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Geisteskultur. Monatshefte der Comenius-Gesellschaft für Kultur und Geistesleben, 1926, 35. Band, Heft 12

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Geisteskultur

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MonatsheftederComeniusgefellfchaft für Geisteskulturund Volksbildung

Begründet von Ludwig Keller Herausgegebenvon Nrtur Buchenau

85. Jahrgang - Zwölftes Heft

Dezember1926

Berlin und Leipzig1926 Verlag von Walter de Gruhter 82 Co.

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Comeniuo-GesellschaftsiteGeisteskulturund Volksbildung

Begründet1892von Geh. Rrchiorat Dr.LudwigKeller VorsitzendenObekftudienditeitorDr. VuchenatyCharlottenburgs, Schlossstrasse46

DieMitgliedschaftwird durchEinzahlungvon20Goldmark erworben. (Jn- und

Ausland-) DieBeitragszahlung kannerfolgen: «

1.auf dasKonto derComenius-Gesellschaftbeidem Postscheckamt Berlin Nr.21295 2.direkt andieGeschäftsstellederC.-G. inBerlin W10,GenthinerStr.38i.H.

Walter deGruyter ci-Co.

DieMitglieder erhaltendieZeitschrift kostenlos. Sie erscheintjährlichetwain

"12Heften. DieHeftesind auch einzeln käuflichundinBuchhandlungeninForm des Zeitschrift-Abonnementszubeziehen.

Is. Jahrgang - Inhalt: Heft12

Seite Alexander Elster, Rechtspflege eineVertrauensfache...................... 465 Joh. M· Verweyen, Kultur undFreiheit.......·............................. 472 Carl Töwe, Gibteshistorische Gesetze?....................·.....·........... 477 O.A.Ellissen, DerZweikampfinden- WerkenundimLebenrussischer Dichter.480 Ulrich Berner, ZurGeschichtederWirtschaftskultur.......................... 487 Vortrags-Bericht: '

Erich Unger, DiePhantasie derVernunft (Eiu erkenntnistheoretischerEinwand gegen dieDichtung)..............................................·........ 492 Bücherbesprechungen. ............ ..........·.......................... 497 Philosophie:

A.Buchenau: A.Drews, PsychologiedesUnbewusztetn S.497.

A.Btichenau: Derwerdende Nietzsche.S.497.

Kulturgeschichte:

H. Stro,del, J. Burckhardt,DieKultur derRenaissanceinItalien. S.489.

A.Buchenan: E.Bernheim,Einleitung indieGeschichtsivissenschashS.500.

A.Buchenau: Benvenuto Cellini, LebensgeschichteS.500.

A.Buchenaiu J.J. Rüttlinger,TagebuchauseinerReise nachNordamerika im Jahre 1823. S.500.

Sozialwissenschasten:

A.E., ZurReformdesSexualstrasrechtes. S.500.

K.Gumpertz: Placzek,DasGeschlechtslebendesMenschen. Si501.

Literatur:

H. Wahn, Goldene Phorminx. S.502.

«

A.Buchenam DerHeliand. S.502.

Fortsetzungaus Seite3desUmschlagez.

Manuskripte werden erbeten andie Reduktion: E. Weruick,BerlinW10, Genthincr Straße38.

DieManuskriptesollen paginiert,nur einseitig beschriebenseinundeinenRandfreilassen.

Rückporto ist beizufügen.NachdruckganzerAufsätzeist ohne besondereErlaubnis nicht gestattet.

EinzelneAbschnittekönnen bei genauer Ouellenangabe wörtlich übernommen werden.

Jährlicherscheinen 10bis12Hefte. Preis desJahrgangs M. 20.—.

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Rechtspflege eine Vertrauengsache

VonDr. Alexander Elster(Verlin).

