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Die Naturwissenschaften. Wochenschrift..., 13. Jg. 1925, 1. Mai, Heft 18.

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(1)

/ J g j

4 , 5. 1925 DIE IttlfaiM

NATURWISSENSCHAFTEN

HERAUSGEGEBEN VON

A R N O L D B E R L I N E R

U N T E R B E S O N D E R E R M IT W IR K U N G VO N HANS SPEMANN IN F R E I B U R G I. B R ORGAN DER GESELLSCHAFT DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE

UN D

ORGAN DER KAISER WILHELM-GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG DER WISSENSCHAFTEN V E R L A G VON J U L I U S S P R I N G E R IN B E R L I N W 9

HEFT 18 (S E IT E 3 7 3- 3 9 6) 1 . M A I 1925 DREIZEHNTER JAHRGANG

Über die subjektiven Sternfarben und die Qualität der Dämmerungsempfindung. Von Er w i n Sc h r ö­ d i n g e r, Z ü r i c h ...3 7 3

Vergangenheit und Gegenwart der Stereochemie.

Von P. W a l d e n , Rostock. (Schluß) . . . . 376 Ein Buch über mathematische Physik: Courant-

Hilbert. Von P. P. E w a l d , Stuttgart . . . 384 Untersuchungen zur Genetik der geographischen

Variation. Von W a l t e r L a n d a u e r , Storrs (U. S. A.) ... 387

Be s p r e c h u n g e n :

E r d m a n n s d ö r f f e r , O. H., Grundlagen der Petrographie. Von A. Johnsen, Berlin . . 389

Ro v e r e t o, Ga e t a n o, Forme della terra. Trat- tato di Geologia Morphologica. Vol. II. Tipi regionali. (Handbuch der geologischen Mor-

I NH ALT:

3 9 0

phologie. II. Regionale Typen.) Von S. v. Bub- noff, B r e s l a u ...

Ra s s o w, Be r t h o l d, Die chemische Industrie.

(Aus der Sammlung ,,Die Deutsche Wirtschaft und ihre Führer“ , Bd. I.) Von I. Koppel, B e r lin -P a n k o w ... 391 Zu s c h r if t e n u n d v o r l ä u f ig e Mi t t e i l u n g e n:

Über das Bogenspektrum des Rhodiums. Von L. A. So m m e r, G ö ttin g e n ...392 Zur Stärke der Halogenwasserstoffsäuren in

wässeriger Lösung. Von L. Eb e r t, Kopen­

hagen ... ....

Aus den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaften in Wien 1924, Mathematisch­

naturwissenschaftliche Klasse 3 9 4

V E R L A G V O N J U L I U S S P R I N G E R I N B E R L I N W 9

S o e b e n e r s c h i e n :

Das Atom

und die Bohrsche Theorie seines Baues

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H. A . Kramers Helge Holst

Dozent am Institut für theoretische Physik der Bibliothekar an der König). Technischen Hochschule

Universität Kopenhagen Kopenhagen

D e u t s c h v o n F. A rndt

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(2)

II D I E N A T U R W I S S E N S C H A F T E N . 1925. Heft 18. 1 . Mai 1925

D I E N A T U R W I S S E N S C H A F T E N

erscheinen in wöchentlichen Heften und können im In und Auslande durch jede Sortimentsbuchhandlung, jede Postanstalt oder den Unterzeichneten Verlag be­

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theorie. — Interferenz. — Über Röntgenstrahlen. — Übersicht über die experimentellen Ver­

fahren. — Braggsches Verfahren; Spektroskopie. — Interferenz in Gittern mit Basis; Struktur­

ermittlung aus Braggschen Aufnahmen. — Die Lauemethode und die Bezifferung der Laue­

bilder. — Die Entstehung der Lauebilder und die Strukturkontrolle mit ihnen. — Das Debye- Scherrer-Verfahren. — Vollständige Diagramme, Faserstruktur, Metallbau. — Darstellung der erforschten Strukturen. — Gittergeometrie. — Ionengitter; Isomorphie; Mischkristalle. — Chemische Gesichtspunkte zur Deutung der Kristallstrukturen. — Gitterkräfte und stoffliche Eigenschaften. — Zur Gittergeometrie: Das reziproke Gitter. — Die Interferenzbedingungen im Translationsgitter. — Die Bezifferung der Laue-Aufnahmen mittels gnomonischer Pro­

jektion. — Debye-Scherrer-Verfahren und quadratische Form. — Die Bezifferung der Dreh­

kristallaufnahmen. — Die Geometrie der Gitter mit Basis. — Der Strukturfaktor. — Die photographische Wirkung der Röntgenstrahlen. — Zusammenstellung über Strukturen.

V E R L A G V O N J U L I U S S P R I N G E R I N B E R L I N W 9

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN

Dreizehnter Jah rgan g Mai 19 2 5 Heft 18

Über die subjektiven Sternfarben und die Qualität der Dämmerungsempfindung.

Von Er w i n Sc h r ö d i n g e r, Zürich.

N eulich h at an dieser Stelle H err Bo t t l i n g e r1 ) in sehr treffender W eise au f den W iderspruch hingewiesen, welcher besteht zwischen der T em pe­

ratu r der F ixstern e und der Farbbezeichnung, die w ir ihnen geben, im Vergleich m it der F a rb ­ bezeichnung irdischer Lichtquellen von bekannter Tem peratur. M ir ist vo r einiger Zeit der W ider­

spruch gleichfalls aufgefallen, und es h at sich mir eine E rk läru n g aufgedrängt, die ich durch einige Versuche, die Q u alität der D äm m erungsem pfin­

dung betreffend, zu erhärten suchte. Obwohl die­

selben noch nicht vö llig abgeschlossen sind, m öchte ich doch kurz über den Gedankengang berichten, d a das Problem einm al zur D iskussion gestellt ist.

E s ist schon oft, so auch von Bo t t l i n g e r in der erw ähnten N ote, betont worden, daß ,,der B eg riff Weiß sehr variab el is t " . E r verschiebt sich gegen den im gesam ten Gesichtsfeld vor­

herrschenden F a rb to n ; wenn w ir eine nicht allzu stark gefärbte B rille aufsetzen, bem erken wir nach einiger Zeit kaum m ehr etw as davon, daß alle Farb en gegenüber ihrem norm alen Aussehen verändert sind. D as ist zu einem T eil gewiß au f dieselbe „sp ezifische E rm ü d u n g“ zurückzuführen, die sich in den n egativ kom plem entären N ach ­ bildern äuß ert; teilweise — und w ahrscheinlich zum größeren Teil — h andelt es sich aber wohl um eine rein 'psychologische Angelegenheit, eine Verschiebung des F a rb urteils. E s folgt dies daraus, daß stark gesättigte Farb en im S im u ltankontrast nicht etw a stärk er sondern schwächer induzierend wirken als w enig gesättigte — m an denke an den bekannten Florversu ch .

Die beim B etrach ten eines Sternes im G esichts­

feld vorherrschende Em p fin d un g ist nun nor­

m alerweise die des D äm m erungssehens oder, theoretisch gesprochen, die der Stäbchen. Man pflegt sie als ,,Stäbchenw eiß“ oder „Stäb ch en - grau “ zu bezeichnen. In W ahrheit ist sie zwar einfärbig, aber keineswegs farblos, d. h. nicht identisch m it einem Grau des Tagessehens, sondern bläulich. D aß w ir uns dieses U m standes m eist nicht bewußt sind, liegt offenbar an einer U rteils­

verschiebung von der oben besprochenen A rt.

Dann ist aber klar, daß dabei auch das U rteil über die F arb e eines streng foveal gesehenen Sterns — obwohl hier, wie Bo t t l i n g e r rich tig bem erkt, der D äm m erungsapparat nicht direkt beteiligt ist — sich gleichwohl m it verschieben wird, und zw ar ungefähr in dem Sinne, daß die Sternfarbe der zur Stäbchenem pfindung komple­

mentären Farbem pfind u ng näherrückt.

