­

stoffen K ohlehydrate, F e tt und E iw eiß ein A n teil an den Geschehnissen bei der M uskeltätigkeit unter physiologischen Bedingungen zukom m t.

\ ielleicht wird es auch in unseren Tagen von V o r­

teil sein, im Sinne

Pf l ü g e r s

von der dogm atischen Festlegung auf nur eine einzige K örperklasse als Träger der M uskeltätigkeit sich freizuhalten. T a t­

sächlich erleben w ir gerade in unseren Tagen, wie die B edeutung stickstoffhaltiger Substanzen im Chemismus der M uskeltätigkeit wieder gew ürdigt wird, und dies gerade von Forschern, die durch eigene höchst bedeutsam e A rbeiten den K o h le­

hydraten eine V orrangstellung erworben haben.

A uch dem K ohlehydratstoffw ech sel widm ete

Pf l ü g e r

außerordentlich viel A rbeit. W ohl die

schönste F ru ch t ist hier seine M ethode der q uan ti­

tativen Glykogenbestim m ung in Organen gewesen, eine Methode, die uns allen bei der gegenwärtigen regen A rb eit an den Problem en des K o h leh yd rat­

stoffwechsels geläufig ist, weil sie, wenn es sich um exakte Lösungen handelt, die wegen ihrer un­

übertroffenen G enauigkeit bevorzugte ist.

Pf l ü­

g e r s

D arstellung des G lykogens in

Ri c h e t s

D ictionnaire de Physiologie w ird ein bleibendes

D okum ent seiner vielseitigen Leistungen auf dem Gebiete des K ohlehydratstoffw echsels bleiben.

Selbst dort, wo

Pf l ü g e r

mehr gelegentlich ein Sonderproblem aufgriff, fand er Lösungen von bleibendem W ert, m anchm al darin seiner Z eit vo r­

auseilend. So untersuchte er histologisch die Speicheldrüse und erkannte zu einer Zeit, wo die H ilfsm ittel noch recht m angelhaft waren, den E in ­ tr itt der sekretorischen N erven in die Speichel­

drüsenzellen. B ei U ntersuchung der Galle deckte er eine neue Funktion derselben auf, indem er nachwies, daß die Gallensäuren dazu bestim m t seien, so erhebliche Mengen von Fettsäuren zu lösen, daß das bis dahin unverständlich gebliebene Verm ögen des Organism us sehr große Mengen von F e tt zu resorbieren, vollständig und zwar quanti­

ta tiv aufgeklärt wurde. A u f dem Gebiete der inneren Sekretion h a t er in einer recht w eit zurück­

gelegenen Zeit B eiträge zu den Sexualfunktionen geliefert, die einen durchaus modernen Charakter an sich tragen.

E s kann hier nicht der O rt sein, in diesem G e­

denkaufsatz einen nur annähernd vollständigen B erich t von

Pf l ü g e r s

Leistungen zu geben. Eines A ufsatzes muß jedoch gedacht werden, weil er heute, wo erkenntnistheoretische Fragen der B io ­ logie sich hohen Interesses erfreuen, nach wie vor aktuell ist, und das ist sein A u fsatz zur teleo­

logischen M echanik der belebten N atur. D ie G e­

danken, die

Pf l ü g e r

dort entw ickelte, gehören zu den anregendsten Ideen, die zur Grundlegung der theoretischen Biologie geäußert worden sind.

D ie G esam tpersönlichkeit

Ed u a r d Pf l ü g e r s

stellt sich in ihren Leistungen als ein anspornendes Beispiel für die sieghafte K ra ft dar, die dem leiden­

schaftlichen Bestreben innewohnt, Problem e von allgem einer B edeutung zu lösen, wobei selbst die größten Schwierigkeiten spezialistischer A rt über­

wunden werden. W enn

Ed u a r d Pf l ü g e r

sein heute noch blühendes A rch iv m it der Bestim m ung gründete, jegliche R ichtung der Physiologie au f­

zunehmen, sei sie experim entell, physikalisch, che­

misch, histologisch, m athem atisch oder philo­

sophisch, so w ar er selbst ein V orbild dafür, daß nicht etw as absolut Unmögliches gefordert wurde.

Z ur System atik der chem ischen Verbindungen vom Standpunkt der A tom forschung, zugleich über einige Aufgaben der Experim entalchem ie.

V on H. G. G

rim m

, Ludw igshafen a. R h.

(Aus dem Forschungslaboratorium Oppau der J. G. Farbenindustrie A. G.) III. O rganische V erbindungen.

A. Systematik.

B ei der S ystem atik organischer Verbindungen beschränken w ir uns ebenfalls auf einfache V er­

bindungen, und zw ar auf Stoffe vom T yp u s A B und A B C . Hierin bedeutet jeder der großen B u ch ­ staben entweder eines der Atom e, die im periodi­

schen System 1 — 4 Stellen vo r einem Edelgas stehen oder ein aus diesen Atom en nach dem H ydrid-

ß.)

verschiebungssatz1 ableitbares R ad ikal oder „P se u ­ doatom “ .

1

. Der Hydridverschiebungssatz als Grundlage der Systematik.

D er soeben erwähnte, in Fig. 4 veranschaulichte Satz 6 lau tet: ,,D ie bis zu vier Stellen vo r einem

1 H. G. G

rimm

, Z. Elektrochem. 31, 474 (1925).

Dortselbst weitere Literatur.