(fsisteineneue ErrungenschaftderKultur, daßdieRechtspflegedurch- aus undüberall eineVertrauenssachesein muß. In früherenZeiten

war Rechtspflege keineswegsVertrauenssache:wederdasRecht,das der absoluteHerrscher setzteundsprach, nochdasRecht,dasimFemgerichtgefunden wurde, nochdasRecht,dasaufformalistischemGrunde ruhteundnichtnur mitderFolter, sondern auchmitähnlichenuntauglichenMitteln die,,Wahr- heit« suchte,war aufVertrauen gegründet.Eswar subjektiv subjektiver, als jederRichterspruchVon Natur aus ist—, was naturgemäßniemals ganz beseitigtwerden kann. Denn geradeimRechtist trotzallerumfang- reichenund kasuistischenGesetzgebungdasRechtsgefühl, alsoeinesubjektive Größe,Von allergrößtemEinfluß.Undsowird es-erklärlich,warum erst heute,woderJndividualismus sich überall,gerade auchalsKernpunktaller sozialistischenundkommunistischen Bestrebungen, durchsetzt,dieFragedes Vertrauens indieRechtspflegeaufgeworfenund von denen,diesie aufge- worfenhaben,einMißtrauenin dieRechtspflegealsweithin vorhandenbe- hauptetwird. Denn je subjektiverund individualistischerjemand denkt,um so mehr neigterzuEinseitigkeitundParteistandpunkt;undwenn erdiese Einseitigkeitoder seinen ParteistandpunktindieersteLinierückt,dann sieht erin demUrteil desandern, sobaldnur irgendeinsubjektivesMoment (wie beispielsweisedasRechtsgefühl)dabeimöglich ist, ebenfalls Einseitigkeitund Parteistandpunkt,auchwenn dafüreineobjektiveBerechtigung nichtvorliegt.

Kommt dann,wiegegenwärtig,einepolitischundwirtschaftlich erregteund unklareGesamtlage hinzu, sowirdeinerseitsdieGefahr, daßwirklicheinmal dieEinseitigkeitund derParteistandpunkteinem Richterden Blick trübt, größer,unddann wirdum so leichterjeder,dervor Gerichtganzoderteil- weise unterliegt,denRichterspruchalseinseitigoderparteibeeinflußtschelten.

In dieser ErklärungderErscheinung liegt zugleich ihre Begrenzung. Es istinWirklichkeitnicht so,wieesvon denRufernim Streit hingestelltwird.

Eshat einzelne Fälle gegeben,in denen über einenMangelan Objektivität desRichterspruchswie derGerichtsverhandlung geklagtwerden und ein ge- wissesMißtrauensichentwickelnkonnte;aberdiesdarf nicht verallgemeinert werden! Esistvielverderblicher,aus etwaigen EinzelfällenoderEntglei- suugeneinen generellenVorwurfgegen den Richter-standund eineVer- trauenskrisederRechtspflegeherauszukristallisieren,um so mehr,alssichdie einzelnenbeanstandetenFällewedervon denRufernim Streit nochgarvon

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466 Alexander Elfter

dermitrufenden Masse wirklichbeurteilen lassen vielverderblicherist das, alswenn man inRuhedie Kritik«anden einzelnen Fall beschränkt,die dann um so schärferundsachlicherseinkann.

JnBonn und Kölnhabenvom 9.bis15.September, zeitlichaneinander anschließend,zwei Juristentagungenstattgefunden,die eine ganzeAnzahlwich- tigerrechts-wissenschaftlicherund rechtspolitischer Themata behandelt haben- deren wichtigster Gegenstandaber dienicht ausdrücklichaufderTagesordnung stehendeund nicht ausdrücklichbehandelte Fragedes »Vertrauensindie Rechtspflege-«war. In Vielenallgemeinenund Diskussionsreden aufden beiden Tagungen erwähnt,im Vorübergehenmitbesprochen, glomm diese Frageinallen Erörterungenunter derKohleund gabden Verhandlungen hieunddaauchbesonderes Feuer.Das war bei derTagungderDeutschen Landesgruppe der Internationalen KriminalistischenVereinigung(9.bis 11.SeptemberinBonn)wieaufdemDeutschen Juristentag(12.—15.Sept.