*) Die Naturwissenschaften 27. Febr. 1925, S. 180.

W as wissen w ir nun über den Farb to n der Däm m erungsem pfindung? E s sei gestattet, uns über diese an und für sich interessante F rag e etw as eingehender zu verbreiten, als für den vorliegen­

den Zw eck gerade unum gänglich nötig wäre.

Q ualitative Versuche von Na g e l und v. Kr i e s1 ) haben gezeigt, daß die „S tä b ch en fa rb e “ jeden falls sehr m erklich blau ist. E in e q u an titative B e ­ stim m ung ergab fü r den deuteranopen (sog. grün­

blinden) Na g e l G leichheit der D äm m erungsfarbe m it X = 480 — 485 des Tagessehens. E s muß aber betont werden, daß es sich dabei eigentlich nicht um die Bestim m ung des Farbtons, sondern der Sättigung von Na g e l s Stäbchenem pfindung handelt, w eil es bekanntlich für den partiell Farbenblinden überhaupt nur zwei Farb tön e g ib t;

das Spektrum ist ihm eine reine Sättigungsreihe von Gelb über Weiß nach B la u . E s muß also für Na g e l auch jedes X < 480, m it passendem W eißzusatz die D äm m erungsfarbe kopieren.

Die W ellenlänge für norm ale Personen fe st­

zulegen, h at v. Ha u e r2) nach einer eigenartigen und geistvollen M ethode versucht. B elich tet m an ein größeres (überfoveales) Feld der N etz­

h aut m it starkem Weiß und setzt die Lich tstärke dann plötzlich herab, so benötigt m an zur E r ­ zielung einer Farbengleichung m it einem benach­

barten nicht vorbelichteten Feld , au f dem letzteren nicht nur — selbstverständ lich — weniger Weiß, sondern m an muß diesem Weiß etw as B la u zu­

setzen, und zwar find et Ha u e r X = 457, 460, 465 w für drei norm ale Versuchspersonen. E r deutet dies so: während der starken V orbelich ­ tu ng sind die Stäbchen ausgeschaltet, und es w er­

den n u r die Z a p fen ermüdet. N ach dem H erab ­ setzen der Lich tstärke sind bei der sogleich be­

ginnenden D un keladaptation die Stäbchen auf dem ermüdeten Feld im Vorteil, w eil sie hier m it ermüdeten Zapfen konkurrieren, auf dem V e r­

gleichsfeld hingegen m it nicht erm üdeten. Der F arb to n des B la u ist also die Stäbchenfarbe.

A uch wenn diese D eutung zutrifft, bezieht sich der H auersche V ersuch doch auf einen sehr spe­

ziellen F a ll: kurze und unvollkom m ene D unkel­

ad ap tation — es steht nicht m ehr Z eit zur V er­

fügung als die W eißerm üdung der Zapfen an ­ dauert — bei noch starker B eteiligu n g des T ages­

apparates. A u f die E m p fin d un g des stark dunkel­

adaptierten Auges, wie es beim Sternesehen 1 ) Na g e l und v. Kr i e s, Zeitschr. f. Psychol. u.

Physiol. d. Sinnesorg. 12, 28 oder v. He l m h o l t z, Physiol. Optik III. Aufl., S. 295.

2) F. v. Ha u e r, Sitzungsber. d. Wien. Akad. (2a) 123, 647. 1914.

Nw. 1925. 48

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374 Sc h r ö d i n g e r: Subjektive Sternfarben u. die Qualität der Dämmerungsempfindung, f Die Natur- Lwissenschaften

m eistens vorliegt, lassen sich d araus wohl keine sicheren Schlüsse ziehen.

Sich von der B läu e der D äm m erungsfarbe, zunächst rein q u alita tiv, zu überzeugen, gelingt leicht m it den einfachsten M itteln. Ich bediene m ich dazu zweier rechtw inkelig aneinandergesetz­

te r M essingrohre von etw a 2 cm Durchm esser und je 20 cm Länge, die an der K n ickstelle unter 45 0 eine weiße F läch e enthalten, im übrigen aber m it schw arzem Sam m et ausgekleidet und m it zahlreichen B lenden versehen sind. A n das eine offene En d e des Röhren system s w ird das A uge m ittels einer durchlochten steifen Augenbinde und eines Cam eraauszuges aus schw arzem P apier vollkom m en lich td ich t angesetzt, das andere E n d e dient zur regulierbaren B eleu ch tun g der weißen Sichtfläch e m it geschw ächtem T ageslicht, dieses E n d e w ird durch eine zweite weiße Fläch e unter 4 5 0 abgeschlossen, der gegenüber das R ohr ein kleines regulierbares L och h at. Setzt m an nun das eine A uge an diese V orrichtung an, so sieht m an nach einigen M inuten D unkelad aptation bei geöffneten beiden A ugen inm itten des von dem H ellauge gelieferten G esichtsfeldes, z. B . des Zim m ers, ein D äm m erungsfeldchen schweben, das m an am besten in eine dunkle Zim m erecke p rojiziert und dann bequem m it jed er beliebigen T agesfarbe vergleichen kann. Sehr frapp an t ist die re la tiv große su b jek tive H elligkeit des F e l­

des, die durchaus m it den vom H ellauge gesehenen vergleich bar ist. Sehr schön zeigt sich das bekannte A ufleuchten beim A bw enden des B lickes, auch ist die to tale F arb en blin d h eit der Stäbchen durch V orh alten farbiger G läser vo r das B eleuch ­ tungsfenster leicht zu dem onstrieren. D er F a rb ­ ton dieses Feldchens w ird von N orm alen als ein m attes rötliches B la u bezeichnet, etw a wie blasser Flieder. D er F a rb effe k t ist noch viel auffallender, wenn m an den V ersuch des Abends bei k ü n st­

licher B eleu chtung anstellt. F ü r das D unkelauge ist die Q ualität der Beleuchtung natü rlich irrele­

van t, aber die U rteilsverschiebung des H ellauges durch das G elb oder R o tgelb der künstlichen Lich tq u elle vergröß ert den A bstand des ,,W eiß “ von der ungeänderten D äm m erungsfarbe.

Um den F arb to n q u a n tita tiv festzulegen, w urde das D äm m erungsrohr zur binokularen D urch sich t neben ein Spektrom eterfernrohr m on­

tie r t1), das s ta tt des O kulars einen O kularspalt m it Vorgesetztem N icol trug. D as H ellauge konnte a u f der Stirnfläch e eines zwischen K o lli­

m ator und P rism a eingebauten zweiten N icols eine beliebige S p ek tralfarb e m it seitlich in den A p p a ra t reflektiertem T ageslich t in variablem V erh ältnis und va riab ler G esam tin ten sität mischen und so die F a rb e des D äm m erungsfeldes — v o r­

ausgesetzt, daß sie nicht in die spektrale „ L ü c k e “ fä llt — kopieren.

E s w urden v ier norm ale T richrom aten u n ter­

*) Ich möchte Herrn De b y e, an dessen Institut die \ ersuche ausgeführt wurden, auch an dieser Stelle herzlich danken.

sucht. Diese stellten fa st im m er eine W ellen­

länge kleiner als 430 (ip in der m onochrom ­ violetten E n d strecke des Spektrum s ein. In n er­

halb dieses G ebietes schw ankte die E in stellu n g stark, w as selbstverständ lich ist, weil sich hier der F arb to n im Spektrum nicht mehr ändert.

E in spektroskopisch gut geschulter B eobach ter gab an, daß er eher noch ein w enig mehr rot in der V ergleichsfarbe wünschen würde, als im E n d v io lett enthalten ist. Im m erhin kam en bei allen Beobach tern vereinzelt auch E instellungen

^ ^ 4 3° bis etw a A = 445 /i/i (Indigo) vor, niem als jedoch bis zu einem grünlichen B la u . B ei drei von den vier B eobach tern ereigneten sich die Ü berschreitungen von X — 430 nach m ehr als halbstündiger A d ap tation , doch kann m an nicht von einem deutlichen Gang sprechen. E ben so­

wenig w ar ein deutlicher E in flu ß der su b jek tiven H elligkeit des Däm m erungsfeldes nachw eisbar.

