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Die Naturwissenschaften. Wochenschrift..., 14. Jg. 1926, 6. August, Heft 32.

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17. 8.

1 9 2Q

DIE

NÄTURWISSEN SCHAFTE

HERAUSGEGEBEN VON

A R N O L D B E R L IN E R

U N T E R B E S O N D E R E R M I T W I R K U N G V O N HANS SPEMANN IN F R E I B U R G I. B R . ORGAN DER GESELLSCHAFT DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE

U ND

ORGAN DER KAISER WILHELM-GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG DER WISSENSCHAFTEN V E R L A G V O N J U L I U S S P R I N G E R I N B E R L I N W 9

HEFT 32 (SEITE 74 9 -7 6 4 ) 6. AUGUST 1926 VIERZEHNTER JAHRGANG

I N H A L T : Aufgaben der Anthropologie, menschlichen E rb ­

lichkeitslehre und Eugenik. V on Eu g e n Fi s c h e r, Freiburg i. B r. ...749 Zu s c h r i f t e n :

D as Argonspektrum im äußersten U ltraviolett.

VonH.B.DoRGELO u. J .H. A b b i n k , Eindhoven 755 I. Über die enzymatische Spaltung des Trauben­

zuckers und anderer Hexosen im Muskel­

extrakt. V^n Ot t o Me y e r h o f, Berlin-Dahlem 756 II. Über die Dissoziationskonstanten der Hexose-

diphosphorsäure. Von Ot t o Me y e r h o f und Ju l i u s Su r a n y i, Berlin-Dahlem . . . . 757 Über den V erlau f der Essiggärung. Von Ca r l

Ne u b e r g und Em i l Mo l i n a r i, Berlin-Dahlem 758 Über die W irkung von Kohlenoxyd und Licht

auf den Stoffwechsel der Hefe. Von Ot t o Wa r b u r g, B e r lin - D a h le m ... 759

Ge s e l l s c h a f t f ü r Er d k u n d e z u Be r l i n: Reise­

eindrücke aus Finm arken und Finnisch-Lapp- land. Südchinesische Landschaftstypen und ihre Ausnützung ... . . 759 Bo t a n i s c h e Mi t t e i l u n g e n: Genetische Studien

über Heterostylie bei Primula. Zur Blütenbio­

logie und Genetik von Primula longiflora. Über Transplantieren von Moosembryonen. Über Frühreifeerscheinungen bei Kressepflanzen. Über die Reaktion der Pflanzen auf mechanische In ­ anspruchnahme. Über die W interfestigkeit beim Weizen. Zur W aldentwicklung im Interglazial von Schladming an der Enns. Korrelative WTachstumshemmung der Achselknospen. Über transversale Kompaßpflanzen. Eine eigenartige Lebensgemeinschaft zwischen Fucus und Mytilus ... 760

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u

(2)

II D I E N A T U R W I S S E N S C H A F T E N . 1926. H eft 32. 6. August 1926.

DIE NATURWISSENSCHAFTEN

erscheinen in wöchentlichen Heften und können im In- und Auslande durch jede Sortimentsbuchhandlung, jede Postanstalt oder den Unterzeichneten Verlag be­

zogen werden. Preis vierteljährlich für das In- und Ausland RM 7.50. Hierzu tritt bei direkter Zustellung durch den Verlag das Porto bzw. beim Bezüge durch die Post die postalische Bestellgebühr. Einzelheft RM 0.75 zuzüglich Porto.

Manuskripte, Bücher usw. an

Die Naturwissenschaften, Berlin W 9, Linkstr. 2 3/2 4, erbeten.

Preis der Inland-Anzeigen: 1/1 Seite RM 150.— ;

Millimeter-Zeile RM 0.35. Zahlbar zum amtlichen Berliner Dollarkurs am Tage des Zahlungseingangs.

F ü r Vorzugsseiten besondere Vereinbarung. — Bei Wiederholungen Nachlaß.

Auslands-Anzeigenpreise werden auf direkte Anfrage m itgeteilt.

Klischee-Rücksendungen erfolgen zu Lasten des Inserenten.

Verlag sb u ch h an d lu n g J u liu s Springer, B erlin W 9, L in k str. 23/24 Fernsprecher: Amt Kurfürst 6050— 53. Telegrammadr.: Springerbuch.

Reichsbank-Giro-Konto: — Deutsche Bank, Berlin, Depositen-Kasse C.

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________________________________________________________________________________(386)

1 N

Max Kohl A.G.Chemnitz6

Seit 1876 bestehend

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN

Vierzehnter Jah rg an g 6. August 1926 H eft 32

Aufgaben der Anthropologie, menschlichen Erblichkeitslehre und E ugenik1).

V o n Eu g e n Fi s c h e r, F re ib u rg i. B r.

M eine H e r r e n ! Gern kom m e ich d er A u ffo rd e ­ ru n g n ach , in Ih rem Kreise einige W o rte ü b er Z w eck , B e d e u tu n g und A ufgabe eines F o rsch u n g sin stitu te s fü r A n th ro p o lo g ie, E rblich keitsleh re u n d E u g e n ik zu sa g en 2) . D er In h alt der A n th ro po lo gie, w ie sie h eu te a u fg e fa ß t w ird, h at sich im L a u fe der le tzten D e ­ zen n ien gan z erheblich versch o b en und geän d ert.

W e n n m an au f die Z eit zu rü c k b lic k t, die e tw a an d en glänzenden N am en Ru d o l f Vi r c h o w s ge­

b u n d en ist, so sind wir vo n jen er A r t der F orsch u ng , d ie sich größtenteils a u f M essu ngen und die V e r ­ a rb e itu n g dieser M essungen s tü tz te , gan z erheblich a b g e rü c k t, a b gerü ck t d a d u rch , d aß sich die A n th ro p o lo gie n ach z w e i R ic h tu n g e n stä rk er e n t­

w ic k e lt und e n tfa lte t h a t : ein m a l eine E rw e ite ­ r u n g n ach der b io lo gisch en S e ite u n d zu m anderen n a c h der R ic h tu n g hin , die w ir als „ S o z ia la n th ro ­ p o lo g ie “ bezeich n en kön nen , und diese beiden Z w eig e neigen sich in ih ren E n d en doch w ied er aufs e n g ste zusam m en und b ild e n ein Eins. V ielle ich t d a rf ich ein fac h in ein p a a r Zügen den w esen t­

lich en In h a lt dessen, w ä s h eu te anthropologisch e F o rs c h u n g w ill, k u rz sk izzie re n : dann w ird sich d ie B e d e u tu n g dieser F o rsch u n g gan z vo n selb st ergeb en , a u f sie b ra u ch t m an dann n ich t m ehr b e ­ so n d ers hinzu w eisen.

A n th ro po lo gie und E rb lich k e itsle h re sind u n ­ tre n n b a r voneinander gew orden. U n sere gan ze A u ffa s s u n g vo n den einzelnen m en sch lich en V a rie ­ tä te n , v o n -allem dem, w as w ir v o m M enschen w issen, is t d u rch das geniale W e rk Gr e g o r Me n­ d e l s u n en d lich b efru ch tet w orden. D ie E rg eb n isse, die B o ta n ik e r u n d Zoologen und dann die a u f die K r a n k h e ite n des M enschen eingestellte V e re rb u n g s­

fo rsc h u n g a u f m edizinischem G ebiet h e ra u sg e b ra ch t h a b en , b e w irk ten , daß m an nun au ch a u f den g a n zen A b la u f der Erscheinungen n orm aler m en sch ­ lich er M erk m ale und E igensch aften die A n w e n d ­ b a rk e it d ieser V ererbungsregeln p rü fte u n d sie d an n fe stste llte .

E s is t h e u te unm öglich, von m ensch lich en R assen e tw a ein fac h nur nach der m orp h ologisch en S e ite zu sp rech en . W enn ich es allg em e in ve rstän d ­ lic h in zw ei W o rte n ausführen d a rf: es ist u n m ö g ­ lich , e tw a das b e k an n te G ü N T H E R s c h e B u c h zu 1) V ortrag, gehalten gelegentlich der Senatssitzung der K aiser "W ilhelm-Gesellschaft zur Förderung der W issenschaften am 19. Juni 1926.