inKöln)derFall. DerJKV. hatteman von politischlinksstehenderSeite sogar vorgeworfen, daß sie entgegeneinemaus Mitgliederkreisen geäußerten WunschdasThemadesVertrauens in dieRechtspflege nicht ausdrücklichauf dieTagesordnunggesetzthatte.DerVorstandaberhatteandie Stelle dieses Themas,dessen Erörterung nachmancherlei Erfahrungennur allzuleichtin politisches Fahrwasser gerät,dieandere,damit zusammenhängende,aberweit wissenschaftlichereaufdieTagesordnung gesetzt: »Das richterliche Ermessen nachdemStrafgesetzentwurf«.In diesem Themawar Raum genuggegeben- dieinnerlich dazu gehörigeFragedesVertrauens indieRechtspflegemitzu erörtern,und zwarin einemwissenschaftlichen Rahmenund insachlicherBe- schränkung.Das geschahdenn auchundesliegt mithinkeinerleiGrund vor, aus formellenoderpolitischenGründendemdieTagesordnung bestimmcnden VorstandeinenVorwurfzumachen.AbgesehenVon einigensubjektivoder politischeingestelltenRednern war die ganzüberwiegendeMeinungundStim- mung aufbeidenTagungendie,daßdieJuristenwelt etwaige Entscheidungen, die einenMangelanObjektivitätunddamit an Gerechtigkeit zeigen,brand- marken undeinerTendenzzurEinseitigkeitaus eigener Kraft steuern müsse- nichtaberleichthin solche Fälle verallgemeinernund dadurchdasGiftdes MißtrauensindieBevölkerungtragen dürfe. Jst dochderKampfgegendie Justiz geradeinsolchenKreisenbesonders stark,die dieJustizzufürchten haben,und es erhebt sicheinegroße Gefahr,wenn dienur im besten Sinne derGerechtigkeitdienenden Kreiseetwa durch Betonungeinessolchen Mißtrauens jenenanderen justizfeindlichen Kreisen Vorspanndienste leisten.

DieHochhaltungderRechtspflege mußvon denFachgenossen,inersterLinie von denRichtern selbst, überwachtwerden,damit nichtderKritikvon außen her Gelegenheit gegebenwerde denn dieseKritik würde nur allzuleicht unsachlichwerden undzurVerhetzung stattzurBesserungundBefriedung führen. UnparteilichkeitderRichterbleibtobersteMaxime,undwoetwa gegen sieverstoßenwird, hatderRichterstand selbstdengrößtenAnlaß,aus eigener KraftdieSchädlingezubeseitigen.

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Rechtspflege eineBertrauenösache 467

DieGröße dieses Problems liegt schonin derSchwierigkeitdergerechten Rechtsfindungüberhauptbegründet,unddasberührtsichmltJenersfhWekeU

undwohl fürimmer offenbleibenden Frage,ob dasGesetz fahlg Ist-ftke

allevorkommenden FälledieEntscheidung auchnur mittelbar vorzuschrei-

ben. Daßdas Gesetzdaswill, ist sicher;aberdaßdas GesetzdiesUjcht

vermag, ist ebenso sicher.DieMeinungenderJuristensindbekanntllchUber dasMaßderAllgemeingültigkeitdesGesetzesüberausgeteilt Vonderfor- malistischenAnsicht, daßderBuchstabedesGesetzesimmer maßgebendsec, bis zu dersog. Freien RechtsschuleallePhasenderTragweitederAuslegung durchlaufend.WährendesdabeiimZivilrechtdasZielsein muß,in-jedem Fall,magdasGesetzausreichenodernicht, seiesdurchAnalogieschluß,seies mitdemargumentum econtrario einennotfalls praeter legemgehenden Spruchzufinden,bleibtimStrafrecht,wo es sichum Menschenschicksale und denGrundsatz«in dubio pro reo’handelt,dieMaxime ,,nullapoena sinelege« gültig. Innerhalb dieser Grenzeaberhatdieneuere Strafrechts- wissenschaftund -praxisimmer mehrden Grundsatzder Jndividualisie- rung herausgebildet,die Tat nichtalsTypus,denTäter nichtals Para- graphenverletzer, sondernTat und TäterinihrerEigenartund krimina- listischen Bedeutungzuerfassenund entsprechendzu beurteilen.

Hier liegtaberderAngelpunktdesProblems. WenndieIndividuali- sierungdesTäters wirklich gelingen soll, so istdasbis zu einem gewisse-n Grade freie richterliche Ermessen eineunbedingte Notwendigkeit dafür.

DerRichterist natürlichandasGesetzgebunden,aberinnerhalbdesStraf- rahmens,derjagarnichtstarrundfest seinkannunddarf, mußerein freies Ermessen walten lassen, wenn er individualisieren soll.

