VI s. Sonnabend, 19. November. 1864.
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»Die Verfassung.
Wacheuölattfür das Welle-.
ErscheintjedenSonnabend PreisvierteljährlichbeiallenPreuß. Postanstalten 472 Sgr., beidenaußerpreußischenPostansialten 73J4Sgr.,in Berlin beiallenZeitungssSpediteurenincl.Botenlohn6Sgr.,inderExpedition, Mohreustr. 34, 472Sgr. Jnserate
dieZeile3Sgr.
Die ersteAus abevon No. 8.derVer- fassungist ohneLngabevon Gründen·poli-
Zeklkchen diemitbeidenBeschlagArtikel:belegt»Wie entstandworden. Wir ha-der Berfnssungsstreit?«und: »DieBehandlung
desStaatshaushalts inder nächstenSitzung desAbgeordnetenhauses«, welche vermuthlich denGrund zudieserMaßregelgegeben,durch zweiandereArtikelersetzt,undlassenso unsern LeserneinezweiteAusgabe zukommen.
OesterreirhischLFreundschaft
Die ,,Provinzial-Korrespondeuz«undähnliche,,kon- servative«BlätterkönnennichtRühmensgenugvon der österreichischenBundesfreundschaft machen.Sie thun geradezu,als obPreußen-·zu Grundegehenmüßte, wenn esdieFreundschaftOesterreichsnichtwarm hielte, nichtdenOesterreichernzu Liebewenigstensebensoviel Opferbrächte,als man früher,zu unserm größten S aden,derrussifchenFreundschaftgebrachthat. Wir
wo endahereinmal zusehen,was denn dieösterreichische Freundschaft seitnunmehrdrittehalbhundertJahrendem brandenburgischenundpreußischenStaate eingebrachthat.
Da war imdreißigjährigenKriegederKurfürst Georg Wilhelm, freilicheinerderschwächstenRegen- ten aus dem Hohenzollern’schenHause. Der wurde
durchseinenbestochenenMinister,denGrafenSchwar- zen erg,andieösterreichischeFreundschaftgebunden.
DEnOesterreichernzu LiebehielterzumSchadensei- NekekgkxtenKircheund feines eigenenLandes«festan dem Pundnißmit denKaisern Ferdinand1. und
FekdlslandlI., so langedieeiserne FaustderSchwe- denMcht«zUl)artauf ihmlag.Zum Danke dafür behieltendieOesterreicherdieihm gebührendeMark- grafschaftJagerndorffürsichzurückundstandenihm sp Wenigbel,daßer zuletztvor denSchwedenaus Beth nachOstpreußenfliehenmußte..Sein Sohn,
dergroßeKurfürst, dereigentlicheGriinder des preu- ßischenStaates-,ließsichfreilichnichtvon Oesterreich
am Narrenseilefuhren.Aber im holländischenKriege mußteerum seineseigenenStaates undum Deutsch- lands willenmit KaiserLeopold I. gemeinschaftliche Sachegegen den«französischenKönig Ludwig XlV.
machen.Aber wahrender tapferund redlichfürden
Kaier, gegendie
Franzosenam Rheinkämpfte,besetzte derselbe KaiserdieschesischenFürstenthümer,diedem Kurfürsteuals Erbe zugefallenwaren; und als die Schweden,herbeigerufendurch LudwigX1V.,indie MarkBrandenburg einfielen,dawollteLeopold ihnen nichteinmal denKriegerklären. Ja, erschloßsogar ohneden Kurfürsten Frieden mit dem französischen Konig,und derSiegerbeiFehrbellin mußtenun, mit Verlust seinerrechtmäßigen Eroberungen in Pommern,dasJahr darauf(1679)denselbenFrieden sichgefallenlassen.
AuchdiebeidenKönigeFriedrich I.undFrie- drich Wilhelm l.konnten für alle treuen Dienste ihr schlesischesEigenthumundnichteinmal dieversprocliene EntschädigungvonOesterreich herausbe"t’oinmen.Aber kaumwar Friedrich derGroße Königgeworden, so griffermitkühnerHandzu.