2) B ei der beschränkten Zeit konnte das Thema nicht erschöpfend behandelt werden, auf vieles wurde verzich tet; um Beispiele zu nennen: auf die B lu t­

gruppenuntersuchung, stammesgeschichtliche Pro­

bleme, Frage der Sterilisation und anderes. Ebenso mußte jede Literaturnennung unterbleiben.

Nw. 1926.

lesen, in dem seh r v ie le au sg ezeich n ete B e o b a c h tu n ­ gen und v o rzü g lic h e A u sfü h ru n g e n neben sta rk ten denziösen D in gen steh en , u n d d an n zu m einen:

w enn ich je t z t etw as v o n d er S ch ä d e lfo rm und der H a ar- und A u g e n fa rb e u n d so n st n o c h ein paar D in ge kenne, kan n ich ohne w eiteres R a sse n d ia ­ gnosen s te lle n ! E s b esteh en eben u n en d lich v ie l mehr F a k to ren , die E in zelm en sch en und G ru p p en vo n M enschen zu dem m achen, w as sie w irk lic h sind.

W ir kenn en h eu te so ein igerm aß en u n d in den A n fä n g en w en igsten s eine R e ih e v o n E in flü ssen innerer A rt, die a b seits v o n R assegesch eh en — w en n ich so sagen d a rf — a u f die A u s g e sta ltu n g des M enschen w irken. Ic h d eu te n u r a n : E in ­ flüsse der inneren Sekretion, also der chem ischen S ä fte gew isser D rüsen , die w ir im K ö rp e r haben, die fü r das W a ch stu m , fü r die A u sg e sta ltu n g vo n E in zelh eiten vo n e ig en a rtig er B e d e u tu n g sind und von deren Z u sa m m en h an g m it V e rerb u n g und R asse w ir heu te e ig en tlich n och n ich ts w issen.

E s ist m öglich , d a ß a u ch R a sse n v e re rb u n g a u f dem U m w eg ü ber solche D rü sen g e h t: E rh eb u n g en d a rü b er feh len ab er n och so g u t w ie gan z. A b er w enn gerade ich persön lich , dem m an w irklich , g lau b e ich, n ich t n ach sagen kan n , d a ß er die E in ­ flüsse der V ererb u n g gerin g e in sc h ä tzt, m ir erlau b e zu beton en , d aß V e rerb u n g bei d er F ra g e n ach den m ensch lich en R assen , also in d er g esam ten A n th r o ­ pologie, n ich t das A lp h a u n d O m eg a ist, sondern d a ß es neben V e rerb u n g n och an d ere E in flü sse sind, die a u f den M enschen w irk en , so m öge m an d arau s erkennen, w ie sch w ierig d as g a n ze P ro b lem ist. Ic h habe vo rg esch lag en , alle diese E in flü sse, die vo n außen a u f die B ild u n g d er G esch öp fe — P flan zen , T iere und M enschen — kom m en , als p eristatisch e E in flü sse zu b ezeich n en — - p eri­

sta tisch vo n JiEQioiaai?, ,,die U m stä n d e “ , im w eitesten Sinne des W o rte s — , und stelle diese p eristatisch en E in flü sse n eben den V ererb u n g s­

ein flu ß. A n th ro p o lo gie ist n ic h t n u r E rb lic h k e its ­ lehre, sondern m u ß gerad e a u c h diese p erista tisch en E in flü sse prüfen. U m Ih n en m it einem B eisp iel zu zeigen, w o das h in au s w ill: D e r b e k an n te am erikanische A n th ro p o lo g e — a u ch ein G önn er vo n uns in sch w erer Z e it — Fr a n z Bo a s h a t 'g e ­ zeigt, und m einer M ein u n g n ach ein w an d fre i g e ­ zeigt, d aß O stju d en , die in N e w Y o r k e in g ew an d ert sind, in der zw eiten G en eratio n , also sch on in d er ersten d o rt geborenen K in d erg e n e ra tio n , eine d eu tlich e V erä n d e ru n g ih rer S ch äd e lfo rm zeigen, und d aß u m g ek eh rt S ü d ita lien er, S izilia n er u n d N eap olitan er, die n ach N e w Y o r k g ezo g en sind , eben falls in d erselben Z e it eine s ta rk e U m ä n d e ­ ru n g erfah ren, und z w a r in e n tg e g e n g e s e tz te m Sinne w ie die ersteren. D a s g ib t d o ch g a n z u n -

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7 5° Fi s c h e r: Aufgaben der Anthropologie, menschlichen Erblichkeitslehre und Eugenik. [ Die Natux-

|_ Wissenschaften

geh eu er zu denken . G erad e die F ra g e der jü d isch en B evö lk e ru n g , die u n ter n ich tjü d isch e r leb t, ist ein P rob lem , d as an th ro p o lo gisch jen seits vo n allen ten d en ziö sen E in stellu n g en w irk lich e rn st­

h a ft in A n g riff genom m en w erden m u ß . W ir w issen h e u te d a rü b e r einzelne g a n z w en ige A n ­ g a b en . W ir w issen, d a ß Juden, die eine oder zw ei G en eratio n en ohne jed e B lu tm isc h u n g in E n g ­ la n d leb ten , and ers g e sta lte t, sch la n k er im K ö rp e r­

w u ch s sind als die in Z en traleu ro p a lebenden.

Ot t o Am m o n h a t an der A n th ro p o lo gie der B a d en er

— B a d en ist das ein zige L an d bei uns, d as a n th ro ­ p o lo gisch ein igerm aßen u n tersu ch t is t — fe st­

gestellt, d a ß in jed em bad isch en A m tsb e zirk , w o die K o p ffo rm der R e k ru te n um ein p a a r In d e x ­ ein h eiten lä n g er od er k ü rzer ist, au ch die w enigen jü d isch en R e k ru te n in ih rem D u rc h sc h n itt einen e tw as k ü rzeren oder lä n g eren S ch äd el h a tte n . D a s g ib t g a n z a u ß e ro rd en tlic h zu d e n k e n ! Ic h selb st h ab e v o r k u rzem V ersu ch e v e rö ffen tlic h t, im T ierex p erim en t diesen F ra g e n n ach zu g eh en . Ich bin ohne w eiteres in der L ag e, d u rch V ita m in e ­ fü tte ru n g oder -m angel b e i R a tte n die S ch ä d e l­

form der n äch sten G en eratio n n ach W illk ü r e tw as ku rzsc h äd lig er oder la n g sch äd lig er zu m achen.

E s lieg t m ir fern, vo n einem solchen E x p e rim e n t und vo n einem so au ß e ro rd en tlich sta rk en E in griff, w ie es d e ra rtige , sagen w ir k u rz w e g : V e r g iftu n g s ­ e xp erim en te sind, e tw a a u f n orm ale E in flü sse bei dem M enschen zu sch ließen . A b e r d as E x ­ perim en t m u ß ja die ü b ertrieb en sten B ed in g u n g en setzen , u m dem n orm alen G esch ehen e tw as n ah e zu kom m en .

D er H in w eis soll genügen.

W en n ich a u f diese W eise den E in flu ß p eri­

sta tisch e r F a k to re n b eto n e, also U m w e lt, „M ilie u “ , sei es n atü rlich es, sei es soziales M ilieu usw ., w enn ich d a ra u f h in w eise, d a ß es keine ein fach en P ro ­ zesse sind, w ie m an es sich g eleg en tlich e tw a zu r Z e it v o n Jo h a n n e s Ra n k e d ach te, d a ß e tw a das L eb en im G eb irge den M enschen irg en d w ie k u rz ­ sch äd liger m ache, sondern d a ß uns d a ein stw eilen noch vo llk om m en ve rb o rge n e D in ge m itspielen kö n n en — w ir w issen h e u te noch n ic h t einm al, w aru m so v ie le G eb irgsb ew o h n er K r ö p fe h aben , und die F ra g e des Jods is t n och la n g e n ic h t g e ­ lö st! — w en n ich u n terstreich e, d a ß w ir noch keine A h n u n g h ab en , w ie w eit eine so k o m p lizie rte E rsch ein u n g w ie d as W a c h stu m eines S ch äd els vo n äu ß eren E in flü ssen ab h än g ig o d er u n ab h än g ig ist, ich sag e: w en n ich alle diese U m w e lte in flü sse beton e, m ö ch te ich doch n ich t den fa lsch en Sch ein erw eck en , als ob ich n ich t au ch d ie K o n sta n z der Sch äd elform , ih r erb lich B ed in g tes, wde d ie E r b ­ lic h k e it der R assen m erk m ale ü b e rh a u p t a n erk en n te, jen e K o n sta n z , die uns d och zeigt, d a ß w ir e tw a — um irg en d ein B e isp iel herauszu g reifen — in der heu tigen ä g y p tis c h e n B e vö lk e ru n g T y p e n , S ch äd e l­

form en und an d e re M erkm ale h a b en , die v o ll­

ko m m en id en tisch sind m it denen, d ie w ir aus irg en d w elch er p h araon isch en G lan zze it h e u te aus d em B o d en herausholen, od er S c h ä d e lty p e n und

M en sch en typ en b ei uns in Z en traleu ro p a und in N ord eu ropa finden, die u ralten , prähistorischen vo llk om m en gleich en. E s g ib t eben diese zw ei:

das eine, w as sich v e re rb t, und das A b geän d erte, w as vo n au ßen p erista tisch b e d in g t ist. D ie beiden au sein an d erzu klau b en , das E rsch ein u n gsb ild zu an a­

lysieren , ist w oh l eine der g rö ß ten und ersten A u f­

gaben, die gerad e unsere A n th ro p o lo g ie uns gestellt h a t. D a s ist das, w as m an R assen b iologie nennt.