Sonstbleibt dieForderung auf Jndividualisierungeinleeres Gerede. Der neue Strafgesetzentwurfhatdiesanerkannt und darin liegteins seinerbe- sonderenVerdienste.Ober dabeidas Richtigegetroffen habe,war Gegen- stand eingehender Beratung in Bonn. Nach vorzüglichenReferaten Von Prof.Dr. Grafzu Dohna(Bonn) und -Landgerichtsdirektor Wunderlich (Leipzig)wurden nach AbstimmungimeinzelnenundAbänderungendurch AnträgederDiskussiousredner Leitsätzefestgelegt,die eine communis opinio darstellten.Man erkannte an, daßes ohne,,ausfüllungsbedürftigeWert- formeln«beimAufbauder Tatbeständenicht abgehen kann,wenn dieTat undder Täter individuell beurteilt werden sollen,aber diese ausfüllungse bedürftigenWertformeln sollennur dannimGesetzangewendet werden,wenn eineschärferegesetzlicheFassung nicht tunlich erscheint. Solche ausfüllungs- bedürftigenWertformeln sindz. B.: guteSitten,gewissenloseGefährdung, Wahrnehmung berechtigter Interessen, Zumutbarkeit, Anstandsgefühlaller billigundgerechtDenkenden. MitsolchenWertformeln istdemRichterivon vornhereineingewissesMaßfreien Ermessens gelassen,unddiesistundbleibt eineForderungder Gerechtigkeit;denn Gesetz ist,wiedort hervorgehoben wurde,notwendigMechanisierung,Schablonisierung,Normalisierung,und zwarin einerArt,die derFülledesLebens undseinerEreignissegarnicht 31-··

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468 AlexanderElfter

gerechtwerden kann. AusderNormalisierung muß alsoein Sinn heraus- kristallisiert werden,derdann auchaufdieFällepaßt,dienur sinngemäß dem wörtlichausgesprochenenWillen desGesetzes einzuordnen sind.Daß aberin derZulassungdesrichterlichen ErmessenseineGefahr liegt,dievon vornherein soengwiemöglich gehaltenwerden müsse, ist ebenfalls allge- meine Ansicht geworden.Man sprachvon einem ,,Danaergeschenkan die Richter«,von dem,,Versuchdes Gesetzes,sichvor sichselbstzuschützen«, von »gesetzgeberischerTätigkeitdesRichtersgegendasGesetz«.Bemerkens- wert istes,daßesvorwiegenddie Anwälte undStrafverteidigerwaren, die diese Gefahren betonten, währendProfessorenundRichter, auchwenn siedie SchwerederAufgabe fürdiekünftigerichterlicheTätigkeitanerkannten,doch mehran dieMöglichkeitderErfüllung dieseridealen Forderungglaubten.

Freilich hoben sie sehr stark hervor, daßessichdabeium einesehr großeAuf- gabederJustizpolitikhandelnwird: nämlichum dieErhöhungdesRichter- amts durchstärkereAuswahlderTüchtigsten,bessere Besoldung, Befreiung von bürokratischerBelastungundEinführungmodernen Bürobetriebs,damit derRichter seiner hohen Aufgabeimmer besser gerechtwerden kann. Denn ,,Männer, nicht Maßnahmen-«sind,wieLandgerichtsdirektorWunderlichmit Rechtbetonte, nötig,um dieidealeForderungides freien richterlichenEr- messenszum Segender Rechtspflegezu erfüllen.Das denkbar höchste Niveau derBildungunddesinnerenmenschlichenWissensund Könnens auch fürdieLaienrichter ist erforderlich,wenn dieGerechtigkeit,dashöchste Gut der Gesellschaftsordnung, verwirklichtwerden foll.Aufdieeinzelnen Vorschläge bezüglichdesStrafgesetzentwurfs,dieGestaltungdermildernden Umständeusw. GZ 67, 72, 73, 75)kannan dieserStelle nichteingegangen werden. DieVerhandlungender JKV. werden imDruck erscheinenund Interessenten dieser bedeutungsvollenRechtsfragekönnen dort dieEinzel- heiten nachlesen.