FreilichhabendieKriege
mitOesterreichund besondersder ieben"ährigeKrieg unseremLande viel schweresLeidgeracht. Aber Oesterreichs Feindschaft hatuns dochviel mehr genütztalsseineFreunds chaft.Nichtnur bekamenwir Schlesien, sonderneswurdePreußenauch durchdie ThatendesgroßenFriedrich dergeachtetsteStaat in
ganzEuro a. »
Frie rich Wilhelm Il. freilichmachtewieder FreundsaftmitOesterreich MitKaiser Franz ge- meinschatlichüberzogerFrankreichmitKrieg.Aber,ver- rathenundverkauftvondenösterreichischenMinistern mußteer i.J.1795 denBaseler Friedenschließen.
Preußen hatnichtblos denSchaden,es hatauch lange JahredieSchmachdiesesFriedens tragenmüssen, bis essichendlichherausstellte,daßdieösterreichische Regierungeswar,diesieverdiente.
AchtzehnJahre späterkam dann dergroße Frei- heitskrie . Preußen war esvorAllem,dasnicht blossichsel st,sondernauch
DeutschlandundOester-
reichvon demfranzösischenJocheefreite. ZumDank dafür schloßOesterreichimJanuar 1815 einenVertrag mit EnglandunddembesiegtenFrankreichundnöthigte Preußendurch seine Kriegsdrohungenqaneinenwesent- lichen Theil seinergerechten Anspruchezu verzichten.
Oesterreichlittnicht,daß Preußengroßgenugwurde, um ohne übergroßeAnstrengungderSchutzund Schirm Deutschlandsseinzukonnen. Und»dashatesseitdem nieleidenwollen Und willesauchheutenochnichtlei- den. Es istnoch nichtvieleJahre her,daßderöster- reichischeMinister; FürstSchwarzenberg,dasfreche Wortsprach,essei Oesterreich’sZielundAufgabe,Preu- ßenzuerstzuerniedrigen und esdann zuver- nichten.
Damals standeinanderer falscherFreundPreußens, standRußlandimBunde mitOesterreichAusFurcht
vor dieserBundesgenossenschafterschienam 29.Novem- ber1850 derdamaligepreußischeMinisterv.Man- teusfel in Olmütz,«umvor ebenjenem Fürsten Schwarzenberg aufJedeErweiterungderpreußischen Machtzu-verzichten,und seineHand dazuzubieten, daßKurhessen andenHerrnHassenpslugundSchles- wig-Holstein an denDänenkönigwiederausgeliefert wurde. Wohl wissendieOesterreicher,daßunserjetziger König sichdieAusgabe gestelltund durchgeführthat, dieOlmiitzerSchmach u tilen,unddennoch hat.derf österrei ischeMinister, raf echberg,»nochimvori- genJachredenRathzuderBerufung Jenesf1«ankfur- terFürstenkongressesertheilt, durch welchenPreußenaus seiner berechtigtenStellunginDeutschlandverdrängt werdensollte. Ja, währenddieser Minister scheinbar gemeinschaftlicheSachemitPreußengegenDänemark machte, hater geradediepreußischenAbsichtendurch Englandzuvereiteln
gesuchtund atzugleicher Zeit mitBaiern und Würtemerg darangearbeitet,entweder denHandelsvertrag,denPreußenim Namen desZoll-
vereins mitFrankreichabgeschlossenhatte,zu, vereiteln oder diesen Zollverein selbstzusprengen.
DasistösterreichischeFreundschaftUmdieseFreund- schaftPnbewahremgaben sich etlicheunsererregierungs- freundichenBlätter vor Kurzemnochalleerdenkliche Mühe,ebenjenen GrafenRe bergauf seinemMi- nisterpostenfestzuhalten. Wahri solcheFreunde schei- nen uns ein vielschwereresUebe alsdieosfenstennnd erbittertsten Feinde!
Politische Wochenfchau.