A b e r diese R assen b iolo g ie b e zie h t sich n icht n u r a u f d as, w as m an g ew ö h n lich R asse nennt, sondern sie is t eine B io lo g ie des M enschen über­

h a u p t. V o r ku rzen W o ch en h a t der P a th o lo ge Rö s s l e, frü h er in Jen a, j e t z t in B asel, eine au ß er­

ord en tlich sch arf g e fa ß te S c h rift verö ffen tlich t, in der er den N ach w eis zu erb rin gen such t, d aß die eig en tü m lich e W a c h s tu m s k u rv e , die w ir an eu rop äisch en K in d ern b e o b a ch te n , m it WTachs- tu m sp au se, m it R e ta rd ie ru n g des W ach stu m s und d an n ru ck w eisem N ach h o len des W achsens ü b e rh au p t keine n orm ale K u r v e ist, er kom m t zu d er B e h a u p tu n g , w ir k e n n ten ü b e rh a u p t eine n orm ale W 'ach stu m sk u rve eu ro p äisch er K in d er n ich t, und z w a r d esw egen n ich t, w eil w ir das W a ch stu m a ller K in d e r d u rch den S ch u lzw ang , und z w a r n ach d er u n gü n stigen Seite, beein­

flu ssen : jed es H in ein b rin gen in die Sch u le m indern m eh rstü n d igen S itzen in geschlossenen R äu m en störe den norm alen A b la u f des W ach sens. W enn es so fein e E in w irk u n ge n b iologisch er A r t gibt, e n ts te h t fü r uns eine u n geh eu re A u fg a b e, derartige P ro b lem e in A n g r iff zu n ehm en. L eid er sind fü r die R ö ssL E sch en A n g a b e n g en au e sta tistisc h e N ach w eisu n gen ü ber das W a c h s tu m vo n K in d ern aus G egenden unserer E rd e, w o es k e in e Sch u len gib t, in genügender Z a h l n ic h t vo rh a n d e n . Ich greife n u r dieses eine B e isp iel h erau s, u m Ih nen zu zeigen, w ie k o m p le x h ier die P ro b lem e sind und d aß m an sich h eu te u n ter dem B e g riff A n th r o ­ pologie a llerlei vo rste llen d arf, w as w eit ü ber ein ­ fach e M essu ng und d ergleich en h in au sgeh t.

Z u m B e g riff R a ssen b iolo g ie g eh ö rt dann v o r allen S tü ck en die F ra g e der K re u z u n g der e in ­ zelnen m ensch lich en E rb lin ien , die K re u z u n g der m ensch lich en R assen selbst. Ü b er R a ssen k reu zu n g sind fü r unsere eu rop äisch e B e v ö lk e ru n g , vo n d er F ra g e der H a a rfa rb e und A u g e n fa rb e abgesehen, m einer A n s ic h t n ach in b e zu g a u f keine einzige E ig e n sc h a ft w irk lic h gen ü gend e U n terlag en ge­

geben. W ir w issen ein iges w en ige e tw a ü ber die A rt, w ie sich bei d er K re u z u n g m ensch lich er E rb lin ien die N a sen fo rm od er H a arfo rm v e rh ä lt.

M an b egan n m it B e o b a ch tu n g en b ezü g lich d er V e rerb u n g vo n J o ch b o g en b reite und Sch äd elform . A b er d as sind D in ge, die n och lan g e n ich t a u f ge­

n ügend fester B a sis steh en . Ü b e r die K re u z u n g von E u ro p ä ern u n d F a rb ig e n sind w ir etw as besser u n te rric h te t. D a sind seit m einen eigenen B a sta rd u n te rsu ch u n g en im J ah re 1908 eine R eih e vo n A n g a b e n g e m a ch t w ord en . A ls B eisp iel, w ie irrig da im m er n och die A llg em ein an sich t ist, sei au f die ü b er die B lu tk re u zu n g zw isch en d em

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H eft 3 2 .] Fi s c h e r: Aufgaben der Anthropologie, menschlichen Erblichkeitslehre und Eugenik.

6. 8. 1926J 751

jü d isc h e n u n d n ich t jüdischen B e sta n d te il u n serer B e v ö lk e ru n g hingewiesen. Man h ö rt w oh l a lle n t­

h alb en , d a ß n ach einer solchen M isch eh e e tw a die E n k elg en eratio n „im m er“ , w ie d er L a ie sag t, a u f den jü d isch en T eil der G roßeltern zu rü ck sch la g e . D a s is t g a n z sicher falsch. E s g ib t — d as m ö ch te ic h sch on h eu te trotz der M a n n ig fa ltig k e it der G ru n d la g e n m it aller Schärfe b e h au p te n — ü b e r­

h a u p t k ein e ,, P räpoten z“ einer b e stim m te n R asse in d er V ererb u n g, es gibt nur d o m in an t und rezessiv sich vererb en d e E in zelm erkm ale. Jene vo rh in a n g e d e u te te B ehau ptu ng aus L aien k reisen h a t zw e i Q uellen des Irrtum s: die eine is t die, d a ß w ir p sych o lo g isch einen T ru gsch lu ß m ach en -—- w ir ü b erseh en die Fälle, wo n ach einer solchen M isch ­ eh e die E nkelkinder dem nicht jü d isch en T eil g leich en oder wo ein T eil d ieser K in d e r ihm g leich t.

D a s E n tg eg en gesetzte fä llt a u f, w eil es die M in d er­

h e it in unserem gesam ten V o lk e ist, eine fü r m an ch e M enschen seh r a u ffä llig e M in derheit.

N a c h der R ic h tu n g h in m a ch en w ir einen p sy c h o ­ logischen T ru g sch lu ß , d a ß w ir die p a a r F ä lle , die u n s im ponieren, zäh len u n d die anderen ü b er­

sehen. D ie andere S eite der falsch en B e h a u p tu n g is t d a m it zu erklären, d a ß sich ta tsä c h lic h sch a rf erh obene, gebogene N asen , aber einerlei, ob sie d er oder jen er B e v ö lk e ru n g angehören, d o m in an t vererb en , n ic h t ab er k u rz e Stum pfnasen, W ie sich d a b ei n och a lle rle i andere p hysiognom isch e E in ze lh e ite n vererb en , darü b er wissen w ir n ich ts, tro tz d e m an solchem M enschenm aterial die eine od er andere B e o b a ch tu n g gem ach t ist, sie scheinen n ic h t sicher genug. Ich erw ähne das eine B eisp iel n u r, um Ihnen zu zeigen, d aß d aran ein b iß ch en h eru m g earb eitet worden ist. W ie sich alles andere, w ie sich die einzelnen u rsprü n glich en R a sse n ­ b e sta n d te ile Zentraleuropas in der K r e u z u n g v e rh a lte n , darüber wissen w ir n ich ts, d esw egen n ich ts, w eil keine M änner d a sind, die die Z e it u n d d ie ’ M ö g lich k eit haben, sich dieser F o rsc h u n g w irk lic h e rn st und gründlich an zu n eh m en . D a ß a u f an th ropologisch em G ebiet so u n geh eu er v ie l v o n L a ie n se ite gem ach t w ird, teils ein igerm aß en gu t, a b u n d zu glänzend gut, in d er H a u p tsa c h e a b er a ls P fu sch arb eit, h än gt d a m it zu sam m en , d a ß w ir b ish er au f unseren gesam ten d eu tsch en H o ch sch u len so g u t w ie gar keine V ertre tu n g d er rein so m atisch en A nthropologie g e h a b t h aben .

