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Geisteskultur und Volksbildung. Monatshefte der Comenius-Gesellschaft für Kultur und Geistesleben, 1920, 29. Band, Heft 1

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Academic year: 2022

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(1)

Geisteskultur und Volksbildung

Monatshefte d er Comenius - Gesellschaft

Herausgegeben von F erd. Jak . S chm idt

IN H A L T :

Alte Ziele un d neue W ege

F r ie d e m a n n , Die Sage vom Fisch und Ring D o n a th über: Keyserling, Das Reisetagebuch

eines Philosophen

B r a n d e n b u r g über: Spengler, Der U ntergang des Abendlandes

T h o m , W erden und W irken der W heeler- gesellschaft

j Streiflichter — Rundschau Bücherschau ? m Zeitschriftenschau — Sprechsaal

29. Jahrgang Erstes Heft Januar 1920

Verlag von ALFRED UNGER in Berlin C2

(2)

C O M E N I U S - G E S E L L S C H A F T

F Ü R G E IS T E S K U L T U R U N D V O L K S B IL D U N G

Begründet von G eh. A rchivrat D r. L u d w ig K e lle r

E hrenvorsitzender: Vorsitzend e r: Oeschäftsfflhr. Vorstandsmitgl.: G eneralsekretär:

P r in z z u S c h ö n a i c h - Prof. Dr. F e r d .J a k .S c h m i d t A lf r e d U n t e r D r . G e o r g H e in z C a r o l a th , D urchlaucht B erlin -G ru n ew ald V erlagsbuchhändler Berlin 0 3 4 Schloß Arntitz, Kr. Guben H ohenzollem dam m 55 Berlin C 2, Spandauer Str. 22 W arschauer Str. 63

Die Mitgliedschaft wird erworben durch Einzahlung des Jahresbeitrages von M. 15. — auf das Konto der C.-G. bei der Mitteldeutschen Creditbank, Depositenkasse K, Berlin C2, Königstraße 51; oder auf das Postscheck-Konto der C.-G. Nr. 212 95 beim Postscheckamt Berlin NW7; oder durch direkte Einzahlung bei der Geschäftsstelle der Comenius-Gesellschaft, Berlin C2, Spandauer Str. 22; oder bei jeder Buchhandlung.

Für Mitglieder aus den nachgenannten Staaten ist der Jahresbeitrag festgesetzt wie folgt:

D änem aik 6.50 Kr., N orwegen, Schweden 6.— Kr., Schweiz 7.50 Fr., Spanien 6.75 Pes., H olland 3.60 G ulden, England 6,6 Schill., Belgien, Luxem burg, Frankreich 10.50 Fr., Italien 1'2.— Lire, V ereinigte Staaten von Am erika, M exiko 1.50 D oll., Japan 3.50 Yen.

Die Mitglieder der Gesellschaft erhalten die Zeitschrift »Geisteskultur und Volksbildung*, herausgegeben von Ferd. Jak. Schmidt, k o s te n lo s . Diese erscheint jährlich in 10 bis 12 Heften im Umfange von je 2 -3 Bg. Die Einteilung in »Monatshefte für Kultur und Geistesleben3 und »Monatshefte für Volkserziehung* entfällt vom neuen Jahrgang ab.

Die Hefte sind auch einzeln käuflich zum Preise von M. 2.50.

Die Mitarbeiter erhalten drei Stück des Heftes, welches ihren Beitrag enthält, als Beleg kostenlos zugesandt. Bücherbesprechungen gelten nicht als Beiträge. Bücher, die in »Geisteskultur und Volksbildung“ besprochen werden sollen, sind durch die Post oder auf Buchhändlerweg (Leipz. Komm.: Volckmar — Berliner Bestellanstalt) an den Verlag zu senden.

P r e ise für A n zeig en in »Geisteskultur und Volksbildung« auf besondere Anfrage.

I N H A L T (Fortsetzung)

S t r e i f l i c h t e r ... ...Seite 22 R u n d s c h a u ... ... . 2 6 B ü c h e r s c h a u ... ... v 3 0

Wundt, Völkerpsychologie — Verweyen, Der Edelmensch und seine Werke

— Stählin, Der neue Lebensstil - Tessenow, Handwerk und Kleinstadt — Clausen, Die Freimaurerei — Sette­

gast, Die deutsche Freimaurerei — Grabowsky und Koch, Die freideutsche Jugendbewegung - Heinrich, Der Guttemplerorden und seine Bräuche - Natorp, Der Idealismus Pestalozzis Emst, Der wildgewordene Pädagoge

Schöttler, Weltgeschichte in einer Stunde Dickhoff und Bader, Die Welt derTöne - Schriften der Wheeler- gesellschaft, Heft 1-3 Benzmann, Ausgewählte Gedichte Lemke, Hans Benzmann: Eine Einführung in sein Leben und seine Werke Kuck, Stettiner Jahrbuch - Tangmann, Erstes Jahrbuch der deutschen Volks- Hochschulbewegung — Brieger, Die Neugeburt des religiösen Gefühls.

Z e i t s c h r i f t e n s c h a u ...

Der unmittelbare Tempel — Die neue Erziehung Neue Brücken

Deutsche Stimmen - Vortrupp - Umschau — Spanien.

S p r e c h s a a l ... ...Seite 38

V e r l a g v o n A L F R E D U N O E R , B E R L I N C 2 , S p a n d a u e r S t r a B e 22

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Geisteskultur u n d Volksbildung

M o n a t s h e f t e de r C o m e n i u s - G e s e l l s c h a f t

Herausgegeben von F E R D . JA K . S C H M I D T

Berlin-Grunewald Hohenzollerndamm 55

Jährlich 1 0 -1 2 H efte Preis für den Jahrgang M. 1 5 .-

Einzelhefte M. 2.50

Verlag von A L F R E D U N G E R

Berlin C2 Spandauer Straße 22

Bezugspreise für das A u s l a n d auf der

2. Umschlagseite

29. Jahrgang Erstes H eft Januar J920

ALTE ZIELE UND NEUE WEGE

it dem vorliegenden Hefte beg in n t der 29. J a h r g a n g der M onats­

schriften der Comenius-Gesellschaft. U nter dem neuen N a m e n : G eis teskultu r u n d V olk sbildung will er die alten Ziele auf n e u e n W e g e n verfolgen. W e lc hes w aren die alten Ziele un d welches sind die n eue n W e g e ? Das soll ein kurze r R üc kblic k auf die Geschichte der C. G. u n d ein Vorblick au f die A ufgaben der Z u k u n f t zeigen.

Im J a h r e 1886 fü h rte eine Anzahl F re u n d e der W u n s c h z u s am m en , der Ge­

sin n u n g u n d W e l t a n s c h a u u n g des Com enius un d dem Geiste seiner G e sin n u n g s­

genossen wie Leibniz, H erder, K an t, Fichte, S ch leierm acher, Schiller u n d Goethe le bendige V erb re itu n g zu verschaffen un d in ihrem Sinne bildend u n d erziehend a u f das heutige G eschle cht zu w irken. Das Ziel aber, das diesen M ä nnern als Geist der com enia nisc hen D e n k a rt vorschw ebte, w a r : E rz ie h u n g des M e nsche n­

geschlechtes, freie E n tf a lt u n g der P ersönlic hkeit u n d zw ar sowohl d er Einzel- wie der V olkspersönlichkeit, Schaffung ideeller Lebenswerte u n d ih re öffentliche V er­

tr e tu n g auf d em W ege der V olkserziehung. Das Streben n a c h einem so hohen Ziele w a r eine M enschheitsaufgabe, die n u r d a n n die. G e w ä h r d a u e r n d e n Erfolges

*n sich trug, w enn sie als eine A ngelegenheit aller Nationen b e h a n d e l t w urde.

