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Die Naturwissenschaften. Wochenschrift..., 13. Jg. 1925, 7. August, Heft 32.

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NATURWISSEN SCHAFTE

H E R A U S G E G E B E N VON

A R N O LD B E R L I N E R

U N T E R B E SO N D E R E R M IT W IR K U N G VON HANS SPEMANN IN F R E I B U R G I. B R . ORGAN D ER GESELLSCHAFT DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE

U N D

ORGAN D ER K A ISE R W ILH ELM -GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG DER WISSENSCHAFTEN V E R L A G V O N J U L I U S S P R I N G E R I N B E R L I N W 9

HEFT 32 (SEITE 685-700) 7. A U G U ST 1925 DREIZEHNTER JAHRGANG

I N H A L T : Über das Verhältnis der vergleichenden und der

experimentellen Methode in der Zoologie. Von J . Gr o s s, N e a p e l ... 685 Über parakrystalline und gespannte Stoffe. Von

Fr i e d r i c h Ri n n e, L e ip z ig ... 690 Verflüssigung des Heliums in der Physikalisch-

Technischen Reichsanstalt. Von Wa l t h e r Me i s s n e r, B e r l i n ... 695 Be s p r e c h u n g e n :

Minerva, Jahrbuch der gelehrten Welt. Von Ar n. Be r l i n e r, B e r l i n ... 697

Zu s c h r if t e n u n d v o r l ä u f ig e Mi t t e i l u n g e n: Quecksilberhelid. Von G. Joo s, Jena . . . . 697 Zum Nachweis des Verschiebungssatzes bei

Bandenspektra. Von R . Me c k e, Bonn . . 698 Vorläufige Mitteilung über einen Zerfall des

Bleiatoms. Von A. Sm it s und A. Ka r s s e n, Amsterdam ... 699 Zur naturwissenschaftlichen Erforschung des

Denkens. Von W. Be n a r y, Erlangen . . . 699 Zur Geschichte der Chemie im Raume. Von

Er n s t Co h e n, Utrecht ...700 Ast r o n o m is c h e Mi t t e i l u n g e n :

Das kontinuierliche Coronaspectrum . . . . 700 Hierzu Nr. 8 der Mitteilungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte

Abb. 73. D i a m a n t m o d e l (. Die eine Wurfeldiagonafe steht senkrecht, man blickt schräg von oben auf die Oktaedernetzebenen.

Die langen weißen und schwarzen Fäden zeigen die gegeneinander um lU der Diagonale verschobenen Grundwürfel der beiden flädienzentrierten Gitter.

Aus: K r i s t a l l e und R ö n t g e n s t r a h l e n

Vo n Dr. P. P. Ewald

Professor der theoretischen Physik an der Technischen Hodisdiule zu Stuttgart

337 Seiten mit 189 Abbildungen. 1923 25 Goldmark/ gebunden 26,50 Goldmark

<6. Band: N aturw issenschaftliche M onograph ien und Lehrbücher Herausgegeben von der S c h r i f t l e i t u n g d e r „ N a t u r w i s s e n s c h a f t e n “)

V E R L A G V O N J U L I U S S P R I N G E R I N B E R L I N W 9 Der Postvertrieb der „Naturwissenschaften“ erfolgt von Leipzig aus t

(2)

II D I E N A T U R W I S S E N S C H A F T E N . 1925. Heft 32. 7. A u g u st 19 * 5

D I E N A T U R W I S S E N S C H A F T E N

erscheinen in wöchentlichen Heften und können im In- und Auslande durch jede Sortimentsbuchhandlung, jede Postanstalt oder den Unterzeichneten Verlag be­

zogen werden. Preis vierteljährlich für das In- und Ausland 7.50 Goldmark (1 Gm. == 10/42 Dollar nord­

amerikanischer Währung). Hierzu tritt bei direkter Zustellung durch den Verlag das Porto bzw. beim Bezüge durch die Post die postalische Bestellgebühr.

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V e r l a g v o n J u l i u s S p r i n g e r i n B e r l i n W 9

Biologie

und Philosophie

Von

Max Hartmann

59 S eiten . 1925. 2.40 G oldm ark

(Ö ffentlicher V ortrag, g eh alten in der K aiser-W ilh elm - G esellsch aft zur Förderung der W issen sch aften , B erlin ,

am 17. D ezem ber 1924)

Theoretische Biologie

vom Standpunkt der Irreversibilität des ele­

mentaren Lebensvorganges Von

Professor Dr. R u d o lf E h r e n b e r g

P rivatd ozen t für P h ys io lo g ie an der U n iv ersität G öitingen

354 Seiten. 1923 9 G oldm ark; gebunden 10 G oldm ark

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN

D re iz e h n te r J a h r g a n g 7. A u g u s t 1925 H eft 32

Über das Verhältnis der vergleichenden und der experimentellen Methode in der Zoologie.

Von J . Gr o ss, Neapel.

„B eo b ach tu n g und R eflexio n “ lau tet der U n ter­

titel von Ka r l Er n s t v o n Ba e r s klassischen Untersuchungen „Ü b e r E ntw icklungsgeschichte der T iere1). , .Beobach tung und R e fle x io n “ könnte m an auch als M otto über eine Geschichte der je tzt ebenfalls bereits klassisch gewordenen großen E poche der vergleichenden M orphologie schreiben. B eobach tung naturgegebener T atsachen, deren Vergleichung und V erknü pfung in der R eflexion : das w aren die fa st einzigen Forschun gs­

methoden jener Generation, das w aren die festen Fundam ente, auf denen die großen zoologischen Theorien des 19 . Jah rh u n d erts errich tet wurden.

Der w issenschaftliche V ersuch tra t noch ganz in den H intergrund, ob es gleich auch in der Zoologie schon dam als einige M eister des Experim en tieren s gab.

