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Die Zukunft, 31. October, Bd. 45.

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Berlin, den th Oktober 1905.

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Geschäftsmannund Sturmgeselle.

Bsidor LechathateingroßesVermögengemacht; großnichtnurin den

)Augenderkleinen Leute.Grundstückspekulationen,Gründereien,Gold- shares:wassichgeradebot. Wähletischwarernie;aberschlaugenug,um

dieMausfallendesStrafgesetz-eszu meiden.Einmal bildetentäppischePro- kuratoren sichein, sie hättendieZibetkatzeimKäfig. DochdieFamilieder viverridae ist flink:HerrnLechatwarnichtszubeweisenund derGerichts- hof mußte ihn freisprechen.Von derAnklagebliebnichtsübrigalsStank.

Läßtsichertragen und,wenn-manwill,mit extraits d’odeurüberduften.

AuchliebenmancheMenschendenZibetgeruchNurnicht zimperlichsein.

DieHauptsacheist,daßman Geldhat;dannkommen dieEhrenvonselbst undman kannsichjeden Tageineneue aus-suchen Isidor ruht nicht, bisher denRuhm erreicht hat,inParisdergrößteGeschäftsmannzuheißen.Er

«

schätztsichauf fünfzigMillionen.Vielleicht istseinBischen weniger;wer Aufzwanzig Löchernzugleich kocht,kannnie genauwissen,wieesinjedem Topf aussieht. Immerhin genügts fürdenHausgebrauch.HerrLechatlauft einSchloßundeineZeitung. Im Schloßwerdendie Säle undZimmer nachdenKönigenvonFrankreichundNavarra genanntund imStildes majestätischenPathen eingerichtet.Jn derZeitungwirdderTreiberdienstfür dieGeschäftedesVerlegers besorgt.MitdemVerkehrhaperts freilichnoch.

Daistdie dummeKriminalgcschichte;diefrischeErinnerunganeinenSelbst- mord,den derMillionärhindernkonnte undnichtgehindert hat;undallerlei bösesGeraun. DenKleinwucherkönnte der MannjetztwirklichBedürftigeren überlassen;seineMittelerlauben ihm,denScheinderWohlanständigkeit

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166 DieZukunft.

zuwahren. Jsidor lacht. Ja,wenn ersnichtweiterbringenwollte! Doch was sind fünfzigMillionen in derZeitderGroßbankenund Kontinental- trustsPWerheutemitreden will, mußdie Armerührenunddarf sichdas HirnnichtmitsentimentalemKrimskrams besrachten.DenNächstenlieben, mitPhilanthropie ausdieThränendrüsenwirken?Blödsinn.JederStand hat seineeigeneMoral. EinFeldherr,einFürst fragt nicht erst lange,wie

«

vieleLeutehinter ihmbeimSturmangrissfallen,undsreutsich,wenn erdie Saat desGegners zertrampeln,dieJungmannschastdesFeindesnieder- mähenkann. EinNary werimKapitalistenkrieganders handelt. Den Luxus,einguterKerl zuseinoderwenigstenszuscheinen,magJeder sichnach Geschäftsschlußgönnen. Isidor gönnt ihn sich.Wosein Profit nichtge- fährdetist, machterKeinemdasLebenschwer.Seine Kleine, irgendein Theatermädchen,dasermöblirthat,darbtsichernicht.SeineFrauwird höchstensfreundlichgescholten,weilsie,die derSpießbürgerengenichtent- wachsenwill, nicht beiPaquinarbeitenläßt undzehnmal überlegt,ehesiesich entschließt,zumMittagesseneinHuhnzuschlachten.SeineTochter darfden ganzenTagMusset,Lamartine undHugolesenundwirdwohlwollendbe- lächelt,wenn sievomRechtederEnterbten sprichtund die Ausbeuter ver- dammt. UndseinJungegarist PapasWonne. Einfamoser Bengel.Bei- nahe seudal.Dietheuersten Weiber,dasmodernsteAnte-mobil,denfeinsten Cercle.DaskostethübscheSummen.HerrXavierLcchatistbeim Baccarat undBridge so gutwie baresGeld.DochderAltehats jaundläßt sichnicht lumpen.DieBeziehungen,diesichimKlub,inMaximsBarundimSalon derHorizontalenknüpfen,sind nichtzuverachten;unddieFamilie Lechat mußnachgeradeaneineVerbesserungihresGesellschastrangesdenken.Daß siealsKastellaneinenentgleistenBicomte hat,den derSchloßherrduztund inschlechterStimmunganschnauzt, ist rechtnett,reichtabernicht;man müßte manchmalein paarnicht allzu fleckigeBicomtes oderMarquismit ihren EhehälstenanderTafel haben. Einstweilen schlepptPapa heran,was erirgendauszugreisenvermag.Staat istdamitnichtzumachen;aberman sitztnichtallein bei derSuppeundhat dasVergnügen,zusehen,mitwelcher

