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Wochenschrift des Architekten Vereins zu Berlin. Jg. 3, Nr 37

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IWOCHENSCHRIFT Dg§ HRCHITEKTEN-VEREINSIMBERLINI

H E R f iU S G E C E B E N ^ V E R E T N E

^ Erscheint Sonnabends. — Bezugspreis halbjährlich 4 Mark, postirei 5,30 Mark, einzelne Nummern von gewöhnlichem Umfange 30 Pf., stärkere entsprechend teurer

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| Der Anzeigenpreis für die 4gespaltene Petltzello beträgt 50 Pf., flir Behörden-Anzeigen und für Familien-Anzeigen 30 Pf. — Nachlaß auf Wiederholungen ¡|

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Num m er 37 Berlin den 12. September 1908 III. Jahrgang

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen, Postäm ter und die Geschäftsstelle C a rl H ey m a n n s V e rla g in Berlin W. 8, M auerstr. 43.44

A lle R ec h te V o rb eh a lte n

Beiträge zur Geschichte der märkischen Wasserstraßen his zum Jahre 1(100

V o rtrag , gehalten am 20. J a n u a r 1908 im A rch itek ten -V erein zu Berlin Wasserbauinspektor Iilelunet in Spandau

vom

Schluß aus Nr. 35 Seite 181

W

eitere große B edeutung hatten die Mühlendämme als Straßen über die Flüsse und durch die unwegsamen Niederungen. Der Mühlendamm in Berlin stellt die Verbindung des hohen Barnim und des hohen Teltow an der schmälsten Stelle des W arschau-Berliner Tales her. Die älteste vom Süden zur Ostsee führende Handelsstraße, dio sich von Oderberg an des W asserw eges bediente, führt über ihn hinweg. Der Spandauer Damm führte vom Havelland am alten Schloß Zpandowe, das jetz t noch durch den alten Burgfried, den Ju liu sturm , gekenn­

zeichnet wird, vorbei in den Barnim. In B randenburg verband der Damm Zauche und Havelland, in Rathenow das Havelland m it der A ltm ark und dem E rzstift Magdeburg. Diese Ueber- gängo waren in Kriegs- und Friedenszeiten gleich wichtig und brachten den betreffenden Orten reiche Handolsgelegenheiten.

Ueber die technische A usführung dieser Durchdäm mungen ist- nur wenig bekannt, weil diese Erbschaften vergangener Zeiten noch heute m eist im Grunde stecken. Ueber den B er­

liner Mühlcndamm wurde bei den Um bauten des letzten J a h r­

zehnts berichtet, daß dio unterste Lago aus kräftigen, langen, quer zum Strom verlegten Baum stäm m en bestand; darauf ruhten Birkenfaschinen und darauf wiederum Baumstämme.

Z ur Bauzeit war das Land selbstverständlich noch nicht in intensiver Bewirtschaftung, es war darum die E rrichtung eines Staues gewiß nicht so einschneidend wie heute. Immerhin muß man erstaunen über die weitverbreitete W assernutzung gleich zu Beginn der geschichtlichen Zeit. Aber auch die Grolle ein­

zelner W erke läßt sieh m it der unserer heutigen großen W asser­

anlagen wohl messen. Zw ar sind die Stauhöhen nicht zu ver­

gleichen m it denen neuerer Talsperren, sio werden wohl nirgends 3 in erreicht haben; aber die Länge der Dämme ist vielfach eine ganz erhebliche, sie ist beispielsweise für Spandau auf 3 km , für Brandenburg auf 3,5 k'm und für Rathenow auf 1,5 km zu schätzen. Aehnlich lange M ühlendämme finden sich in Neu-Brandenburg, Rostock und an vielen anderen Orten.

Ebenso sind auch dio Stauflächen ganz erhebliche gewesen: in Spandau etw a 8 qkm , in Berlin 30 bis 40 qkm und in B randenburg etw a 100 qkm; und die Masse des aufgespeicherten W assers kann für B randenburg zu 100 Millionen cbm ange­

nommen werden.

U nsere Kenntnis der Stauvorschriften in der M ark reicht nicht über das 18. Jah rh u n d ert hinaus. In hochkultivierten Gegenden haben sie aber sicher seit alters bestanden. So sind beispielsweise in Lübeck Festsetzungen über die Stauziele von 1291 und 1308 bekannt. Doch würde ein näheres Eingehen hierauf hier zu weit führen.

Fragen wir uns nun, wie sich die Schiffahrt m it den durch die Mühldämmo geschaffenen Hindernissen abgefunden hat.