Preußen Am12.d.M., nachzweijährigemKampfe,
welcherunserer Industrieundunserem Handel»en· empsinds lichstenSchaden zugefügthat,wurdendieRatcsikationendes
neuen Zollvereinsvertraes ausgetauscht,und man durfte
sichderHoffnung hingeen,daßdieKrisisbeendetunddie EntwicklungdesZollvereinsin solche Bahnen elenktsei, welcheeingedeihlichesAufblühenunsererwirthschatljchenZ»U- stände versprechen. Dochesscheint,»daßunsindieser·Beie- hungkeineungetrübteFreudezuTheilwerdensoll. Gleichzeitig
mitdemAbschlußderKrisisim Innern des ollverein
wieesheißt,dasMinisteriumanOesterreichqusbeanspåuglkts
RechtcspaterVerhandlungenaufeineZolleinigungeinzuleiten bewilligt. ManmagdiesemZugeständnisz,WelchesvonSeiteii derkonservativenPresseals etwas unbedeutendeshingestellt wird,auchnoch sovielKlauselnundParagraphenzur Seite stellen,die das»Rechtdes Zollvereinswahren, sichbiszuder erfolgtenZolleinigungfreibewegenzukönnen,immerhin wird Oesterreichundseineguten Freunde imZollvereinbei jeder Gelegenheit,woessichumeineReformdesZo"lltarifs-.
imSinne desFreihandels handelt, geltend machen,daßdies-§- nicht geschehenkönne,ohnedieJnterressenOesterreichszuver- letzen.Was uns aber,neben der wirthschaftlichenSeite beidieser Wendunggan besondersinteressirt,dasistdek«
Umstand,obman dieseszugeständnißanOesterreichals eine für sichallein stehendeThatsache betrachten kann,oderob man annehmen muß, daßmitdemMinisterwechselin Wien auchindenBeziehungen zwischenPreußenundOesterreich inder Arteingetreten ist, daß nicht mehr,Wiefrüherso oft verkündetwurde, Oesterreich sichimSchlepptauPreußens befindet, sondern daßman in Berlin anfängt,sich mehr nach denösterreichischenAnschauungenzurichten.
»DerAbgeordnete,RechtsanwaltGersteinhat seinMandat niedergelegt;das Gleiche darfman, nach einigen Zeitungen, von»SeitendesAbgeordnetenTemme erwarten. Jn Aachen hatineinerVorwahlderKandidat derentschiedenliberalen
Parttei,Arnold Deutz, die»meistenStimmen aufsichver- einig.
Der zumunbesoldetenMitvlied desMagistratsinCöslin gewählteRentier Sievert istvon derdortigenRegierung nichtbestätigtworden. » .
DerAbeotdnete
Kreisriitzltekfv.«-·Lysk«owökiinStraß-
burg istdurchErkenntnißdes ppellations erichteszuMarien- werder (als Disziplinarhof)wegenpolitiserAgitation seines Amtesentsetztworden. Jn Memel sindvon dreigewähl- tenStadträthenzweiohneAngabevon Gründennichtbe-
stätinworden. Jn Magdeburghat sichbeiderVorwahl gieurienTrelkrzakgeiHIUZBTIZMJJIPYFCÆRedakteur derMagde-
, . -
·M».» »
dessEnWahlzumAbgeordnetenalsgesichipriII
Meklenburg.DerGroßherzoghat seinemneugestisfeTen Orden »zurwendischenKrone«schnelleinegroßeVerbreitung
«egeben,indemerihn einergroßen AnzahlVVZIHerrschern,
PrinzeihPrin essinnen, Ministernu.s. f. zugeschickthat.Die Prügelstrafeisztnoch nicht aufgehoben. »
HessensDarmstadt.DiezweiteKammer hatnacheiner glänzendenRede desAbgeordneten Metz mit 39geen 11Stimmen beschlossen,in dasStrafgesetzbucheine e- timmungauszunehmen,nach welcher künftighinallepoliti-
schenundPreßvergehendurchdieSchwurgerichteabgeurtheilt werdensollen.DiehessischeVolksvertretung hatdamit einem dringendenWunsche nichtnur deshessischensonderndesgan- zendeutschenJolkes Ausdruck egeben,undhoffenwir, daß dieser Vorgangnitvereinzeltleibenwird. » »
Italien. Wä)rendimParlament zuTurm die Bek- handlungenüber denVertragmitFrankreichfortdauern,hat imVenetianischeneinAufstandsversuchstattgefunden,welcher dievenetianischeFrageaufdie-schnellsteundeinfachsteWeise lösen sollte. Allerdings hateinsolcherVersuchbekder«gro- ßenTruppenmasse, welche Oesterreichinseinenitalienischen Besitzungenunterhält,keineAussicht auf Erfolg,aber die großeAusdehnungderBezirke,inwelchendasStandrecht verkündet worden unddievermehrtenTruppensendungenbe- weisen, daßderAufstandsversuchnichtso unbedeutendist,als man ihn darstellenmöchte.