Gier diearmen Teufel ihr Futter schlingen.Isidor ist wirklicheinguterKerl.

Ganzungebildetundunkultivirt; eigentlichauchganzdumm;einPrahler, eitel,wienurjeeinParvenuimBuch stand,undvonunersättlicherLustan kindischemSpaß.WerihnzuHausoderbeiNachtmädchensieht, mußihn füreinengutmüthigenFlachkopfhalten«Schlauheit, Brutalität,Raubthier- instinkt zeigensichnur imGeschäft.DerTypus ist nicht selten.Nur ein

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GeschäftsmannundSturmgeselle. 167

TrobeeurtheiltGroßindustrielle,Bankdirektoren undJobber nachdemZu- fallsstand ihrer allgemeinenBildung;geradediestärkstenunter ihnen haben nur einInteresse,denken immernuranihr Geschäftundschämensichgar nicht,denAestheten,DilettantenundanderenMüßiggangernalsBanausen zugelten.HerrLechatist,woersseinwill,beliebtund,woersbraucht,gefürchtet.

DieKleinen,dieernochnichtganzausgewuchert hat,jubelnihmzu und das Kontorgesinde,dieKonkurrenzselbstblickt inscheuerEhrfurchtzuihmempor- Jetztwittert ereineKonjunktur.SeinNachbar,derMarquisvon Pvrcelet,,istreif. SchlechteWirthschast,nieordentlichmeliorirt, überschuldet:

der Mannmußihmbaldkommen. Lechat,der seinen Größenwahngernan abenteuerlichenPlänen weidet,inFrankreichtropischeKnlturen schaffenwill, in einemunzulänglichenGutslaboratorium spielerischherumexperimentirt undseinen künftigenLatifundienbesitzmit bunterTinteaufderLandkarte - abgrenzt,wärmtdasZibetfell schonanderGewißheitdesnahen Triumphes-.

Doch auchdasTigerthier regt sichinihm.DasOpfermit einemBißtöten?

AllzukurzeFreude.LieberträgtmansimMaulfort, zähmtesdurchSchrecken undspartsfiirspätereBediirsnisseauf.DerMarquisistfür mindestensdrei Projektezubrauchen.ErstenskannereinernenenGründung,diezweiMittel- gaunerebendemStärkerenapportiremdieGunstdesKriegsministerswerben, ohnedie mit demMilitärfiskas nichtsRechteszumachenist.«Zweitenskann erHerrn Isidor,deralsRadikaler kandidirt,zumersehntenMandat ver- helfen.Drittens kann, sollundmuß seinSohn soschnellwiemöglichLechats EidamwerdenDieKonjunkturallerKonjunkturen.Le dåputeshechat:Das klingt.EinElektrizitätwerkunterhohem Patronat:daspringenMillionen heraus, besonders,wenn dieZeitung fürdienöthigeReklamesorgtunddie