Gänzlich abweichend w ar m ein eigener B efund

— ich bin anom aler Trichrom at, und zw ar d eu ter­

anom al — ,,ro tsich tig ". S u b je k tiv beurteile ich das Feld grünblau, und dem entsprechend liegen auch meine Einstellungen im C yan, nahe der Fraunhoferschen L in ie F . D a in dieser Gegend der F a rb to n sehr sta rk variiert, sind sie viel besser reproduzierbar als die der N orm alen; dabei zeigt sich ein sehr ausgesprochener E in flu ß der sub ­ je k tiv e n H elligkeit des Däm m erungsfeldes, bei su b je k tiv dunklem Feld stelle ich das V ergleichs­

feld langw elliger, bei su b je k tiv hellem Feld kurz­

w elliger ein, einerlei ob die H elligkeit durch die B eleuchtungsstärke, den A daptationszustan d oder durch m ehr oder w eniger parazentrale B eo b ach ­ tu ng va riie rt wird. Die äußersten Grenzen der au f diese W eise absichtlich variierten D äm m e­

rungsfarbe w aren A = 484 fi,u (bei extrem hellem Feld) und / = 495 /«/t (bei extrem dunklem Feld).

F ü r unsere gegenw ärtige A b sich t ist das V e r­

halten der A nom alen und Anopen natü rlich von untergeordnetem Interesse. F ü r die N orm alen sehe ich als gesichert an, daß ihre D äm m erungs­

farbe im allgem einen ein ungesättigtes R o tvio lett, vielleich t noch etw as röter als das E n d vio lett des Spektrum s ist, unter gewissen U m ständen, die noch nicht vö llig geklärt sind, vielleicht gegen Indigo geht, niem als aber nach Grün zieht.

L ä ß t nun das \o rh errsch en dieses Stäb ch en­

blau oder -violett im Gesichtsfeld die beobachteten su bjek tiven Sternfarben verstehen? Zum großen Teil ja , aber nicht restlos. Daß die weißen Sonnen­

sterne ,,durch K o n tra st“ gelb erscheinen müssen, leuchtet ein; ebenso, daß erst Sterne, die erheb­

lich blauer sind, als die Sonne, weiß erscheinen werden. A uch stim m t zu unserer E rk läru n g ausgezeichnet die B eobach tu ng Bo t t l i n g e r s, dem a -L y ra e (Tem peratur etw a 10 000 °) in der U m gebung eines gelbroten Feu ers tatsäch lich blau erschien. D abei w ar eben die sonst v o r­

herrschende Stäbchenfarbe durch die F a rb e des heuers ersetzt, und daß gegen diese schon gewöhn-

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Heft 18. 1 S c h r ö d i n g e r : Subjektive Sternfarben u. die Qualität der Dämmerungsempfindung,

i . 5- 1925

J

375

liches T ageslich t blau w irkt, wissen w ir aus dem bekannten V ersuch der farbigen Schatten.

W ie steht es aber m it den R otsternen von 2000 bis 3000 °? H ier reicht die K ontrastth eorie allein offenbar nicht aus. E in e su b jek tive Verschiebung gegen Bot auf G rund des K o n trastes gegen die D äm m erungsfarbe ist ausgeschlossen, d a w ir festgestellt haben, daß diese für norm ale 1 ri- chrom aten keinesfalls gegen G rün zieht. A uch eine ob jektive E rk läru n g erscheint ausgeschlossen, obwohl ja das L ic h t dieser Sterne wegen der starken Bandenabsorption im kurzw elligen Teil nicht genau m it dem einer irdischen Lich tqu elle von gleicher T em p eratu r übereinstim m t. M an über­

blickt aber leicht, daß die resultierende F arb e dadurch nicht w irklich ins ,,T ie fro t“ rücken kann, auch zeigt der höchst interessante Bottlingersch e Versuch m it dem künstlichen Glühlam penstern, daß nicht die Absorptionsbanden die R ö tu n g be­

wirken, sondern die A rt der B etrachtun g.

Diese su b jek tive R ö tu n g erk lärt sich nun aber sehr einfach au f andere W eise, nur m üssen w ir uns von der freilich sehr w eitverbreiteten V o r­

stellung losm achen, es sei die T agesfarbe eines weißglühenden K örp ers, z. B . einer M etallfaden­

lampe, w irklich weiß. W äre das der t a ll, so brauchte m an eine solche Lam p e nicht erst m it einem ziem lich starken blauen bis giünblauen F ilte r zu versehen, um sie in eine ,,T ageslich t­

lam pe“ zu verw andeln. A uch nach dem unm ittel­

baren U rteil erscheint z. B . eine „P h ilip s A rgen ta“ , am hellen Tage gebrannt, in einem w arm en G old­

gelb, d. h. Gelb m it einem deutlichen Zug ins R ötliche — w as ich m ir von norm alen Trichrom a- ten habe bestätigen lassen. E s ist für das Folgende w ichtig zu bem erken, daß ein grünliches Gelb bei grauer T em peraturstrah lung überhaupt nicht au ftritt, die F a rb e geht m it steigender Tem peratur von R o tgelb über G elb nach W eiß, ohne daß die Grenze des reinen Gelb gegen Grün zu über­

schritten w ird. A uch scheint es, daß bei F o rt­

setzung der R eih e über die Sonnentem peratur hinaus wieder keine Farb tön e m it dem H a u p t­

anteil Grün — im Sinne der D reikom ponenten­

theorie — auftreten, sondern nur grünblaue bis blaue, natü rlich w enig gesättigte Töne.

Dies vorausgeschickt, erinnern w ir an das seit langem bekannte Bezold-Brückesclie P hänom en1).

E s besteht darin, daß die Farben folge des S p ek ­ trum s bei stark er H erabsetzung der L ich tstärk e eine eigentüm liche V eränderung erfährt, indem das Spektrum in drei fa st m onochrome B ez irk e : R o t, Grün und V iolett, zerfällt m it zwei sehr schroffen Ü bergangsstellen zwischen R o t und Grün, Grün und V iolett. A m auffallendsten ist das völlige Zusamm enschrum'pfen des gelben B e ­ reiches, indem, alle rötlichgelben Töne gegen Rot,

*) B r ü c k e , Sitzungsber. d. Wien. Akad. (3) 77, 1878; F. E x n e r , Sitzungsber. d. Wien. Akad. (2a)

X I I , 857. 1902; s. z. B. Nagels Handb. d. Physiol.

3, S. 261. Braunschweig: Vieweg 1905.

die grünlichgelben gegen Grün wandern. D abei handelt es sich nicht etw a um eine E rscheinung des D äm m erungssehens. T ritt dieses ein, so entfärbt sich ja das ganze Spektrum (bzw. nim m t die D äm m erungsfarbe an). Vo n Kr i e s hebt h er­

vor, daß besonders au f kleinem Feld und bei m öglichstem A usschluß von D unkelad aptation das Phänom en deu tlich ist. E s beruht nach der D reikom ponententheorie darauf, daß bei H erab ­ setzung der L ich tstärk e die beiden schwächeren Grundem pfindungskom ponenten unterschwellig w er­

den und die stärk ste allein ü brig bleibt, wodurch jede Farbe derjenigen Grundfarbe sich nähert, die in ihr am stärksten vertreten is t ; dabei muß sie zugleich an Sättigung zunehmen, da ja der M angel an Sättigun g oder das ,,beigem ischte W eiß“ nach der D reikom ponententheorie auf dem Zusam m en­

wirken der drei Kom ponenten in gleicher Stärke beruht, und zw#x natü rlich in der S tärk e der schwächsten Kom ponente, w ährend der Ü ber­

schuß der beiden stärkeren über die schw ächste den bunten C h arakter der F a rb e bestim m t. A u f Grund dieser Vorstellungen konnte F . Ex n e r1 ) von den vier Sch nittpunkten der sog. G ru nd­

em pfindungskurven, die A . Kö n i g au f ganz anderem WTege gefunden hatte, m ittels des Bezold- B rückeschen Phänom ens drei m it erheblicher G e­

nau igkeit bestätigen.