D ah e r w u rd e das W e r k u n te r das P a tr o n a t eines N am e ns u n d eines M annes ge­

stellt, der d u rc h seine Absichten u n d seine Schicksale allen Völk ern u n d Klassen in gleicher W eise an g e h ö rt. Die V orbe re itunge n z u r Feier des 3 0 0 j ä h ri g e n Ge­

burtstages des Comenius fü h rte n zur V erw irk lic h u n g des P lanes. A usgede hnte V o rbesprechungen ergaben d a h in Ü b erein stim m u n g , d a ß m a n s ta tt eines D enkm a ls aus Stein oder Erz ein lebendiges D enkm a l in F orm einer Gesellschaft zu schaffen beschloß. In einem Aufruf, eine E rinnerungsfeier zu vera nstalten u n d eine Comenius-Gese llschaft zu g rü n d e n , tr a t m a n im J u n i 1891 an die Öffentlichkeit.

Der A ufruf tr u g 2 4 6 U nterschriften an g e se h en er M ä n n er nic h t n u r D e utschla nds sonde rn a u c h aus Belgien, D ä n e m a rk , F ra n k re ic h , G riec henla nd, G ro ß b rita n ie n , Italien, den N iede rlande n, Norw egen, Ö sterreich-U ngarn, R u m ä n ie n , R u ß la n d ,

Monatshefte d er C. G. 1920. 1

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S ch w ed e n , der S chw eiz u n d den Vereinig ten S taa ten u n d w u rd e gleichzeitig in d eutsche r, fra nzösischer u n d englischer, sp ä ter a u c h in tsc h ec h isc h er u n d u n ­ garisc her S prache in etw a 2 0 0 0 0 Abzügen v ersa n d t. Obw ohl die Zeit d am als äh n l ic h wie h e u te von H a ß u n d Gegensätzen erfüllt war, n a h m die J a h r h u n d e r t ­ feier für Com enius, diesen Apostel des F rie dens, einen ein d ru c k sv o lle n Verlauf.

U n ter allen g ebildeten V ölk ern, bei M itgliedern aller B ekenntnisse, P arteien un d S tä n d e fa n d e n sich F re u n d e u n d A n h ä n g e r des Comenius. Die Zahl d er Mit­

glieder der C.-G. b e tru g schon 1892 etw a 6 5 0 P erso n en u n d K örperschaften, und u n te r ih n e n w a re n A ngehörige v o n 14 N atio n en v e rtreten . Das geistige B a n d aber, das alle Mitglieder u m sp a n n te , w u rd e d u r c h die M onatsschriften d e r C. G.

h ergestellt u n d d a u e r n d e rh a lten , ein unvergessenes V erdienst L u d w ig Kellers, der J a h r z e h n t e h i n d u r c h die Gesellschaft leitete u n d die M onatsschriften hera u sg ab . Die Zahl d er M itglieder w u ch s, je größer die g em ein n ü tzig e n u n d w isse nscha ft­

lichen Leistungen der Gesellschaft w u rd e n . A llgem eine A n e r k e n n u n g fand, was die C. G. für B e g r ü n d u n g u n d E n tw ic k lu n g der stä dtischen B ücher- u n d Lesehallen, für die F ö rd e ru n g der sta atsb ü rg e rlich e n u n d k ü n stlerisc h en E rz ie h u n g , für die E r r ic h tu n g von Volks- u n d J u g e n d h e i m e n , F ra u e n s c h u le n , L an d e rz ie h u n g sh eim en , S tu d e n te n h e i m e n , v o n örtlichen E rz ie h u n g s- u n d Pflegeäm tern, für E i n f ü h r u n g der stu d e n tisc h en A rb e ite ru n te r ric h tsk u r se u n d für die B e g r ü n d u n g eines d eutschen S iedle rbundes geleistet hat. Neben der A rbeit für diese volk serzie herischen V er­

a n s ta l tu n g e n h a t die C. G. ih re w isse nscha ftlic hen A ufgaben keinesw egs vergessen.

Das A n d e n k e n a n die g ro ß en M änner, deren Geist un d G esin n u n g die Gesellschaft z u s a m m e n g e f ü h r t h a t, w u rd e d u r c h w issenschaftliche Aufsätze von n euem belebt u n d ih r Bild der G e g e n w a rt n ä h e r g eb ra ch t, in ih rem Geist die philosophischen, p ädagogischen u n d wissenschaftlichen F ra gen der G eg e n w a rt b e t ra c h te t u n d b e ­ h a n d e lt. U nd d a die C. G. keine W issen s ch a ft u n d keine K u n s t ausschloß, die zu r B ild u n g des Geistes, des C h a ra k te rs oder z u r Pflege des G em üts die nen konnte, den g anzen M enschen zu erfassen suc hte, bildete sie ein G ege ngew ic ht gegen die große Z erp litteru n g in u n se re m Vereinswese n. U n ter W a h r u n g voller U n a b h ä n ­ gigkeit v o n b es tim m ten P a rte ie n u n d P a r te ip ro g r a m m e n betonte sie die g e m e in ­ sa m en Ü berze u g u n g en aller derer, w elche echte n K u ltu r fo r ts c h r itt im S inne k ö r p e r ­ licher, geistiger, u n d sittlicher E rt ü c h ti g u n g u n d V e rv o llk o m m n u n g erstrebten. Der W e ltk r ie g h a t hier wie a u f vielen an d e r e n Gebieten die A u fw ä rts b ew eg u n g u n t e r ­ b roche n. N u n ist der K rieg aus, u n d es gilt, die alten B estrebungen u n d Be­

zieh u n g e n w ie d e ra u f z u n e h m e n , zuerst u n d v o r n e h m lic h in unserem V ate r la n d e ; ab e r a u c h die zerrissenen F ä d e n m it den g leichstrebenden Kreisen des A uslandes müssen m ü h s a m , a l lm ä h lic h u n d vorsichtig w ieder a n g e k n ü p t w erden. Ein e wichtige v e r ­ m ittelnde Rolle w erd en dabei die M onatshefte der C. G. spielen müssen, sie haben zw a r ein neues G esicht u n d einen n e u e n N a m e n erh a lten , aber ih r Geist u n d ihre G e sin n u n g h a t sich n ic h t geä n d ert. Die w issenschaftlichen Arbeiten w erden wie bishe r in den Aufsätzen u n d Streiflichtern ih ren Niederschlag finden, sie werden weiter ihr v o r n e h m ste s Absehen d a h i n richten, d e n k e n d e n M enschen einen geha ltvollen u n d v ersö h n e n d e n geistigen L eb e n sin h a lt zu geben, d e r sie zur Selbst­

erziehung b efähigt u n d an le ite t; sie w erden a u c h fern erh in der M ittelp u n k t aller Bestrebungen sein, die z u r F ö rd e ru n g der M e n schhe itse rz ie hung in D eu ts ch la n d u n d

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1920 Alte Ziele und neue Wege 3 in ä n d e r n L än d e rn bestehen u n d die heute d u rc h ihre Zersplitterung so wenig w ir k sa m sind. Ebenso wie die C. G. m it keinem der zahllosen klein en F a c h v e r ­ eine in W e ttb e w e r b tritt, will die M onatsschrift keine der za hlreichen F achz eit­

sc hrifte n ersetzen. Sie will v ie lm e h r in noch höhere m Maße als schon bisher d e r Boden w erden, a u f w elc hem sich die Vertreter der F achve reine zu gem einsam em Vorgehen berü h ren . In der „ R u n d s c h a u “ wird um fassender als bisher über alle B e stre b u n g e n a u f dem Gebiete der G eisteskultur u n d V olk sbildung be r ic h te t; in der B üc her- u n d Z eitschriftenschau w erden alle N eu e rsc h ein u n g en , soweit sie im S in n e unserer Bestrebungen auf literarische B e d e u tu n g A nsp ru ch erheben k ö n n en , besprochen un d g e w ü rd ig t w erden. A u ß e r d e m soll ein „ S p re c h s a a l“ den vielen ausw ä rtigen Mitgliedern G elegenheit geben, in geistigen A ustausch m it Gleichstrebenden zu treten u n d m itzuhelfen, w ichtig e Fragen der W issenschaft u n d Bildungspflege zu klären u n d zu fördern. Das ist abe r n u r möglich d u rch rege M itarbeit aller derer, die h a n d e ln d an dem geistigen A ufbau m itarbeiten

■wollen. J e d e r einzelne m u ß seinen Baustein herbeitragen zu dem Tem pel, dessen E in ga ngspforte die Inschrift tr ä g t : F ü r G eis teskultu r u n d Volk sbildung!