G eh en w ir vo n der A nth ropologie zu r rein en E rb lich k e itsle h re . D ie A nthropologie w ird n ic h t bei der E rfo rsch u n g m enschlicher E ig e n sc h a ften h a ltm a c h e n da, w o m an gewöhnlich sagt, es h ö ren n orm a le E ig e n sch a ften auf und fangen k ra n k h a fte an. E in e w irk lich e G renze zwischen den b eid en g ib t es in der N a tu r n icht. W ir nennen n u r b e ­ s tim m te E ig e n sch aften , die vom L eb en so p tim u m w e it a b g eh en , p ath ologisch oder k ra n k h a ft. W ir b rau ch en eine ausgiebige E rforsch u n g der in unserer B e v ö lk e ru n g vorhandenen normalen und krankhaften E rb lin ien . V on G eneration zu G en e­

ration erben sich als Segen oder F lu ch A n lagen

fort, die eine G en eration au f die and ere g ib t, die sich bei jed em Z u sam m en treten d er b eid en G a tten zu r F o rtp fla n zu n g in dem neuen W esen neu k o m ­ binieren, die ab er d och in ihrem K e rn , in dem , w as sich k o m b in iert, b esteh en bleiben vo n G en eratio n zu G en eration , b is eine solche K e tte a b re iß t und die betreffen d e E rb lin ie eb en au sstirb t. H ier erheben sich die F ra g e n n ach Z a h l und V erb re itu n g der E rb lin ien , die e tw a A n la g e n zu K retin ism u s, zu V erb rech ertu m , zu Id io tie , zu K o n stitu tio n s­

anom alien, w ie Z u c k e rk ra n k h e it o d er W id e rsta n d s­

u n fä h ig k e it gegen tu b e rk u lö se In fe k tio n und äh n ­ liches en th alten , ab er n a tü rlich a u c h n a ch der anderen S eite die F ra g e n n ach den E rb lin ien , in denen besondere T a le n te steck en , seien es e ig en ­ artige, die w ir leic h t erkenn en und d esw egen erb- th eo retisch r e la tiv ein fac h v e rfo lg e n kön nen , w ie etw a m u sik alisch e V era n la g u n g , od er a b er sonstige gü nstige E ig e n sch aften des K ö rp e rs und des G eistes. W ir m üssen feststellen , w ie v ie l E rb lin ien un d w as fü r E rb lin ien ü b e rh au p t d a sind, die solche E igen sch aften en th alten . H eu te is t in der g e ­ sam ten M edizin die F ra g e n ach dem K o n stitu tio ­ nellen gan z in den V o rd erg ru n d g e rü ck t. M an h a t lange die K r a n k h e it als solche u n tersu ch t, h eu te u n tersu ch t m an w ied er den M enschen und n ich t die K ra n k h e it. B e w u ß t und a b sic h tlic h sch ieb t m an die K o n stitu tio n in den V o rd e rg ru n d . D ie K o n stitu tio n b e h errsch t die K r a n k h e it. G ew iß kennen w ir einzelne G e s e tz e : w as a b er K o n s ti­

tu tio n sch ließ lich ist, d a rü b er k ön nen Sie so v ie l M einungen und A n tw o rte n hören, w ie Sie A u to re n fragen. W e n n es K o n stitu tio n e n gib t, die zu K ra n k h e ite n die U n te rla g e geben, die den b etreffen d en M enschen d a zu präd ispon ieren , dann is t es eine S e lb stv erstä n d lic h k e it, d a ß es u m g ek eh rt au ch K o n stitu tio n e n geben m u ß , die vo n alledem d as G egen teil sind, die den M enschen w id ersta n d s­

fä h ig gegen K ra n k h e ite n m achen m üssen. Sie kö n n ten sag en : d as sind d an n die w irk lic h N o r­

m alen ; w enn w ir eu genisch ein W e rtu r te il abgeb en w ollen, m üssen w ir sag en : das sind die G ü n stig en . D ie reine A n th ro p o lo g ie fä llt a b er keine W e r t­

urteile. W ir w erd en also ein fac h u n tersu ch en m üssen: W a s g ib t es fü r k o n stitu tio n e lle D in ge, wie ist die K o n stitu tio n b e d in g t ? K o n stitu tio n is t nun n ich t ein fach id e n tisch m it E rb lic h k e it, son ­ dern ist ein E tw a s , w as a u c h vo n and eren F a k ­ toren, v ie lle ic h t n u r in n erh a lb des em b ryo n alen Lebens a b h än g t, ab er jed e n fa lls ein E tw a s , d as für jeden, der sich um d ie B e v ö lk e ru n g eines L an d es und S ta a te s k ü m m ert, v o n u n en d lich er W ic h tig k e it ist. E s is t d rin g en d n ötig , die V e r ­ breitu n g der versch ied en en K o n stitu tio n e n fe s t­

zustellen , e tw a die fü r T u b e rk u lo se oder fü r K reb s

— w enn es fü r le tz te re d as w irk lic h g ib t, w as w ir einstw eilen n ich t w issen — , festzu stellen , ob sie sich vererben (ich w eiß n ich t, o b sich ü b e rh a u p t e tw a s K o n stitu tio n e lles ve re rb t), d as alles is t ein ga n zes K o n v o lu t vo n ein zeln en P ro b lem en , die sich v o r dem A n th ro p o lo g en und E rb lic h k e its fo rs c h e r e r­

h eb en , w enn m an das W o r t K o n s titu tio n nur a u s­

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7 5 2 Fi s c h e r: Aufgaben der Anthropologie, menschlichen Erblichkeitslehre und Eugenik. [ Die Natur- l Wissenschaften

sp rich t. W ir w issen zu m B e isp iel n och n ich t e in ­ m al, ob etw a B lo n d e od er B rü n e tte zu K reb s oder zu T u b erk u lose m eh r disponieren. E in e englisch e S ta tis tik b e h a u p te t gen au d as G eg en teil vo n dem , w as eine d e u tsch e S ta tis tik ergab . E s w äre vo n u n en d lich er B e d eu tu n g , zu w issen, ob es e tw a ta ts ä c h lic h m öglich w äre, d aß die u rsprü n glich en R assen ko m p on en ten in nerh alb E u ro p as sich in ih rer W id e rsta n d sfä h ig k e it gegen K ra n k h e ite n und in ihrer gesam ten ko n stitu tio n ellen R e a k tio n gegen irgen d w elch e Sch äden versch ied en v erh alten , w ob ei dann sch ließlich sich n och das P ro b lem e r­

h eb t, ob es n ich t etw a m öglich ist, d a ß d u rch die R assen k reu zu n g als solche eine W id e rsta n d s­

u n fäh igk e it g e setzt ist oder v ie lle ic h t u m g ek eh rt eine größere W id e rsta n d sfä h ig k e it en tsteh en kö n n te.

S k an d in a visch e A u to re n h a b en d a ra u f hingew iesen, d a ß M isch lin ge zw isch en L ap p en , F in n en und Sch w ed en gegen T u b e rk u lo se stä rk er a n fä llig sein sollen als reine R assen . D ieselben m einen, d aß au ch a u f geistigem G eb iet d u rch solche K r e u z u n ­ gen d isharm on ische geistig e A n la g e n en tsteh en , die den M enschen m in d erw ertig erscheinen lassen.

O b d as w irk lich der F a ll ist, ob das der N a c h ­ p rü fu n g an gan z reich em M a teria l w irk lic h s ta n d ­ h ä lt, d arü b er w ag e ich ein stw eilen kein U rteil.