E in e stärkere Beton un g der experim entellen Methode, und d am it ein völliger U m schwung im B etriebe der W issenschaft lassen sich etw a von der Jah rh undertw ende an verfolgen. D er d am it gegebene A n fan g einer neuen Epoche in der Zoolo­

gie k n ü p ft sich h auptsächlich an vier N am en.

W ilh e lm R o u x führte, ohne die phylogenetische D enkw eise zu vernachlässigen oder gar zu v e r­

achten, das E xp erim en t in das Studium der Onto- genie ein und schuf so die neue erfolgreiche W issen­

schaft der E ntw icklungsm echanik. Ja c q u e s L o e b m achte die physikalische Chemie und die Ionen­

theorie für die zoologische Forschu n g fru ch tbar und wurde dam it der B egrü nd er der biochem ischen R ichtun g, die nam entlich in N ordam erika sehr schnell em porblühte. D urch die A uffindung von G r e g o r M e n d e ls berühm ten A rbeiten erhielt die experim entelle Zoologie ebenfalls einen sehr k rä f­

tigen A n trieb ; denn die auf den M E N D E L sch e n Regeln sich aufbauende exak te Erblich keitsleh re m it ihren ausgezeichneten experim entellen M etho­

den blieb nicht au f die B o tan ik beschränkt, sondern eroberte sich schnell auch die Schw esterw issen­

schaft. Und als vierter d arf A n to n D o h r n nicht übergangen werden. Selbst ein M eister der v e r­

gleichenden M orphologie sah er doch m it be­

wundernswertem W eitblick das Kom m en der neuen E poche vo raus und schuf in der p hysio­

logischen A b teilun g seiner zoologischen Station der experim entellen Zoologie die erste gut aus­

gestattete am Meere gelegene H eim stätte: m it welchem E rfo lge ist allbekannt. W ie einst die A natom en dem Beispiele Jo h a n n e s M ü l l e r s folgend ans M eer eilten und dort ungeahnte Schätze für die W issenschaft hoben, so ertönte auch bei

x) Königsberg 1828 und 1837.

N w . 1925.

den Physiologen je tzt der R u f: T h a latta , T h a la tta ! D er E in lad u n g Do h r n s folgend zogen auch sie je tzt an das berühm te G estade von N eapel, er­

stau nt über die Fü lle der Problem e, welche die m arine T ierw elt auch dem Physiologen bietet. D er N eapeler Station schlossen sich bald Schw ester­

anstalten an anderen Meeren an, so in W oods Hole, in Roscoff, in Plym ou th usw. U nd der frische Seewind, der von ihnen allen hineinwehte in die physiologischen Laboratorien des B innen­

landes, bew ahrte diese vo r der E rstarru n g, die ihnen von der allzu einseitigen B esch äftigu ng m it Hund, K aninchen, M eerschweinchen, H uhn, Taube und Frosch drohte. D a also die experim entelle Zoologie um die Jah rh undertw ende von so v e r­

schiedenen Seiten her k räftigste Förderung er­

hielt, ist es nicht zu verwundern, daß sie bald ebenso schnell und stolz em porblühte, wie es ihre ältere Schw ester, die vergleichende Morphologie, einst unter der Fü h ru ng von Da r w i n und Ha e c k e l

getan hatte. W ie fortreißend der große Zug w irkte, der durch die B elebung der experim entellen R ic h ­ tu ng in die zw ar beständig, aber je tzt etw as be­

dächtig fortschreitende Zoologie gekommen w ar, das geht wohl am schönsten h ervor aus den be­

geisterten und begeisternden wehm utgem ischten W orten eines hochverdienten V eteranen1) der vergleichenden M orphologie: „M an m öchte wieder ju n g werden, um intensiver m itarbeiten zu können.“

A ber schnell erworbene Trium phe verführen zu Ü berm ut. D as ist m enschlich und verständlich, fü r die W issenschaft jedoch auch gefährlich.

W ie einst die vergleichenden Morphologen im Ü berschw ang der B egeisterung über die E rfolge ihrer neuen Forschungsrichtung die ältere Schule der S y stem a tik verach teten und höhnisch von einer „B algzo o lo gie“ sprachen, so h atten und haben auch je tzt viele experim entelle Zoologen für die vergleichende M orphologie nur H ohn und S p o tt übrig. A m weitesten ging hierin wohl Dr i e s c h2), der einst der vergleichenden M orpho­

logie gar jeden w issenschaftlichen W ert absprechen w ollte und in jugendlicher K eckh eit den berühm ten A usspruch t a t : „W o h l können w ir irren, aber unsere Gegner können nie w issen.“ Ob der große Logik er und B egründer der Ordnungslehre diesen Satz heute noch unterschreiben würde, weiß ich

1 ) Ar n o l d La n g in seinem Referat über Ver­

erbungsversuche in: Verhandl. D. zool. Ges. 19- Vers. 1909. 78

2) Von der Methode der Morphologie. Kritische E r­

örterungen in: Biol. Zentralbl. 19 , 45.

87

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686 G r o s s : Verhältnis der vergleich, und der experiment. Methode in der Zoologie. [ D ie N atur- [wissenschaften

n ich t; im allgem einen h ält er ja nicht sehr zähe an einm al form ulierten A nsichten fe s t : als be­

zeichnend fü r die Stim m ung experim enteller B io ­ logie um die Zeit der Jah rh undertw ende werden seine W orte aber historischen W ert behalten.

U nd ähnlich wie d r i e s c h, nur n icht ganz so schroff, urteilen auch heute noch m anche E n t ­ w icklungsm echaniker, Physiologen und exak te V ererbungsforscher über den W ert der vergleichen­

den M ethode.