EIN VOLKSERWECKER

NIKOLAI FREDERIK SEVERIN GRUNDTVIG 1 7 8 3 - 1 8 7 2

Von Prof. G. H a m d o r f f

■■ ur Zeit der tiefsten E rn ie d rig u n g unseres V aterlandes vor 112 J a h r e n erblickte J o h a n n Gottlieb F i c h t e die einzige R e ttu n g aus der Tiefe in einer b e w u ß t völkischen E rziehung. Eine solche ist unse rm Volke n ic h t gew orden, a u c h n ic h t im neuen d eutschen Kaiserreiche, vor dessen T r ü m m e r n wir n u n stehen. Das deutsche Volk ist noch im m er, wie H erd er es n an n te , „ d i e un g ew o rd en e N atio n “ , oder wie R aabe einm al an einen F re u n d sc hrieb, ein „formlose r, auseina nderfließe nder V ölkerbrei“ , dem grade j e t z t aufs neue die G efahr droht, d a ß die raubgierigen N ac h b a rn m it ih ren Löffeln d av o n wegschöpfen, soviel sie bek o m m en . Doch in einem ä n d e r n , kleineren Volke germ a n isc h en S tam m es haben F ichtes G eda nken Gestalt a n g e n o m m e n : in dem b e n a c h b a rte n D ä n e m a r k , u n d Nik olaus Friedrich Severin G r u n d t v i g , d er Dichter, Geschichtsschreiber u n d P re diger ist es, der die G ed a n k en des de utsche n P h ilosophe n u n d V ate rlan d sfreu n d es au fg e n o m m en u n d v erw irk lic h t h a t zum Heile seines Volkes: in der V o l k s h o c h s c h u l e . Den „g rö ß te n E rzieher des N orde ns“ h a t ih n eine schwedische Lehrerin g e n a n n t; er w ar in W a h r h e i t ein Volkserw ecker. Die G eschichte dieser E rw e c k u n g ist gerade jetzt i ü r uns lehrreich un d H offnung gebend.

Sohn eines P farrers im südliche n S eeland u n d selber zum geistlichen S tande vorgebildet, k am der 24 jä h rig e P re d ig ta m ts a n w ä rte r , n a c h d e m er einige J a h r e als H au sleh rer a u f der Insel L a nge land g ew irkt hatte, im W in te r 1808 nach K o p e n h a g e n , um d o rt eine A nstellung zu suc hen. Es w ar wenige Monate nach

•der v ö lke rrec htw idrigen B e schießung der d änischen H a u p ts ta d t (vom 2. bis 1*

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5. S ep te m b er 1807) d u r c h die E n g lä n d e r , die n a c h Ü bergabe der S ta d t die g e­

sam te d ä nische F lotte w eg g e fü h rt h a t te n . Der ju n g e , ernste Geistliche erw arte te die H a u p ts ta d t in tiefer T r a u e r zu finden, er sah sie in einem Meere vo n V er­

g n ü g e n sc h w i m m e n . In f la m m e n d e m Zorn e schrieb er seinen „ M a sk e n b a ll in D ä n e m a r k “ , oh n e d a d u r c h auf das le ichtsin nig e Volk E in d ru c k zu m a ch e n . Ein ih m u n b e k a n n te r, gle ichaltriger D ich ter F ovel Dons an tw o rte te d em eifrigen V ater­

la n d sfre u n d e u n d su c h te ihn zu v e rtröste n auf lichtere Zeiten, die sic her für das V ate rlan d w ie d e r k o m m e u w ü rd e n . W e n n a u c h der leid enschaftlich erregte G ru n d t v ig dem rosig se h en d e n D ichter v o r h i e l t : er k en n e das E le nd d e r Zeit u n d die tiefe V erderbnis n ic h t, so h a t doch die m it diesem M e in u n g sta u sch e sich a n s p in n e n d e F re u n d s c h a ft m it d em M enschen der frohen Hoffnung a u c h ihn w ieder zum G laube n an das in seinem Volke s c h lu m m e r n d e Gute g e b r a c h t u n d zu m K a m p f gegen das Übel angefeuert.

Die Folge d e r englischen G e w a ltta t w a r gewesen, d a ß sich die d ä nische R egie­

r u n g N apoleon in die A rm e w arf zu se inem U n g lü c k : der sie benjährige K a m p f richtete das L and vollends z u g ru n d e . G ru n d tv ig w ar n a c h d em T ode seines Vaters, den er als H ilfsprediger v ertr e te n hatte, w ieder in K o p e n h a g e n , als dem

Lande d u r c h die an der Südgrenze ste hende n S chw ede n die größte Gefahr drohte.

Da beriefen am D re i-K önigs-T a ge dieses neu e n U n g lü c k s ja h r e s 1814 die Kopen- hag e n er S tu d e n te n eine V e rsa m m lu n g ein, u m zum äu ß e rsten W id e r s ta n d e a u f z u ­ fordern. A u c h G r u n d t v ig w a r geladen u n d t r a t als R e d n er auf. O h n e den G laube n an den le bendigen Gott — so fü h rte er aus — k ö n n e keiner das V ate rlan d v o m d r o h e n d e n U nterga nge r e tte n ; m it d ene n aber, die diesen Glauben h ätten , wolle er dem Könige a nbiete n, was sie an K räften besäßen, u m das Volk a u fz uric hte n u n d für das Reich zy käm pfe n. Der K önig le hnte das Anerbieten ab u n d Unterzeichnete den F rie den zu Kiel, d u r c h den D ä n e m a r k sein N e b e n ­ la nd N orw egen verlor. N un g alt es, sich a u f das engere V ate rlan d zu be­

sc h rä n k e n , dieses zu festigen, das d änische Volk m it v ö lk is c h -v a te rlä n d is c h e m Geiste zu erfüllen. — Mit Eifer m a c h te sich G ru n d tv ig , jetzt G eschichtslehrer an einer Lehr-A nstalt, an die Arbeit, d u r c h W ied e rg a b e der alten no rd isch e n Chro­

nik en von S a x o G r a m m a t i c u s (aus dem la teinischen) u n d S n o r r i S t u r l u s o n (aus d em A lt-N ordische n) u n d später des angelsächsischen H e ld e n ­ gedichtes Beowulf in seinen Volksgenossen den H eldengeist der alten N o rd la n d s ­ recken zu n e u e m Leben zu erw ecken. E r w a r en ttä u s c h t, als ihm das n a c h viel­

jä h rig e r A rbeit n ic h t gelang, u n d es m ag ihm keine G e n u g tu u n g g e w ä h rt habe n, d a ß F rie d rich Schlegel, der G ru n d tv ig s nordische Mythologie — a u c h eine F r u c h t je n er J a h r e — ins D eutsche übersetzte, ih n „ D ä n e m a r k s größten D ich ter“ n a n n te . Sein Volk bedurfte einer religiösen E r n e u e r u n g ; die sollte ih m der P r e d i g e r G r u n d tv ig bringen.

In der K irche herrschte die n ü c h te rn s te A ufklärung. Die Geis tlichen, b esonders in der H a u p ts ta d t , w aren — u m eine treffende Goeth ische B e ze ich n u n g zu g e­

b r a u c h e n — k alte „ W e l tv e r s t ä n d l e r “ (Rationalisten). Gegen diese herrsch e n d e R ic h tu n g h a tte G ru n d t v ig sich bereits in einer P ro b e p re d ig t im J a h r e 1810 ge­

w a n d t. „ W i e ist des H e rrn W o r t aus seinem H au se v e r s c h w u n d e n ! “ la utete der V orw urf der P redigt, die n a c h h e r a u c h im D ruc ke erschien u n d ins D euts che

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1920 Ein Volkserwecker

übersetzt w orden ist ( N ü r n b e r g 1811). Ju n g -S tillin g , der die P re d ig t las, schrie b:

er m öchte w ohl den ju n g e n M a nn k e n n e n lernen u n d an sein Herz drücken.