A b e r au ch Sie als N ich tm ed izin er w erd en ohne w eiteres versteh en und zugeben, w ie u n en d lich w ic h tig es w äre, w enn w ir ein igerm aß en d a rü b er e tw as w ü ß ten , ob n ic h t jen e sch w eren K r a n k ­ h eiten , die au f unseren V ö lk e rn lasten — K reb s, T u b erk u lose usw ., au f geistigem G eb iet E p ilep sie, Im b e z illitä t — n u r in einzelnen E rb lin ien leben oder d u rch K re u z u n g solch er L in ien gesteigert w erden , ob fern er d isk rep an te A n la g e n zu ein ­ an d er kom m en kön nen und d ish arm on isch e In ­ d iv id u en en tsteh en , denen m an es ä u ß erlich ga r n ich t anzuseh en b ra u ch t, die ab er b ezü g lich gew isser ch em isch -p h ysikalisch er E ig e n sch aften , die w ir als S c h u tzk rä fte gegen solche K ra n k h e ite n haben , d ish arm on isch v e ra n la g t sind. Ü b e r alle diese D in ge w issen w ir n och n ich ts. D e r A r z t am K ra n k e n b e tt, der L e ite r eines K ran k e n h au se s kan n das n ich t im ein zeln en verfo lg e n w ie es v e r ­ fo lg t w erden m uß, w eil m an w eit über das K r a n ­ ken h au s h in au s die gesam te B e v ö lk e ru n g , a u ch die gesunde, norm ale, m it um fassen m uß.

Ic h h ab e ve rsu ch t, Ih n en d a m it die G ru n d ­ lagen vo n dem zu geben, w as h e u te A n th ro p o lo g ie und E rb lich k e itsle h re u m fa ß t. Ich b rau ch e a u f F ra g e n der E rb lic h k e it so n st im ein zeln en n ich t ein zu geh en : ich d a rf sie als b e k a n n t vo rau ssetzen . A b e r nun h a t sich, w ie ich m ich vo rh in a u sd rü ck te, neben diesem eben gesch ild erten b iologisch en Z w eig n ach der and eren Seite, b e fru c h te t vo n E r ­ gebnissen, die Soziologen , N atio n alö k on o m en , H isto rik e r usw . g e z e itig t h aben , das h e ra u sen t­

w ick e lt, w as m an S o ziala n th ro p o lo g ie nennen kan n . W en n w ir, ab geseh en e tw a vo n U n te r­

su ch u ngen , die w ir an T o ten sch äd eln im L a b o ­ ra to riu m m achen können, an th ro p o lo g isch M en­

sch en u n tersu ch en , so kom m en sie uns niem als a u f der E rd e als einzelne In d iv id u e n entgegen, sondern im m er in so zialen V erb ä n d en — soziale V erb ä n d e im w eitesten Sinne des W o rtes gem eint.

G eh en w ir zu P rim itiv e n und H alb ku ltu ren , so treffen w ir sie als S täm m e, als kleine V ölker, bei K u ltu re n als V ö lk er, N a tio n en , S ta a ten , und inner­

h a lb dieser großen sozialen V e rb ä n d e die kleineren a lle r A rte n , K la n e , F ra trie n , K lassen , K a ste n , g e sellsch a ftlich e S ch ich ten , u n d w as es au ch sei.

Im m er g e h ö rt d er M ensch zu einem solchen G e­

bild e. S ch ön er w äre fü r die ga n ze R ic h tu n g der U n tersu ch u n g d as W o r t „ p o litis c h e “ A n th ro p o lo gie im Sinne w ie A risto te le s d as „ p o lit is c h “ a u fg e fa ß t h a t, d aß der M ensch ein £wov nohny.ov, ein in V erb ä n d e n leben des W esen ist. A b e r die B e ze ic h ­ n u n g ,,p o litisch e A n th ro p o lo g ie “ w ü rd e zu d e r­

a rtig e n M iß verstän d n issen führen , d a ß ic h sie selb stv e rstä n d lich verm eid e. A u c h das W o rt

„so z ia le A n th ro p o lo g ie “ fü h rt schon zu solchen M iß verstän d n issen , w enn au ch v ie lle ic h t n ich t gan z so s ta r k ; ab er ich h ab e keine andere B e ze ic h ­ n u n g zu r V erfü g u n g .

E s ist m ir w oh l b e w u ß t, d a ß die U n tersu ch u n g der L eb en sg esetze solch er sozialen G ru p p en und V erb ä n d e O b je k t fü r Soziologen, N a tio n a lö k o ­ nom en u n d v ie le andere ist, und ich w ill n ic h t in deren G eh ege einbrechen. A b e r eine Seite dieses gan zen P ro b lem s ist rein b io lo gisch ; sie w ird der N a tu rw isse n sc h a ftle r u n d M ed izin er lösen m üssen.

M in d esten s als b e re c h tig t m üssen Sie m ir die F ra ge z u g e b e n : S o llte es n ic h t m ö g lich sein, d a ß das L eb en des E in ze lin d iv id u u m s, a b er a u ch d as L eb en der im E in ze lin d iv id u u m m om entan leb en d en E rb lin ie irg en d w ie d u rch die Z u g e h ö rig k e it zu einem gan z b estim m ten sozialen V erb ä n d e be­

e in flu ß t w ird ? D a n n k a n n ich a b er die F ra g e so fo rt u m k e h re n : S o llten n ic h t die gan zen L eb e n s­

ersch einu ngen der ein zeln en sozialen V erb än d e w esen tlich au ch d u rch die k ö rp erlich en u n d g e isti­

gen erb lich en E ig e n sch a ften d erjen igen In d ivid u en b e ein flu ß t sein, d ie den b etreffen d en V erb an d bild en ? D iese beid en P ro b lem e sind es, die ich u n ter dem B e g riff „ so z ia le A n th ro p o lo g ie “ z u ­ sam m en fassen m öch te.

D ie U n tersu ch u n g , w ie d ie Z u g eh ö rig k eit zum bestim m ten S o zia lv erb a n d a u f d as E in ze lin d i­

vid u u m w irk t, is t ja D o m ä n e der H y g ien e. D ie H y g ie n e v e rs u c h t ja , d as L eb e n so p tim u m fü r die ein zeln en In d iv id u e n in ih rem sozialen V erb ä n d e, etw a alsW o h n u n g sh ygien e, G ew erb eh yg ien e, S o zial­

h ygien e usw . festzu ste llen , ab er d och n u r fü r die lebenden In d iv id u e n , g ü n stig sten falls fü r die folgen d e u n d v ie lle ic h t fü r die ü b ern äch ste G en e­

ra tio n ; w en n Sie M u ttersch a ftsh y g ien e u n d ä h n ­ liche D in g e nehm en, ga n z gew iß fü r die folgende G en eration W ir a b er w ollen w e ite r: w ir wollen n ic h t n u r feststellen , w as m an h yg ien isch e tw a tu n kan n oder w as die H y g ie n e uns über G u n st od er U n g u n st der L a g e au ssagen kann, in der sich einzelne In d iv id u e n in ihren sozialen V erb ä n d e n b efin d en, sondern- w ir w ollen uns die F ra g e v o r ­

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H eft 32. 1 Fi s c h e r: Aufgaben der Anthropologie, menschlichen Erblichkeitslehre und Eugenik.

6. 8. 1926J 753

leg en : W ie w irk e n solche E inflü sse n ic h t n u r a u f das In d ivid u u m , sondern auf die gan zen E rb lin ie n , also au f w eite, w e ite Ferne hinaus u n d v o n w eiter, w eiter F ern e h e r?

D e r w ic h tig s te P u n k t — ich w ill die an d eren der K ü r z e h a lb e r weglassen — ist d a b ei die F o r t ­ p fla n zu n g . W ir k t die Z u geh ö rigk eit zu b estim m ten so zialen V erb änd en auf die F o rtp fla n zu n g ein?