Konkurrentenverschreitundwenn derMeinungmacherin derDeputirten- kammer offeneHändezudrückenkann· UndeinSchwiegersohnvon äl- testemAdel:dannwird der in derHochfinanznochimmerverachteteSpe- kulant endlich vomBann gelöstundNiemand scheutnochdenWildgeruch deslangeGemiedenen. DerMarquis mußihmkommen.Er kommtLauchz köftetsichaberanallerleialtmodischenEhrbegriffen,dieinder Ascheeiner verflackertenExistenzfortglirnmen.Mit demMinisterwird er, wenns sein Muß,reden, ihn wahrscheinlichauch angeln. DocheinengottlosRadikalen kanner,als guterKatholikundLegitimist,denWählernnichtempfehlen.Und einEhebund zwischendemMarquisvonPorceletund demFräulein Lechat istundenkbar. DerunbefleckteName,dieEhredesHausesPorcelet... Chouettel Isidor sprichtungefährwieFalstaffimLager bei·Shrewsburh.

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168 DieZukunft.

KannEhreeinBeinansetzen?Nein. KannsiedenSchmerz stillen?Nein.

Underhat Argumente,die denStandhaftestenkirren könnten. WollenSie nicht, Herr Marquis:schön; dannaberzieheich dieSchlingezu, Sie müssenals BettlervonIhrer Scholle wandern,—undwasdanachausder EhredesHausesPorcelet wird, brauche ichIhnen nicht erstzusagen.Seien Siedochvernünftigl Ihr fcudalerHochmuthlockt keinenHund mehrvom Ofenweg.Längstschonhat unsereStunde geschlagen.KampfumsDasein.

AuslesederTüchtigstenSieger bleibt,wersichdenGrundbedingungendes- modernen LebensamBestenanpaßt.Gottlos soll ich sein?Warum denn?

Weilichunterm SchirmderRadikalenStimmen sammle? LassenSiemich einenSitz haben:undSiewerdeneinefesteStützedesAltars inmirfinden.

ReicheLeutesind stets fürOrdnungunddenliebenGott;Frömmigkeitund Patriotismus wachsenmitderVermögenszisfer.FragenSiemalIhren Beichtvater,obichihmalsAbgeordneternichtwillkommener bin alsirgend- ein ruinirter Edelmann,derfürdenWahlkreis nichts thun undfiir dieKirche nurbeten kann.DieKircheistvielmoderneralsSie undmachtihreGeschäfte, geistlicheundweltliche,mitgenaudenselbenKniffenwie wir. DerKlerus liegt nieaufderfalfchenSei.te.Läg-Useestdansle mouvementl HatdieMo- narchie aufgegeben, agitirtinZeitungen undstraftwiderspenstigeMinisterien durchKreditentziehung.IederFrommewirdIhnen bestätigen,daßdieInter- essenderKirchenichtbesservertreten seinkönnen alsdurch Isidor Lechat.

UndIhrIunge soll frohsein,wennermeineTochterbekommt;sie kannfich sehen lassenundpaßtmitihrer romantischen UebergeschnapptheitinIhre Kreise.An derMitgiftundRentewerdeichnicht knausernzalsolos!...

DerMarquisist miirb.Washülseauch längeresSträuben? Er wird den Wahlaufruf unterzeichnenundwirbt im Namen feines Sohnes um das Fräulein Lechat.EinGlückstagfür Isidor.DenbeidenBanditen,dieihm dieElektrizitätgründungbrachten, haterdasFellüber dieOhrengezogen;

undnun ist auchdemsteifenGraudseigneurdasRückgrat gebrochen. Da, dichtvordemZiel seiner Wünsche,äsftdasSchicksaldenSchlauen.Seine TochterwillnichtMarquisevonPorceletheißen,brüstet sich ohne Scham mit demVerlust ihrer MagdschaftundläuftmiteinemHabenichtsvonChe- mikerdavon,demsiejauchzendeinstdieJungfräulichkeitgab.UndXavierLechat ist auf derAutomobilfahrtverunglücktundwirdsierbendinsSchloßgebracht.