Oeerrei . DerReichsrathisteröffnet,aus derEr-
öffnungsfiedegisKaisersist indessennichtsBemerkungs-
werthes mitzutheilen. DieFinanznothdesKaiserstaatesme)rt sichVonTagzuTag; dieKommissiondesReichsrathsbe- zeichnetdasimSommer gemachteAnleihenvon 2Millionen alsverfassungsmer·,»unddieAusgabedesneuen Steuer- Anlehensvon25 Illlvnenkanndeshalb nicht stattsinden, weil diebetressendeBthrde »dieWerthpapiere nichtunter- zeichuenwill, bevornichtderFinanzministereineentsprechende Summe von demnicht untergebrachtenSilberanlehen zurück- liefere.»DasistderMinisterabernichtimStande weiler diePapiere versetzthat.
Coiiservativ.
DaspreußischeVolkzerfälltgegenwärtiginzwei Haupt- parteien, von denendiebeiweitemzahlreicheredie Freiheit unddasRechtdes Volkesvertrittunddie genaue Erfülluiig derVerfassungverlangt,dieandere,anZahlvielgeringere, aberdasRechtdes VolkesundseinerAbgeordnetenmöglichst zuschmälern,denEinflußunddieMachtder
Regierunlgmög-
lichstzuvergrößernsucht.Dieerstenennt«sichselstdie -thtschrittspartei«,dieandere,kleinerebezeichnetsich selbst als»dieconservativePartei«,wirdabervonihren Gegnern-
gewöhnlichichsten hervortretenden BestandtheilenmitanderenNamenbelegt,diedervon,,conservativen«denamdeut- Partei entnommen sind.
Das aus demLateinischenindasDeutsche übergegan- gene Wortconservake heißtwörtlich:erhalten,aufbewahren;
conservativwäredanachdiePartei, welche sichbemuht,zu erhalten,zubefchtitzen, vor Zerstörungund Verderbnißzu bewahren.Undwirklichthutundredetauchdieconservative Parteiso,alswenn siealleinnoch fürRuheundOrdnung, für RechtundGesetzimStaate bemühtwäre,alswennihre Gegner,die MännerderFortschrittspartei,Allesunistürzen undverwüsten wollten. Unddoch istesgerade umgekehrt.
DieFortschrittspartei istes,diedasRecht,wie esinder
VerfasLungsurkundeverzeichnetundv·erburg»tsist, aufrechterhal- tenun
zurAnwendungbringen will; wahrenddieconserva- tive»Parteidaraufausgeht,dieVerfassungganz und gar oder wenigstensdiewichtigstenBestimmungen derselben abzuän- dern, alsodieGrundlagedesRechts in unserem Staate um- zugestalten.
SolcheEntstellungenderThatsachen, solche absichtliche VersUFhe,dieBegriffezuverwirren, hatdiefreiheitsfeindliche Partei schonseit1848 geübt,undbestrebtsichauchjetzt,das Urtheilüber deneigentlichenGrund desZwiespalts zwischen
denlgkbgeordnetenunddenMinistern durch solcheKünsteirre zueien.
Alsdie Namen Demokratie undDemokrat inGebrauch kamen,»warendieseVielenunklarundunverständlich;die rück- wartsstrebende Partei benutzte dieseUnkenntniß,um die Be-
riffezu verwirren. Sie griff einzelne unverständieoder eidenschaftlicheAeußerungenund Redenauf,·dichteteaerhand verwerflicheAbsichtenhinzu, formtesoausunreinen Stoffen UndUnsinneineGestalt,nannte diese Demokratie, sagtedie- sersmllchunsauberen FigurallesmöglicheBöse nach,"und
Erwies-ISdrsrchdasAussehendesvonihr geformten Gespen- stes.»»lehnlichverfährtsie jetztundthutdabei, als obes
Unmogllchware-zugleichdemKönigetreuzuseinundgewis- senhafteBeobachtungder Verfassungzu üben und zu verlan ein«-« .
ieconservativeParteimöchtegernsichselbstals einen festen Körper,alseingeschlossenesGanze hinstellen;gernsich nnd ndereiieinredeiddaßeswirklichbestimmteundklare politischeIdeenundGrundsätzeseien,dievon allenihren1
Parteigenosscn auf-undangenommen, dieParteizusammen- haltennndeinstarkes geistigesBand-f·u»rsiebilden.