W e n n Sie d a auch nur flü c h tig h inseh en u n d b e ­ m erk en m üssen, daß in allen K u ltu r s ta a te n (au ß er China) die A n h äu fu n g vo n R e ic h tu m — ja schon W oh lh abenh eit — in F am ilien so fo rt zu r F o lg e h a t — ganz o b je k tiv gesproch en — , d a ß der K in d erseg en im D u rch sch n itt ab n im m t, dann h a t d as g a n z gewiß auch rein b io lo gisch e W irk u n g e n ; a u f die nationalökonom isch en b rau ch e ich hier n ic h t einzugehen. W ir sehen, d a ß das ta tsä c h lic h u n d ü b erall — m an m ö ch te sag en : a u to m atisch e in tritt. W ir können versu ch en , uns die G ründe d a fü r k la r zu m achen. W ir kö n n en au f d as spätere H eira tsa lter der so zia l o b eren S ch ich ten und, d a ­ d u rch bed ingt, a u f d ie gerin gere K in d e rza h l hin- w eisen. W ir kö n n en a u f die größere Z a h l der L ed ig b leib en d en b eid er G esch lech ter in den sozial ob eren S ch ich ten h in w eisen und a u f eine M enge so zia ler G ründe, die fü r dieses L ed ig b leib en m a ß ­ geben d sind. W ir k ö n n e n w eiter a u f die gew o llte K le in h a ltu n g d er F a m ilie hinweisen, a u f die e th isch en und n ic h te th isc h e n Gründe, die ich beide n ic h t zu u n tersu ch en b rau ch e. M ir gen ü gt es, w en n ich die F a k t a als solche habe und dann sage:

W a s m a ch t das biologisch fü r eine B e v ö lk e ru n g aus, w en n b estim m te Sch ichten , also die A n g eh ö rigen b estim m ter sozialer V erbänd e, sich u n en d lich v ie l gerin ger fortp flanzen als andere S ch ich ten ? M an k a n n m ir en tg e g e n h alten : G erad e h e u te steh en w ir in einer Zeit, wo der V o lk s w irts c h a ftle r sagen m ü ß te : W ü rd e sich nur unser V o lk gerin ger v e r ­ m eh ren ! w o er vielleich t sagen k ö n n t e : w ir h ab en ja je t z t in die M illionen zählende A rb eitslo se, w ir h a b en k ein en Lebensspielraum m ehr fü r eine B e ­ v ö lk eru n g sve rm e h ru n g in dem M aß, w ie w ir ihn v o r d em großen K rieg e geh ab t h ab en ! Ja, w er so sa g t, der h a t eben nur eine V o rstellu n g von der Z a h l u n d n ich t die richtige und bessere E in sich t, daß dieses ganze Problem überhaupt kein qu anti­

tatives, sondern ein qualitatives ist! E s k o m m t n ic h t allein d a ra u f an, ob und w ie s ta rk sich ein V o lk v e rm eh rt, sondern darauf, welche Schichten eines V o lk e s es sind. N iem and w ird leu gn en — er m a g ü b er die soziale S ch ich tu n g eines V o lk e s, ü b er P ro le ta ria t, über „ A r b e ite r“ und „ B ü r g e r ” d en k en und m einen w as er w ill — , d a ß es d au ern d einen A u fs tie g vo n E in zelind ivid u en b egab terer, g e eig n eterer A r t vo n unten nach oben g ib t; d as k a n n n iem and b ezw eifeln . Und wenn nun jed esm al In d iv id u e n und E rblin ien , die jen e verk ö rp ern , b eim so zialen A u fsteig en diesen A u fs tie g d a m it b eza h len , d a ß die E rb lin ie abschneidet, w eil keine K in d e rze u g u n g m ehr erfolgt, so m uß ein m al die Q uelle, aus d er die B eg a b u n g kom m t, aufhören zu fließ en . N o c h flie ß t in unserer L a n d b e v ö lk e ­

rung, in dem gesunden, k rä ftig e n , g u te n B a u e rn ­ stan d eine solche Q u elle; noch h a t die so gen an n te L a n d flu c h t, die der V o lk sw irtsc h a ftle r vie lle ic h t b ek äm p fen w ill, die au ch w ir v o m eugenischen S ta n d p u n k t au s n ic h t gerade m it F re u d e sehen, b io lo gisch die B e d eu tu n g , d aß neue, d u rch das K u ltu rle b e n n och w en iger v e rb rau ch te und a n ­ gegriffen e E rb lin ien in d ie städ tisch e B e v ö lk e ru n g hin ein kom m en u n d sie d au ern d auffrischen. Ich bin fest ü b erzeu gt, d a ß es m it d ie besten E lem en te sind, die aus jen en Q u ellen ko m m en . A b er die Q uelle ist n ic h t u n ersch ö p flich , v o r a llen S tü ck en n ic h t dann, w en n diese gan zen T en d en zen zur K le in h a ltu n g der K in d e rza h l au s d er „ h ö h e r­

k u ltiv ie r te n " B e v ö lk e ru n g e tw a d u rch un ser E r b ­ rech t, d u rch gew isse ge setzgeb erisch e, v o r allem steu ergesetzgeb erisch e M aß n ah m en au ch in die B a u ern k ö p fe h in ein käm en u n d m an d o rt zu r F e s t­

h a ltu n g des B e sitzes eb en falls a u f K in d erre ich tu m ve rzich te n s o llte ! D a n n h ö rte d as F ließ e n der Q uelle ganz gew iß au f, u n d d an n g e h t ein V o lk n ach m einer M einung ein fach rettu n g slo s zu gru n d e.

D ie U n terlag en fü r alle diese au f der G renze zw ischen Soziologie und N ation alök on om ie, A n th ro ­ p ologie und E u g en ik stehen den P rob lem e können n u r d u rch A rb e it vo n beid en Seiten g elö st w erden.

E s stecken darin soziologische und n a tio n a lö k o n o ­ m ische P roblem e, die unsereins n ic h t v e rs te h t und n ich t lösen k a n n ; ab er es steck en au ch gan z gew iß rein biologisch e F a k to re n u n d T a ts a c h e n darin, die u m g ek eh rt der n atio n alö ko n om isch e F o rsch er vo n sich aus n ich t allein b earb eiten kan n .

D ie U m k eh r der F ra g e , die ich vo rh in stellte, ob die Q u a litä te n der B e v ö lk e ru n g selb st, die eine soziale S ch ich t a u sm ach t, a u f d as S ch ick sal der b etreffen d en sozialen G ru p p en vo n E in flu ß sind, m u ß ich hier der b e sch rä n k ten Z e it h a lb er u n ter­

d rücken oder m it einer A n d e u tu n g a b tu n . W enn w ir der Ü b erzeu gu n g sind, d a ß die S ieb u n g n ach oben allm äh lich d och eine A u frü c k u n g vo n b io ­ logisch w ertv o llen , kö rp erlich und g e istig b ra u c h ­ baren In d ivid u en b e d eu te t, w en n w ir d er A n sich t sind, es sind vie lle ic h t die ga n z groß en to ta len R assem ischu ngen, w ie sie in den u n tersten S ch ich ten der G ro ß sta d t sta ttfin d e n , fü r ein gesam tes V o lk nicht gü nstig, w enn das, w as ich vo rh in als D is­

harm onien an d eu tete, sich w irk lic h als ric h tig erw eist — ich zw eifle n ic h t d aran — , dann kan n es auch n ich t zw e ife lh a ft sein, d a ß die L eistu n g s­

fäh ig k e it der b etreffen d en sozialen G ru p p e — eine solche is t ein V o lk , ein S ta a t — e b en falls vo n sol­

chen b iologischen F a k to re n m itb e e in flu ß t w ird.

D er A b la u f der G esch ich te h a t au ch einen b io ­ logischen F a k to r. D ie H isto rik e r sch ieben alle anderen F a k to re n in den V o rd erg ru n d , w en igsten s die m eisten. M an m u ß ab er zu g e b en : eine Seite im A b la u f der G esch ich te is t ein a n th ro p o lo gisch er F a k to r. E s k a n n gar k ein Z w eifel sein, d a ß b eim U n terga n g vo n V ö lk e rn in der V erg a n g e n h e it die K in d erarm u t, die K in d erlo sig k e it, d as R a s se n ­ chaos gan z gew iß als F a k to r m itsp ie lten . Ic h bin w eit en tfern t, gew issen A u to re n zu fo lgen , die in

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754 Fi s c h e r: Aufgaben der Anthropologie, menschlichen Erblichkeitslehre und Eugenik. [ Die Natur­

wissenschaften

der ganzen G esch ich te e tw a n u r ein R a sse n ­ geschehen sehen o d er ga r n u r die T ä tig k e it, die A rb e it und L e is tu n g einer b estim m ten R asse.

D as ist sich er ten d en ziö s und ü b ertrieb en d a r­

gestellt. A b e r d a ß d er R a sse n fa k to r als solcher m itw irk t, d a ß die rassen m äßige B e g a b u n g und Z u sam m en setzu n g, au ch K reu zu n g eines V o lk e s — eine m ä ß ig e K re u z u n g zw eier geeign eter R assen h a lte ich fü r g ü n stiger als R e in rassig k eit; d as ist m ein p ersön lich er S ta n d p u n k t — am S ch ick sal des V o lk es einen g ew altigen A n te il h at, kan n gar keinem Z w eifel unterliegen. D as im ein zeln en zu un tersu chen, is t gan z besonders schw er, w eil dazu ein um fassendes W issen über G esch ich te einerseits und ü ber A n th ro p o lo g ie and ererseits gehört.