Die reinen M orphologen können diese G erin g­

schätzung ihrer A rb eit m it R u h e ertragen. F ü r ihre Zwecke reichen die beiden F o r s c h u n g s m i t t e l

„B eo b ach tu n g und R e fle x io n “ fa st im m er aus, und wenn ihre Schlußfolgerungen von seiten der experim entellen Zoologie B estätigun gen oder auch Berichtigungen erfahren — jenes geschieht h äu ­ figer als dieses —, so werden sie das stets freudig begrüßen, im übrigen aber festhalten an ihrer bew ährten M ethode, deren Schönheit fü r jeden denkfreudigen G eist ihre R eize nie verlieren kann.

F ü r die experim entelle Zoologie erw ächst aber aus der G eringschätzung der vergleichenden Methode eine ernste G efah r: sie beraubt sich dam it einer Bundesgenossin, ohne deren H ilfe sie leicht in schwere Irrtü m er verfallen kann. M it R ech t w arn t daher Ha r t m a n n1 ), den der V erd acht einer U nterschätzung des E xperim en ts gewiß nicht treffen kann, vo r der „E n tw e rtu n g und H erab ­ setzung der generalisierenden In duktion (der v e r­

gleichenden M ethode)“ m it den beherzigenswerten W orten: „ B e i U n terschätzung der rein phäno­

menologischen, generalisierend vergleichenden B e ­ trach tung eines Vorganges ist eben überhaupt nur zu oft die Gewinnung richtiger oder allgem einer Vorstellungen, also die Gewinnung fru ch tbarer H ypothesen und dam it auch eine richtige Problem ­ stellung unm öglich, und das geschickteste E x p e ri­

m ent kann dann theoretisch höchst unfruchtbar sein.“ D eshalb erschien es m ir nicht unnütz, in einer kurzen B etrach tu n g einm al den W ert der beiden M ethoden fü r die Zoologie gegeneinander abzuwägen. D a ich als N aturw issensch aftler zu N aturw issenschaftlern spreche, w ill ich E rk en n t­

nistheorie und D ialektik so w enig wie m öglich bemühen und m ich ganz schlicht an T atsach en halten. Und d a springt uns gleich eine sehr nach­

denkliche in die Augen. U nter allen Zweigen der N aturforschung erfreu t sich unbestritten ermaßen die Astronom ie der sichersten Ergebnisse. J a ,

„astronom isch e G ew iß heit" ist das selten zu er­

reichende Ziel der Einzelforschung in allen anderen W issenschaften. U nd, seltsam genug: gerade in der Astronom ie spielt das E xp erim en t eine sehr untergeordnete Rolle. A lle ihre großen E n t ­ deckungen h at sie m it alleiniger H ilfe von F e rn ­ rohr, Spektroskop und photographischer K am era gem acht, also rein durch „B eo b a ch tu n g und R e ­ flexio n “ oder durch „generalisierende vergleichende B etrach tu n g“ , um m it Ha r t m a n n zu reden.

x) Allgemeine Biologie, eine Einführung in die Lehre vom Leben, i. Teil, Jena I 925*

In den ausgesprochen experim entellen W issen­

schaften dagegen scheint „astronom ische G ew iß­

heit“ , und dam it D auer der Ergebnisse, nur sehr selten erreicht zu werden. Ich erinnere nur an den beständigen W echsel in den A nschauungen über die N atu r des L ich tes von N e w t o n s E m is- sions- bis zu P l a n c k s Quantentheorie. B ek a n n t ist auch das W ort des großen Chem ikers K e k u l e ,

daß Theorien in der R egel nicht älter werden, als 25 Ja h re . U nd ein großer P h y sik e r äußerte in einem V ortrage, den ich vo r 5 Ja h re n das G lück h atte zu hören, daß physikalische Theorien es m eist auch nur au f 30 Ja h re Lebensdauer bringen.

U nd alle diese so kurzlebigen chem ischen und physikalischen Theorien w aren zu ihrer Zeit durch E xperim en te bewiesen und m athem atisch b e­

gründet.

Indes dauert die vo r mehr als 100 Ja h re n durch L a m a rc k begründete, lediglich au f v e r­

gleichender B eobach tu ng beruhende Descendenz- theorie noch heute und wird, aere perennius, weiter dauern, ganz unabhängig davon, wie sich die heutige experim entelle Schule zu ihr stellt.

Denn sie ist eine logische N otw endigkeit. E inerlei, ob die U rzeugungslehre, wie ich glaube, R ech t be­

halten w ird, oder ob, w ie Thom son und A r r h e n iu s wollen, die ersten Lebenskeim e von anderen W elt­

körpern au f die E rd e gelangten, in jedem F a ll können die ersten irdischen Lebew esen nur ganz einfache O rganism en gewesen sein, deren N ach ­ kom m en sich durch A npassung und V ererbu ng zu den vielgestaltigen Reichen der Tier- und Pflanzenw elt entwickelten. Und auch die Selek ­ tionstheorie, bei deren B egründung das E x p e ri­

m ent ebenfalls nur eine N ebenrolle spielte, ist be­

reits über 60 Ja h re alt, h at also auch schon die doppelte Lebensdauer chem ischer und p h y si­

kalischer Theorien übertroffen, steht noch uner­

schüttert da und w ird alle die Leichen bitter über­

leben, die im m er und im m er w ieder ihren Tod verkünden. J a , ein n am hafter Ph ilo so ph 1) h at ihr neuerdings sogar aprioristische W ah rh eit zuge­

sprochen. U nd auch W eism an n s K eim p lasm a­

theorie ist im m erhin schon 40 Ja h re a lt und noch durchaus lebensfrisch. J a , m an kann sagen, sie sei gerade je tz t in eine neue Ju gen d eingetreten, da sie, lange w ider Gebühr zurückgesetzt, je tzt fast täglich, und zwar gerade durch experim entelle Arbeiten, neue w ichtige B estätigun gen erfäh rt.