Als S tu d e n t h a tte G ru n d tv ig von sein em Vetter H e i n r i c h S t e f f e n s , als dieser in K o p e n h a g e n Vorlesungen hielt, tiefe, n a c h h a lte n d e E in d rü ck e em pfangen.

Besonders, w as der feurige R e d n e r ü b er Christus als den M itte lp u n k t der Ge­

schichte gesagt, w ar bei dem a n g e h e n d e n Geistlichen haften geblieben. Je tz t, als L ehrer in die G eschichte der V ölker vertieft, fand er beim S uchen nac h der E i n ­ heit in der großen M a nnigfa ltigkeit diese ebenfalls in der W i r k u n g des C hristen­

t u m s a u f die Völker. U nd so lag es nahe, d a ß er n a c h dem G ru n d e suchte, w a r u m diese W i r k u n g a u f seine Zeit so sc h w a c h war. In sein er P re d ig t führte er d a n n seine G e d a n k e n au s :

„ S c h w e r r u h te im M ittelalter der b linde G laube an M e nsche nsatzung m it seinem eisernen J o c h e a u f d em christlichen E uropa . Das Licht der W issenschaft bega nn d a s D u n k el zu zerstreuen, u n d die Zeit ersc haute ihre Not. Da t r a t L u th e r h e r ­ vor, der sta rke K ä m p e ; sein A rm w ar a u sgerüste t m it K ra ft von oben, das J o c h zu zerbrechen, u n d er ze rbra ch es. Aber d e m ü tig e r k a n n te er sich als W e rk zeu g in der H a n d dessen, der einst die W e lt erlöste von größerer Not, in d e m er ihr seinen eingeborenen S ohn sc henkte . . . Doch die F ä h ig k e it des Menschengeistes zu u n te r ­ su c h en u n d a u fz u k lären w ar gew eckt . . . Mit jedem Schritte, den der M e nsche n­

geist zu einer kla re n E rk e n n tn is der Dinge u m uns, der N a tu r u n d ihrer Gesetze u n d seiner eigenen W irk u n g sw e ise ta t, hie lt sich der Mensch im m er m e h r b e­

rechtigt, sich erh a b en zu d ü n k e n ü b e r dem , w as geschrieben steht. Dreister u n d im m e r dreister gla ubte er zuletzt, bei der B e tr a c h tu n g über sich se lbst u n d das E ndlic he, die Gesetze feststellen zu k ö n n en , nac h d ene n Gott w irken m u ß , u n d verw egen v e rw a r f er n u n alles, was n ic h t m it diesen Begriffen stim m e n w ollte .“

In d em Vorworte zur g ed ru c k ten P re d ig t h e iß t es — wie für unse re Zeit g e­

sc h rie b e n : „U nsre Zeit ste h t v o r einem W e n d e p u n k t e , vie lleicht einem der größten, den die G eschichte k ennt. Das Alte ist g e s c h w u n d e n ; das Neue w a n k t u n d s c h w a n k t u n ste t; keiner löst die Rätsel der Z u k u n ft. W o sollen wir da R u h e für die Seelen finden a u ß e r in dem W orte , das bestehen wird, w en n H im m e l und E rde in ein anderfließen, u n d W elten zu s am m en g ero llt w erden wie ein G e w a n d ? “ 1)

Dieses „ W o r t “ w ar für ihn das T a u f b e k e n n tn is, an dem er alle Zeit festhielt u n d das er v o n den P re d ig ern festg ehalten wissen wollte bei aller sonstigen Freiheit im Amte.

Die k ü h n e P re d ig t b rac h te d em ju n g e n Eiferer freilich k ein e A nstellung im K irch e n d ien ste der H a u p ts ta d t, sonde rn z u n ä c h s t eine A nklage wegen Beleidigung des P re d ig e rsta n d e s; doch im L an d e verh a llte n seine W o r te n ic h t wirkungslos.

U nter den B a uern — u n d das d änische Volk bestand d am als noch zu sieben N eunteln a u s B a uern — lebte noch der alte L u th e rg la u b e, u n d an den alten K ernliedern erba ute sich das Volk, zu m Teil a u ß e r h a lb der K irch e in V ersam m lu n g e n , deren Leiter allerdings oft Verfolgungen seitens der Geistlichen u n d sogar Gefängnisstrafen a u s­

gesetzt w aren. G r u n d tv ig h a t als P re d ig er erst nac h J a h r e n erreicht, d a ß den G em ein degliedern, ohne d a ß sie aus der S ta a tskirche a u s tra te n , gestattet ist, sich ihre eigenen P re d ig er zu w ä h le n ; sie sind n u r verpflichtet, für die S ta a tskirche mit-

') Ludwig Schröder, N. F. S. Grundtvigs Levned 1901 S. 38 und 39.

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zusteue rn. Ebenso d ürfen die G r u n d t v i g ’schen G em eindeglieder ihre eigenen

„freien S c h u le n “ ein rich te n u n d ih re K in d e r vo n gle ichge sinnte n L ehrern u n d L e h ­ rerin n en u n te rr ic h te n lassen, m üssen ab e r die Lasten d e r G em e inde schule m it­

trage n. U nd beides t u n sie oh n e W id erstreb e n . Die E ig e n a rt des G ru n d tv ig sc h e n C hristentum s ab e r k e n n z e ic h n e t treffend die B e ze ich n u n g „ f r e u d i g e s C h r i s t e n ­ t u m “ , über das sich G ru n d t v ig einm al in einem Briefe an einen F r e u n d g e ä u ß e r t h a t :

„A lle unsere A rbeit ist vergeblich, w e n n n ic h t der S inn des Volkes für m e n s c h ­ liche H eiterkeit u n d F re u d e aufs neue e rw ec k t w erd en k a n n . D enn w as so llte das ewige Leben für uns sein, w e n n w ir n ic h t ein zeitliches Leben k en n e n , d a s w ir u ns ewig d e n k e n u n d auf das w ir u n s freuen k ö n n e n ? “

Es sind im G ru n d e dieselben G e d a n k e n , wie sie unser F ichte in einer se in er Reden a n die d eutsche Nation (der a c h te n ) aussprach: „ In der rege lm äßigen O rd ­ n u n g d e r Dinge soll das irdische Leben selber w a h rh a ftig Leben sein, dessen m a n sich erfreuen u n d das m a n freilich in E r w a r t u n g eines hö h ere n d a n k b a r genießen k a n n . Der n a tü rlic h e , n u r im w a h re n Falle d e r N ot aufz u g eb en d e T r i e b des M enschen ist der, d en H im m e l schon auf E rd e n zu finden u n d ewig D a u ­ erndes zu verflechten in sein irdisches T ag e w erk , das U n v erg än g lich e im Zeit­

lichen selbst zu pflegen u n d zu erz iehe n.“

In diesem S inne h a t d er anfangs als N ac h m itta g sp re d ig e r tätige, endlich im J a h r e 1839 an der V arto v - K irc h e angestellte P fa rr e r G r u n d t v ig v o r einer z a h l­

reichen Z u h ö re r sc h a ft gepredig t. Seine P re d ig te n sin d a u c h d u r c h den D ru c k v erb reitet w o rd e n , u n d z a h lreic h e K irch e n lied e r von ihm bilden noch h eu te einen w esentlichen Bestandteil des Gesangbuches. In beiden sowie in seinen Ü b e r ­ setzungen d e r alten H e ld e n lie d er u n d in w eltlichen, zu Volksliedern gew ordenen Gedichten zeigt G r u n d t v ig eine S p rachgew alt, die an L u th e r erinne rt. A n Stelle der B ü c h e r sp ra c h e sc huf er sich eine neue, der V olkssprache n ä h e r ste hende , eine