Die physiologische E rk läru n g dafür, daß die kühleren Sterne so ausgesprochen rot erscheinen, liegt nun auf der H and. D urch die äußerste K le in ­ heit und im m erhin recht geringe L ich tstärk e des Sternscheibchens, das gleichwohl, sofern es über­

h au pt farb ig erscheint, foveal gesehen wird, sind die Bedingungen fü r das A uftreten des Bezold- B riickeschen Phänom ens in idealer W eise erfüllt.

E s muß daher eine weitgehende A nnäherung an diejenige G rundfarbe stattfinden , die in der F arb e vorherrscht, und das ist bei rötlichem Gelb das Grundrot. (Selbst N a-G elb, das w ir kaum noch rötlich em pfinden, enthält nach Kö n ig und Ex n e r

noch etw a 3 3 % m ehr G ru ndrot als G rundgrün!) Daß das so zustande kommende, dem G ru nd­

rot m ehr oder weniger nahestehende, ziemlich gesättigte R o t durch den K o n tra st m it der D äm ­ m erungsfarbe nicht m ehr sehr sta rk veränd ert wird, ist nach sonstiger E rfa h ru n g zu erw arten ; übrigens ist das G ru ndrot 'psychologisch bekan n t­

lich kein reines R o t, sondern etw as bläulich.

B ei „Stäb ch en stim m u n g“ dürfte es gerade als reines R o t wirken.

Gelbgrüne, grüngelbe oder blaugrüne Sterne sollten nach dieser E rk läru n g gesättigt grün er­

scheinen. E s gibt sie aber wohl nicht, jeden falls nicht in der norm alen Tem peraturreihe. A n kü nst­

lichen Sternen dürfte sich die B eh auptu ng leicht bestätigen lassen. A uch m üßte sich zeigen, daß ein w irklich weißer Stern, z. B . m it einer guten

*) F . E x n e r 1. c .; s. a. O. S t e i n d l e r , Sitzungs­

ber. d. Wien. Akad. (2a) 115 , 39, 1906; L. R i c h t e r a , ibid. 122, 19 15, 19 13 ; F. v H a u e r , ibid. 123, 654,

1 9 1 4 -

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37& Wa l d e n: Vergangenheit und Gegenwart d er Stereochemie.

[

Die Natur­

wissenschaften Tageslichtlam pe hergestellt, nicht wie der B o tt-

lingersche Glühlam penstern rot, sondern (durch K o n tra st m it Stäbchenblau) gelb aussieht.

A uch d as reine B la u von a -L y ra e neben dem nächtlichen F eu er ist ganz verständ lich nur m it B erü ck sich tigu n g des Brückeschen Phänom ens.

O b jek tiv muß die F arb e eines .4-Sternes noch ein ziem lich ungesättigtes, etw as grünliches B la u sein.

K ö n n te m an die H elligkeit eines R o tstern es sta rk erhöhen, so m üßte die S ättigu n g des R o t abnehm en, und es müßte eine A nnäherung an Gelb stattfin d en . Ich habe diese B em erku n g am M ars bei seiner letzten O pposition gem acht, weiß aber nicht, ob sie von norm alen T richrom aten b estätigt wird. Ü brigens fä llt auch au f die p ara ­ doxe Tatsach e, daß w ir ,,R o tsich tig en “ die R o t­

sterne überhaupt nur so w enig deutlich rot sehen, je tz t einiges L ic h t. U nsere A nom alie besteht näm lich darin, daß unsere ,, G rü n k u rve“ der

„R o tk u r v e “ angenähert, d. h. gegen lange W ellen verschoben ist. Infolgedessen enthalten alle ro t­

gelben F arb tö n e fü r uns re la tiv mehr Grundgrün und weniger G rundrot, das V erh ältnis der beiden Kom ponenten ist der E in h eit näher gerückt, als für den N orm alen. D a die B ezold-Brückesche Verschiebung auf der Verschiedenheit der beiden Kom ponenten beruht, ist es klar, daß sie fü r den A nom alen in diesem Spektralgebiet w'eniger leicht eintreten und w eniger ausgesprochen sein w ird, als für den N orm alen.

Zusam m enfassend scheint es m ir, daß die su b jek tiven Stern farben durch den K o n tra st m it dem Stäbch enblau in V erbindung m it dem B ezold-Brückesch en Phänom en ihre vollkom m ene A u fkläru n g finden.

N ach tragsw eise m öchte ich zur K o n tra st­

theorie noch folgendes erwähnen. He l m h o l t z

bem erkt einm al in der „P h ysio logisch en O ptik“ , daß m an von der V erschiebung des F arb u rteils bei künstlicher B eleu chtu ng sich befreien könne, indem m an m ittels einer innen geschwärzten R öhre ein kleines Feld einer beleuchteten „w eiß en “ F läch e sich ausblendet. D as „E ig e n lic h t der N etz­

h a u t“ au f dem dunklen H intergrund der R ö h ren ­

w and diene alsdann zum Vergleich und lasse die rotgelbe F ä rb u n g des Feld es erkennen. Ob nun bei diesem Versuch w irklich schon die Selb st­

erregung der N etzh aut die H au p trolle spielt oder vielm ehr eine E rregu ng durch das schwache von der Röhrenw and kommende L ich t, m öchte ich nicht entscheiden. Je d e n fa lls h alte ich fü r äußerst w ahrscheinlich, daß auch die F a rb q u a litä t der wirklichen Selbsterregung m it der D äm m e­

rungsfarbe m erklich übereinstim m t, so daß gegen die oben gegebene E rk läru n g der Sternfarben kaum der E in w an d zu erheben ist, das L ic h t des H im m elsgrundes sei überhaupt zu schwach, um eine m erkliche E rregu n g der Stäbchen h ervor­

zubringen.

A u f die oben erw ähnte m erkw ürdige V e r­

schiedenheit der D äm m erungsfarbe fü r norm ale und anom ale Trichrom aten m öchte ich dem nächst in anderem Zusam m enhang zurückkom m en. Sie läßt sich, glaube ich, aus der Verschiedenheit des Tagesapparates allein erklären, während die S tä b ­ chenfarbe selbst „in W irklich k eit“ für beide — und w ahrscheinlich für alle — A ugen die näm ­ liche is t; w ird doch auch die spektrale A nregungs­

ku rve des Stäbch en ap parates bekanntlich durch Farbensinn störungen irgendw elcher A rt nicht im geringsten beeinflußt. A uch die oben am A no­

m alen gefundene V ariatio n m it der H elligkeit brau ch t nicht echt, d. h. nicht w irklich eine V a ria ­ tion der D äm m erungsfarbe zu sein, sondern liegt w ahrscheinlich an einer B ezold-Brückeschen V e r­

änderung des Vergleichsfeldes. Die U nveränd er­

lichkeit des Stäbch enap parates sowie auch der spezielle F a rb ch arak ter der von ihm verm ittelten Em p find u ng dürften eng m it seiner phylogene­

tischen E n tsteh u n g Z u s a m m e n h ä n g e n 1 ).

x) C. v. He s s, Ergebn. d. Physiol. 20, 1. 1922 München u. Wiesbaden: J . F. Bergmann. A. Vo g t, Züricher Antrittsrede vom 1. Dezember 1923, S. 1 4ff. (Zürich: Seldwyla Verlag); E . Sc h r ö d i n g e r, Die Natur­

wissenschaften 1 2 , 925. 1924. Ich ergreife gern die Gelegenheit, um hinsichtlich der Phylogenie des Stäb­

chenapparates die Priorität vonVOGT mir gegenüber fest­

zustellen, die mir bei Abfassung der zitierten Note leider entgangen war.