Dasist selbstfiirIsidorsHautzuvielDieWildkatzestöhnt,alshätteeinSchuß siemitteninsHerz getroffen.DaschleichendiespttzbübischenElektrotechniler herbei; siewollendenZusammenbruch ausnützenundlegendemfassung-

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GeschäftsmannundSturmgeselle. 169 losen, vergreistenVatereinengefälschtenKonsortialvertragzurUnterschrift vor. Lallend liester,liest wieder, suchtmitfeuchtemBlick undkreischtauf:

»Halunken!Lumpengesindel! Jhr habtdenwichtigstenParagraphenweg- gelassenundhofftet, ichwürde in meinerTrauer nichtsmerken!« Der tote Leib desSohnes istvorderThür.»IchkommeinsünsMinuten.« Nicht eher,als bis die Beidengeschriebenundunterzeichnethaben,waserdiktirt.

So. Das Geschäftist gemacht,derLöwentheilihm gesichert. Jetztkanner seinen einzigenSohn, seinenLiebling aufderBahresehenundweiterweinen.

UndmorgenmagderMarquisvon Porceletseine sieben Sachen packen, wenn ernichtAllesthut,wasderNachbar nochvon ihmzuheischenhat.

DasistderJnhalteinesTheaterstückes,dasHerrOctaveMirbeau geschriebenund,mitdemTitel Lesaffaires sont lesaffaires,insnäch- tigeLand der Leinwändegeschickthat.AlsDrama lebtes vongrobenMarkt- effekten,grellenKontrastenundZufallsereignissen, dienichtausdemWesens- kern derhandelndenundleidendenMenschenhervorwachsenzalsSatirekann esnur aufWeltsremdlingewirken. EinengroßenGeschäftsmannwilles

schildern,einen gegenMenschenwallungdreifachgepanzertenGeldmachender frühundspätnichtsim Sinn hatalsseinenErwerbund überLeichen,fast immerlachend,zumSieg schreitet;einenGeschäftsmann,demsogarderTod desauf seineWeise geliebtenSohnes nicht für eineViertelstundedenSpeku- lantenblicktrübt. Das wäreeinguterModestoff,"von demdieReportermit Recht sagen könnten,erhabe »in derLuftgelegen«.DerKomoedie desHerrn Mitbeau,derniestark,doch oft fein und,bisersichdesErwerbeswegenzu den billigenZotendesJournal d’unefemme de chambre herabließ,litera- risch unbescholtenwar,dürfteman höchstensnachsagen,sie seiausderLuft gegriffenz undnichteinmalaus weltstädtischerLuft.AllesGeschäftlicheistin diesemGeschäftsstückfalschgesehenodermindestens grundfalsch dargestellt- MitderTechnikJsidorsLechatkämevielleichteinDutzendjobberaus,abernicht einMann,dem diepariser BörsealsihremKönighuldigt.Wie einMärchen aus rasch vergangenerZeitklingtunsheuteschondie KundevonderGold zeugendenKraftderElektrizitätindustriezwirhörenja täglich,daßdieseJn- dustriezulästigenBündnissverträgengezwungen ist, umihrePreiseund Kurse vordemVröckelnzuschützen.DerWasserfallbeiGrenoblewirddemAus- beuter keineMillionenin denSchoßsprudeln,wirdeinenGründer,dernur kleineSchlicheundSchwindeleienimKopf hat, vielleichtvonderBinsen- bildflächewegschwemmen.MitWinzigleiten,wiesie das Trachten Lechats ausfüllen,giebteinSpekulant großenStils sich überhauptnichtab und