4 2 *

(4)

558 Gr i m m:

Zur Systematik der chemischen Verbindungen. [

Die N atur­

wissenschaften

Edelgas stehenden A tom e verändern ihre E ig en ­ schaften durch Aufnahm e von a H -A tom en (a = i, 2, 3, 4) derartig, daß die entstehenden K om plexe sich wie Pseudoatom e verhalten, die den Atom en der im periodischen System um a Gruppen rechts von ihnen stehenden E lem ente ähnlich sind.“

D er S atz besagt also z. B ., daß m an aus N durch A nlagerung von 4 H -A tom en ein alk a li­

ähnliches Gebilde, aus C durch A n lagerung von 3 H -A tom en ein halogenähnliches Gebilde usw.

bekom m t, m it anderen W orten, daß die in den verschiedenen Spalten der Fig. 4 untereinander­

stehenden A tom e und Pseudoatom e „äh n lich es“

V erh alten zeigen.

D er B ew eis für den aufgestellten S atz darf heute als erbracht gelten. E r gründet sich im wesent­

lichen darauf, daß der aus M odellvorstellungen zu entnehm ende und durch die P feile angedeutete G ang der Größen der A tom e bzw. Pseudoatom e im E in klan g ist m it dem G ang solcher p h ysik ali­

scher Eigenschaften, die im wesentlichen nur von

Gruppe IV V VI W 0 I

t'

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Q f f i > ® »0' ® ®

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@ 0 ) (g) @)?

(CH^) @) @) au) Ä )

V- 3 2 1 0 - 1 Wertigkeit gegen Wasserstoff V

<■— Radius

Fig. 4. Der Hydridverschiebungssatz.

der Größe der E lektronenhüllen der A tom e bzw.

Pseudoatom e abhängen. Solche G rößen sind:

D ie M olekularrefraktion, die

S u G D E N S c h e 1

P ara ­ chorfunktion, die

v a n d e r W A A L S s c h e n

b-W erte, die Ionisierungsspannungen, ferner die M olekül­

durchm esser a, die sich aus der Z äh igkeit der Gase errechnen. Neuerdings haben außerdem ausgedehnte U ntersuchungen von

Ra m s a u e r

und nam entlich von

Br ü c h e2

gezeigt, daß die K urven , welche den Zusam m enhang zwischen dem W ir­

kungsquerschnitt der A tom e bzw. M oleküle m it der G eschw indigkeit der durch die betreffenden Sub­

stanzen hindurchgeschickten Elektronen w ieder­

geben, durchaus m it den Voraussagen des V er­

schiebungssatzes im E in klan g sind, sofern man nicht zu zu kleinen E lektronengeschw indigkeiten über­

geht, bei denen sich die D ipolm om ente der M ole­

küle bem erkbar machen. V on den genannten E igenschaften sind streng zu unterscheiden solche, bei denen sich die vielfach in den Pseudoatom en auf tretenden Dipolm om ente bem erkbar machen.

Solche E igenschaften sind z.

B .

der Siedepunkt, die Verdam pfungsw ärm e, die D ielektrizitätsko n ­ stante, zum Teil das M olvolum en und die innere R eibun g (vgl. A b sch n itt II I B ) .

1 S.

Su g d e n,

J. ehem. Soc. 125, 1177 (1924).

2 E.

Br ü c h e,

Ann. Physik [4] 81, 537 (1926); 82, 25, 912 (1927); 83, 1065 (1927); [5] 1,

93

(1929)-

D er V erschiebungssatz steh t in gutem E in klan g m it der schon früher von C. A .

Kn o r r1

und anderen ausgesprochenen V orstellung, daß m an sich bei den N ichtm etallhydriden zu denken habe, daß die K ern e der gebundenen H -A tom e in das Innere der E lektronenhülle einbezogen werden, und daß nach außen im w esentlichen nur die letztere w irkt, daß also z.

B .

im N H 4+-Ion die vie r H -K erne keine andere F unktion ausüben, als die, die K e rn ­ ladung des N um vier E inheiten zu erhöhen, während nach außen nur eine E lektron en ach ter­

schale w irk t genau wie beim N a +- oder K + -Ion . M it anderen W orten ist das (NH4) + -Ion als eine A r t N a +-Isotop aufzufassen, bei dem die K e rn ­ ladung 11 n icht im A tom kern konzentriert ist, sondern in 7 + 4 E inheiten zerlegt ist, die sich in unbekannter W eise auf das Pseudoatom (K ern

-f- Hülle) verteilen.

Jedes der A tom e und Pseudoatom e der Fig. 4 ist ohne w eiteres durch drei Größen zu ch arakteri­

sieren, näm lich die K ern ladung des N ich tm etall­

atom s K , die Zahl der H -A tom e H, die V alenzzahl gegen W asserstoff V , die identisch ist m it der Zahl der zur nächsten E delgaskonfiguration fehlenden E lektronen2. F ü r diese Größen gilt:

K + H + V = Z*

(1)

wobei Z die K ern ladung des nächsten Edelgases ist.

D ie Zahl der überhaupt m öglichen A tom e ist durch die Zahlenw erte bestim m t, welche K , H, V und Z annehmen können, näm lich:

Z = 2, 8, 18, 36, 54, 86 K = (Z - 1, 2, 3,

4

) H = 1, 2, 3, 4

V = 1, 2, 3, 4

2

. Systematik der Verbindungen „ A B “ . W ir kom m en nun zur system atischen A bleitu n g und Ordnung einfach gebauter „organischer“ V er­

bindungen, die sich aus dem Verschiebungssatz zw angsläufig ergibt. D azu denken w ir uns zunächst die in Fig. 4 in der vierten bis siebenten Gruppe stehenden 4 A tom e C, N, O, F und 6 Pseudoatom e CH, N H , OH, C H 2, N H a, C H 3 untereinander zu V erbindungen A B kom biniert, wobei vorgeschrie­

ben wird, daß die gebundenen A tom e (im folgenden wrird der A usdruck A tom e auch für Pseudoatom e gebraucht) m öglichst viele ihrer chemischen V alen ­ zen absättigen.

D abei ist zu beachten, daß A B = B A ; für die A bleitun g w eiterer Kom binationen wird v o r­

geschrieben, daß freibleibende Valenzen stets an B liegen sollen, d. h. V B ^ V A .