Vergangenheit und Gegenwart der Stereochemie.

V on P. Wa l d e n, R o stock.

[Schluß»).]

i ) R acem isierung. Autoracem isierung.

B ek an n tlich erleiden die optisch -aktiven V er­

bindungen unter m annigfachen Bedingungen eine innere U m gruppierung, infolge welcher sie ihrer optischen A k tiv itä t ve rlu stig gehen, d. h. während ihre chem ische Zusam m ensetzung und K o n sti­

tution in ta k t bleibt, werden sie racem isiert. Diese von L . Pa s t e u r entdeckte Ersch einu ng und die

]) A . Zur Vorgeschichte. Pasteur. S. 3 0 1 . B. Das Werk von I. H . v a n ’t H o f f und I. A. L e B e l . S- 3 ° 4 —312 , 331 — 336. C. Stereochemie in ihren all­

gemeinen Folgewirkungen. S. 352.

von ihm geschaffenen klassischen Spaltungsm etho­

den der racem ischen I raubensäure in die d-W ein- säure und die 1-W einsäure entsprechen der ein­

fachen G leichung: 2 d-Mole -> (d + 1) « - 2 1-Mole.

Die Erscheinungen der R acem isation bieten in m ehrfacher H insicht ein besonderes Interesse dar, das bis auf die letzte Zeit vorgehalten hat. E in e s­

teils sind es die Phänom ene der R acem isierung in ihrer großen M annigfaltigkeit, in ihrer A bh ängig­

keit von der N atu r der optisch-aktiven Stoffe selbst und von dem Lösungsm ittel und den Lösun gs­

genossen, sowie von den äußeren physikalischen Um ständen (W ärme, L ich t, K onzentration usw .);

(7)

H e ft i 3 . 1

i . 5- 1925

J

W

a l d e n: Vergangenheit und Gegenwart der Stereochemie. 377

andernteils ist es aber die theoretische E rfassu n g der inneren V orgänge bei dem Vorgang der R ace- m isation. F o rm al stellt sich derselbe als der denk­

b a r einfachste Substitutionsvorgang am a sy m ­ m etrischen A tom dar, bei dem nur eine O rts­

änderung oder ein Platzw echsel, ohne einen sto ff­

lichen W echsel der Substituenten, stattfin d et,

z. B . 1-Antipode C „ b c d

± d-Antipode C / : \ d c b E s liegt nahe, die R acem isierung m it den durch T em peratursteigerung b ew irkten erhöhten Schw in­

gungen der am asym m etrischen A tom befindlichen G ruppen zu verknüpfen (z. B . A. W e r n e r ) . Doch gib t es V erbindungen, die selbst durch m ehrtägiges E rh itzen a u f 200 0 nich t racem isiert werden, z. B . W einsäurediisobutylester (A. F . H o l l e m a n , R ec.

T ra v . chim. P a y s -B a s 17 , 66. 18 9 8 ), und um gekehrt kennen w ir Stoffe, die schon bei gewöhnlicher Tem peratur im homogenen Zustande sich race- misieren [Autoracem isierung der a k tiven H alogen­

bernsteinsäureester, ( W a l d e n 18 9 8 ), a k tiven A m ­ m onium salze (E. W e d e k i n d , 190 3)» aktiven M etall­

kom plexsalze (A. W e r n e r , 1 9 1 2 ) ] . Die R ace- m isierungsgeschw indigkeit hängt dem nach a b : von der chem ischen N atu r des aktiven Stoffes, von der N atu r des optisch-inaktiven Lösungsm ittels und des Lösungsgenossen (ob Salz, Säure oder B ase u. ä.), von der Tem peratur, Ionenkonzentration u. ä.

Ihre Größe kann dem nach schwanken zwischen K > O bis < 00.

Schließlich dürfte eine E rken n tn is des V o r­

ganges der R acem isierung eine R ü ckw irk u n g au s­

üben au f die Erken n tn is der optischen (Walden- schen) U m kehrerscheinungen, w orauf bereits M c K e n z i e und W i d d o w s (Journ. of the Lond.

ehem. soc. 107, 708. 19 15 ) hingewiesen haben.

E in e besondere B etrach tu n g verd ient die R a c e ­ m isierung der Verbindungen m it einer CO-Gruppe und einem beweglichen H -A tom , sowie die R olle der H ydroxylio n en bzw. Alkalien.

Die von Me i s s n e r (Ber. d. D tsch. ehem. Ges.

30, 157 4 . I ^97) an der W einsäure entdeckte k a ta ­ lytisch e R acem isierun g wurde von H o l l e m a n (Rec. T ra v . chim. P a y s -B a s 17 , 66. 1898) nach­

geprüft, auch au f M andelsäure ausgedehnt und messend verfolgt. Gleichzeitig h at B ö e s e k e n (Rec. T ra v . chim. P a y s -B a s 17 , 224. 1898) das Problem bearbeitet. A usführlich h at dann Ch r. Win t h e r die Frag e behandelt (Zeitschr. f. p hysikal.

Chem. 56, 465, 7 19 . 1906).

Die R acem isierungsvorgänge erwiesen sich als R eaktionen erster Ordnung m it T em p eratu r­

koeffizienten von der gewöhnlichen Größenord­

nung; bei der A lk a lik a ta ly se erschien die R a c e ­ m isierung durch eine A lkoh olatbildu ng w ah r­

scheinlich. Den eigenartigen Unterschied in der R a - cem isierungsgeschwindigkeit zwischen wässerigem und alkoholischem A lk a li entdeckte A l . M c K e n z i e (Journ. of the Lond. chem. soc. 107, 16 8 1. 1 9 1 5 ;

1 1 5 , 602. 19 19 ): w ährend wässerige K O H den 1-M andelsäureäthylester p raktisch ohne R acem i­

sierung zum 1-m andelsauren K aliu m führt, gibt alkoholisches C2H 5O K to tal racem isierten d-, 1- E ster.

Zur E rk läru n g des innerm olekularen Vorganges der Racem isierung sind zwei H ypothesen ergiebig herangezogen worden, erstens die desmotrope U m ­ lagerung und zweitens die B ild u n g von A dditions­

produkten. Die Arbeitshypothese von der desmo- tropen Umlagerung bei Racem isierungen ist seit längerer Zeit im Gebrauch. E s sei nur an K i p p i n g und H u n t e r (Jou rn. of the Lond. chem. soc. 83, 1009. 1903) erinnert, welche die R acem isierung der oi -Benzylpropionsäure folgendermaßen deuteten C H 2 • CgH 5 • CH (CH 3)COOH -> C H 2C6H 5 • C(CH 3) : : C(OH)2. (Vgl. auch Lo w r y, B rit. Assoc. R eport.

1904). Besonders ist durch Al. McKe n z i e und Wr e n (s. nachher) diese Anschauung entw ickelt worden und auch Fr a n k l a n d (Jou rn. of the Lond.

chem. soc. 10 3, 725. 19 13 ) h at sie vo r der A nsicht über Ionisation bevorzugt, z. B . im F a lle des d -T rop asäu reesters:

OH • C H 2 • C H (C 6H 5)CO O R ->

-> OH • C H 2 • C(C6H 5) : C(O H )O R .

A u f diese B ild u n g von räum lich sym m etrischem Enol, bzw. der Isom erisation K e to Z>-Enolform läßt sich auch die leichte R acem isierung von optisch-aktiven H ydantoinen (Da k i n, Chem.

Zen tralbl. 19 10 , II , 553) zurückführen:

N H —CO—N H K etoform

R • CH E nolform

-CO N H —CO—N H

I I

R . C _________ € • OH W eitere B eispiele lieferten L e u c h s und W u t k e (Ber. d. D tsch. chem. Ges. 46, 2426. 1 9 13 und 54, 832. 19 2 1), L e n a n d e r (Sv. kem. Tidskr. 29, 6 1.

19 17 ), B a g g e s g a a r d - R a s m u s s e n ( 1 9 1 7 ) . L o v e n und A h l b e r g (Ber. d. D tsch. chem. Ges. 54, 227.