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marodirende KnirpsevomSchlag Derer,diehierdasVorkaufsrecht aufden Wasserfall ergaunert haben, dringenin derAlltagswirklichkeitkaum bis zu einemProkuristenvor;undwärensie je auchnursoweitgekommen,dann wüßtensieganzsicher,daß sieinParis,wofür jedehalbwegs guteGrün- dung französischesoderfremdesGeldleichtzuhaben ist,sichnichtwillenlos denfrechenNäuberlauneneinesLechatzufügenbrauchen. Jsidor selbststeht als einZwergausdemWunderreichSuesvoruns.Wirglauben nichtanseine fünfzigMillionen, glauben nicht, daßerjemalseingroßesGeschäftgemacht hat, haltenihngarnicht für tanti,mit einemausgewachsenenFinanzmann fertigzu werden. DocheramufirtundpaßtaufsHaarandenOrt,für den erbestimmtwar. Der schlaueHerrMirbeau,dersichgerneinenAnarchiften nennt, schriebseinStückfürdieComådie-Franoa-ise;unddergenius lociforderte gerade diesen Spekulantcntypusundhätteeinenmoderneren, derLebenswahrheitnäherennicht geduldet. JmHaufeMoliåres giebtdas FaubourgSaint-Germain denTonan;auchdiearmenMarquis,diePor- celet undStandesgenossen erschwingennochdasGeldfüreinAbonnement.

Undihnen mußte,ReichenundArmen,HerrLechatgefallen.Sohatten sie sichdenneuen Tyrannen gedacht,derihreSchlösserundihre Söhnekauft undseinen schlechtgepflegtenPlebejerleib zwischenihren Ahnenbildern spa- ziren führt.EinRadikaler natürlich,der inWühlerversammlungendas HeerunddiePriesterschastschimpft,dochohneUeberzeugungundimmerbe- reit,vorderKirchezudienern,dieseinerMacht nicht dieWeihe versagt.Ein mit allen SalbengeschmierterGauner,mit dem einBlaublütigervoneiniger Selbstachtungund Sauberkeit sichgarnicht erstin einenWettkampseinläßt.

ErhatdasGeld,wirhabendieEhre;1853 schon, inPonsardsTagen, trö- steteman sichmitdieserLosung.Damals warBalzacs Mercadet,1e faiseur, nochjung,AugiersCharriernochnichtgeboren.SeitdemhatFrankreichHirsch undBontoux,HerzundReinacherlebt.AusdenTransvaalminenistüber NachteinMillionärschwarmaufgetaucht,der kaumMuße hatte, sichnoth- dürftigzusäubern.AuchimGallierland steigtder Adelmählichvonseinen altenBurgenundziehtins dritteStockwerk derHäuser,derenPrunkge- mächerdieSprossendernouvelles couches bewohnen. Undschließlichkam dieAffajreDreyqu, derKampfgegen die ArmeeunddieKongregation.. . DieZeitwarerfüllt:Mercadet mußteimModefrackwiederkehren.Zolas Saccard undLavedansBaronHornwaren, mit allihren Schmutzspuren, nicht schwarzgenug. EinSchreckbildwar nöthig,einvom Wirbelbis zur ZeheruchloserSchust: sosinddieseLeute. DasFaubourg jubelte; undtriiffelte

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GeschäftsmannundSturmgefelle. 17l seine Freudemit derErinnerung, daßderMann,demcsHerranidordankte, sicheinenAnarchistennennen ließund imerstenGliede derDreyfustruppe gefochtenhatte.Dermußte seineBundesgenossenjakennen.HerrMirbeau scheintvonSkrupelnnicht geplagtwordenzusein.Wahrscheinlichdachteer isidorisch:L’Affaire estPAfkairezetles affaires sont les atkaires

JnBerlin kam dasStück insDeutscheTheater,allwodasschärfste GlasnichtvieleHerzoge,Grafen undJunkerentdeckenwird;ausdemHause»

Molieres in denKunstvalastBrahms,der denAbendbedarfderhohenund mittlerenFinanzmitansehnlichemAgio befriedigt.WerdenBlick über die theuren Plätze hinschweisenließ, mußte für Herrn Lechatzittern;diehier Versammeltenwissenja,wiemanGeschäftemacht: siewerdenIsidorals eine plumpeKarikatur verhöhnenundwüthen,wenn sie merken, daßderGauner dieGattungdergroßenSpekulantenvertreten soll.DochdieFurchterwies sichalsgrundlos.Bank undBörse stimmte sürPorceletgegenLechat.Kein Wuthausbruch,ankeiner Stelle auchnur eineRegungdesAergers.Der Marquis,der dieheiligstenGüterderHändlerdemokratiein denStaub zerrt