D e r M ann, der b eid es so u verän b eh errsch en kön nte, is t uns ein stw eilen n och n ic h t gegeben. A b e r d aß m an vo n allen den S ta n d p u n k te n aus diesen F ragen , den leb en d igsten F ra g e n a u ch vo m sta a tse rh a lte n ­ den S ta n d p u n k t aus, d as s tä rk ste In teresse z u ­ w en den m u ß , b e d a rf w oh l n ach m einen A u s fü h ­ ru ngen keines H inw eises m ehr.

D ie A b te ilu n g un serer gan zen W issen sch a ft, die das tu n w ill, n en n t m an ja h ä u fig „ R a s s e n h y g ie n e “ ,

— ein N am e, der m iß v erstä n d lich w irk t d ahin, als ob es sich h ier um die H y g ie n e einer b estim m ten R asse — ich w ill m ich gen au er a u sd rü cken — S y stem rasse h an d elte, — R a sse in dem Sinne, w ie sie d ie 'S y s te m a tik des M ensch en stam m es d arstellen w ürde. D a s is t u nrichtig. E s k ö n n ten au ch N egerstäm m e R assen h ygien e an sich selb st und fü r sich selb st treib en , genau so gu t, w ie w ir Z en traleu ro p äer R assen h ygien e treib en können.

E s h a n d elt sich d a b ei n ic h t um R assen zu ch t, R assen fö rd eru n g oder R assen stu d iu m im Sinne einer b estim m ten R asse, sondern um die E rk e n ­ n u n g der gü n stigen E rh altu n g sb e d in g u n ge n fü r rassig g u te In d iv id u e n als solche. Ic h b eto n e noch ein m al: R a sse n ic h t im Sin ne vo n S ystem rasse, sondern als in ih rer gesam ten K o n stitu tio n und E r b k r a ft fü r das b etreffen d e V o lk sg a n ze g ü n stige F orm . D esw egen w ird das W o r t „ R a s s e n h y g ie n e “ so gern verm ieden, u m den M iß verstän d n issen aus dem W ege zu gehen, u n d d a fü r das WTort E u g e n ik genom m en, das vo n dem großen englisch en V ererb u n g sth e o retik er Ga l t o n in dem Sinne v o r ­ gesch lagen und g e b ra u ch t wTorden ist. K e n n tn is und P fle g e der g ü n stigen E rb lin ien als solche — - sv yevog — sind n ötig . Sie sollen in ih rem B e sta n d erh a lten und g e p fle g t w erden . B e i P o p u la tio n e n g e m isch te r R assen kan n d a b ei allerd in gs eine K o m p o n e n te w ic h tig e r sein als eine andere. P r a k ­ tisch e H in w eise a u f das, w as d a gesch eh en kan n , B e to n u n g der L eh re vo n a ll diesen D in gen , E r ­ w eck u n g vo n V e ra n tw o rtlic h k e itsg e fü h l in den Sch ich ten , die es a n g eh t, d as S etzen einer — ich gehe so w eit, zu s a g e n : S u ggestio n is t n ö tig , sei sie rein eth isch -p h ilo so p h isch oder religiös, w en n sie n u r g e setzt ist. D a s is t die eine Seite. U n d die w irk ­ lich p ra ktisch e, m it sozialen u n d gesetzgeb erisch en M aßn ah m en ve rsu ch te B eein flu ssu n g dieser gan zen E rsch ein u n g ist die andere Seite. D e r M ensch

kan n die F o rtp fla n zu n g und die gesam te E rsch ei­

n u n g der äu ß eren F o rm seiner H au stiere v o ll und gan z in d ie H an d nehm en und in b estim m ten R ic h tu n g en lenken. E r kö n n te es au ch an sich selbst. W ir haben unsere K u ltu r d iesbezüglich bish er gehen lassen, w ie sie w ollte. E s bestand eine gerad ezu u n b eg reiflich e, vo llk o m m en e G leich ­ g ü ltig k e it in d er gesam ten z ivilisierte n M ensch­

h e it d agegen , w as e ig en tlich unsere K u ltu r m a ß ­ n ah m en , die w ir fü r d as W oh lerg eh en des einzelnen, des h eu te leb en d en G esch lech ts tre ffe n , e tw a für die w eite Z u k u n ft fü r F o lg e n h ab en kön n ten . E rst in den jü n g s te n J ah ren sind a u f dem G eb iete eine gan ze R eih e v o n W a rn ern a u fg e tre te n . A u f diesem G eb iete g ilt es ta ts ä c h lic h vo rw ä rtsz u g e h e n d urch B eleh ru n g und d u rch p o sitiv e M aß n ah m en , die ich je tz t im einzelnen hier selb s tv e rs tä n d lic h n ich t en tw ic k eln kan n , die in ihrer G e sa m th e it als E u g e n ik zu sam m en g e fa ß t w erden.

Ic h erlau b e m ir, d iesb ezü g lich einen kleinen P assu s vo rzu lesen , den ich selb st n ach einem V o r ­ tra g e im Jah re 1910 in F re ib u rg gesch rieben h a b e:

„ D a s (d. h. die eu genisch en B estreb u n gen ) sind ,d ie‘ F ra g e n d er K u ltu rm e n s c h h e it: d as sind die fu n d am en ta lsten E x iste n z fra g e n des S ta a tes, und seine offiziellen K re ise kü m m ern sich n ic h t darum . D e r h u m an istisch geb ild ete J u rist s c h ä tz t h is to ­ risch e K e n n tn is h öher ein als an th ropologisch es W issen . Ic h scheue m ich n ich t, es h ier ru h ig a u s­

zusprech en , au ch w enn es m ir p ersön lich v ö llig falsch g e d e u te t w erd en kan n , d a ß die m aßgeben d en K reise, V o lk s v e rtr e tu n g und R egieru n gen , allen G ru n d und die h e ilig ste P flic h t h ä tte n , fü r V e r ­ b re itu n g a n th ro p o lo gisch en W issen s zu sorgen, die M ö glich k eit zu gew äh ren , d a ß sich die h era n - w ach sen d e Jugend an th ro p o lo g isch b ild e t, v o r allem an den d eu tsch en U n iv e rs itä te n .“

Ic h d a rf vie lle ic h t m it folgen d en k u rzen H in ­ w eisen schließen.

E s g ib t H isto rik e r, W irtsc h a ftsle h re r und A n th ro ­ pologen, die a u f dem S ta n d p u n k t steh en : das h a t ja alles g a r k ein en Z w e c k m ehr, — d as S ch ick sals­

ra d ro llt eben u n d ein M ensch, a u c h eine G ru p p e vo n M enschen u n d ein S ta a t sind v ie l zu sch w ach , in dieses S ch ick salsrad au ch n u r ein igerm aß en ein ­ zu greifen u n d es im L a u fe e tw a a u fzu h a lte n ! A u f dem W ege, den das a lte H e llas u n d R o m und w er sonst n och g egan gen ist, sind eben j e t z t w ir, und w ir gehen ihn m it ra p id er G esch w in d ig k e it. Ich bin solch en Ä u ß e ru n g e n gegen ü b er o p tim istisch er ein gestellt, o p tim istisch n ic h t e tw a in dem Sinne, d a ß ich die A u ge n versch lösse od er alles in rosigem L ic h te säh e. Im G eg en teil! A b e r ic h bin ü b er­

zeu gt, d a ß d ie sch ä d lich en W irk u n g e n , die ohne unseren W ille n , b ish er a u ch grö ß ten teils ohne unser W issen , d u rch M aßn ah m en h e rv o rg e b ra c h t w urden , die w ir als K u ltu rm a ß n a h m e n selb st g e ­ tro ffe n h ab en , d u rch and ere M aßn ah m en p a r a ­ ly s ie r t w erd en kön nen , n ach d em w ir w en igsten s ein iges vo n den sch äd lich en F o lge n jenes H an d eln s kenn en. W ir b e h au p te n so o ft vo n un s: w ir h a b en uns allm äh lich zu m H errn der N a tu r g em a ch t.