19 2 1), S. K a l l e n b e r g (Ber. d. Dtsch. chem. Ges.

56, 3 16 . (1923), s. auch 50, 90. 19 17 ). E ben so h atte O. R o t h e (Ber. d. D tsch. chem. Ges. 47, 843. 19 14 ) die R acem isierung der M andelsäure durch eine Enolbildung gedeutet:

Ri\c h • C < °

R / x OH

Rlxc • c/OH

r / ' N d h Eingehend h at A l . M c K e n z i e (mit B ä t e , Jou rn . of the Lond. chem. soc. 107, 16 8 1. i9!5)>

m it H. W r e n , (Jou rn. of the Lond. chem. soc. 1 1 5 , 602. 19 19 ), bzw. m it J . A . S m it h (Jou rn. of the Lond. chem. soc. 1 2 1 , 1348 . 1922) diese H y p o ­ these an den aktiven M andelsäureestern, Am iden usw. durch die Racem isierung m it H ilfe von A lkali und A lk a liä th y la t studiert. Die Annahm e der interm ediären B ild u n g von Additionsprodukten bzw.

die Enolisierung der CO-Gruppe stehen m it den Versuchsergebnissen im besten E inklang. Sie geben das folgende R eaktionssch em a:

(8)

37§ Wa l d e n: Vergangenheit und Gegenwart der Stereochemie.

[

Die N atur­

wissenschaften

OH OH

C 6H 5 • C • H + C2H 5O K --- v c6h5 • ch

I I

c • NH2 C • NH»

O / \

K O OC2H 5

opt.-aktiv aktiv

OH --- > C6H 5 • C

cII HO / \N H 2

inaktiv

--- > c6h5 • ch + h • c • c6h5

I i

CO . n h2 CO • n h2

1-Form d-Form

inaktiv

A uch für die a-Sulfon difettsäuren — ähnlich wie es F r a n c h i m o n t (Rec. T ra v . chim. P a y s -B a s 39, 689. 1920) für die Sulfonpropionsäure gezeigt h atte — ist A lkaliüberschuß ein die R acem isierung beschleunigender K a ta ly sa to r, und R . A h l b e r g (Journ. p rakt. Chem. 107, 2 4 1. 1924) nim m t ebenso die Zwischenbildung einer E nolform — unter zeit­

w eiliger A ufhebung der asym m etrischen A tom e a n : K etoform —> Enolform —> K etoform .

a k tiv (sym m etr.) in ak tiv

E in w ertvolles und eingehendes Studium der Racem isierungserscheinungen, insbesondere bei op­

tisch -ak tiven Sulfidsäuren, h at jü n gst P . Fi t g e r1 ) durchgeführt. A u f Grund einer kritischen D u rch ­ sich t der bereits bekannten D aten und der eigenen M essungen findet Fi t g e r, daß die R acem isierung z. B . der Säuren, erfolgt 1. durch alkalische M e­

dien in W asser (oder durch N a -Ä th y la t in alko­

holischer Lösung) gewöhnlich infolge einer K eto- Enolum lagerung, wobei die A sym m etrie durch A ddition eines H yd roxylio n s an den Carbonyl- sauerstoff und nachherige A bspaltu n g von W asser zeitw eilig aufgehoben w ird (s. o. McKe n z i e), 2 . in neutraler L ösung hauptsächlich infolge der ioni­

sierten C arboxylgrup p e und der dadurch erm ög­

lichten E nolisierung der «-Carbonylgruppe, während 3. in saurer Lösung (z. B . bei Zusatz von HCl) die op tisch -ak tive Säure weniger ionisiert, daher die R acem isieru ng erschwert ist.

Ü ber die R o lle des Lösungsmittels gibt P. W a l ­ d e n (in seiner zit. M onographie, p. 16 0 — 183) zahl­

reiche Beispiele, ebenso auch A . G o r i s und C o s t y (Chem. Zentralbl. 3, 268. 1922).

Ü ber den E in flu ß der Ionisation des optisch­

aktiven K örpers a u f die Racem isierung liegen B e i­

träge vo r von Ga d a m e r2) sowie neuerdings von H. Me e r w e i n und Mo n t f o r t3) ; die letzteren brin­

*) P. Fi t g e r, Racemisierungserscheinungen usw., Lund, 1924 (Verlag Chemie, Leipzig).

2) Ga d a m e r, Journ. prakt. Chem. (II) 87, 312.

19 13.

3) H. Me e r w e i n und Mo n t f o r t, Liebigs Ann.

tl. Chem. 435, 207. 1923.

gen auch D aten über den E influ ß des indifferenten Lösu ngsm ittels und die A bhängigkeit der R ace- m isierungsgeschw indigkeit (von Isobornylchlorid) von der D ielektrizitätskonstante des Solvens, also von dessen dissoziierender K ra ft. — W ährend fü r die Racem isierun g der op tisch -aktiven Kohlenstof/- verbindungen ein um fangreiches U ntersuchungs­

m aterial vorliegt, sind die Racem isierungserschei­

nungen der anderen optisch-aktiven Elemente, sowie der anorganischen Kom plexsalze bisher kaum syste ­ m atisch durchforscht worden.

k) Besondere F ä lle . Spaltungsversuche ergeben 100°/^ nu r des einen A ntipoden. Asymmetrische

Umlagerung ( Le u c h s).

E rfahrungsgem äß liefert ein racem ischer K ö r­

per bei der Spaltu n g (K rystallisatio n ) m it H ilfe einer optisch aktiven Verbindung neben dem einen (schwerer löslichen) A ntipoden auch den anderen leichter löslichen Antipoden. A uffallenderw eise er­

hielten P o p e und P e a c h e y (Chem. Zentralbl.

I < 6 55; 2, 34. 1900) bei der S paltu n g des in ak tiven M ethyl - äthyl -n - p r o p y l - Z in n - d - Cam phersulfonats durch fortgesetztes E ind am pfen nur das k ry sta l- linische Salz der R echts-Zinnbase, so daß die zu­

gehörige 1-B ase vo llstän d ig in die d -B ase um ge­

w and elt w urde. A uch G a d a m e r (Arch. f. exp.

Path ol. u. Pharm akol. 258, 1 7 1 ff. 19 19 ) erhielt bei der Sp altu n g der in ak tiven Cantharolsäure durch das B ru cin salz nur die 1-Säureform .

D ie ähnliche Ersch einung haben auch W . H . M i l l s und A . M . B a i n beim O xim der 4-Cyclo- hexanon-carbonsäure (Jou rn. of^the Lond. chem.

soc. 97, 1866. 19 10 ) und A . W e r n e r (Ber. d. Dtsch.

chem. Ges. 45, 30 6 1. 19 12 ) beim T rioxalato-ch ro- m iat [Cr(C204)3] R 3 beobachtet.

Zur D eutung dieser F ä lle wurde eine leicht er­

folgende A utoracem isierung der A lkaloid-(oder Säure-)salze der betreffenden Stoffe in gelöstem Zustande, etw a bei erhöhter T em peratur, ange­

nommen. E in e theoretische A u fkläru n g dieser interessanten F ä lle h at R . W e g s c h e i d e r (Ber. d.

Dtsch. chem. Ges. 55, 764. 1922) gegeben, indem er bei der stattfindenden U m lagerung des einen asym m etrischen B estan d teils in den anderen zwei A rten unterscheidet. E n tw ed er tr itt die U m ­ lagerung bei den Verbindungen der optischen A n ti­

poden m it dem aktiven Reagens ein, oder diese V e r­

bindungen sind in Lösung teilweise dissoziiert, und die U m lagerung vollzieht sich an den vorhandenen freien Antipoden, w as dann einer eigentlichen R acem isierung entspricht.