Dem istabernicht so.Der
eifrigsteund gelehrteste VorkämpferderCoiiservativen,derProfechrHeinrichLeoin Halle, hatam 14.Märzd.J.inBerlineinen Vortrag gehaltenüber dieFrage:»Wasist conservativ?«Der gelehrte Professor verfährtindiesemVortrageganz»so,wie»esvorhin geschildertist. ErbeschuldigtdieForxschrittspartei,«daßsie dahin strebe,denStaat ohnealleRiikksichtaufdie Natur
undSitte desVolkes,wiesieimLaufevonvier Jghrhuw dertsichentwickeltundgebildet haben, ohnealleRücksichtan ArtundGestaltderVerhältnisse,aufsittlicheundpolitische GesiniiungenundUe·berzeugungen,diedasVolkaus der GeschichtedesStaates gewonnen hat,umändern uiidnach bloßen »abstraktenTheorieen«,nach erdachten Regelnund Formen neu einrichtenzu» wollen. Es kann kaum eine albernereUnwahrheitgesagtwerden, als dieseBehauptung enthält.
Wennman nunaucheinemConservativen, selbsteinem Pro- fessor, trotzallerGelehrsamkeit nicht ziimuthenwill,zuwissen, wasdiebösenFortschrittsmännerwollen,sosollteman doch vermuthen, daßersagen wird,was dieConservativenwollen.
Aberauf Seite15seines gedrucktenVortrages gestehter selbst,daßsichdem-conservativenManne positiv, d.i. klar Undbestimmt ausgesprochen,keineallgemeine Regeldarüber gebenläßt,welchesdie rechtenWege für conservativesDenken undHandeln seien; daß sich vielmehreinesolcheRegelnur negativ, dasheißt verneinendaufstellen, sichnur sagen läßt, was nicht conservativsei.Die Conservativen wissen also nicht,was sie wollen, sie wissennur undkönnennur sa- gen,was sienichtwollon.
Siewissenesnicht,undweilsieesnicht wissen, sagen sieesauch nicht,was sieallegemeinsamwollen;sie kön- nen esauch nicht wissenundsagen,dennsie sindkeine ein- heitlichegroßenndganzePartei. Siesindnur eine Verbin- dungundZusammenfügungverschiedenereinzelnerkleinerPar- teienundParteichen,diedurch ähnlicheundverwandte, aber
keineswegesgleicheBestrebungennach Vortheilen., durch ähn- liche,aer keineswegsgleiche Besorgnissevor Opfernund Einbußenmehraneinander alsmiteinanderverbundenwerden.
Jeder einzelneBestandtheilderconservativenPartei hofft vonden anderenUnterstützungseinerAnsprücheundjederge- währt sieden anderen. Diese gegenseitigeHoffnungundGe- währungistdasBaud,welchesdieeinzelnen Gliederaneinan- derschließt,diesesundnichtsanderes.
DaaberdieStimniführerderConservativen auch-viel zuschlau sind,alsdaß sieoffen aussprechensollten,wassie nichtwollen,soseieshier gesagt.
Siewollenallesdasnicht,wasdieErkenntnißund das BewußtseindesVolkes von seinem verfassungsmäßigen Rechtemehrenundstärkenkann.
Siewollennicht, daßdasVolkim klarenBewußtsein seinesRechtes festhaltean derVerfassungunddenVer- theidigern derselbenvertraue. —
Sie wollenallesdasnicht, wodurchaucheinsogenanntes conservatives Ministeriumgezwungen werden·kann,das Rechtdes Volkeszuehren,dieVerfassung gewissenhaftzu beobachten, ihreBestimmungen genau undvollständigzu erfüllen.
ZurVolkserziehnng.
l. Eine alltägliche Geschichte.
Von Fanny Lewald.