(9)

W ir beh errsch en m it sehr vieler T e c h n ik h eu te u n en d lich v ie le s : fü r uns ist der R au m , a u f un serer E rd e w enigstens, fa s t ein N ichts gew orden , w en n w ir an m od ern ste F lu gzeu ge, drah tlose T e le g ra p h ie und äh n lich es d en ken . W ir beherrschen ein e gan ze A n z a h l v o n K ra n k h e iten fast sou verän . W ir h ab en S eu ch en , die Jah rhu nderte G eißeln d er M en sch h eit w aren , fü r unsere europäische B e v ö lk e ru n g a u s­

s ch a lten können, und m an d a rf h o ffen , d a ß a u ch n o ch fü r m anches andere, w as h eu te n och als G e iß e l a u f uns lastet, E in d äm m u n g sverfah ren — d er O p tim ist wird sag en : restlose A u s ro ttu n g m ö g ­ lich ist. W a s w ir aber noch nicht ein m al angefangen

Heft 32. 1 6. 8. 1926J

hab en zu b eh errsch en und zu übersehen , d as sind diese b iologisch en G eb iete, das ist alles d as, w as unserer K u ltu r b io lo gisch gesch ad et h a t. A n der E rh a ltu n g vo n E rb lin ien zu arb eiten , sie zu stu d ieren und g ü n s tig zu beeinflussen, sie vo n den S ch äd ig u n gen un serer K u ltu rm a ß n a h m e n fre izu ­ h alten od er w ied er zu befreien , h a t noch gar n ich t begonn en! D as is t die eig en tlich e und letzte A u f­

gabe, die a ll diesen F o rsch u n g en in new oh n t, und diese A u fg a b e is t — d a s w ird je d e r zu geben — - zu m H eile unseres gan zen V o lk e s leb en sn o tw en d ig , sie leid et keinen A u fsc h u b , sie v e rla n g t unsere vo lle Sorge und K r a ft.

Zuschriften. 755

Zuschriften.

Der Herausgeber hält sich für die Zuschriften nicht für verantwortlich.

Das Argonspektrum im äußersten U ltraviolett.

Mit Hilfe des Vakuum spektrographen1) haben wir je tz t nach dem Helium- und Neonspektrum 2) auch das Argonspektrum im äußersten U ltraviolett untersucht.

Außer den bereits von Th. Ly m a n und F . A . Sa u n- d e r s3) und G. He r t z und J. H . Ab b i n k4) gefundenen Resonanzlinien 1048 Ä und 1066 Ä (1 p — 2 s2 und i p — 2 s4) fanden wir noch verschiedene Linien kürzerer Wellenlänge.

Die folgende Tabelle 1 gibt die Wellenlängen in Ängströmeinheiten und die geschätzten Intensitäten (im Glimmlicht) dieser Linien, welche sowohl in der positiven Säule als im Glim m licht gefunden wurden, wieder. H inter jeder W ellenlänge findet man die be­

rechnete Anregungsspannung der betreffenden Linie.

Tabelle 1.

Anregungs- Anregungs­

Int. Wellenlänge spannung (ber.) in V.

Int. Wellenlänge spannung (ber.) in V.

9 1066,75 + 0,1 i i,57 3 842,79 ± 0,1 14,65

1048,30 ± 0,1 3 834,98 ± 0,1 14,79

10 11,78 4 834,42 ± 0,1 14,80

932,06 ± 0,1 4 826,34 ± 0,1 14,94

7 13,25 4 825,36 ± 0,1 14,96

8 919,79 ± 13,42 2

3

820,12 ± 0,1 816,27 ± 0,1 15,05

15,12 + 894,31 ± 0,1 13,80 0 809,99 ± 0,1 15,245) 5 879*97 ± 0,1 14,03 0 807,65 ± 0,1 15,295) 4 876,10 ± 0,1 14,09

5 869,75 ± 0,1 14,20 2 806,46 ± 0,1 15,31 5 866,84 ± 0,1 14,24 2 797,68 ± o,x 15,48

M it gewissem Vorbehalt geben wir auch noch die folgenden Linien als wahrscheinlich zu Argon gehörend:

946,72; 808,88; 803,80; 801,33. Im Wellenlängengebiet von 866,84 bis 919.79 treten im Glimmlicht (sowohl in einer Cu- als auch einer Ni-Hohlkathode) noch die folgenden Linien auf: 908,31; 887,45; 883,22; 879,62;

878,78; 875,56; 871,11.

D a man im Wellenlängengebiet der äußersten ultra­

violetten Argonlinien auch immer eine Menge Linien des Viellinien- und Atomspektrums von W asserstoff

x) G. He r t z, Physica 5, 189. 1925; Zeitschr. f.

Phys. 32, 933. 1925.

2) H. B . Do r g e l o und J. H. Ab b i n k, Zeitschr. f.

Ph ysik (ijn Erscheinen); Physica 6, 150. 1926.

3) T h . Ly m a nund F . A. Sa u n d e r s, Nature 116, 358.

1925-

4) G. He r t zund J. H . Ab b i n k, Naturwissenschaften 14, 648. 1926.

5) Diese Linien sind nur beobachtet auf starken A uf­

nahmen des Glimmlichtes.

auf die P latte bekommt, ist es eine mühsame Arbeit, mit Sicherheit zu bestimmen, welche Linien zu Argon gehören. Mehr als 25 Platten sind dafür mit Hilfe verschiedener Lichtquellen aufgenommen, kritisch beobachtet und zum größten Teil ausgemessen worden.

Obgleich das sichtbare Argonspektrum noch nicht vollständig analysiert worden ist, kann man doch aus den Vorarbeiten von Ry d b e r g1), Pa u l s o n2), Me g g e r s3) und Me i s s n e r4) auf eine große Analogie zwischen dem Argon- und dem Neonspektrum schließen. In einer kürzlich in der Zeitschr. f. Ph ysik5) erschienenen Arbeit wurde dies von K . W. Me i s s n e r durch die Deutung der starken im äußersten R ot gelegenen Gruppe des roten Argonspektrums festgestellt.

Von den übrigen Linien im sichtbaren Spektrum zeigen sehr viele Gruppen die W ellenzahldifferenzen der zehn 2 p-Niveau s. Diese Linien entsprechen also Kombinationen der 2 p-Termen m it höheren d- und s- Termen. Diejenigen dieser höheren s- und d-Termen, welche durch die innere Quantenzahl J = 3/2 charak­

terisiert sind, können m it dem Grundniveau (J = 1/2) kombinieren. Mit Hilfe dieser Daten kann man be­

rechnen, welche Linien im äußersten U ltraviolett zu erwarten sind6).

Aus den Wellenlängen der beiden Resonanzlinien und den Wellenzahldifferenzen der 2 s5-, 2 s4-, 2s3- und 2 s2-Niveaus berechnet man als Anregungsspannung dieser 2 s-Niveaus 11,49; 11,5 7; I]C>67; 11,78 Volt, also in guter Übereinstimmung m it der von G. He r t z und R. K . Kl o p p e r s7) gefundenen ersten Anregungs­

spannung von 11,5 Volt.

Die zweite von He r t z und Kl o p p e r s bestim m te Anregungsspannung von 13,0 V o lt stim m t vorzüglich mit den aus den W ellenlängen der Resonanzlinien und den Wellenlängen der 2 s — 2 p-Linien berechneten W er­

ten der Anregungsspannungen von 12,85 bis 13,42 V olt der 2 p-Niveaus.

Aus der Anwesenheit der Liniengruppe 894,31 Ä bis x) J. R . Ry d b e r g, Astr. journ. 6, 338. 1897.

2) E. Pa u l s o n, P h y s . Z e its c h r . 15, 831. 1914.

3) W. F. Me g g e r s, P h y s . rev. 18, 160. 1921.

4) K. W . Me i s s n e r, Phys. Zeitschr. 19, 686. 1925.

5) K. W . Me i s s n e r, Zeitschr. f. Phys. 37, 238. 1926.

6) Bemerkung bei der K o rrek tu r: Herr Prof. Me i s s­

n e r teilte uns nach Einsichtnahm e unseres Manu­

skriptes freundlichst mit, daß die meisten der von uns gefundenen Linien durch die von ihm berechneten Terme ihre Erklärung finden.

7) G. He r t zund R. K . Kl o p p e r s, Zeitschr. f. Phys.

31, 463. 1925.

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