1 C. A.

Kn o r r,

Z. anorg. u. allg. Chem. 129, 109 (1923). Vgl. auch E.

Mü l l e r,

Z. Elektrochem. 30, 493 (1924); 31, 46, 143 (1925).

2 Bei der Anwendung auf positive Atome, z. B.

Na + , NH4 + , OH3+ muß V mit negativem Vorzeichen eingesetzt werden, da bei positiven Ionen ein Elektro­

nenüberschuß gegenüber dem Edelgas besteht.

* Die Gleichung (1) gilt auch für die Elemente der

1. Periode, H und He.

(5)

Heft 28. 1

i z . 7. 1929J Gr i m m:

Zur Systematik der chemischen Verbindungen.

5 5 9

V -0 2 b - 2 Z K +Z H =18

Hb

H

a

Aus (1) folgt für Verbindungen A B :

+ H

a

V A -|- K

b

4* Hg V

b

= ZA -f- Z B (2) Die W ertigke it V AB der V erbindung A B hängt m it den W ertigkeiten V A und V B durch die G lei­

chung

+ V B = V AB + 2 b (3) zusammen, worin b die Zahl der Bindungen be­

deutet1. D am it folgt:

K

a

-f- H

a

-f- K

b

-(- H

b

- f V AB - f 2 b = ZA + ZB (4) D a V B ^ V A sein soll, bestim m t V A die Zahl der möglichen Bindungen; es gilt also ferner;

b = = V A ’ VB-

daher auch nach (3) V AB = V A — V B, was man ohne w eiteres einsieht.

Es handelt sich nun w ieder um die system atische Anordnung der V e r­

bindungen A B in einer mehrdim en­

sionalen Tabelle. B esch rän kt m an sich auf Elem ente einer Periode, läß t man also ZA und ZB konstant, so h at man für jedes A tom noch 2 V ariable, z. B.

V und H ; K ist dann durch (1) be­

stim m t. W ir erhalten daher eine vie r­

dimensionale Tabelle der A B -V e rb in ­ dungen, die in Fig. 5 als zw eidim en­

sionale Anordnung von zweidim ensio­

nalen ,,E lem entartabellen “ d argestellt ist. W ie die N ebenfigur 5 a erkennen läßt, sind als K oordinaten für die Elem entartabellen H A und H B ge­

wählt, als K oordinaten für die über­

geordnete A nordnung V A und V B.

D adurch w ird erreicht, daß jede der ..E lem entartabellen“ solche Mole­

küle bzw. R adikale enthält, bei denen die Sum m e der K ernladungszahlen J^K + gleich ist und bei denen zugleich die Zahl der freien V alen ­ zen, V AB identisch ist. A u f die V er­

w andtschaft solcher ,,isosterer“ M ole­

küle haben bekanntlich zuerst

La n g-

m u i r

und

Hü c k e l

hingewiesen2.

Die Z ahl der m öglichen A B -Verbindungen ist natürlich bestim m t durch (2) und die Zahlenwerte, welche die einzelnen Größen annehmen können, n äm lich :

Z A, Z B = 2, 8, 18, 36, 54, 86

K A, K

b

= (ZA — i, 2, 3, 4), (ZB — 1, 2, 3, 4) H A, H b, V a, V

b

= 1, 2, 3.

D ie N ebenfigur 5 b zeig t übersichtlich, in w el­

cher W eise die Zahl der m öglichen Verbindungen 1 Der Faktor

2

in

2

b rührt daher, daß beim Ent­

stehen jeder Bindung

2

freie Valenzeinheiten ver­

schwinden.

2 Vgl. J.

La n g m u i r.

J. amer. ehem. Soc. 41, 868, 1543,

( 1 9 1 9 ) ;

W.

Hü c k e l,

Z. Elektrochem.

2 7 ,

308

( 1 9 2 1 ) .

von den V alenzverhältnissen von A und B ab­

hängt. Man sieht z. B., daß es 3-2 = 6 K om bina­

tionen gibt, bei denen ein zw eiw ertiges m it einem dreiw ertigen A tom verbunden ist, und zw ar die K om bination von N = und CH = m it = O, = N H und = C H 2. In dem Sonderfall, daß V A = V B, som it V AB = o fallen eine A nzahl vo n K o m ­ binationen fort, da dieselben Gruppen als A - und B -A tom e auf treten können. D ie Zahl der neu­

tralen M oleküle, die sich aus den 1-, 2-, 3- und 4-wertigen Atom en bilden läßt, ist jew eils aus der Form el für die K om bination von n Gliedern^ zur k-ten K lasse

©©

'(§XD @§)

@D @®) @8> -

@0

F .O - F. N H - F .C H j- F .N - F .C H - F.C = ' H 0 .0 - h o.n h- h o.c h2- ' H0.N = H O .C H * ' H 0 . C s '

1

h2n.o- h2n.n h- h2n.c h2- h2n.n= h2n.c h- H2N.C = , H3C.0- HjC.NH- H3C.CH2 - h3c.n- h3c.c h= h3 C.C-=

' V - 1 ' V -2 V - 3

2 b - 2 2 b = 2 2 b - 2

ZK+ZH = 17 ZK + ZH-1 8 ZK+ZH =15

m 0: N - 0-C H - o - c =

- ( j f i r j ) ) ( ö ) MN:N - H N :CH J ' HN--G-

?, ( f g ö ) @ 5 ) HZC =N - HZC=CH - HS C -C =

v-o

2b ZK+ZH - 1B

2

b-v-

ZK+-ZH = 15

Fig-

5

a.

M l

V

2b Z K +Z H -W

Vä-

n:c- (hHn) (h c c m) H C iC -

v - o 2b - 6 ZK+ZH -1 2

V

=1 2 b = 6 ZK+ZH=13

Fig. 5b. Zahl der möglichen Kombi­

nation AB.