Einen tieferen E in b lick in den inneren V organg solcher U m lagerung gewähren die interessanten F ä lle „asym m etrisch er U m lagerung“ , die H . L e u c h s (Ber. d. Dtsch. chem. Ges. 46, 2425. 1 9 1 3 und 54. 830. 19 2 1) entdeckt hat. L e u c h s und Wu t k e (19 13) fanden, daß das B ru cinsalz des ex-(Benzoyl-o-carbonsäure) -/?-hydrindons beim K r y - stallisieren aus kaltem Aceton ausschließlich die nach rechts drehende Säure gab. In diesem K ö rp er ist ein bewegliches W asserstoffatom am asym -

(9)

Heft 18. ]

i- 5- 1925

J

Wa l d e n: Vergangenheit und Gegenwart der Stereochemie. 3 7 9

m etrischen C-Atom vorhanden, das letztere ist m it einer K etogruppe verbunden, — es liegt dem nach die M öglichkeit einer Enolisierung vor, und zwar unter V erlust des asym m etrischen C -A tom s:

c6h4<

CH 2— C H —C H 2 I I COoH CO—C6H 4 Keto-Form.

c6h4<CH»---- C- C H 2

02H C(OH)— c 6hI Enol-Form.

K ry sta llisie rt nun das B ru cin salz der vo rh an ­ denen oder aus der E nolform entstandenen d -K e to - säure aus, so kann nur das Salz der 1-K etosäure enolisiert werden.

K rysta llb ild u n g d -{K e to sä u re-S a lz }-l —>

-> Enolsäu re-Salz.

D as Enolsäure-Salz kann aber nur zu d-Salz keti- siert werden, da das Gleichgew icht 1-K etosäure- Salz '^ } Enolsäure-Salz d-K etosäure-Salz ->

-*■ K rysta llb ild u n g stets zugunsten der B ild u n g des schwer löslichen d-Salzes verschoben wird. Die Um w am dlung der 1t in die d -Form erfolgt also nicht über den R acem körper, sondern über einen S to ff ohne asym m etrisches C-Atom .

Einen ähnlichen F a ll fand Le u c h s (1920) bei der Hydrocarbostyril-ß-Carbonsäure, bei der die B il­

dung von K etoform neben E nolform m öglich is t:

CfiH /C H ,—C • COOH

6 4XN H —C - O H Enolform.

C H ,—CH • COOH N H —CO I

Ketoform1) (asymm. C).

D as Chininsalz gab hier beim A uskrystallisieren aus M ethylalkohol zu 10 0 % nur die rechtsdrehende Säure ([«]i> = + 56 ,4°).

Beide Säuren unterliegen leicht einer A uto- racem isierung (wohl infolge der Enolbiklung).

I) Sterische H inderungen.

In aller K ü rze sei hier auch des Fragen k om ­ plexes gedacht, für welchen V . Me y e r (1894) die B ezeichnung ,,sterische H inderungen" gegeben h at (Zeitschr. f. p h ysik al. Chem. 2 1, 149. 1896, B er.

d. Dtsch. chem. Ges. 27, 1586. 1894). B ekan n tlich schloß V. Me y e r aus der verschiedenen Schw ierig­

keit der E sterbild u n g arom atischer Säuren, daß die Erschw erung eine Folge der Raum erfü llung der dem COOH benachbarten Gruppen sei. Die sehr zahl­

reichen Einzelbeobachtungen und Serienm essungen haben in der Folgezeit jene „sterisch e H ind eru ng"

an vielen Stellen, bei den verschiedenartigsten Reaktionen und in den m an nigfaltigsten K ö rp er­

klassen als hemmendes M om ent erblickt. Teils beim E in tritt oder unzulänglichen V erlau f von chemischen R eaktionen, teils für die labile N atu r gegebener Verbindungen. D as w issenschaftliche Interesse für diese Frag e ist lebendig und nim m t m it der Ausdehnung der experim entellen Forschung im m er zu. D ie Zahl der anzuführenden F ä lle nur aus der jüngsten Zeit w ürde schon zu viel R au m beanspruchen. M an fand sie in überbrückten R in -

*) Hier kommt noch ein asymmetrisches 3-wertiges N-Atom vor.

g e n ( C a m p h e r, J . Br e d t), bei der M etylierung der K oh lenh yd rate (Polyam ylosen, Ir v i n e, H . Pr i n g s- h e i m u n d Ma c d o n a l d, 1924), b e i d e r A d d it io n a n tertiäre arom atische A m in e (J. v . Br a u n, I 9 i 3 f f . ) , b e i d e r O x im b ild u n g a u s Ketonen (E. Be c k m a n n

1923), b e i d e r k a t a ly t is c h e n H y d r ie r u n g (G. Va v o n 1923), b e i d e r N it r ie r u n g (A. Fö r s t e r 1922), b e i d e r V e r e s t e r u n g v o n C a r b o n s ä u r e n (W. A. No y e s 19 2 1) u n d S u lfo s ä u r e n (C. F . v a n Du i n 1 9 2i) u s w ., w o b e i t e ils e in e b e fr ie d ig e n d e , t e ils e in e d e r theoretischen Forderung e n tg e g e n g e s e tz t e W irkung b e o b a c h t e t wurde.

Trotz der Fü lle der Beobachtungen fehlt noch im m er eine gesetzm äßige F o rm fü r diesen Zusam m enhang zwischen R aum erfü llun g und R e ­ aktionsverm inderung. E s liegt auch wohl wenig A ussicht vor, diese q u an titative Form der A bh än gig­

keit zu finden, da ja das sterische Moment nur eines der zahlreichen m itbestim m enden ist. Die chemische N atu r der Gruppen, das Lösungsm ittel, der chem ische C harakter des Endproduktes, mo- lek. D eform ationen usw. spielen sicherlich m it.

E s liegt kein Grund vor, diese sterischen F a k ­ toren nicht auch au f die V orgänge in der lebenden Zelle zu übertragen. H . P r i n g s h e i m (N aturw issen­

schaften 7, 3 19 . 19 19 ) hat die spezifischen A n ­ passungen der M ikroorganism en disku tiert. E s w urde auch versucht, biochemische Prozesse zu den sterischen Hinderungen und zur K o m p lexsalz­

bildung in dem Organism us in Beziehung zu bringen (O. Ba u d i s c h, 19 2 1).

m) Asymmetrische Synthese1).

In seinen im Ja h re 1860 gehaltenen Vorträgen sagt L . P a s t e u r u .a . folgendes, das die Beziehung der optisch-aktiven W einsäuren zur Physiologie beleuchtet: ,,E t ainsi se trouve introduite dans les considerations et les etudes p l^ siolo giq u es l ’idee de l ’influence de la dissym etrie m oleculaire des produits organiques naturels, de ce grand caractere qui e ta b lit peut-etre la seule ligne de demarcation bien tranchee que Von puisse placer aujourd’hui entre la chimie de la nature morte et celle de la nature vivante . . Und im Ja h re 1874 (Cpt.

rend. de lA c a d . des Sc. 78, 1 5 1 7 . 1874) kom m t der M eister wdeder au f den w esentlichen U n ter­

schied zwischen den Synthesen in den Pflanzen und im chem ischen L aboratoriu m zurück, indem er gleichzeitig au f die Ursachen hin w eist: „L e s vegetau x produisent des substances dissym etriques sim ples ä l ’exclusion de leurs inverses (d .h . der race- m ischen Form en), contrairement ä ce qui a Heu dans les reactions dans nos laboratoires . . . Quelle peut etre la nature de ces actions dissym etriques? J e

1) Literaturnachweise finden sich z. B . bei K . Fa- j a n s, Zeitschr. f. physikal. Chem. 73, 25. 1 9 1 0 ; W. Pa- s t a n o g o f f, Zeitschr. f. physikal. Chem. 112 , 448. 1924;

Al. McKe n z i e und N. Wa l k e r, Journ. of the Lond- chem. soc. 12 1, 349. 1922; G. Br e d i g, Zeitschr. f. angew.

Chem. 36, 456. 1923. S. a. By k, Naturwissensch. 13, 17. 1925.