D urch B etrach tu n g von We i s m a n n s L eb en s­

werk läß t sich auch leicht ein U rteil darüber ge­

winnen, wie das V erh ältn is von vergleichender Beobachtung und E xp erim en t in der Zoologie beschaffen sein muß, soll die W issenschaft keinen Schaden durch einseitige B evorzugu ng einer der beiden M ethoden erleiden. Gleich seinem M eister

Da r w i n w ar der B egründer der K eim plasm atheorie ein erfolgreicher E xperim en tator, zugleich aber auch ein glänzender B eobach ter und beherrschte souverän das ganze große Tatsach en m aterial der

x) Ha r t m a n n, N .: Philosophische Grundfragen der Biologie. Göttingen 19 12.

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H e ft 3 2 . 1 G r o s s : Verhältnis der vergleich, und der experiment. Methode in der Zoologie. 687

7. 8. 19 2 5 J

vergleichenden M orphologie und Ökologie. In einem sehr bezeichnenden F a lle zeigte sich denn auch, wie sehr W eism an n dadurch vielen F a c h ­ genossen überlegen w ar. A ls J . L o e b 1) im Ja h re 1899 die M öglichkeit der chemischen E ntw icklungs­

erregung des Seeigeleies entdeckte, gerieten L aien und Gelehrte in eine nicht geringe Aufregung.

E s ist ja wohl noch allbekannt, welche über­

schwengliche H offnungen auf die W underw irkung des M gCl2 sogar für heikle Fragen des menschlichen Fam ilienlebens gesetzt wurden. A ber auch in der wissenschaftlichen W elt erregte L o e b s E n t­

deckung nicht nur das größte Staunen, sondern anfangs auch Bedenken und W iderspruch, h atte man sich doch daran gewöhnt, in der E n tw icklun gs­

erregung des E ie s den H auptzw eck, oder besser, die eigentliche B ed eutu ng der B efruchtung, zu sehen. Und nun sollte die geheim nisvolle W irkung der m ännlichen Keim zellen durch einfachen Zusatz einer Salzlösung zum Seew asser ersetzt werden können. L o e b 2) selbst kam bekanntlich nach Fortsetzu ng seiner Versuche zu der etw as ge­

wundenen E rk läru n g, das W esen der B efruch tung iiege in „d e r Beseitigung eines H indernisses oder eines W iderstandes, der einer gewissen chemischen Reaktion und d am it der E n tw icklu n g im W ege steht“ . N ur W eism an n w ar durch die neuen T a t­

sachen nicht überrascht, fand vielm ehr in ihnen die erw ünschteste B estätigu n g eines Gedankens, den er schon lange vertreten und bereits im Ja h re 18 9 1 in einem klassischen A u fsatz3) zusam m en­

fassend d argelegt hatte. V on jeher sah er, der früher herrschenden A uffassun g zum Trotz, das

\\ esen der B efru ch tu n g nicht so sehr in der E n t­

wicklungserregung, als vielm ehr in der M ischung der elterlichen K eim plasm en, für die er den A u s­

druck „A m p h im ix is“ schuf. H atte nun L o e b ge­

zeigt, daß die entwicklungserregende W irkun g des Sperm ium s durch rein physikalisch-chem ische Prozesse ersetzt werden kann, so w ar d am it die R ich tigkeit von W eism an n s Gedankengang aufs neue d argetan. A llbekannt ist ja auch, wie viel neue experim entelle B estätigu n gen W eism an n s Am phim ixistheorie später durch die moderne exakte Vererbungsforschung erhalten hat. N ie­

m an d zw eifelt heute m ehr daran, daß die M ischung der Keim plasm en, also die A m ph im ixis ein w ich­

tiger F a k to r für die B ild u n g neuer A rten ist, wenn auch nur wenige soweit gehen werden, wie der holländische B o tan ik er Lo t s y4), der in der K reu - zung sogar den eigentlichen „A rtb ild n e r“ sieht.

) O11 the Nature of the Process of Fertilization and the Production of Normal Larvae (Plutei from the unfertilized Eggs of the Sea Urchin) in: Journ. of physiol. 3. 1899.

-) Die chemische Entwicklungserregung des tie­

rischen Eies (Künstliche Parthenogenese). Berlin 1909.

3) Amphimixis oder die Vermischung der Individuen.

Jena 1890.

4) Versuche über Artbastarde und Betrachtungen über die Möglichkeit einer Evolution trotz Artbeständig­

keit in: Zeitschr. f. indukt. A b s t a m m u n g s - u. Ver­

erbungslehre 8. 19 12.

M it der B estätigu n g von We i s m a n n s A m phim ixis- lehre ist die B edeutung der L o E B s c h e n E ntdeckun g natürlich nicht erschöpft. Vielm ehr haben seine Versuche tief hineingeleuchtet in einen der ge­

heim nisvollsten V orgänge, von dem m an früher nie geahnt hätte, das es m öglich sein würde, ihn einer .chemischen A n alyse zugänglich zu machen.

Denn liegt die H auptbedeutung der B efruch tung auch nicht einfach im E indringen des Sperm ium s ins E i, sondern in der Verschm elzung der v ä te r­

lichen und m ütterlichen, vorh er durch die R e d u k ­ tionsteilungen au f die H älfte herabgesetzten K e rn ­ m assen, so bleibt doch auch die E n tw icklu n gs­

erregung ein sehr wichtiger Vorgang, dessen R ätsel durch die bewundernswerten Versuche von Lo e b, seinen M itarbeitern und N achfolgern der L ösu ng beträchtlich nähergebracht w o r d e n sind, w as durch einfache vergleichende B eobachtung, wenn über­

haupt, so doch jeden falls nicht annähernd so schnell h ätte geschehen können. Außerdem sind durch die experim entelle In angriffn ah m e des Problem s eine Menge neuer Tatsach en bekannt geworden, die an sich schon eine Bereicherung der W issenschaft bedeuten.