C iC

Fig. 5. Verbindungen ,,A B ‘‘.

v K + V H + V + 2b = V Z = 20 (n + k — 1 )

v

-0 2 b - S ZK+ ZH -ip.

k ! (n - 1) !

zu berechnen; dabei ist k = 2, n = der Zahl der A tom e der betreffenden W ertigkeit. A us der F igur entnim m t man im einzelnen, daß es 55 K om bina­

tionen A B gibt, vo n denen

20 abg esättig t oder null wertig, 20 einw ertig,

11 zw eiw ertig, 4 dreiw ertig sind.

D er W ert dieser A rt der S ystem atik liegt nun

zunächst darin, daß man in der L age ist, in jeder

A chsenrichtung der Fig. 5 bestim m te Aussagen

(6)

560

Gr i m m:

Zur Systematik der chemischen Verbindungen. [

Die Natur­

wissenschaften

über den G ang der M olekülgrößen und derjenigen physikalischen E igenschaften zu machen, die m it der A tom - bzw. M olekülgröße in eindeutigem Z u­

sam m enhang stehen. D ieser G ang ist in Fig. 5 durch Pfeile angedeutet, deren R ich tu n g ohne w eiteres aus dem H ydridversch iebungssatz Fig. 4 zu entnehm en ist und Zunahm e der M olekülgröße andeutet.

W ir prüfen diese Aussagen an H and von Fig. 6, in der untereinander die M olrefraktionen und die SuGDENschen P arachorw erte für die neutralen M oleküle A B , sowie die Spaltungsarbeiten1 in

nach unten mit der Zahl der H-Atome von A wächst, z. B . in der R eihe

F F , H O F , H aN F , H SC F oder in der R eihe

OO, H N O , H 2CO

daß die M olekülgröße aber auch m it der Zahl der H -A tom e von B wächst, z. B . in der R eihe

H 3CF, H3COH, H 3C N H 2, h 3c c h 3.

V a riie rt m an die W ertig k e it eines Partners, z. B . in der R eih e:

N : N

4,42 60,4

220

H C : N H C : CH

6,48

8,47

(

81

)

88,6

188 160,s

F • F (HN : O) (HN: NH)

2,91 — —

(

5 1

) (

73

) (

82

)

80— 120 — —

(HO • F) HO • OH H 2C : O H 2C : NH H,C : CH,

- (

3

.

6

)

5,75

(6,8) — 9,80

(

63

)

69,6

(

82

) (

92

)

99,5

65

-- — i n

(H2N • F) H2N • OH

h

2

n

.

n h

2

(

5

,

6

)

7,25

8,87

(

73

) (

84

) (

93

)

58 45

H3C • F

h

3

c

.

o h

H3C •

n h

2 H3C •

c h

3

(

6

,

7

) 8,23 (10,2) 11,24

' (

82

) (

93

) (

102

) (

110

,

5

)

125— 145

83,5 58 7

i

CI • F (

7

,o)

(

80

)

CI . OH 8,6 (

91

)

60

CI •

n h

2 (10,6)

(

101

)

CI • CH, ( n ,

7

)

(

110

) 72

CI . CI n

,57 111,5 57

Figur 6.

Molrefraktionen (gewöhnl. Druck), Parachore (Kursivdruck) und Spal­

tungsarbeiten in Atome

(Fettdruck)

der Verbindungen AB.

A tom e bzw. Pseudoatom e aufgeführt sind. D ie eingeklam m erten W erte sind nicht d irekt ge­

messen, sondern aus Atom refraktionen bzw . A to m ­ parachoren berechnet. D ab ei w urde die R eihe F , O H , N H 2, C H 3 noch durch H inzunahm e von CI erw eitert, das sich an C H 3 anschließt.

A u f G rund dieses, allerdings in vieler H insicht noch spärlichen M aterials läß t sich aiso aussagen, daß die Molekülgröße in allen Reihen von oben

F • F , F • O F • N = , F • C =

1 V g l .

etwa H.

G . Gr i m m

und H.

Wo l f f,

Handbuch der Physik 24,

B e r l i n

1927,

S .

536. Die dort ange­

gebenen Werte für die Spaltungsarbeiten von Stick­

stoffverbindungen sind zu korrigieren, da neuerdings

Bi r g e

(Nature 122, 842, 1928) für die Dissoziations­

wärme des Stickstoffs 220 k cal statt des früheren Wertes 263 kcal

( Bi r g e

und

Sp o n e r,

Phys. Rev. 28, 259, 1926) angibt.

so läß t sich nach Modell Vorstellungen verm uten, daß auch in dieser R ich tu n g die M olekülgröße w ächst.

H ervorzuheben ist noch, daß die M olekülgröße auch m it gleichzeitig steigender V alen z vo n A und B zuzunehm en scheint, obw ohl in gleicher R ich ­ tu n g die Z ahl der B indungen zwischen den v e r ­ bundenen Atom en w ächst. So steigen in T ab. 2 die Zahlen in den R eihen

F • F < O : O < N : N H O • OH < H N : N H < H C ! CH H 2N • N H 2 < H 2C : C H 2 .

In den Reihen steigender M olekülgröße müssen auch die W erte vo n b und o wachsen.

A u f Grund des vorhandenen M aterials und

(7)

Heft 28. ] 1 2. 7 - 19 29 J

Gr i m m: Z u r S y s te m a tik d er ch em isch en V e rb in d u n g e n .

unter B enu tzung der

K N O R R S c h e n

V orstellung, daß die H -K erne in die E lektronenhülle einbezogen sind, wurden schon früher1 M olekülbilder entworfen, die in m ehrfacher H insicht von den üblichen T etraeder­

modellen abweichen und vo r diesen den V orzug haben, daß sie die vorhandenen Beziehungen zw i­

schen den 'physikalischen E igenschaften und der chemischen K on stitution klar erkennen lassen.