„ B ü rg e r s tu b e n s p ra c h e ,“ n ic h t ä rm e r als die S p rache, wie sie „ v o r n e h m e , gebildete L eute“ sprec hen, ab e r je d e r m a n n ve rstä n d lic h . U nd so ist er a u c h a u f s p r a c h ­ lichem Gebiete ein R eform ator, ein Neugestalter gew orden. „ E s g ibt w enig L ä n d e r , — sc h re ib t d e r v o r h e r sc hon angezogene Ludw ig S chröder (a. a. 0 . S. 65) — wo im allgem einen so gera de h era u s von K leinem u n d G roße m u n d so sc h lic h t v o n all dem H o h en gesprochen w ird wie in D ä n e m a rk , wie es a u c h w enig Stellen gibt, wo m a n so g u t versteht, d a ß E rn s t u n d H eiterkeit g u t Z usam m en k o m m en k ö n n e n . “

Von G ru n d tv ig s „ freu d ig e m C h r is te n tu m “ ab e r legen die Briefe Zeugnis ab, die im Kriege 1864 die dän isch e n B a u ern so ld a ten an die Ihrig en geschrieben h a b e n , u n d ebenso die F ra u e n an ihre M ä n n e r im Felde. Karl Larsen, der sie ge s a m m e lt u n d in A u sw a h l heralisgegeben h a t 1), s c h re ib t: als L eitw ort k ö n n e m an ü b er all diese sc h lic h ten Briefe d e r M ä nner das W o r t eines von ih n e n setzen: „Ic h hoffe, d a ß G ott m ir K ra ft u n d M ut in m e iner P flicht u n d m e in em Berufe gibt, d a ß ich mit E h re n d u r c h m a c h e , w as das Geschick m ir aufe rle gt.“

*) Karl Larsen, U nder vor sidste Krieg 1897. 2. Auflage E t Folk i Krig 1914. Die erste Auflage ist auch ins Deutsche übersetzt, und das Buch h at das preußische Kultus­

ministerium veranlaßt, zu einer gleichen Sammlung der Kriegsbriefe von 1870/71 auf­

zufordern.

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1920 Ein Volkserwecker 7 Diese G otte rge benhe it un d Pflichttreue v e r b a n d sich allerdin gs d am als n ic h t im m e r m it b e w u ß te r V aterlandsliebe, besonders bei den F ra u e n , wie das Beispiel je n e r dän isch e n B ä u e rin n e n lehrt, vo n denen ein norwegischer V o lk sh o c h sch u l­

le hre r Christopher B r u u n e r z ä h l t 1). Der a n g e h e n d e Geistliche w ar, wie n ic h t w enig e sein er Landsleute , als F re iw illiger ins d ä nische H eer eingetreten u n d lag n a h e d em K rieg ssc h au p latz a u f einer kle inen Insel. Da k a m er einm al m it ein p a a r B ä u e rin n e n ins G espräch ü b er den K rieg, der zw a r sc hrecklich, ab e r nötig sei, u m die F re iheit des V ate rlan d e s zu retten. Das w a r den F r a u e n a u g e n ­ sc heinlich rätselh aft. E n d lic h sagte die eine z u r ä n d e r n : „ J a , du k a n n s t g l a u b e n : V a te r la n d u n d so was, das h a t für solche Leute was zu b e d e u te n .“ . . . „ F ü r solche Leute, abe r für sie u n d ih resg leic h en ? — fragte B ru u n . — Das W o r t ergriff m ic h tief u n d schm erzlich. Ich d a c h te an unsre eigenen B a uern; ich w u ß te , d a ß sie in dieser H in sic h t d u r c h a u s n ic h t ü b er den d änischen B auern s ta n d e n . “ Die nordische n B a u ern wollten a u c h erst g ew eckt w erden zu dem B ew ußtsein, was es bedeute, ein V ate rlan d zu h a b e n un d eine M utterspra che . U n d so v e r la n g te er für sein Volk „ e in e g e s c h i c h t l i c h — p o e t i s c h e S c h u l e , wo d i e M u t t e r s p r a c h e in jeder H in sic h t die H a u p ts p ra c h e ist“ ; die „ s o l l d i e K l u f t a u s g l e i c h e n, “ n i c h t bloß d i e K l u f t z w i s c h e n U n g e l e h r t u n d G e l e h r t , s o n d e r n a u c h z w i s c h e n M a n n u n d W e i b .

U n d das erstrebt u n d erzielt a u c h die V o l k s h o c h s c h u l e , die in D ä n e ­ m a rk sc hon seit 1844 b e s te h e n d , n a c h dem u n g lü c k lic h e m Kriege von 1864 zu voller Blüte gelangte u n d in dem selben J a h r e in B r u u n s V ate rlan d Norw egen ihren E inz ug hie lt, 1868 folgte S chw ede n n ac h , 1888 F in n la n d . Mit dieser großen K u ltu r s c h ö p f u n g ab e r ist G r u n d t v i g s N am e für alle Zeiten u n ­ lösbar v e rb u n d e n .

S chon d am als, wo er es u n te r n a h m , seinem Volke die altn o rd isch e n H e ld e n ­ sagen in seiner S pra che zugä nglic h zu m a ch e n , em pfa nd er wie B r u u n 50 J a h r e s p ä t e r : „ d ie Zeit d rä n g te zu einer völkischen H ochschule, in der die M utt erspra che a u f d em T h r o n e sa ß u n d herrschte, u n d d a ß V a te rla n d die lebendig e Stätte w ar, zu d e r alle H erzen gezogen w u rd e n . “ U n d vo n d e r Zeit der französischen J u l i ­ revolu tio n an, die überall hin ihre W e lle n schlu g, h a t G ru n d t v ig nie aufgehört, bei je d er G ele genhe it in W o r t u n d S chrift eine H o c h s c h u l e zu v e rla n g e n

» » f ü r v o l k l i c h e W i s s e n s c h a f t l i c h k e i t u n d b ü r g e r l i c h e B i l d u n g “ . „ K ö n i g u n d V o l k , V a t e r l a n d u n d M u t t e r - s P r a c h. e,“ das w a r das „ d ä n is c h e V ierb la tt“ , u m das sich alles in dieser S chule bewegen sollte. A nfangs d a c h te G ru n d tv ig an eine „b ü rg e rlic h e A k a d e m ie “ für alle drei n ordische n Reiche, u n d als deren Sitz schw ebte ihm das schöne e r in n e ru n g s ­ reiche, einstige K lo ster Sorö a u f S eeland vor, wo Christian IV. eine R itte ra k ad e m ie eingerichtet h atte, später G otenburg, das allen drei R eichen n a h lag. Der S p ra c h e n ­ k a m p f in Schlesw ig zwis chen D änen u n d Deutschen, der u m s J a h r 1840 bega nn, f ü h rte d a h in , d a ß diese „ V o lk s h o c h s c h u le '“ wie sie n u n g e n a n n t w ard, in N o rd ­ sc hlesw ig eröffnet w a r d als Stü tze des D ä n e n tu m s. Die Rede, die G r u n d tv ig am 4. J u l i 1844 bei dem „ S p r a c h e n f e s te “ a u f d em Skam lingsberge bei K olding hielt, k a n n als die W e i h e rede für die H o chsc hule gelten, die als erste im N o v em b e r des-

J) Ludwig Schröder, den Nordiske Folkehöjskole 1904— 5. S. 365 u. 66.

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selben J a h r e s in dem n a h e gelegenen R ö d d in g e ingerichtet w ard. Die W orte, die ein d ä n is c h e r R e ic h sta g s m a n n über die W i r k u n g d e r Rede ä u ß e rte, mögen zugleich als P ro b e dienen für die Gew alt des R edners ü b er die Herzen der Z uhöre r, u n d sein oft geäußertes W o r t bestätigen von der „ M a c h t des le bendig en W o rte s aus M e n s c h e n m u n d e “ . „ E s w a r m ir — sagte d e r R e ic h sta g s m a n n — als w en n ich z u m ersten Male m eine A ugen gegen L ic ht u n d T a g au fsc h lag e n k o n n te . Es k la n g so unbeschreiblich' frö hlich in m e inem Innern. N u n b r ic h t ein n euer T a g an, u n d ein W e r k beginnt, für das zu leben oder des Zeuge zu sein w ert ist.“

Bis zum Kriege 1864 w ar allerdings die Zahl d e r V olk sh o c h sch u le n noch gerin g

— im ganzen sieben, alles S chöpfungen einzeln er (wie Rödding, die Stiftung des K ieler Professors Flor) oder von G em e inde n. Keine einzige ist vo m S taate ein­

g eric h tet worden — zu m Heile der A nsta lte n, die sich völlig frei en tw ick e lt habe n.