sosagtman ja wohl?—,wurdestürmischbeklatschtzundgeradeihn mußte diesesPublikumauszischen,selbstwenn esLechatunähnlichunddeshalbun- gefährlichsand. Jst unsere liebeliberaleBourgeoisiesokraftlos geworden, daß sienichteinmal mehrdenMuth ihresKlassenbewußtseinshat? Einstwares an- ders.VorzweihundertJahren,alsLeSage seinenTurcaret,Jsidors Urahnen, auf die Bühne bringen wollte, stießerauf hartnäckigenWiderstand. Ein Händler,untraitant sollte öffentlichandenSchaupranger gestelltwerden? Dasdurftekeinehrenwerther Bürgerdulden. Prosper Poitevin berichtet:

»DieschamloseGoldgier,dasdieEpochebeherrschendeLaster,warvorallen ernsthaftenAngriffen bisher bewahrt gebliebenundmußte sichum jeden Preisweiterdavor schützen.SchondieersteNachrichtvomJnhaltderneuen KomoediescheuchtedieHändlerweltauf; großeundkleineFinanzleute schrien entsetztumHilfe:ParisdurftenichtaufihreKostenlachen.Siewaren mächtig undihr Einflußteichteso weit, daßeineinsamerKomoedienschreiberdagegen nicht aufkommenkonnte.DassahLeSagebald ein. ErvermochteTurcaret nicht aufdieBühnezubringenundbegnügtesich einstweilen damit, ihmunter denFeindenderFinanzleuteHelserzu werben. MitfeinemManuskriptzog

erdurchdieSalons des Adels.MandrängtesichzuseinenVorlesungenund Jeder,der das Werkkennengelernt hatte,sagte,esseieineSchande, daßdieser ernstenArbeitdieTheaterthürgesperrtwerde.DieHändlerverlorennachund nachdieHoffnung,ihrenWillendurchsctzenzukönnen,undboten demDichter

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1 7 2 DieZukunft.

hunderttausend Franes,dieerabheben dürfe, sobald ersichverpflichtethabe, seinStücknicht aufführenzulassen.Alain Reniå LeSagewararmundsagte trotzdem ohneZaudern:Nein.Endlich sprachderDauphin,derSohnLud- wigsdesVierzehnten,einMachtwortundTurcaret, lelinancier, durfte die Bretter besteigen.«Also geschehenzuParisimJahr1709. Und1903 wurdeLechatinBerlingeduldet,sein feudaler Gegner mitBeifall überschüttet.

WillsimBürgerreichwirklichschonAbendwerden? ..AlsFrankreichsAdel sichanFigaros Bosheit berauschte,zog das Unwetter herauf,dasbald da- nachmit Donner undBlitz diePrivilegienaller Almavivas zerstörte.

Soschlimmwirdsdiesmal nichtwerden. Einen Lechatläßtman sich gefallen.Hintertreppenfinanz.Schließlichdochnur derberüchtigteWucherer

ausderFabel,den derZorneinesRachegottes schlägt.Schon Strousbergund Gebersahenanders aus;undwieweit wars vonihnen nochbis zuBeit, SchwabundPierpont MorganlDieZibetlatzekannpassiren. Wehe Jedem aber,derheiliges Bürger-gutantastet,mitFrevlerhand nachdemKrüglein greift,in demseiteinemMenschenalterundlängerdas,,demokratischeOel«