Für die abgesättigten AB-M oleküle sind y diese Modelle in Fig. 5 aufgenommen. ^

Von besonderem Interesse w äre es, wenn man die Aussagen der S ystem atik benutzen könnte, um bestim m te Vorhersagen über den Gang der A tom spaltungsarbeiten machen zu können. D ie vorhandenen, allerdings m it manchen U nsicherheiten behafteten Zahlen (Fig. 6) deuten jedoch bis je tz t darauf, daß die Spaltungsarbeiten der v e r­

bundenen A tom e und Pseudoatom e nicht allgem ein m it wachsender M olekülgröße sinken, w ie man erw arten könnte.

3

. Systematik der Verbindungen „ A B C “ . W enn m an nun zu den „dreiatom igen “ M olekülen vom T yp u s A B C übergeht, so kommen, wenn w ir uns für A , B und C w ie­

derum auf die Elem ente je einer Periode be­

schränken, zu den bisherigen 4 V ariabein noch 2 w eitere hinzu, näm lich die Zahl der H -A tom e und die W ertigke it des Atom s ,,C “ . D ie A B C -V erbindungen lassen sich aus den 35 A B -Verbindungen, bei denen m in­

destens eine V alen z von B un gesättigt ist, ableiten durch K om bination m it den 10 A to ­ men des H ydridverschiebungssatzes. W ir wählen als K oordinaten für die „E le m e n ta r­

w ürfel“ der sechsdim ensionalen Tabelle der ABC-Verbindungen die Zahl der H -A tom e von A, B und C; es erscheinen dann in einem Elem entarw ürfel nurK om binationen gleicher W ertigkeit. D iese E lem entarw ürfel ordnen w ir w iederum dreidim ensional an, indem w ir als K oordinaten die W ertigkeiten von A , B und C w ählen. So ergibt sich eine sechsdimensionale Tabelle, von der ein T eil in Fig. 7a enthalten ist. Diese enthält in einer fünfdim ensionalen Anordnung die K om binationen, die aus den Gruppen A B — , A B = , A B = durch die V ereini­

gung m it F, OH, N H 2, C H 3 hervorgehen, Fig. 7 b2 en th ält die entsprechenden K o m ­ binationen m it O = , N H 2 = , C H 2 = , Fig. 7 c die entsprechenden Kom binationen m it N = , CH = und Fig. 7 d m it C j= .

Für die M oleküle A B C gilt nach (1)

K a + H A + V A + K b + H b + V B + K c + H c + V c =

______ = zA + zB + zc (5)

1 H.

G . Gr i m m,

Z. Elektrochem. 31, 474 (1925);

Handbuch der Physik 24, 525, Berlin 1927.

2 Aus Gründen der Platzersparnis sind Fig. 7b bis d, die räumlich hinter a zu denken sind, hier weggelassen.

In ähnlicher W eise w ie bei (3) gilt:

V A + V B -f- V c = V ABC + 2 b (6) S etzt man in (5) ein, so ergibt sich:

K

a

+ H

a

+ K

b

-f- H

b

+ K c + H c -f- V ABC -f- 2 b =

= ZA + Z B + Z c (7) oder allgem ein für beliebige M oleküle:

2

K + I H + V + 2 b = l Z (8) D a bei M olekülen A B C freie Valenzen sowohl an B als an C au ftreten können, so h at man hier offenbar, wenn m an noch die nullw ertigen A B C - Verbindungen berücksichtigt, drei F älle zu unter­

scheiden, näm lich:

1. V c > V AB. D ie freibleibenden Valenzen liegen an C; es ist:

vABC = V c - V AB = vc - vB + vA (9)

K -

0'-N.CH s O -C n.C H j / 0= tC H s .H N W C t lj H N 'C H .C H j,

/

H N -C .C H ,' H ^ N .C H , H2C.CH.CH3

/

HjC C X Hj

O'-N.OH D'-CH.OH

* !o-c.on

HN:N.0H HN-CH.OH

/ /

HN-C.OH

HzC=N.0H H2C:CH.0H

/ /

H2C : C. 0 H

/

0-C.F

/

t1N-6.f H .C C .f

1/-0

2b- 6

IK+IH-

2

^

Fig. 7. Verbindungen „A B C “ .

2

K +

2

H + V + 2b =

2

Z = 30

Fig. 7a. V c = 1

V

=0

26-8

'ZK+ZH

-22

(8)

56 2 Gr i m m:

Zur Systematik der chemischen Verbindungen.

r Die N atur­

wissenschaften

Aus (6) und (9) fo lgt: b = V B

2. V c < V AB. D ie freibleibenden V alenzen liegen an B ; es ist:

V ABC = V ÄB - V c = V B - V A - V c (10) A us (6) und (10) fo lg t: b = V A + V c

3- V c = V AB. N eutrale M oleküle; es gilt:

b = V B = V A + vc.

Im ganzen ergeben sich für den Fall, daß die Periodenziffer bzw. Z für die Elem ente A , B und C n icht v a riie rt w ir d :

68 nullw ertige Verbindungen,

32 einw ertige Gruppen m it der freien V alenz an B, A B C ,

I

86 einw ertige Gruppen m it der freien V alenz an C, A B C —, y

10 zw eiw ertige Gruppen A B C , 51 zw eiw ertige G ruppen A B C = , 20 dreiw ertige Gruppen A B C = .

E s ist bem erkenswert, daß unter den 68 m ög­

lichen neutralen A B C -V erbindungen nur etw a die H älfte b ekan nt ist, unter diesen befindet sich das K eten C H 2 : CO, dessen E n td e ck u n g1 seinerzeit erhebliches Aufsehen erregte. E s scheint durch­

aus m öglich, daß es später gelingen wird, einige der zahlreichen unbekannten V erbindungen vom T y p u s A B C darzustellen.