Gesternkameinjunger Handwerkerzumir,demicheinen Auftragzugebenhatte.Er entschuldigtesich, daßernicht
schon vorgestern gekommen sei,er abeeinenUnglücksfallin seiner Familie erlebt,derihn abge)alten habe.
Was ist Ihnendenngeschehen?fragte ich.— Ersagte,erhabeeinenBruder verloren,einenrüstigen Mann,kaumaufdesLebensHöhe.SeinHandwerk seiein ungesundes gewesen,erhabe sichdabeiunablässigschweren Erkältungenauszusetzen gehabt;nun seieramSchlagfluß gestorbenundebenhin.
Derjunge Meisterberichtetsdasmitentsagunsvoller
Fassung,diedenarbeitendenStanden überalleigenist.Sie
haennicht langeZeit sichihrenEmpfindungenzuüberlassen, siemüssensehen,wie sie»mitdenThatsachenfertigwerden.
« fragte ihn,obeine Familie,und obdieseinNoth zurückbleibe?Ja! versetzteer,essindeineFrauundfünf Kinder da, aber Noth ist nicht gerade vorhanden.Jm GegentheillEs ist sogar Hausund Hof da,eingutes Geschaft,einenährendeKundschaftundVorrätleanMaterial,
anfertiger Arbeit,die allein schoneinhübschTheil werth sind. Wenn dieFrau nur anders wäret Aberwenn so eineFrau auch-garnichtskennt undweißund ist,alsnur dasHausundnur für’s Haus,dasist fürunser»Einenin solchemFallegarzuschlimm.MitAllemwasmein Bruder hinterläs;t,wird’sdoch nicht gehen,wenn dieFamilie-sich Nichtin’s Mittel legt!Esistgar zuschlimm,gar zuschlimm mitdenFrauen! wiederholteer.
Jchmußteihmdasleideraus manichfacherErfahrung- ziigeben. Jchkonnte ihm sogar sagen, daß nichtnur in Deutschland,sondernüberall diegleichenMängelund Uebel- ständediegleicheKlageerzeugen, und daß ichinFrankreich soebenersteinschönesBeispielvor Augengehabt hätte, wieman von Seiten derGesellschaft fürden ewerbs lichenUnterricht der Frauen indenweiblichen ewerbss schulen—- åcoles rofessicmelles des femme-s — diesen Uebelständenabzuhelen,undallmähligfürdieTüchtigmachung derFrauen zu wirkenversucht.
EssindinParis bereitsinverschiedenenStadttheilen, erzählteichihm, verschiedenesolcheSchulen gegründetworden- Sie nehmen Mädchenvon zwölf Jahrenab,nach vorher- ge· angener Prüfungauf.Diese PrüfungmußdenBeweis
liefern,daßdasMadchen lesen, schreibenunddie vierSpecies rechnenkann. DieLehrzeitist aufdreiJahrefestgesetzt,das monatlicheSchulgeldauszehnFranks— zwei·Thalerzwanzig Silbergroschen.DieSchülerinnengehörenmeistderFamilie der niederenBeamten,der bemittelteren Handwerkeran. Sind dieFamiliennicht im Stande, dasganzeLehrgeldzuzahlen, so tritt vorläufig nochdieGesellschaftderGründer und Mitgliederein,um Freistellen,oderHalbesund Viertels- ermäßigungenzugewähren.
Da iUFrankreichdieHauptmahlzeitderArbeiter am Abendegenommenwird;bringen siediekleinenFrühstücks- mahlzeiten für sich»in»dieSchule mit,diesie nachderWitte- rungundJahreszeitim großen Saale oderindemGarten derAnstaltverzehren.
DieMädenbringendenTag,vonzehn Uhr Morgens bissechsUhrchAbends,in derSchulezu. Manläßtsiege- flissentlichin denerstenMorgenstundenzuHause,damit sie demHaushalte nicht entsremdetwerden. SiewerdenAlle, währendderMor enstunden,in drei verschiedenenKlasgm
inderMuttersprache,imSchönschreiben,im Rechnen,· e- ichichte,Geographiizin denAnfangsgriiiidenderNaturwissen- schaften,derPhysik,derGesundheitspflege,im Singenund imZeichnen unterrichtet.Da dieSchule ohne Unterschied
allenreligiösenBekenntnisseneö etit wird kein Reli i - unterricht,sonderneineMoragllehkxertheilt.· gone
«Nebendiesem,allenSchülerinnengemeinsamenUnterricht, wird ihnenam Nachmittagederbesondere gewerblicheUnter- richtsenachdenNeigungenundFähikeitenderMädchen undnachdenbesonderenWünscheni)rerEltern gegeben.