E rst im J a h r e 1892 w u rd e d u r c h ein Gesetz den V o lkshoc hschule n u n d den L a n d ­ w ir tscha ftssc hulen ein S ta a tsz u sc h u ß g e w ä h rt ( 1 2 0 0 0 0 K ro n e n für die S ch u le n .

180 0 0 0 für bedürftigere S chüle r) h eute für beide z u s a m m e n etwa eine h albe Million K rone n. Die Zahl der A nsta lte n ab e r ist seit 1864 gestiegen a u f etwa 9 0 (70 Volks­

h o ch s ch u le n u n d 20 Landw irtsc hafts- un d G arte n b a u sc h u le n , die eine gleiche geistige G ru n d la g e habe n). N ach d em Kriege w aren es oft freiwillige M itkäm pfer, die als S endlinge G ru n d tv ig s meist zu zweien auszogen, um an versc h ied e n en Stellen des K önigreiches solche B ildungs- u n d E rz ie hungsstä tte n zu g rü n d e n für M ä n n er und F ra u e n im Alter von 18 J a h r e n aufw ärts. Von B o rn h o lm in der Ostsee bis zu den F äröern im Norden S c h o ttla n d s sin d diese B ild u n g sh e rd e z e rstreut; ja a u c h in den Vereinig ten S taa ten h a b e n die d o rth in a u s g e w a n d e rte n D änen 13 solcher geistigen M ittelp u n k te sich geschaffen, u m in der F re m d e ihr V olkstum treu zu b e w a h re n . W a s h a b e n die viele Male za h lreic h eren D eutschen d rü b e n diesen S chöpfungen ge g e n ü b e rz u s te lle n ? Kein e einzige H ochsc hule , wie sie sogar Polen u n d K roa te n sich eingerichtet h a b e n oder a n s tre b e n ; dagegen zahlreiche Brauereien.

Aus diesen Bornen ab e r q u illt keine geistige K ra ft wie aus d e r M uttersprache, die aus den W e rk e n unsrer großen Geister zu den K in d e r n desselben Volkes sp rich t:

e rh e b e n d u n d tröstend, das Gefühl der Z u sa m m e n g e h ö rig k e it e r h a lte n d un d stä rk e n d . W ä r e es n ic h t an der Zeit, s ta tt B raue reie n u n d B renne reie n, Brauer- u n d G ast­

w irtsch u len V o l k s h o c h s c h u l e n einzurichten im Geiste des d än isch e n Volks­

erziehers u n d seines d e utsche n Vorgängers, unsers J o h a n n Gottlieb F i c h t e ? G ru n d tv ig s Volksgenossen sind d u r c h die N ot zu s a m m e n g e s c h w e iß t w orden zu einer gle ichartigen V olkseinheit, m it der sich a u c h die v o r 50 J a h r e n a b g e tr e n n te n S tam m esa n g eh ö rig e n in N ordschlesw ig stets v e r b u n d e n g e fü h lt h ab e n . G ru n d tv ig gehörte zu dene n, die nic h t a u fg e h ö rt h ab e n , die R ü c k k e h r dieser Volksgenossen zu m M u tte rla n d e zu v e rla n g e n ; er w a r a b e r ein a u s gesproche ner Gegner der A n ­ glie d eru n g von ganz S chleswig bis zur E ide r u n d w a n d te sich schon im J a h r e 1848 sc h arf gegen die „ D o k t r i n ä r e “ , die n a c h d er „ E id e r g re n z e “ schrieen, wie h eu te wieder einzelne H eißsporne in K o p e n h a g e n , u n te rstü tz t v o n cha rakte rlosen „ D e u ts c h e n “ in Schleswig. B ezeichnend für das e c h t völkische E m pfinden des M annes sind die W orte , die d e r 8 8 j ä h r i g e Bischof bei der 60 jä h rig e n J u b e lfe ie r seines E in ­ trittes in das geistliche A m t im Mai 1871 zu einer z a h lreic h en V e rsa m m lu n g im sc h ö n en K o p e n h a g e n e r T ie rg a rte n sp ra c h :

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1920 Ein Volkserweckcr 9

„ W e n n wir n u r h ab e n , w as den guten W illen hat, d ä nisch zu sein, so h a b e n w ir alles, was w irklic h dänisch ist, u n d d a sind wir, genr.u betrachtet, nic h t g e s c h w ä c h t d u rc h das, w as w ir verloren h ab e n . Da gew in n e n wir offenbar an K raft, w en n die K ra ft sich n u n n u r n a c h innen w endet, um alles w irklic h V ölk ische zu fördern. D a n n h a b e n w ir noch einen großen F o rts ch ritt g e m a c h t; den n d a w ird alles zu e i n e m Volksleben verein ig t.

D a n n k ö n n e n w ir u ns m itein d e r fre u e n “ 1).

Ein J a h r d a r a u f sta rb der große Volk serwecker un d -erzieher. Seine Schöpfung aber, die V olkshochschule, der Stolz des d ä nische n Volkes, lebt u n d w ird fortleben.

I

DIE SAGE VOM FISCH UND RING

Dr. W a l t e r F r i e d e m a n n

igentlich m ü ß te es je dem auffallen, d a ß ganze G ruppe n von M ärchen, Sagen oder Legenden die gleichen Gestalten aufweisen, die n u r v e r ­ sc hiedene G ew ände r trage n. Ob es sich u m D orne nrösche n, S c h n e e ­ w ittc h e n , R a p u n ze ich e n , die G old m arie, u m B r u n h ild e oder die J u n g ­ frau des ara bische n M ärchens, um M a ru sc h k a oder A n d ro m e d a hande lt, ob die E rz ä h lu n g von K ö n ig in n e n oder ein fachen M e n sch e n k in d ern spricht, im m er wieder ist es das schöne, glä nze nde M ä dche n, das aus Gefahr oder gar T od erlöst w erden soll, u n d der E rre tter ist stets ein P rin z oder doch ein h e ld e n h a fte r J ü n g ­ ling. Oft spielt noch ein an deres, ab e r schlechtes u n d häßliche s M ä dche n dabei eine Rolle, u n d ein böses W e ib ist die Ursache alles U nglücks. Die große Ä h n ­ lichkeit der E rz ä h lu n g e n in N ord u n d Süd, Ost u n d W e s t lassen den G ed a n k en an einen gem einschaftlichen U rs p ru n g au f k o m m e n , u n d d u r c h das A n w ach s en der K u n d e vom v o rd erasiatis ch e n A lte rtu m dürfte er seine B e stä tigung a u c h gefunden habe n. G anz bes onders W in c k le r h a t sich d a r ü b e r ausgelassen, u n d a u c h Je re m ia s h a t d u rch seinen H inw eis auf den Z u s a m m e n h a n g der M ä rc hen u n d Legenden nilt astralen Vorgängen unseren Gesichtskreis w esentlich erweitert. In den E u p h r a t ­ ländern ist die H im m e lsb e o b a c h tu n g , begünstigt d u r c h die k lim atische n V e r h ä lt­

nisse, schon vor J a h r t a u s e n d e n zu so h o h er Blüte gelangt, d a ß m a n die P h ase n der Venus k a n n t e , die doch erst Galiläi w iede r entdeckte, u n d selbst von der Präzession des F rü h lin g sp u n k te s , d. h. vo n d em V orrücke n der Sonne um ein S ternbild im Tierkreis alle z w e ita u sen d J a h r e , w u ß te n die W eisen je n e r e n t­

s c h w u n d e n e n E poche. Weil ihre Blicke sich so oft von d e r E rde zu m H im m e l richteten, w u rd e er ihnen v e r tr a u t, u n d das D enke n w u rd e so groß u n d weit, d a ß sie aus den B e w egunge n der Gestirne einen tiefen Sinn h erauslasen, d er sich zur Religion einer W e lte n g o tth e it formte, die sich in den einzelnen Gestirnen k u n d t a t und für die E rde u n d ihre B e w ohner eine n a c h a h m e n s w e r te M orallehre bedingte.