DieinBonn gefaßtenBeschlüssebedeutenzweifelloseine Anerken- nung des Vertrauens indieRechtspflege, eineAblehnungdesMiß- trauens. Zugleichaberwar man sicheinig darüber, daßmit dem neuen Strafgesetz, auchwenn eseinengroßenFortschritt bedeutet,diewahreReform erst beginnt, das heißtdieReformderWirklichkeit,derAusführungdes gesetzlichenFortschritts durcheinen Richterstand, derdiesen vergrößerten Aufgaben gerecht wird,unddurcheinenStrafvollzug, derdieFortschritte desneuen Gesetzesergänzenundvollenden foll.DasgroßeProblemderEnt- lassenenfürsorgeund -behandlung tauchtdann erstinganzer Gestalt auf, wenn esgelungensein wird,denStrafvollzugvon der Sicherungsverwah- rung zu trennen.

Auch aufdemJuristentag,der in Köln-und unmittelbar aufdieTagung desJKV. folgte, spieltedieFragedesVertrauens in dieRechtspflegeeine Rolle, hier expressis verbis freilichnur inden Begrüßungsansprachen und ineinigen Diskussionsreden. Anlaßzuletzteremwar jaz. B. bei der FragederparlamentarischenUntersuchungsausschüsseundihres Verhältnisseszu

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Rechtspflege eineVertrauenssache 469

den ordentlichen Gerichtengegebenund bei derBehandlkmsdesSchjedek gerichtswesens zwei Fragen,beidenendieUnabhatiglgkeltder,RI»chtek

eine Rolle spielt,die mitderVertrauensfrage aufWette-StreckenhMIden-

tisch ist—, hatte dochderReichsjustizministerDr·BellmkZusammenhange

mitderErwähnungder»Vertrauenskrisis«aufdemJUtlsteUteZgUUHDWCE lich betont,daßersichschützendvor dieUnabhängigkeitderNichterstellen werde. Esliegt aufderHand, daßdas Verfahrenvor denparlamen-

tarischen Untersuchungsausschüssen, das inmanchen Stuckenin die ordentlicheRechtspflegeeingreiftoderihrvorgreift,nichtnur Gefahrensur

dieUnabhängigkeitdesRichtertumsinsichschließt,sondern auchals eme außergerichtlicheKontroll- undRevisionsinstanzgegenüberdenGerichtener- scheinenkann. Diein KölngefaßteEntschließungforderte jedoch nichteme AbänderungderBestimmungenüber dieparlamentarischen Untersuchungsaus- schüsse,soweit sie aufeinegrundsätzlicheoderZurückdrängungderTätigkeit derAusschüsseabzielt, sondern wünschtenur gesetzlicheBestimmungenüber das Verfahren, dieAktenvorlage,das Vereidigungsrechtu. dgl.Dies ist ein Beweis dafür, daßdieMehrzahlderin Kölnversammelt gewesenenbzw.

indieserSektion abstimmenden JuristendieGefahr,dieVon den Unter- suchungsausschüssendem ordentlichen Richter drohen, nicht für allzugroß hielten.Wieweit durchdas Schiedsgerichtswesendie Unabhängigkeitder RechtspflegeunddieVertrauensfrage beeinflußtwerden können,ist schwerzu sagen;Beziehungenbestehen hiergewiß;dennnichtnur wegenderBilligkeit desSchiedsverfahrens, sondern auchwegen des Vertrauens derParteizu dem von ihr bestimmten SchiedsrichterwirdoftmalsdasSchiedsverfahrendem ordentlichen Gerichtsverfahrenvorgezogen. JndenLeitsätzenzudiesemThema hießesdennauchu.a.: ,,Demin derwirtschaftlichen Lage begründetenBe- dürfnisder Rechtsuchenden, ihre Streitigkeitenschiedsrichterlich entscheiden zulassen, dürfen sich Rechtsprechungund Gesetzgebungnicht entgegenstellen.