In der F igu r deuten die P feile w iederum an, in w elcher R ich tu n g die M olekülgröße wachsen muß. D ie experim entelle P rü fu n g der dam it ge­

m achten B ehauptungen ist einstw eilen unmöglich, da ein großer T eil der Verbindungen bisher nicht dargestellt wurde, und da bei den bekannten S to f­

fen fast kein M aterial über gemessene M olekular­

refraktionen und Parachorw erte vorliegt.

D er w esentliche F ortsch ritt, der m it der vo r­

getragenen S ystem atik erreicht wird, liegt nun in der neugewonnenen Einsicht, daß alle nichtpolar gebundenen V erbindungen vo m gleichen chem i­

schen B au typ u s, z. B. A B oder A B C oder A B C D usw. ein in sich geschlossenes, vollkommen über­

sichtliches System von M olekülen bilden, bei denen der B au und damit die Größe schrittweise und syste­

matisch variiert wird. D ie 'physikalischen E igen ­ schaften dieser Verbindungen ändern sich eben­

falls regelm äßig; sow eit sie im w esentlichen vom G ang der M olekülgrößen, n icht aber von der M ole­

külsym m etrie abhängen. D ie chemischen E igen ­ schaften dagegen kom m en zunächst gar nicht zur G eltung. D as sieht m an am besten an den fo l­

genden R eih en:

R F < R O H < R N H 2 < R C H S H alogenalkyl <C prim. A lkohol <c prim. Am in

< K ohlenw asserstoff R O R ' < R N H R ' < R C H 2R '

Ä th er < sek. Am in < K ohlenw asserstoff R R 'R " N < R R 'R /,CH

tert. Am in < K ohlenw asserstoff,

1 Wi l s m o r e

und

St e w a r t,

Nature 75, 510, 1907;

J. ehem. Soc. 91, 1938 (1907); H.

St a u d i n g e r

und H.

W . Kl e v e r,

Ber. dtsch. ehem. Ges. 41, 594 (1908).

in denen V ertre ter der verschiedensten homologen Reihen m it ganz verschiedenen chemischen E igen­

schaften in ph ysikalisch nahe verw andte R eihen geordnet sind, die durch den G ang der M olekül- großen bestim m t sind.

4

. Zusammenfassung.

D as vorhandene experim entelle M aterial er­

lau b t nun trotz seiner Spärlichkeit zusam m en­

fassend für alle nichtpolar gebauten M oleküle von gleichem B au typ u s, d. h. Moleküle, die in an a­

loger W eise aus der gleichen Zahl vo n Atom en oder Pseudoatom en aufgebaut sind, folgende Sätze auszusprechen :

1. D ie M olekülgröße w ächst in jeder R eihe von Verbindungen m it steigender Zahl der H -A tom e, wenn zugleich die Sum m e der K ernladungen

2!

K + 2 H und die Zahl der freien V alenzen an der M olekel konstant ist, z. B . in den R eihen:

F • F < F • O H < F • N H 2 < F • C H 3

oder I I I

H SC • CH • F < H 3C • CH • O H < H 3C • CH • N H 2<

I

< H 3C • CH • CH 3 2. D ie M olekülgröße w ächst in jeder R eihe vo n Verbindungen, in der die Zahl der freien V a ­ lenzen zunim m t, während gleichzeitig die Summe der K ernladungen abnim m t, so daß

2’ K + 2'H + V = konst wird, z. B .

F ’ F < F *0 — < F - N = < F • C =

I II

F - 0 - F < F - N - F < F - C - F

0 : CH • O H < O : CH • N H < O : CH • CH 3. D ie M olekülgröße w ächst w ahrscheinlich ferner in solchen Reihen von Verbindungen, bei denen V konstant ist und bei denen die Summe der Kernladungen schrittw eise abnim m t, w ährend gleichzeitig die Zahl der Bindungen zwischen den A tom en zunim m t, z. B.

F * F < 0 : 0 < N ; N < C : C

I I I

HO • O • O < H N : N • O < HC : C • O F - 0 - F < 0 : N - F < N : C - F F • O • F < O : C : O.

B. Symmetrieabhängige Eigenschaften.

U m festzustellen, ob sich auch über den G ang derjenigen physikalischen E igenschaften, bei denen das D ipolm om ent der B austeine der M oleküle eine R olle spielt, eine Aussage m it H ilfe des V erschie­

bungssatzes m achen läßt, verfolgen w ir den G ang der Siedepunkte, die als ungefähres M aß der zw i­

schenm olekularen K rä fte dienen können, für eine R eihe von Verbindungen. In Fig. 8 a 1, erkenn t man zunächst, daß die Siedepunkte m it der Zahl der

1 Die Daten zu Fig. 8a sind zum Teil einer Arbeit von F.

Pa n e t h

und E.

Ra b i n o w i t s c h,

Ber. dtsch.

ehem. Ges. 58, 1145 (1925) entnommen.

(9)

Heft 28. 1

12. 7. 1929J Gr i m m:

Zur Systematik der chemischen Verbindungen. 563

H -A tom e zunächst steigen und dann wieder fallen, und zw ar in allen Perioden derart, daß das M axi­

mum des Siedepunktes bei den Pseudoatom en m it zwei H -A tom en liegt. G eht man über zu V erbin ­ dungsreihen, bei denen die Pseudoatom e der 7., 6.

und 5. Gruppe des V erschiebungssatzes als V ariable auftreten, z. B . zu der Reihe CH 3F bis C H 3C H 3, dann erkennt man ebenfalls einen ch arakteristi­

schen V erlauf, der in allen zugänglichen Reihen ähnlich ist (Fig. 8 b, c, d). A u f Grund der m it

M.