(10)

3So Wa l d e n: Vergangenheit und Gegenwart der Stereochemie.

[

Die N atu r­

wissenschaften

pense, quant ä moi q u ’elles sont de Vordre cos- m ique . . . ” —

Diese W erte erschienen im G ründu ngsjahre der Stereochem ie. W as h at nun diese zur B estätigu n g oder W iderlegung der obigen A nsichten Pa s t e u r s

aufzuweisen ?

Zuerst wollen w ir die kosmischen K rä fte be­

sprechen, die nach Pa s t e u r jene A sym m etrie her­

vorrufen sollen. E s ist nun zu notieren, daß Pa s t e u rsie im Sonnenlicht und im starken m agne­

tischen Feld e verm u tete; die von ihm angestellten Versuche ergaben aber ein n egatives R e su lta t (erst viel später teilte Pa s t e u r dieselben m it : R e v . scientif. (3) 7, 3. 1884).

E s w ar dann J . H. v a nt Ho f f, der das Problem der asym m etrischen Synthese, insbesondere „d er absoluten asymmetrischen Synthese“ neu belebte.

K önnen w ir optisch dauernd a k tive Stoffe aus optisch in ak tiven K om ponenten und ohne A n ­ w endung schon vorhandener o p tisch -ak tiver Stoffe oder stereochem ischer spezifischer K ata ly sa to re n , lediglich durch E in w irk u n g asym m etrischer äußerer p h ysik alisch er K rä fte darstellen? Va nt Ho f f

wies d arau f hin, daß eine solche Synthese m öglich sein dürfte ,,. . . bei unsym m etrischen Versuchs­

bedingungen, bei U m wandlungen z. B ., die durch die W irkung des rechts — oder links — zirkular — polarisierten L ich tes stattfin d en . . . "

Die seitdem , im L a u fe von 3 Jah rzeh n ten an ­ gestellten Versuche haben uns keine B estätigu n g dieser A nsich t gebracht. D ie W irkung des magne­

tischen Feldes benutzten B o y d (1896), J . Me y e r (1904), P h .-A . Gu y e (1909) die R e su ltate w aren n egativ. D a s zirkularpolarisierte Licht wurde, z. B . von McKe n z i e, zur Spaltu n g von racem . Salzen herangezogen (1895). He n l e und Ha a k h

(1908) w iederum erstrebten eine A ktivieru n g beim asym m etrischen A bbau, Fr e u n d l e r ( 19 0 7 ) und Pi r a k (1922) suchten die asym m etrisch ­ aktivierend e Beeinflussun g beim A ufbau, am aus­

führlichsten untersuchte G . Br e d i g (1. c. 1923) dieses Phänom en, indem er die asymmetrische M olekel selbst [nicht die farbigen M etallradikale, wie bei Co t t o n (1896) und By k (1904)] zum p ri­

m ären E m p fän g er und T räger der zersetzenden W irkun g des polarisierten L ich tes m achte. In allen F ä lle n traten wohl die erwünschten A b b a u ­ reaktionen auf, jedoch zeigten die synthetisierten (asym m etrischen) End prod ukte keine Spu r von optischem D rehungsverm ögen1).

x) Photosynthese von Zuckern. Durch die Unter­

suchungen von M o o r e und W e b s t e r (1914, 1918), ins­

besondere von E . Ch. C. B a l y und Mitarbeitern (Journ.

of the Lond. ehem. soc. 119 , 1025. 19 2 1) ist er­

wiesen worden, daß aus Kohlensäure C02 und Wasser photokatalytisch, durch Licht von der Wellenlänge

— 350 /utu, in Stufenreaktion Formaldehyd und dar­

aus reduzierender Zucker synthetisiert werden kann.

Hiernach hat es fast den Anschein, daß wir dem in der Pflanze sich vollziehenden synthetischen Aufbau von asymmetrischen Molekeln im Modell äußerst nahe ge­

kommen sind. Ist dieses nun eine totale asymmetrische Synthese ? Dazu fehlt noch ein Beweisglied, nämlich

Im A ngesicht dieser Mißerfolge kann die Frag e aufgeworfen w e rd e n : ist die Problem stellung über­

h aupt rich tig? Ist die V oraussetzung den T a t­

sachen entsprechend, daß die N atu r (Pflanze) nur die optischen In dividuen und nicht zugleich die racem ischen Form en produziert? Vollzieht die N atu r tatsäch lich ihre Synthese nur aus optisch ­ in ak tiven Kom ponenten ohne M itw irkung von schon vorhandenen, in den Zellen von A n fan g an gegebenen op tisch -aktiven Stoffen?

Die A n tw ort au f diese Frag en w ird aus dem Folgenden sich ergeben:

Von J . H . v a nt Ho f f (Lagerung der Atom e im R aum e, 2. A u fl., S. 30. 1894) w ar als WTeg zur asym m etrischen Synthese einer aktiven V erbin­

dung aus symmetrischem M aterial die Anwendung eines optisch-aktiven Lösungsmittels in der R o lle eines K a ta ly sa to rs vorgeschlagen worden.

E . F i s c h e r wiederum w ies au f die ,,stereo­

chemische Spezifizität“ der Ferm ente hin, die auf struktur-chem isch identische, aber stereochem isch verschiedene Substrate verschieden w irken, indem sie etw a wie ein Schloß zum Schlüssel passen m üs­

sen, und erhoffte vo n der experim entellen P rüfu ng dieses B ild es für die nächste Z u k u n ft greifbare R e ­ su ltate (Zeitschr. f. physiolC h em . 26, 60. 1898 und B er. d. D tsch. ehem. Ges. 27, 2992. 1894).

B eide Ideen haben als w issenschaftliche Keim e für eine ganze R eihe bedeutsam er U ntersuchungen gedient. D as optisch-aktive Lösungsmittel wurde z. B . von To l l o c z k o (1896), H . Go l d s c h m i d t und Co o p e r, P. Wa l d e n, F . S. Ki p p i n g, E . und O.

We d e k i n d, R . W . Ba l c o m (1908) zu den teils a u f­

bauenden, teils abbauenden Versuchen benutzt, hierbei w urden aber keine optisch -aktiven P ro ­ dukte erhalten.

D ann hat insbesondere W. Ma r c k w a l d (1899, 19 0 1 ) einen neuen Weg gew iesen: unter inter­

m ediärer Verw endung von op tisch -aktiven Stoffen w ird auf Grund der U nterschiede in der R e ak tio n s­

geschw indigkeit dieses a k tiven Stoffes m it den die Bestimmung der optischen Aktivität dieser syn­

thetischen Zucker. Bis dieser Beweis erbracht ist, müs­

sen wir die Frage nach der ,,totalen asymmetrischen Syn ­ these“ als noch nicht gelöst betrachten. — Unlängst hat Ba l y mit seinen Mitarbeitern He il b r o n und St e r n (Journ. of the Lond. ehem. soc. 123, 18 5. 1923), s. auch (121, 1078. 1922), photosynthetisch aus Kohlen­

säure und Ammoniak (bzw. Ammoniumnitrat), bzw.

aus aktivierten Formaldehyd mit Ammoniak, neben Pyridin, Piperidin, Methylamin auch ein typisches Alkaloid erhalten. Dieses erwies sich auf Grund ein­

gehender chemischer und physiologischer Prüfung als Coniin. Die Autoren sagen: . . das photosynthetische Alkaloid und das natürliche Alkaloid (Coniin) sind genau ähnlich (exactly similar) in all ihren Eigen­

schaften und Reaktionen“ (1. c. 194). Und doch müssen wir auch hier die für uns so wesentliche Angabe als fehlend hervorheben, nämlich: die optische Aktivität.

Bekanntlich ist das natürliche Coniin meist rechts­

drehend. — H . A. S p o e h r (Journ. of the Lond. ehem.

soc. 45, 118 4. 1923) konnte bei Wiederholung der Versuche Ba l y skeine Formaldehydbildung nachweisen.

Vgl. dazu Ba l y (Nature m , 323. 1923.)

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