A uch aus neuester Zeit läßt sich ein eindrucks­

volles Beispiel anführen, das uns lehren kann, wie sehr die experim entelle M ethode der stetigen Ü ber­

w achung durch die vergleichende und die von dieser gezeitigten E rken ntnisse bedarf. Seit Ch r i­

st ia n Ko n rad Sp r e n g e l s berühm tem W e rk 1) galt es für ausgem acht, daß die bunten Farb en der auf B estäu bu n g durch Insekten angewiesenen B lum en der A nlockung dieser T iere dienen. E s galt daher als selbstverständlich, daß viele In ­ sekten, unter anderen auch die H onigbiene, im ­ stande seien, die verschiedenen B lü ten farben zu unterscheiden, also, kurz ausgedrückt, „F a r b e n ­ sinn“ besäßen. E s m ußte daher einiges Aufsehen erregen, als ein hervorragender Ophthalmologe C. v . He s s2) dieser A nsicht, die m it allen be­

obachteten Tatsachen in erfreulichster Ü berein­

stim m ung zu stehen schien, schroff widersprach.

A usgerüstet m it allen H ilfsm itteln der hochent­

w ickelten physiologischen O ptik h atte He s s die M ethoden der w issenschaftlichen Farbenlehre auf den L ich tsinn der Bienen angew andt und w ar durch eine R eih e streng exak ter Versuche zu dem Schluß gekommen, daß die Bienen sich in allen B etra c h t kom menden Beziehungen „so verhalten wie ein unter entsprechende Bedingungen ge­

brachter to tal farbenblinder Mensch“ . A n der Z u verlässigkeit von He s s’ Technik w ar nicht zu zweifeln, ja seine Methode schien denen älterer B eobach ter so überlegen, daß für viele die alte SpRENGELsche Lehre dam it erledigt schien. D a tra t dem altbew ährten M eister der Augenheilkunde ein ju nger Zoologe, Ka r l v . Fr is c h, entgegen,

x) Das entdeckte Geheimnis der N atur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin 1793-

2) Experimentelle Untersuchungen über den an­

geblichen Farbensinn der Bienen in: Zool. Jah rb., Abt.

f. Zool. u. Physiol. 34. 1913-

(6)

688 G r o s s : Verhältnis der vergleich, und der experiment. Methode in der Zoologie. (" Die N atu r­

w issenschaften

der sich keiner so ausgezeichneten physiologischen Schulung rühm en konnte wie He s s, der aber d afü r die Tiere nicht nur aus dem Laboratorium sversuch, sondern aus liebevoller Beobachtung in der freien N atu r kannte, u nd-nicht geneigt war, die Lehren von M ännern wie Sp r e n g e l, Da r w i n, He r m a n n Mü l l e r, Lu b b o c k u. a. so schnell aufzugeben. E r stellte daher, und zwar nicht im Laboratorium , wie sein Gegner, sondern am Bienenstock zahlreiche sinnreich abgeänderte D ressurversuche1) an und konnte feststellen, daß die H onigbiene einen recht gut entwickelten, allerdings aber m erkw ürdig ein­

geschränkten Farben sinn besitzt. Sie unterscheidet nur „w a rm e “ und „k a lte “ F arb en und verw echselt O rangerot m it G elb und m it Grün, ebenso B la u m it V iolett und P urpurrot. ,,E s zeigt som it ihr Farbensinn eine weitgehende Ü bereinstim m ung m it dem Farb ensin n eines rotgrünblinden (pro- tanopen) M enschen.“ D am it steht nun in erfreu­

lichster Ü bereinstim m ung die T atsache, daß in der europäischen F lo ra „je n e Farb en , welche vom Bienenauge nicht farb ig gesehen werden, also ein B la u grün und ein reines R o t“ , als Blum enfarben nur äußerst selten Vorkommen. Sp r e n g e l s von He s s angegriffene Lehre w ar also durch Fr i s c h s

die natürlichen Lebensbedingungen besser berück­

sichtigenden Versuche glänzend gerechtfertigt.

He s s bleibt natürlich das unbestrittene Verdienst, die ganze F rag e ins R ollen gebracht zu haben.

Ohne seine A nregung w äre es nie zu der interes­

santen Feststellu n g gekommen, daß die B ienen rotgrünblind sind, wodurch aber natü rlich die ganze F rag e nach dem Farb ensin n der Insekten überh aupt in ein neues Stad iu m getreten ist.

Daß andererseits auch die vergleichende M e­

thode der Ü berw achung und m itun ter der B erü ck ­ sichtigung durch die experim entelle bedarf, läßt sich ebenfalls an einem der G egenw art angehören­

dem Beispiel zeigen. E in e der schönsten E rru n gen ­ schaften der vergleichenden E m b ryologie ist die K eim blätterleh re. B egrü nd et vo r m ehr als 100 J a h ­ ren durch C h r. Pa n d e r2), dann durch B a e r , R e m a k , O. u. R . H e r t w ig und andere erweitert, bildet sie noch heute das feste Fun d am ent fü r alle Erörteru ngen über die Hom ologie verschiedener O rgansystem e. L eid er ist sie aber auch schon bald fü r viele zu einem D ogm a geworden. U nter dem V o rtritt so bedeutender E m b ryologen wie C. H is, K l e in e n b e r g und E . v a n B e n e d e n ge­

w ann der G edanke im m er m ehr Geltung, daß m it der A usbildung der K eim b lätter die jedem von ihnen angehörigen Zellen endgültig determ iniert sind, daß also aus Ektoderm zellen stets nur E p i­

dermis, N ervensystem und Sinnesorgane, aus Entoderm zellen nur noch D arm und A n h an gs­

organe des D arm es entstehen können usw. A ndere bedeutende Forscher, wie O. u. R . H e r t w ig

x) Fr i s c h, K . v. . Der Farbensinn und Formensinn der Biene in: Zool. Jahrb., Abt. f. Zool. u. Physiol.

35- I9I5-

2) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Hühn­

chens im Ei. Inaug.-Diss. Würzburg 181 7.

widersprachen dieser allzu scharfen Form u lieru n g der K eim b lätter lehre. D er Streit über d as D ogm a von der endgültigen D eterm inierung der K e im ­ blätter wogte lange hin und her, kam dann aber zur R uhe, ohne eine E ntscheidung erlebt zu haben.