Siemüssenaberdafür Sorge tragen, daß durchdieBesetzungund dasVer- fahrenderSchicdsgerichte Unparteilichkeitund Rechtssicherheit tunlichstge- währleistetwerden... DemzuständigenGerichtekanndieEntscheidungüber dieAblehnungvon Schiedsrichtern nicht entzogenwerden.«

Eine ganzbesonders schwereBelastungdesrichterlichenErmessens würde, wenn sie durchgeführtwird,die inZ71desStrafgesetzentwurfsvorgesehene Behandlungdes ,,Uberzeugungsverbrechers«sein, wonachan Stelle von ZuchthausoderGefängnis ,,Einschließung«treten soll,wenn derTäter sichzu derTataufGrund seiner sittlichen, religiösenoderpolitischenUber- zeugungfürverpflichtethielt.Die custodia honesta, bisher Festungshaft für Duell,würdeaufalleansichmitZuchthausoderGefängnis bedrohtenStraf- tatenAnwendung finden,wenn der Täteraussittlicher, religiöseroderpolitischer Überzeugunggehandelthat.Eine ganzschöneIdee,aber leider ebennureineIdee!

FürdiePraxis ist sie unbrauchbar,denn ihreDurchführung,wenn sieüber- hauptmöglichwäre,müßtedasStrafrecht unterhöhlen,würde eine dem Ge- setzzuwiderlaufendeGesinnung für achtunggebietenderklären,auchwenn sie

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470 Alexander Elfter

Verbrechen begeht. JnsbesondereaberwürdedieEntscheidungdarüber,ob im einzelnenFalleinesittliche, religiöseoderpolitischeÜberzeugungdieHanddes Täters geführt hatund obdieseÜberzeugungrechtlichrelevant ist,eine soungeheuerliche Anforderungan das richterliche Ermessen stellen, daßdar- aus einedergrößtenGefahren fürdas Vertrauen indieRechtspflegeer- wachsenwürde. Dann würdees einenTanzderÜberzeugungengeben,Oder zumHexentanz aufdem Gerichtstischwerden müßte. Ich stimme hier.den LeitsätzendesBerichterstatters ProfessorDr. Kohlrausch bei,dieu.va.

lauteten:

·

»Es liegtimWesenderRechtsnorm, daß sievon jedemalsverpflichtend anerkannt werden will. DerZ71bedeuteteineSelbstverneinungdesRechts- gedankens,indem erdiepersönlicheÜberzeugung,zuRechtsverletzungenVer- pflichtetzusein,privilegiert.

Die Anerkennungdes Überzeugungsverbrechersals eines kriminal- psychologischenSondertypuswürde

1.gesetzestechnischzurVoraussetzung haben, daß auchalle anderen krimi- nalpshchologischenSondertypen tatsächlichanerkannt werden; und

2. kriminalpolitischzurFolge haben müssen, daßder Überzeugungs- verbrecher fürdie Dauer seinerÜberzeugungunschädlichgemachtwürde.

DieVoraussetzung ist nicht gegebenunddieFolge ist unannehmbar.

Schuldmindernde Bedeutung hatdieÜberzeugungdesTäters, durcheine rechtswidrige Handlung fremdes Wohlzufördern. Für politische Straftaten kannaußerdemdie custodia honesta der,,Einschließung«inErwägungge- zogenwerden. Dabei sindaber sehrklare und enge Kauteln zufordern.«

SolcheRechtsprobleme,sohoch sieklingen,sind rechtirdischerNatur,sind engeindividualistischeBestrebungen; nichtganzsoirdischwie dieebenfalls inKöln behandelten Fragendes MehrstimmenrechtsderAktien,dietrotz ihrergroßenwirtschaftlichenWichtigkeitkeinehochjuristischenProblemedar- stellen,aberdochswiedieseebenauchindividualistischer egoszentrischer Natur.

AufvielhöhererWartesteht, woraufzumSchluß noch kurz eingegangen werden soll,dieebenfallsin Köln behandelte Frage ,,Empfiehltes sich,im Zusammenhangmit der kommenden Strafrechtsreform dieVorschriften des bürgerlichen Rechts über Schuldfähigkeit, Schuld und Aus- schlußderRechtswidrigkeit zuändern?« WährenddieVorzugsstellung des Überzeugungsverbrechersdem Richter unabsehbare Schwierigkeiten bereiten müßte,weil sichderBegriff desÜberzeugungsverbrechersnie klärenließe,istderInhalt dieser zuletzt erwähntenFrage der,wieman den wichtigen, unumgänglichnotwendigenundnatürlichnur schwerzu klärenden BegriffderRechtswidrigkeit fester fassenkönne.Dazu gehört durchaus, daß erfür Strafrecht und bürgerlichesRecht gleich sei,und derReferent Pro- fessor James Goldschmidt (ebensowieseinMitreferentderWiener Ministe- rialrat Professor Kadeöka) hatte durchaus recht, daßerdiesen Satzin den