Der O rient erz ählt seine K e nntnisse und Geschehnisse in le gendärer F o rm bis a u f den heutigen T ag, u n d so e n tsta n d e n Sagen, M ythe n, Fabeln, M ärchen u n d

') L. Schröder, a. a. 0 ., S. 217.

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Legenden. W e n n der K önigssohn die Prin zessin befreit, so es ist der S o nnengott, der die N a tu r im F r ü h li n g erlöst, oder u m g e k e h r t k a n n a u c h die le ben sp e n d en d e Göttin z u r Tiefe steigen, um den Gott aus T o d e s n a c h t zu erretten. In Eriskigal, d e r Göttin der Tiefe, e r k e n n e n w ir das böse W e ib w ieder, u n d es ist kein Zufall, d a ß sie so oft als S trafe d en T o d in F la m m e n oder doch in g lü h e n d e n Panto ffeln finden m u ß . Die H ö lle n fa h rt der Istar z u r B efreiung des F rü h lin g sg o tte s spiegelt sich a u c h w ie d e r in der H ö lle n fa h rt Christi, der die P fo rten d e r U nterw elt zer­

bricht. W ie sorgsam die Poesie se lbst E inz elhe ite n der alten D ic h tu n g e n a u fb e ­ w a h r t, zeigt sich in d em ro m a n isc h e n M ä rc hen des P e n ta m e r o n e „Sole, L u n a , e T h a l i a “ , a u f das schon W i n c k le r a u fm e rk s a m m a ch te . Seine A n g a b e n k ö n n e n d u r c h folg enden H in w eis ergä nzt w e r d e n : T h a l ia , die d eu tlic h en S o n n e n c h a r a k te r h a t u n d d em D ornrösc hen des d eu tsch e n M ä rc hens gleicht, w ird von der bösen K önigin in das S chloß gelockt, u m d o rt getötet zu w erd en . Sie erbittet die E r ­ laubnis, sich v o r h e r e ntkleiden zu dürfen u n d e ntledigt sich n u n der Reih e nac h ihrer K leid u n g sstü c k e, bei je d e m a b e r stö ß t sie einen la uten Schrei aus. Dieser u n v e rs tä n d lic h e V orga ng findet seine E rk l ä ru n g , w e n n m a n an das G ed ic h t „ D ie H ö lle n fa h rt der Istar“ d e n k t, die bei d em D u rc h sc h r e ite n jedes der sieben T ore d e r U n te rw e lt ein K le id u n g s s tü c k ablegt. W i e so häufig tr itt hier eine V er­

sc h m e lz u n g von S onne- u n d V e n u s c h a ra k t e r ein, u n d das gleiche findet a u c h in d em M ä rc hen vo n den zwei K u c h e n , gleichfalls im P e n ta m e r o n e , statt. In den beiden S ch w estern dieses M ä rc hens sehen w ir die nordische G oldm arie u n d P e c h ­ m arie, in d em alten W e ib e F ra u Holle u n d in d e m K önig , der e n d lic h die sc höne S chw ester Graziella h e im f ü h rt, den S o nnengott. In dieser S ch ö n en , aus deren H a a r beim K ä m m e n Gold u n d Edelsteine fallen u n d die g ew a ltsa m in der W a sse r- tiefe festgehalten w ird, so lange die böse S chw ester im Schlosse an ihrer Stelle h errscht, ist gleichfalls S o n n e n - u n d V e n u s c h a ra k t e r v ere inigt. Aus d em H aa re der bösen S chw ester a b e r fallen w eiße S c h u p p e n sta tt Gold, so d a ß die W iesen weiß w e rd en . W ä h r e n d n u n der K önig d e r Befreiende, R e tte n d e w ird, g an z e n t­

sp rec hend der S tellung des M a r d u k z u r Zeit der F rü hlingsgleiche , w ird die sc höne Schw ester, eine V enusge sta lt d em N a m e n wie der T a t n a c h , selbst z u r S onne.

D em K ö n ig w ird gem eldet, d a ß tä glic h am Ufer ein schönes W e se n sich zeigt, aus dessen H a a r Gold u n d G eschm eide fließen, eine d eu tlic h e A n sp ie lu n g a u f die S o n n e n s tr a h l e n . Der K önig beg ib t sich an d en g e n a n n te n Ort, v erliebt sich so­

fort in die S ch ö n e u n d will sie in sein S chloß fü h re n . G raziella ab e r sa gt trau rig , d a ß sie ih m n ic h t folgen k ö n n e, weil sie ja a n einen F a d e n gefesselt sei, den eine Nereide in d e r W assertiefe festh ält. D esha lb k a n n Graziella n u r w enig e S tu n d e n am T a g e sic h tb a r w e rd en . Der K ö n ig ze rsch n e id et den F a d e n u n d h eira tet Graziella, die n u n im m e r bei ih m bleibt, w ä h r e n d die böse S chw ester im L an d e u m h e ri rr t, wo kein B ro t w ä c h s t u n d D u n k e lh e it h errscht. Von der B e d e u tu n g der G efangenschaft in der W assertiefe in der Religion A ltb a b y lo n s soll noch w eiter u n te n die R ede sein.

S chon in der Ü berschrift des erstg e n a n n te n M ärchens zeigt sich die alte D e n k ­ weise, n a c h d e r Sonne, M ond u n d V enus ein T ria s bilden, in der drei v e r ­ schiedene Gestirne oder G ottheiten in e in a n d e r ü b e rg e h e n , d. h. eins w e r d e n k ö n n e n . Man sie h t d ara u s, d a ß für eine spätere Zeit, d a eins zu drei w ird u n d drei gleich

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1920 Die Sage vom Fisch und Ring 11 eins ist, die G em üter v o rb ereitet w a re n , u n d so gew in n e n unsere M ärchen eine B e d eu tu n g , die w eit ü b e r die einer F rü h lin g ssag e h in a u sg eh t.

Die L ehre vo n G ott V ate r u n d G ott S o h n , die Lehre vo n einer heiligen Drei ist keine N e u b il d u n g der c h ristlic hen Zeit, sie ist v ie lm e h r u r-u ralt, d em ge­

stirnte n H im m e l e n t n o m m e n u n d in den A n sc h a u u n g e n d e r B e w o h n er V order­

asiens fest eingewurzelt. Allerdings w ird sie von der späteren Epoche ent- m aterialisiert u n d vergeistigt.