fürdiestets nahe, stets ferne Weihestundebewahrtwird! Dasdarfunge- straft nichteinmal einLieblingwagen. HerrSudermann hats erfahren, dertreueBürgergardist,dersooft gelobt ward,weilerausrostigerPflichtflinte auf böseJunkerlichkeitFeuer gab.Das war echteHeldenleistungundnur derNeid konntedavon leicht erschmeicheltenTendenzerfolgenreden. Jetzt hat derMann, auf dessenZuverlässigkeitderThiergartensreisinn geschworen hätte,einpaarAchtundvierzigerzuhöhnenversucht:undderScheiterhaufe schienVielendersolcherSchandthat gebührendeLohn.Dümmereswarnicht zuersinnen. Zwar hörteeinfeines OhrausdemGewinseldenVorwurf her- aus: HabenwirDich-dazueinJahrzehnt langgroßgepäppeltundwider besseresFühleneinenTichtergenannt, Undankbarer,damitDuunsDieses thuest? Daswarnützlichundamusant, fast also,nachHorazundScherer,poc- tisch. Dennochbliebs dumm. Dasneue Stück desHerrnSudermann es trägtden Ziertitel »Der SturmgeselleSokrates«—.konntenichtgefallen,weil eslangweilig ist. Nichtsoaufreizendschlechtwie andereWerke des Berarmen- den,doch so dünn, daß selbstdiereichlicheZotenzuthatesnichtschmackhaft machenkonnte.EinzelnederbeSpäßchen,manchenetteDialogstelle;dasGanze auch fürdenwohlwollendenBeurtheilernur eineSchnurre,die einwitziger KopfindreiTagcn fürdie Fidelitas einesKneipabendszuliefernvermöchte«

Dassolltenun ernstgenommen werden;alsTragikomoedie.ErnstderZahn- arzt,derseinen Söhnen flucht,weil der einenichtBurschenschafter,sondern

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GeschäftsmaunundSturmgcselle. 173

Corpsstudent geworden ist,derandere,desVatersGehilfe,dem-Hundeines durchreisendenPrinzeneinZahngeschwüraufgestochenhat. ErnsteinRabbi undsudermännischerNathan,dermitseinemSöhnchenFeuilletonsaustauscht, lauterBrillanten,undeinpreußischerLandrath,derdem altenZahnarzteinen Ordenerwirkt,weil derjungedenPrinzenhundkurirthat. Früher führten solcheSachenden Ekelnamen »Humoresken«und wurden vonbesserenZei- tunglefern überfchlagen.Dasmußtegesagtwerden, ruhigundhöflich; denn der Jrrthumeinesbegabten Theaterschreibers istkeinVerbrechen«AberHerr SudermannhatselbstinseinerschwächstenStunde nochGlück.GuteMenschen undschlechteMusikantengerietheninWuth. SchändungderHeroenzcitdes Bürgerthumesin Stadt undLand!DasglorreicheMartyriumvon48be- sudelt! SchnöderBerrathlDieSturmgesellen,die unter normalen Verhält- nissenkeinenzweitenMondgesehenhätten,wurden beinahewiederinter- essantundHerr SudermannkonntezweiArtikelwiderseineAnklägerfchreiben.

ZweirechtschaffeneLeitartikelmitlangen,meistverständlichenSchachtelsätzen;

nurganzwenigeFremdwörterwarenfalsch angewandt.DerSinnungefähr- Jchkein Demokrat? Ichbinjaaus RickertsSchule gelaufen,weilichdas füreinenfreisinnigenZeitungmann ,,nöthigeQuantum monarchischenGe- sühlesbeimbestenWillennicht aufbringen konnte«,undschätzeauchjetztnur

»die schlichtmenschlicheNoblessedeshöchstenReichsbeamten«,dermichzu seinen Abendgesellschaftenlud. KanneinDemokratandersdenken undhan- deln?Jchbin einervomältestenSchrotundKornund wärefogarzudenRöthe- stengegangen,wenn die Leute in Dresden nicht so nnsanft geredet hätten.

Ihraber...Darauf folgt,im»Tag«, nicht beiMosse,dann dieFrage,wa- rum wohldemliberalenGedanken die werbendeKraft entschwundenseinmag.