Denn zu seiner Schlichtung reichte die vergleichende B eobachtung n icht aus. E n d gü ltige K lä ru n g brachten hier erst die m it großem Sch arfsinn an- gestellten und m it glänzender Technik d u rch ­ geführten entw icklungsm echanischen V ersuche Sp e e m a n n s und seiner Schule, über die O. Ma n­ g o l d1 ) kürzlich in dieser Zeitsch rift berich tet h a t.

W urden einem T ritonem bryo au f dem Stad iu m der G astru la m it geschlossenem U rm und E k t o ­ dermzellen entnommen und in einen entoderm alen oder m esoderm alen B ezirk des K eim es versetzt, so nahmen sie an der B ild u n g der D arm w and resp. der U rw irbel, also entoderm aler resp. m eso­

derm aler Organe teil. D am it h at, w ie Ma n g o l d

m it R ech t bem erkt, w enigstens fü r die A m phibien

„d ie F rag e nach der S p ezifizität der K e im b lä tter eine L ösu ng im negativen Sinne gefu nden“ . In ihrer schärfsten Form ulierung kann die K e im b lä tte r­

lehre nicht m ehr au frech t gehalten w erden. D a ­ gegen bleibt ih r eigentlicher K e rn u n angetastet.

D enn in der norm alen E n tw ick lu n g gehen b e­

stim m te Organe und Gewebe nur aus bestim m ten und im m er aus denselben K eim b lättern hervor.

F ü r die A ufhellu ng der Stam m esgeschichte eines Tieres oder O rganes beh ält die K eim blätterleh re also nach wie vo r ihren großen W ert. D as muß bedingt auch Ma n g o l d zugeben, und wenn er dabei von dem „h oh en aber ebenso unsicheren S tan d pu n kt der Stam m esen tw icklu n g“ spricht, so kann m an diese leichte Iron ie einem jungen, erfolgreichen E n tw icklu n gsm ech an iker wohl zu­

gute halten, der es nicht selbst m iterlebt h at, wie viel sicherer viele phylogenetische Theorien sind, als m anches berühm te E rgebn is experim en ­ teller Forschung, das nach wenigen Ja h re n a ll­

gemeiner Anerkennung „k la n g lo s zum O rkus h in ab “ m ußte.

W ohin e x ak te experim entelle Forschu n g ohne Ü berrasch un g durch die vergleichende M ethode führen kann, d afü r ist das schlagendste B eisp iel die Geschichte von Dr i e s c h s „ä q u ip o te n tie ll­

harm onischen S ystem en “ . B ek an n tlich h atte Dr i e s c h die E n td ecku n g gem acht, daß die ein­

zelnen Furchungszellen eines Seeigelkeim es, aus dem V erbände gelöst, bei der W eiterentw icklun g ganze L a rv e n ergeben. D ie T atsach e, daß ein T e il eines Keim es prinzipiell dasselbe leisten kann, wie der ganze unversehrte K eim , erschien ihm so unerhört, daß er eine einfache rein m echanische E rk läru n g fü r ausgeschlossen erk lärte, in diesem einen E rgebn is eine hinreichende W iderlegung der m echanistischen Theorie des Lebens erblickte, für die Seeigel- und andere sich gleich verh alten d e K eim e den schönen N am en „äq u ip o ten tiell-h ar-

x) Die Bedeutung der Keimblätter in der E n t­

wicklung (auf Grund von Experimenten an Amphibien­

keimen) in: Naturwissenschaften, 13. Jahrgang.

(7)

G r o s s : Verhältnis der vergleich, und der experiment. Methode in der Zoologie. 689

Heft 32.1

7. 8. 1925J

xnonisches S y ste m “ einführte und für die D eutung der V orgänge seine Zufluch t zu dem nebelhaften B egriffe der „E n tele c h ie “ nahm. E s ist m ir im m er unbegreiflich geblieben, wie ein Forscher, der vo r­

gibt, ein V ereh rer K a n t s z u sein, von „au ß erh alb des R au m es“ befindlichen aber in den R au m h in ­ einwirkenden W esen sprechen kann. Zur Zeit, als D r i e s c h seine E n tdecku n g m achte, konnte die E n tsteh u n g von G an zlarven aus H albkeim en im m erhin noch als etw as R ä tse lh a fte s erscheinen.

U nterdessen haben aber die F o rtsch ritte der Cytologie die ganze F rag e län gst geklärt. Die vergleichende m ikroskopische Forschun g h a t ge­

zeigt, wie vo r jeder Zellteilung, also auch vo r jedem Furchu ngssch ritt die wesentlichen B estand teile der Zelle genau verdoppelt werden, die Zelle vo r E in tritt der T eilung also eigentlich eine D oppel­

zelle ist, deren beide Teile nach der Trennung q u an tita tiv genau gleichw ertig der M utterzelle vo r dem B egin n der zur T eilun g führenden V orgänge sind. W as W under also, daß jeder vo n ihnen dasselbe ontogenetische Verm ögen, dieselbe „p ro ­ spektive Potenz“ , um m it D r i e s c h z u reden, be­

sitzt, wie die M utterzelle. D er m athem atische A u s­

druck fü r den V organg der Furchun g ist nicht,

wie D r i e s c h annahm , 1 : 2 = — , sondern

2

- = 1 . E s gibt kaum Erscheinungen, die der einfachsten k au salen E rk läru n g so wenig Schw ierig­

keiten bereiten, w ie die äquipotentiell-harm onischen System e. H ätte D r i e s c h die Fo rtsch ritte der C ytologie aufm erksam verfolgt, h ätte er nicht stets eine so souverän e V erach tu n g für die M orpho­

logie bewiesen, so w äre einem so feinen K o p f die Lösung des R ä tse ls natürlich noch viel weniger entgangen als m ir, und er h ätte sich den R ü c k fa ll in aristotelische G edankengänge und seine ganze h art an den O kkultism us streifende Entelechie- lehre ersparen können.