Gü n t h e r1

gesam m elten D aten lassen sich

die in T ab. 2 zusam m engestellten Aussagen machen, in der die Zeichen > und < sich auf die Siedepunkte bzw. die Dipolm om ente beziehen.

Tabelle 2. Gang der Symmetrieeigenschaften.

Gruppe

O

Ne

<

FH

<

OH2 > N H , > CH4

7

F < OH NH 2 > CH3

6

O < NH > CH 2

5

N 00 CH

M it H ilfe dieser Tabelle kann man nun an H and der oben angedeuteten System atik in jeder der in Fig. 5 — 7 vorkom m enden Verbindungsreihen die Aussagen über den G ang der M olekülgrößen und der dam it zusam m enhängenden Eigenschaften, durch solche über den G ang der D ipolm om ente und der m it ihnen zusam m enhängenden E ig en ­ schaften ergänzen.

C. Experimentelle Aufgaben.

N ach dem V orgetragenen darf es wohl als eine w ichtige A ufgabe bezeichnet werden, zu versuchen, wenigstens für einige der zahlreichen noch unbe­

kannten V erbindungen vom T yp u s A B und A B C die E xistenzbedingungen zu erm itteln und ihre p räp arative D arstellun g auszuführen. W eiter ist es notwendig, bei den neutralen A B - und A B C - Verbindungen die bisher nur in einigen Fällen experim entell bestim m ten M olekularrefraktionen und Parachore zu bestim m en, ferner experim entell festzustellen, an w elcher Stelle in den Reihen

OH - O H O H • N H 2 O H • C H 3 und

F • N H 2 O H • N H 2 N H 2 • N H 2 C H 3 • N H 2 das größte D ipolm om ent bzw. die größte A s y m ­ m etrie des M oleküls vorliegt. W eiter w äre zu prüfen, ob nicht alle V erbindungen der Fig. 5, bei denen V =

0

und H E identisch sind, ähnliche W irku n gs­

querschnittskurven beim D urchgang langsam er Elektronen zeigen werden. Entsprechendes gilt auch für Fig. 7.

Interessant w äre auch die Prüfung der Frage, ob CH 4 und A r oder CH = CH, C H 2 = C H 2 und CH 3 — CH 3 n icht Ä hn lichkeit des B aues der Linienspektren aufweisen, die bei A blösung und

1 Bei einigen Reihen läßt sich auch feststellen, daß dem Maximum der Siedepunkte ein Minimum der

M o l

volumina infolge der Zunahme der zwischen mole­

kularen Kräfte entspricht.

W iedereinfangung eines E lektron s entstehen — das gleiche w äre übrigens auch für das zuerst von

La n g m u i r1

als „iso ste r“ erkannte Substanzpaar CO a und N

20 z u

prüfen.

Eine w ichtige w eitere A ufgabe, deren exp eri­

m entelle Prüfun g noch in den A nfängen steht, wäre, die A b h ängigkeit der R eaktionsgeschw indigkeit vom B au der Lösungsm ittelm oleküle bei hom o­

genen R eaktionen im Zusam m enhang m it dem V erschiebungssatz zu untersuchen (vgl. I I I D ) .

D. Experimentelle Ergebnisse.

Von den durch den V erschiebungssatz erm ög­

lichten Voraussagen wurden zunächst die über

M ischkrystallbildung gem achten Aussagen e x ­ perim entell geprüft.

So wurde m it M.

Gü n t h e r2

und H .

Ti t t u s3

die Frage, ob die in Fig. 4 untereinander stehenden Gruppen sich in organischer B indung isomorph vertreten, untersucht. E s w urde bei 44 Substanz­

paaren in 19 Fällen tatsäch lich M isch krystall­

bildung und dam it die gegenseitige isom orphe V ertre tb ark e it von OH, N H 2, C H 3, CI nachge­

wiesen, die bisher nur aus isolierten Einzelfällen, die von

Vi l l i g e r*

(OH und CI),

Gr o t h5

(CH3 und

1 I . La n g m u i r,

J.

a m e r . e h e m .

Soc. 41, 868, 1543 (1919). — Vgl.

a u c h W . Hü c k e l,

Z.

E l e k t r o e h e m .

27, 305 (1921).

2 M . Gü n t h e r,

Dissertation Würzburg 1927.

3 H.

Ti t t u s,

Dissertation Würzburg 1928.

4 V . V i l l i g e r ,

Ber. dtsch. ehem. Ges. 61, 2596 (1928).

5 P.

Gr o t h,

Einleitung in die chemische Krystallo-

graphie.

(10)

564

Gr i m m:

Zur Systematik der chemischen Verbindungen.

T Die N atur­

wissenschaften

CI, OH und F) u. a. em pirisch gefunden w aren, bekannt w ar.

M it H.

St a u f f e r1

w urde die isomorphe V er­

tre tb a rk e it des H S

0

4- und des Mn

0

4“ -Ions nach­

gewiesen. Diese ließ sich vorhersehen, da die iso­

m orphe V ertre tb ark e it von Mn

0

4_ und C

10

4“

b ekan nt w ar, und da das H S

0

4~-Ion im Sinne des V erschiebungssatzes ein Pseudo-C

10

4~-Ion d ar­

stellt.

M it M.

Ro s e n b l a t t2

wurde ferner gezeigt, daß das O H 3+- und das K + -Ion in M ischkrystal- len von B a S

0

4 m it K M n

0

4 bzw.

0

H 3Mn

0

4 eine ähnliche R olle spielen.

In T ab. 3 ist eine R eihe vo n M ischkrystall- bildungen, die als m öglich erscheinen, zusam m en­

gestellt und m it Angaben darüber versehen, w ie­

w eit eine experim entelle P rüfun g bereits erfolgt ist. Verschiedene der noch n icht geprüften F älle werden zur Z eit bearbeitet.

V on einigem Interesse ist in diesem Zusam m en­

hang noch das E rgebnis einer A rb eit m it H.