Die Z u s a m m e n h ä n g e u n d die E n tw ic k lu n g des D re ie inheitsgeda nkens b eleu c h tet die B e tr a c h tu n g einer a n d e re n G ru p p e von M ä rc hen, die bisher w enig B e a c h tu n g fande n, n ä m lic h alle E rz ä h lu n g e n , in d ene n ein Fisch einen R ing v ersc h lu ck t, d a n n gefangen u n d au fg e sch n itten w ird, wobei der Ring w ieder an die E rd o b e r ­ fläche z u r ü c k k e h r t. Diese Fabel e rz äh lt H erodot in seinen König ssagen, u n d Schiller h a t sie in seiner Ballade vo m Ring des P o ly k ra te s m it einigen A b w e ic h u n g e n dic hterisch b eh a n d elt. Die d eutsche n Sagen un d M ä rchen erzählen gleiche V or­

gänge, doch ist n a tü rlic h die E in k le id u n g L and u n d Leuten entsp re ch e n d v e r ­ ä n d e r t. Die Zeit n a g t an F ab eln wie d er S trom a m H o rt in seiner Tiefe, u n d so v e r w a n d e lt der R in g sich m a n c h m a l in eine an d e re K ostba rke it, oder s ta tt des v e rsc h lin g e n d e n Fisches sind F isc h ju n g fra u e n H ü te rin n e n des Rings oder eines Schatzes. Das G ru n d m o tiv ist ab e r stets das gleiche u n d w eit ü b er die E rd e ge­

w a n d e rt. A n dieser Stelle sei a u c h die F rage gestellt, ob sich etw a eine solche Sage in reiner oder v e r ä n d e r te r Gestalt in Mexiko finden l ä ß t ? D ort ist die F is c h v e re h r u n g gera de so zu H ause wie im ältesten Orient, was zu der V e r m u tu n g beigetragen h at, d a ß in frü h e ste r Zeit eine W a n d e r u n g v o n As-ien nac h A m erik a sta ttfand, u m s o m e h r als d o rt a u c h das H a k e n k re u z gefu n d e n w u rd e . Da ab e r doch ein Zufall mitspielen k ö n n te , so w äre eine Fests tellung, ob n ic h t n u r der Fisch in beiden Gegenden v e r e h r t w u rd e , sonde rn a u c h m it dem Ring in besondere Beziehung g e b r a c h t ist, von grö ß ter T ragw eite, weil d a n n an beiden P u n k t e n der E rd e zwei heterogene Dinge d u r c h ein Drittes v e r b u n d e n w ä ren , was einen Zufall u n w a h r s c h e in li c h m a c h e n , ja a usschließe n w ürde.

U n ter d en vielen Überlieferungen dieser F isch-R ingsage b e a n s p ru c h t größtes Interesse die poetische B e h a n d l u n g des Stoffs im bab y lo n isc h en T a l m u d . Dort finden sich m e h re re E rz ä h l u n g e n , in denen Fisch u n d Ring in die gleiche Be­

z ie h u n g wie in den b e k a n n te n M ä rc hen g e b r a c h t w erden, w o d u rc h bewiesen ist, d a ß derartige E rz ä h lu n g e n in B a bylon im Umlauf, also im O rient zu H ause w aren.

Da an Stelle des Fisches a u c h sein E le m en t, das W asser, tritt, das den S chatz ver sc h lin g t u n d w ieder auswirft, so gilt es festzustellen, welche B e d e u tu n g Fisch un d W asser im alten O rie n t z u k o m m e n , w as der Ring b ede ute t, u n d w elches S ym bol sich in d em perio dischen V organg seines V e rschw inde ns u n d W iederfindens anzeigt.

Fisch u n d R in g w erd en n ic h t n u r d u r c h allerlei E r z ä h lu n g e n v erk n ü p ft. Sie finden sich a u c h n e b e n e i n a n d e r a u f S iegelzylin dern, auf altjü d is ch en D e n k m ä le rn u n d den u rch ristlich e n G ra b d e n k m ä le r n in den K a ta k o m b e n . Der Bischof von R om fü h r t den „ F is c h e r - R in g “ . Bei den J u d e n ist der Fisch ein H eilm ittel gegen A u g e n k r a n k h e ite n , bei den B ab y lo n ie rn w ird dagegen das Anstecken eines Ringes

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e m p fo h le n , R ing u n d W a sse r gleichzeitig em pfiehlt ein Z a u b e rte x t gegen F ieber u n d S chütte lfrost:

„ E i n e n fu n k e ln d e n R i n g füge hin zu, Gieße W a s s e r ü b er je n en M e n s c h e n / '

Z ah lre ich e a n d e re Z u s a m m e n h ä n g e zwis chen d em Fisch oder seinem E le m ent, d e m W asser, u n d einem Ring lassen sich noch nac hw eisen, die d a r tu n , d a ß beides S y m b o le von besonderer A rt sein u n d v e r b ü n d e n geheim nisvolle Kräfte bergen m üssen.

Der Fisch n im m t in den K u lte n des alten O rients eine g an z besondere S tellung ein. Als Zeichen der F r u c h tb a r k e i t ist er der A tergatis eigen u n d d e shalb ebenso d e r k a r th a g is c h e n T a n it. Die G öttin Derketo von Askalon stü rzte sich in einen T eich u n d w u r d e bis a u f das A ngesicht in einen Fisch v e r w a n d e lt. Es sind eben die G ö ttinne n der G eburt, d ene n gew ö h n lich das S ym bol des Fisches z u k o m m t.

Mit d em Fisch v e r k n ü p f t ist d a h e r ü b e r h a u p t der Begriff des erw a c h e n d e n u n d n e u e n Lebens, in ü b e r tra g e n e r B e d e u tu n g die H e iligung wie a u c h das Heil in kö rp e r lic h e r u n d seelischer B eziehung. So ist es bis auf den h eutigen T a g g e­

b lieben, da m a n v o m W a sse r des Lebens sp rich t wie schon in Urzeiten die S u m erer ta te n , u n d die K irch e das W e ih w a s se r zur R e in ig u n g v o m Bösen im G ebrauc h h at. Die U rsache lag in d er E rk e n n tn is , die heute d u r c h die W issenscha ft ihre B e stä tigung erhielt, d a ß aus d em W a sse r alles Leben entspringt, u n d m a n folgerte w eiter, d a ß a u c h die W e lt einst aus der W a sse rw ü ste e m p o rg e ta u c h t sein müsse.

So b a u te sich eine tiefe Religion auf, die v o m E n ts te h e n einer W e lt u n d auch v o n ihrem U n te rg a n g w u ß te , die einen ewigen W echsel v o m W e r d e n u n d Ver­

g e h e n alles Seins, des org an isc h en wie des kosm ischen, lehrte. Das höchste W esen w a r d en Alten d es h alb ein G ott der W a sse r des Meeres u n d der W a sse r der Tiefe, v o n G estalt w a r er ein W e se n h alb Mensch, h alb Fisch. Ea, der Fischgott, b e ­ h e rr sc h te die G e m ü te r des alten Orients, u n d seine M a ch t d e h n t e sich w eit bis J a p a n u n d N o rd e n g la n d aus. Sein S ohn M a rd u k , der S o nnengott, versc hm olz m it d em V ater zu einer Gestalt, u n d so w a r der oberste Gott H e rr des H im m e ls u n d d e r Tiefe, wie ja a u c h die S onne tä glic h zur Tiefe nie derste ig t u n d allw interlich in den S te rn e n b ild e rn der Tiefe v e r sc h w in d e t. Das sind v o r se ch sta u se n d J a h r e n z u r W in te rsz e it die „ F i s c h e “ gew esen. W e n n n u n die G eburtsgöttin Babylo ns, die als P la n e t V enus a m H im m e l ste ht, zu m Fisch w erden k a n n , so ist der Z u ­ s a m m e n h a n g leicht einzusehen. T a t s ä c h l i c h e r h ä l t sie d e n n a u c h S o n n e n c h a r a k te r u n d h e i ß t in einer besonderen K onstellation „ F isc h des E a “ .

Man sieht, wie sich ^ie F ä d e n zw ischen dem g eh e im n isv o lle n F ischzeichen, der S o n n e u n d der Venus sp in n e n . B e d e n k t m a n , d a ß das M ondgestirn in der a s tro n o m isc h en B e tr a c h tu n g s a r t der Alten a u c h S o n n e n c h a r a k te r a n n a h m oder seinen C h a ra k te r a n die S onne a b tra t, d a ß die Liebesgöttin oft zur M ondgöttin w urde , weil der M ond u n d n ic h t die S onne in ältesten Zeiten h ö chste V e re h r u n g g en o ß u n d als le ben sp e n d en d galt, da die g lü h e n d e Sonne bei T age die W esen, bei N a c h t m it ihrem S chein die Gestirne tötete, so w eiß m a n, w elche a s tra l­

religiösen Begriffe das r o m an isch e M ärchen Sole, L u n a, e T h a l ia a u f tb e w a h r t hat.

W ie der Fisch im D enke n d e r Alten eine bevorzugte Rolle spielt u n d bis auf

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