N atü rlich gib t es große Teile der Zoologie, in denen ein reger F o rtsch ritt nur m it H ilfe der experim entellen M ethode m öglich ist. D ahin ge­

hören das ganze G ebiet der R egeneration, zahl­

reiche Problem e der Entw icklu nsm ech anik und viele F rag en der Vererbungslehre. W ollte die W issenschaft da w arten, bis hier und da ein glück­

licher Z u fall eine einschlägige T atsach e aus der freien N atu r dem B eo bach ter in die H ände spielt, so könnten Jah rh u n d erte vergehen, ehe F rag en entschieden werden, deren B ean tw ortu n g durch Lab oratoriu m sarb eit in M onaten oder W ochen er­

reicht werden kann. A u f der anderen Seite gibt es aber auch Problem e, die nur durch die v e r­

gleichende M ethode eine befriedigende Lösu n g finden können. Nehm en w ir z. B . den F a ll, ein Entw icklungsm echaniker der Zu ku nft, der an W eite und Tiefe der E rk en n tn is, wie auch an V o ll­

kom m enheit seine heutigen K ollegen w eit über­

ragt, triebe die A n alyse der zur B ild u n g von Kiem enbögen am Säugetierem bryo führenden V o r­

gänge soweit, daß er jeden einzelnen von ihnen

streng m echanistisch deuten und die an seinem Zustandekom m en beteiligten K rä fte aufzeigen könnte, so h ätte er dam it noch im m er nicht er­

klärt, w arum das werdende Säugetier überhaupt Kiem enbögen, und nur auf dem Um weg über solche sein K iefergelen k und sogar seine Gehör­

knöchelchen bildet. D as V erständnis fü r diesen an sich fa st w underbar anm utenden Tatsach en ­ kom plex gew ährt allein das durch vergleichende B eobachtung gewonnene biogenetische G ru n d­

gesetz. Die Ontogenie aller Tiere w im m elt ja überhaupt von Erscheinungen, die eine b efrie­

digende w irklich kausale E rk läru n g nur in der Phylogenie finden können. D as wollen m anche moderne, sich w eit über Hä c k e l und seine Zeit erhaben dünkende, Zoologen nicht gelten lassen.

E s ist aber eine T atsach e. Verm öge der V e r­

erbung sind die Tiere nun einm al historische W esen, und die U rsache fü r viele auffallende V o r­

gänge der Ontogenie liegen w eit zurück in früheren Erdepochen, lassen sich also im L aboratoriu m nicht wiederholen und analysieren.

Gerade dieses durch die Deszendenztheorie in die Zoologie hineingekom mene historische M om ent w ird ihr je tz t aber oft zum V o rw u rf gem acht. Im Anschluß an die Philosophen Wi n d e l b a n d und Ric k e r t h a t m an sich daran gewöhnt, die W issen­

schaften in „nom othetische“ und „idiograph ische“

einzuteilen und jenen allein den C h arakter streng­

ster W issenschaftlichkeit zuzuerkennen. N un ist die Zoologie zweifellos bis je tzt eine rein idio­

graphische W issenschaft, w as sich ganz besonders durch ihren ausgesprochen historischen W esenszug auszeichnet, der sie in den A ugen vieler m odernen Forscher zu einer W issenschaft zweiten R anges h erabdrückt. W ie falsch dieses U rteil ist, lehrt sofort ein kurzer B lic k au f die Geschichte der N aturw issenschaften. W as w ar denn Ka n t s

w issenschaftliche G roß tat, die ihm fü r alle Zeiten einen hohen R a n g auch im K reise der großen N aturforsch er sichert? E r führte in seiner „ A ll­

gemeinen N aturgeschichte und Theorie des H im ­ m els“ den Entw icklungsgedanken in die Astronom ie ein und m achte dadurch diese bis dahin rein nomo­

thetische W issenschaft zu einer auch em inent historischen. W urde sie dadurch etw a degradiert?

E r s t lange nach der A stronom ie und der Geologie h a t auch die Zoologie dem Zuge der Zeit folgend historische Züge aufgenom m en. U nd in unserem Jah rh u n d ert haben w ir gesehen, wie durch die E n tdecku n g der rad io aktiven Substanzen sogar die anorganische Chemie der historischen B e ­ trach tu ng zugänglich gem acht w urde. D roh t je tzt also die Gefahr, daß auch die Chemie von ihrem Ansehen einbüßen muß?

Ich überlasse meinen Lesern das U rteil hier­

über, glaube aber, jeder von ihnen w ird m ir darin zustim m en, daß d as H ineintragen des E n tw ic k ­ lungsgedankens in die Astronom ie, die Geologie, die Zoologie und Chemie sich in jedem F a lle als sehr fru ch tb ar erwiesen und diese W issenschaften m äch tig gefördert hat. Mögen sie alle also m einet­

(8)

6go Ri n n e: Ü ber parakrystalline und gespannte Stoffe. r Die N atu r- [wissenschaften

wegen vo r dem R ich terstuh l strengster Philosophie durch ihre ,,H istorisierun g“ an W ürde eingebüßt haben, an T iefe und R eichtum haben sie jed en falls gewonnen.

N och ein letztes M ißverständnis zu beseitigen w ill ich ganz kurz versuchen, bevor ich diesen vielleicht schon über Gebühr angeschwollenen A u f­

satz schließe.

E s ist ein altbekann ter nicht anzuzweifelnder m it R ech t auch von H a r tm a n n in der tief d urch­

dachten und vorbildlich k la r geschriebenen m etho­

dologischen E in leitu n g zu seiner „A llgem ein en Biologie“ m it R ech t betonter Satz, daß die „rein e oder generalisierende In d u k tion “ , i. e. die v e r­

gleichende M ethode „ein e strenge Gesetzesnot­

wendigkeit, eine absolute Gew ißheit“ nicht zu geben verm ag, sich vielm ehr m it „S ä tz e n von größter W ahrscheinlichkeit“ begnügen muß.