Ru f3,

in w elcher der E influß des B aues des Lösungs­

m ittels auf die R eaktionsgeschw indigkeit der schon vo n

Me n s c h u t k i n4

untersuchten R eaktion

N (C 2H 5)3 + C 2H 6J = N (C 2H 5)4J untersucht wurde. E s wurde die Geschw indigkeit in den folgenden Lösungsm itteln gemessen und gefunden, daß die R eaktionsgeschw indigkeiten in der angegebenen R eihenfolge steigen, während die A ktivierungsw ärm en praktisch konstant sind:

C6H 6 < C6H 5F < C6H 5C

1

< C 6H 6B r < C6H 5J <

< C6H 5CN < C6H 5N

0

2.

B ei den re la tiv sym m etrisch gebauten H alogen­

benzolen steigt also die R eaktionsgeschw indigkeit m it der M olekülgröße des Lösungsm ittels. In Lösungsm itteln m it den asym m etrischen Gruppen CN und N O a ergeben sich besonders hohe R e a k ­ tionsgeschw indigkeiten. M it H.

Wo l f f5

wurde

1 H . St a u f f e r,

Dissertation Würzburg

1 9 2 8 .

2 M.

Ro s e n b l a t t,

Dissertation Würzburg 1928.

3

H . G . G r im m

und

H . R u f ,

C. r.

1 9 2 9

(im Druck).

4 N.

Me n s c h u t k i n, Z .

physik. Chem. 6

, 4 1 (1 8 9 0 ).

5 Unveröffentlicht.

dieselbe R eaktion in der Lösungsm ittelreihe

0-0 0 -N H -0 0 -C H ‘ ~ 0

untersucht und ein starkes M axim um der R e ak ­ tionsgeschw indigkeit beim D iphenylam in festge­

stellt, w ährend in D iphenyläther und D iphenyl- m ethan die A ktivierungsw ärm en und die R e ak ­ tionsgeschw indigkeiten praktisch gleich gefunden wurden. A u ch hier zeigt sich also wieder der E in ­ fluß der M olekülsym m etrie (vgl. T ab. 2).

E rw ähnensw ert ist schließlich noch, daß durch die B eschäftigun g m it den Größen- und Sym m etrie­

verhältnissen der M oleküle ein Verfahren zur T ren ­ nung von solchen binären Flüssigkeitsgem ischen gefunden wurde, die durch D estillation nicht zu trennen sind, weil sie ein ausgezeichnetes Gem isch m it Siedepunktsm axim um oder -minimum bilden.

So wurde z. B . m it H.

Wo l f f1

gefunden, daß ein Gem isch von CC

1

4 und C 2H 5OH beim D u rch ­ tropfenlassen durch Kieselgel bzw. beim Ü ber­

destillieren über K ieselgel als F üllm aterial in einem A u fsatz ein großer T eil des CC

1

4 rein ab­

läuft, w ährend der A lkohol m it seiner unsym m etri­

schen O H -G ruppe im Gel zurückgehalten wird.

Zum Schluß m öchte der V erfasser der H o ff­

nung A u sdru ck geben, gezeigt zu haben, daß die B eschäftigun g m it der Atom chem ie, d. h. m it den Zusam m enhängen zwischen den A tom eigenschaf­

ten und den physikalischen und chem ischen E igen ­ schaften der Stoffe nicht nur zu einer neuen S yste­

m atik der chem ischen V erbindungen führt, son­

deren auch geeignet ist, neue Fragestellungen auf­

zuwerfen, bestim m te Voraussagen zu treffen, die sich experim entell prüfen lassen und zum Teil schon exp erim entell b estätig t wurden. D ie Zahl der A ufgaben au f diesem G ebiet ist allerdings so groß, daß m an wünschen m öchte, daß sich m ehr Forscher als bisher der E xp erim entalarbeit a u f diesem G ebiet zuwenden möchten.

H errn D r. H .

W o l f f

danke ich herzlich für seine w ertvolle H ilfe, insbesondere bei der A u fstellung der S ystem atik organischer Verbindungen.

Ludw igshafen, den 11. II. 1929.

1 H.

G . Gr i m m

und H.

Wo l f f, Z .

angew. Chem.

4 1 ,

98 (1928).

Tabelle 3. Vorhersagen über mögliche Fälle von Mischkrystallbildung.

möglich

OH3+ 4- K + H 2S 4- H X \ (X = CI, Br, J) ]

HCl

4

- HBr.

CH4

4

- Ar, K r OH-, NHj-, CH3> Cl-

NaCH3

4

- NaCl M.

Ro s e n b l a t t,

vgl.

M ischkrystallbildung geprüft

H3

0

Mn

0

4 4- BaS

0

4*

Kontinuierl. Reihe v. M. K.**

Molekülverbindung***

44 organische Systemef

K H S

0

4 4- KMn

0

4t | NaBr 4- NaSH

0

= , NH = , CH2 = N =, CH = K H S

0

4 4- K C

10

4 K H 2P

0

4

4

- K C

10

4 NaHCOg

4

- NaOCOCHg

N

0

3-

4

- HCOg- Fußnote 2 auf S. 564 linke Spalte.

* * Ba u m e

und

Ge o r g i t s e s,

Jorn. chem. phys.12, 250, 1914; C. r.

1 5 4 ,

651, 1912. L. S.

Ba g s t e r

Journ. chem. Soc. 99, 1218, 19x1.

*** A.

Kl e m e n c

und O.

Ko h l,

Z. anorg. Chem. 168, 153, 1927.

f H.

Ti t t u s,,

M.

Gü n t h e r,

vgl. Fußnote 2 und 3 auf

S .

563 rechte Spalte, f t H.

St a u f f e r,

vgl. Fußnote 1 auf S. 564 linke Spalte.

möglich geprüft

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