HerrSudermann ist reizbar,aberkein vates. Erbejammertdas Schwindendesfreien Bürgersinnesundmerktnicht, daßihneinVerfalls- symptomdünkt,wasingemeinerWirklichkeiteinBeweisstrotzenderGesundheit ist.Für Freiheit schwärmtjedeKlasse, bissieamZieldesBegehrenssteht; dann mußsiedenNachdrängendenein paarkleine,ganz kleineFreiheiten weigern,um Ungestörtschmausenzu können. DieTragikomoediederSturmgesellen singda- mitan,daßsiezu Geldkamen,sichbehaglichimVaterland fühltenund gegen dieBegehrlichkeitdesProletariatesdieberühmtensittlichenMächteanrufen mußten.UnddieTragikomoediedes»entschiedenenLiberalismus« wirderst enden,wenn eraus derBermummung schlüpftundzugiebt, daßerheut- zutage mehrzukonserviren hatals derkonservativsteJunker.Keineandere Klasseist aufdieErhaltungdesBestehenden soangewiesenwie die Baar- gkvisie.Das wirdnoch bestritten.Jmverdunkelten Schauspielhausaber wachtderKlasseninstinktundstimmtgegenLechatsogar füreinenMarquis«

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174 DieZukunft.

Politische Anthropologie.

MkvonJuristengepflegte,,AllgemeineStaatslehre«alsTheildes»All- gemeinen Staatsrechtes« hat abgewirthschaftet.Kein Mensch sucht mehrinihrBelehrungüber den Staat. Man weiß, daßsie juristischeKon- strnktionenundscholastischeSpiegelfechtereienenthält.KeinWunderdarum, daßnebendiesen ausschließlichdem,,akademischenGebrauch«dienendenWerken dasBedürfniß, sichüber Natur undWesendesStaates Klarheitzuver- schaffen, dazu geführthat,von anderenAusgangspunktenalsdemjuristischen dasgroßeProbleminAngriffzunehmen.Das versuchtezunächstdie So- ziologie.Sie faßteden Staat aufals einProduktdesKampfes sozialer Gruppen,erklärte daraus dasEntstehendesRechtesundallerRechtsinstitute.

Das istdie»soziologischeStaatsidee«; ihr vornehmsterVertreter ist heute Gustav Ratzenhofer.NebenderSoziologie hatdievonFriedrich Ratzelbe- gründeteAnthropo-Geographieund Politische Geographiedenerfolgreichen Versuch gemacht,denStaat alseinen,,bodenbeständigenOrganismus«,als einProduktdernatürlichengeographifchenBedingungenzu erweisen. Ratzels WerkeenthaltenmehrundwichtigereErkenntnisseüber denStaat, alsdie gefammte»allgemein-staatsrechtliche«Literatur seit hundertJahren sichträumen ließ.Ratzel nimmt dieResultatederSoziologie insoferninfeineGesammt- anfichtvom Staate auf,alser»die letzten Elemente desstaatlichenOrga- nismus« inden,,gesellschaftlichenGruppen«anerkennt. Dochergänzter diefoziologifcheStaatsidee,indemerihr seine»politisch-geographische«Staats- ansichtzu Grunde legt.Man kannsagen:DieSoziologie schwebteinder Luftunderst Ratzel gab ihrdenUnterbau,·dietief imBoden wurzelnden Fundamente. Erst durch Ratzel istdieSoziologie unerschütterlichgefestigt, weiler »dengeistigenZusammenhang«dergesellschaftlichenGruppenmitdem Boden nachwies.

Damit scheintdie neuste EntwickelungderStaatswissenschaft noch nichtvollendetzusein.Zur soziologischenundzurpolitisch-geographischen geselltsich nämlichnocheinedritte: die»politisch-anthropologische«Staats- idee, die in dieWissenschaftvomStaat ein ganzneuesElementeinführtund indieNatur desStaates neueEinblickegewährenwill. JchmeinedieAuf- fassung,wonachderStaat einProduktderF,Rassen'«ist,wobeiangenom- men wird, daßdie»edelste«Rasse obenanunddiegemeinsteganzunten zustehenkommt. Diesepolitisch-anthropologischeStaatsidee ist zuerstvon Gobineau angeregtworden, dermeinte,daßallehöhereKultur immer und überallvon der,,weißen«Rasse geschaffenwerde. Wie diese Theorievon

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