„D en n es ist m eist unm öglich, den induktiven Schluß durch alle E in zelfälle durchzuführen.“

D ie exak te Induktion, i. e. die experim entelle M ethode soll dagegen durch genaue A n alyse eines E inzelfalles alle F ä lle derselben A rt m it voller Gewißheit erklären können. H ier läge also eine gew altige Ü berlegenheit der experim entellen Me­

thode über die vergleichende vor. In dem B e i­

spiel, das H a r tm a n n fü r den B ew eis seiner These w ählt, G a l l i l e i s E n td ecku n g der Fallgesetze, tr ifft das zu. H ier konnte in der T a t aus dem einen durch den Versuch an alysierten F a lle sofort m it zwingender Fo lgerich tigkeit das allgem eine Gesetz abgeleitet werden. W ir dürfen aber eines nicht vergessen. E s h andelt sich in Ga l l i l e i s

berühm ten Versuchen um die E rm ittelu n g der W irkungsw eise einer einzigen einfachen E n ergie­

form . In vielen anderen physikalischen U n ter­

suchungen liegen die V erhältnisse ebenso. D er experim entierende Zoologe h a t es aber nie m it einer einzigen Energieform , sondern stets m it einem höchst verw ickelten Zusam m enspiel v e r­

schiedener K rä fte , und zudem m it O bjekten zu tun, deren jedes das E n d stad iu m einer langen Stam m esgeschichte ist. V olle Gew ißheit kann ihm sein E xp erim en t also streng genomm en nur fü r das V erh alten von Tieren derselben einen Spezies geben, höchstens noch fü r ein p aa r andere ganz nahe verw andte. Je d e r P h ysiologe oder Pathologe weiß ja z. B ., wie vorsich tig m an beim

Schließen vom Tierexperim ent au f den Menschen sein muß, obgleich es sich hier im m er noch um V ertreter derselben K la sse der Säugetiere handelt.

W ill der experim entelle Zoologe aus seinen V e r­

suchen Schlüsse von allgem einer B ed eu tun g ziehen, w ill er auf sie allgem eingültige biologische Theorien aufbauen, so muß er sie eigentlich fü r alle Genera, Fam ilien, O rdnungen usw. des T ierreiches w ied er­

holen, d. h. er muß seine „e x a k te “ In d u k tion durch die „generalisierend e“ ergänzen. U nd fü r ihn ist es natü rlich noch ungem ein viel schwerer, als für den rein vergleichenden Forscher, seine U n ter­

suchungen durch alle E in zelfälle weiterzuführen.

W ill er unter dieser D anaidenarbeit nicht erliegen, so brauch t er die H ilfe der vergleichenden M orpho­

logie und Ökologie. Denn erstens sind in der N atu r viele E xperim en te des exak ten B iologen bereits realisiert, außerdem kann der vergleichende M orphologe verm öge seiner genauen B e k a n n t­

schaft m it den V erw an d tsch afts Verhältnissen der einzelnen Tiergruppen dem experim entierenden Zoologen unschätzbare Fingerzeige geben, welche Tiere sich fü r die experim entelle L ösu n g einer be­

stim m ten F ra g e besonders eignen, bei welchen eine N achprüfung durch den V ersuch nötig ist, bei welchen sie ü berflüssig erscheint usw.

A ndererseits kann sich auch der rein v e r­

gleichende Zoologe m anche B eleh ru n g aus den vo n der experim entellen R ich tu n g angehäuften W issensschätzen h o le n und w ird es in Z ukun ft noch m ehr tun müssen, a ls es heute schon ge­

schieht. B eide Zweige der W issenschaft sind so aufeinander angewiesen, daß jed er von ihnen v e r­

küm m ern muß, wenn er sich zu w eit von dem anderen entfernt. D a es aber im m er nur wenige geben w ird, die wie einst Da r w i n und We i s m a n n

beide Methoden gleich gut beherrschen, so werden beide Forschungsrichtungen w o h l im m er vo n v e r­

schiedenen Forschern gepflegt w erden. U nd das ist kein S c h a d e , s o la n g e vergleichende und ex p e ri­

m entelle Zoologie in steter befruchtender B erü h ­ rung arbeiten, und ihre V e rtreter eingedenk bleiben des G o E T H E s c h e n Spru ch es:

T h u st deine Sache und th u st sie recht, H alt fest und ehre deinen O rden;

H ältst du aber die ändern fü r schlecht, So bist du selbst ein P ed an t geworden.

Über parakrystalline und gespannte Stoffe.

V on Fr i e d r i c h Ri n n e, Leipzig.

(Mitteil. a. d. Institut f. Mineralogie u. Petrographie d. Universität Leipzig. Nr. 193).

I . Der parakrystalline Zustand.

1.

N ach der üblichen A u ffassu n g gilt die dreidim en­

sional, geradlinig periodische Anordnung der F e in ­ bauteile als das Kennzeichen der K ry sta llstru k tu r.

Z w ar h a t D . Vo r l ä n d e r, der erfolgreiche E rfo r­

scher der anisotropen Flüssigkeiten, geglaubt, die

für das K ry sta llin e m it solcher C h arakteristik v e r­

bundene B esch ränkun g verm eiden zu sollen. N ach ihm is t ein jedes Gebilde, das zufolge innerer che­

m ischer E n ergie seiner B au te ile geordnet ist, als K r y s ta ll zu bezeichnen. B ed en k t m an, daß dies bereits fü r A tom e oder M oleküle z u trifft (da sie das geforderte K riteriu m einer O rdnung durch che­

m ische K rä fte besitzen), so tr itt die allzu große

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