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Rechtspflege eineVertrauenssache 471

Vordergrundrückte. Damit gibterdemRichterineinerder»grundlegendsten

FragenderRechtsfindungeinenfesterenBoden unter die,Fuße., ,

Esgibt nicht zweierleiRechtswidrigkeit,wieesnicht,zweierleiRecht gebenkann;ob etwas nur zivilrechtlichoderauchstrafrechtlichverfolgtwer-

denkann undsoll,isteinUnterschiedimGradeundvielleichtauchinderArt

desangegriffenen RechtsgutesundeinUnterschiedfürdiejUUstlfcheTechjllks

Aber in beidenFällen handeltessichdarum, ob dieHandlung rechtmaßlg oderrechtswidrig ist,unddiesberuht aufdereinheitlichen AUffassUUTg des Rechts. Esist mithin klar, daßdiebevorstehendeStrafrechtsrefokm auchEinwirkungenaufdasZivilrechtmitsich bringenmuß,und,wenn auch dieBehandlungdieses Gegenstandes, solangedieFassungdesneuen Straf- gesetzbuchesnicht feststeht,einwenig verfrühterscheinenmag, fogehörtes dochzu derkritischenund vorbereitenden Arbeit andem Entwurf,daß seine AngleichungandasbürgerlicheRecht geprüftwird wenigerumjetzt schon dasBürgerlicheGesetzbuchdaraufhinzuändern,alsvielmehrum durchdie Prüfungdesgegenseitigen Verhältnissesderbeiden RechtsgebietedieTreff- lichkeitdesStrafgesetzentwurfszuerhöhen.Eswar daherkeinZufall, daß vorwiegend Strafrechtler sichan derErörterungdieses Themas beteiligten.

DieKlärungderBegriffederRechtswidrigkeit,desVerschuldens,derNot- wehrunddesNotstandes ist auch fürdasbürgerlicheRecht wichtig,denn der strafrechtlichenBestrafungentsprichtdiezivilrechtlicheSchadensersatzpflicht.

So wirddieStrafrechtsreforminsonderheitdiewichtigezivilrechtlicheFolge bedingen,daß jemand,deresunterläßt,einenrechtswidrigenErfolg abzu- wenden, obwohlerhierzu rechtlich verpflichtet ist, fürdendaraus entstehenden Schadenebenso Verantwortlich ist wiejemand,der den Erfolg verursacht.

BeiNotwehrundNotstand handeltessich vielfachum dasProblemderZu- mutbarkeit,einschwierigesund wiederum diegrößtenAnforderungenan den Richter stellendes Problem, daszwar geeignet ist,dieÜbereinstimmungzwi- schen bürgerlichemund Strafrechtzusichern,aberzugleichmitseinem Zu- sammentreffenvon objektivenund subjektiven Maßstäbendieschwerste Auf- gabean dasRechtsgefühlstellt.Denn was ist zumutbar?Esmüssendie Person,diebesondere Lage,dieUmständedesFalles,diegefährdetenRechts- güter (diese oftmalsmitihrem Affektionsinteresse),zugleichaberdieAnfor- derungen desVerkehres,derGesellschaft,des Ziisammenlebensmit ihren nivellierendenTendenzenindieRechnung eingestelltwerden undallesdies istwiederum einPrüfstein fürdieTreffsicherheitdesrichterlichenErmessens undeineAufgabe,deren Lösungnur aufderGrundlageweitestgehendenVer- trauens in dieRechtspflegeund inden Richterstand gelingenkann. Man magdenRichter noch so sehranBestimmungen binden, EntgleisungenEin- zelnerkönnendadurch nicht verhindert werden; wohlaberwürde durcheng- herzigeVerneinungdesfreien ErmessensdasBeste,was einRichterleisten kann,seinhöchstesKönnen, sein menschlichstesTun vernichtetwerden. Was Salomotat undihmdashöchsteLob desweisen,,salomonischenUrteils«ein- brachte,kannvonkeinemGesetzauchnur imentferntestenvorgesehenwer-

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