Sie hahenMderSchule,dieichbesuchte, erstenseinen kommerziellenUnterricht.Das heißt, UnterrichtimKopf- rechnen,in Handelsrechnung,invollständigerBuchführung nnd-im EnglischenDer UnterrichtimDeutschensolltewo MoElch«Uochhszgergt Werden- Ich habeBüchervon den S nlerinnen derersten Klasse geführt," esehen,diejedem handlungsbeflissenenManne Ehregemachtaben würden.
AlswirindasZimmertraten, hieltdie ehrerikrdieser KlaseeinenVortralüberWechselverbindlichkeiten.
udemgewerbli)enUnterricht gehörenferner: ewerbliches Zeichnenfür MusterzeichniingallerArt-Unterri)timHolz- schiieiden, Graviren, Lithographiren,MalenaufPorzellan, Elfenbeinu.s.w.; Unterrichtim Anfertigenvon Wäsche,
im NähenmitderMaschine,imZuschneidenundVerfertigen aller Art von Kleidungsstücken,und man hoffe nochdas
BlumenmachenundeineMengeanderer für Frauengeeigne- terBeschäftigungenindenKreisderLehrgegenständeziehen zukönnen.
Dienähendenund sneidernden Klassenarbeiten in der Schulevon Anfangan ür Geschäfte,mitdenen man des- halbinVerbindun getretenist.Jhr Arbeitserwerbkommt derAnstaltzur seivilligungder Freistellenu.s.w. zu Gute,undwenn dann eineSchülerin nach solchemdrei- jährigenUnterrichtmitfünfzehnJahrendieSchule verläßt, soistsie—«sag»te»ichu.meinemjungenMeister— nicht
nur vollständiinder ae,»sich
ihrBrod auf ehrliche Art zuverdienen,sondernau soweitürdasLeben;vorbereitet, daß sieimNothfall fürmehrdaist,alsfürdasHausund nur fürdasHaus,unddaß sie ihrenKindernnichtnur eine guteMutter sein, sondernihnen,wenn esfeinmuß,auch einmal »den»Vater iinNothfalle ersetzenkann.
Mein»junger Meisters-fanddas ganzvortrefflich.Es leuchteteihmAllesein. Aberwer macht sich daran,esuns zuschaffen?—- Davon einandermal!«i)
t) DiegeehrteVerfasserin, welchevonjeheralleauf Volksbes lehrung berechnetenUnternehmungeneifri anregteundunterstützte, hatunsdieunserenLeserngewiß ebensoweunserfreulicheZusiche-
run gemacht, auchinZukunft UnserBlatt durchBeiträgebe-
reichiernzu wollen.
Briefkasten. ·
HerrnB. inG.DieFreundlichkeit,mitwelcher Sie sich unseres jungen Unternehmens annehmen,erkennen wirmit vielemDankean. Wirsindüberzeugt,daßNiemand Sie mitRechteiner gesetzwidrigenHandlungbeschiildigenkann.
— HerrnL. S.inB. DieZiehiiräisindetam 1.,19«u.
21.d.M.statt.—- HerrnCzF. .hier. Jlr Vorschlag ist sehr empfehlenswerth,nurwurdederRaumunseresBlattez
dazu nicht ausreichen.Wir versuchen,unsereLeser stetsmit allenneuesten VorgängenderArtbekannt zumachen.—- HerrnB.inF.JlårevsehrdankenswertheMittheilungwird benutztwerden.—- lnmehrerehiesigeAboimeiitemBei unregelmäßigerBestellung UnseresBlattes bittenwir Sie, sichentweder anIhren Spediteuroderan dieExpedition desBlattes, Mohrenstr.34,unter AngabedesNamensdes betreffendenSpediteurs,uwenden.
Die edaktion der»Verfassung-«
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