Daß die Slawen an der Ostsee eine sehr lebhafte Schiffahrt, gehabt haben, ist schon ausgoführt worden. Man darf als sicher annehmen, daß auch die Binnenflüsse von ihnen befahren wurden. Auch dio Deutschen haben hier von Anbeginn Schiff­

fahrt betrieben. W enn auch die älteren Nachrichten nur spär­

lich sind, so sind doch einzelne Fahrten auf der Elbe im 10.

und 11. Jah rh un dert verbürgt. Seit Anfang des 12. J a h r ­ hunderts sind eine Reihe von Elbzöllen bekannt, und 1127 ließ Bischof Otto von Bam berg W aren, die er auf der Messe in Halle gekauft hatte, zu Schiffe auf der Saale, Elbe und Havel und dann weiter zu Lande nach Pom m ern verfahren. Im 13. bis 15. Jah rhun dert \yird eine große Reihe von Flüssen und Bächen als schiffbar bezeichnet, dio heute zum Teil nicht einmal einen Fischerkahn tragen können.

All diese Schiffahrt hätte nur durch Umladon von Schiff zu Schiff aufrechterhalten werden können, wenn bei den Mühlen­

dämmen keine besonderen Schiffakrtsanlagon vorhandon gewesen wären. So worden auch einige Urkunden, die von einer Schiff­

fahrt zwischen dom M ühlendamm von Fürstenw alde und Berlin (1298) oder „ober vnseme Dam me zu Spando“ (1399) sprechen, fälschlich so ausgelegt, daß die Schiffe die Mühlendämme nicht hätten überwinden können. Diese bildeten vielmehr nur die natürliche und gebräuchliche A bgrenzung von Flußstreckon — auch für die Fischerei: so haben z. B. die Tiefwerdersclien Kietzer noch heute dio Fischerei zwischen dem Berliner und B randenburger M ühlendam m, die Brandenburger Fischer dio zwischen dein dortigen und dem Rathenower.

Als einfachstes M ittel zur Ueberwindung eines Staues sind sogenannte Stauarchen oder Stausehleusen bekannt und noch heute vielfach im Gebrauch — so beispielsweise bei W esenberg in der mecklenburgischen Havel (Abb. 388 Seite 192) und bei Spandau im Niederneuendorfer Kanal (die Dammarche) (Abb.389).

Aehnlicho Bauwerke nun muß man sehr bald nach Erbauung der Mühlendämme hergestellt haben, bewegliche W ehre, dio, schnell geöffnet, eine F lu t durch einen Graben rinnen ließen, auf der dann die Schiffe, die sich vorher vielleicht ober- und unterhalb gesam melt hatten, verkehren konnten. W aren die Schiffe durch­

gelassen, so wurdo das W ehr wieder geschlossen. Solche B au­

werke nannte man im M ittelalter in der M ark „F lutrin nen“.

Als eine solche Stauarche, also als Schiffahrtsrinne, ist das

„canale fluuium quod vulgari nomine Fluttrenne appellatur“

anzusehen, das zu errichten der S tad t Spandau, wie oben er­

wähnt, 1232 zugleich m it der Verleihung brandenburgischen 41

(2)

192 Wochenschrift des Architekten-Vereins zu Berlin 12. September 1908

Abb. 389. Dammarche bei Spamlau (eigene Aufnahme) Rechtes gestattet wurde. Daß diese Rinne nicht nur eine E n t­

wässerungsrinne, wie man bisher allgemein annahm, sondern auch oder gar hauptsächlich als Schiffahrtsgraben erbaut wurde, geht m ir daraus klar hervor, daß die B ürger Spandaus zugleich

„immunes super Teoloneo in eo d em f lu u io exigendo“ erklärt werden. Diese Flutrinne ist in dem jetzt Körnerschen M ühl­

graben zu suchen. W ir hören von ihr nichts wieder bis zum Jah re 1450, wo der K urfürst befiehlt: „item to gedenken dat man m it on — nämlich den Städtern — redet vmme die fry Arcke dat sie die nicht vpthien, wanus on gelüst.“

Ebenso wird in B randenburg 1821, also bald nach Anlago der Mühlen, eine Flutrinne daselbst erw ähnt: „Avercns welch burger uz dor alden sta t ucrt durch dio vulzrennen, die sal daz selue tun, daz di uz der nigen stat tun: hete auer die aide stadt zu ihres selues gebuwe iteswaz zu vorenne, daz sal man guten willen lazen varen vri.“ Diese Anlage kehrt 1324 und 1420 wieder als „fflufronno“, 1454 als „Rönnyngc“ und 1455 als „archen vnd schiffart“ wiedor. Sie lag vor dem Annent.or im Jakobsgrabon, wo je tz t noch die Brausebrücke an den Fall des W assers erinnert. Vor 60 Jahren (bis 1846) stand dort noch die Brausearche, also die alte Anlage, die jetz t in den Z ug der Eisenbahn verlegt ist.

Von Berlin erw ähnt das bisher noch nicht veröffentlichte Cölner Stadtschreiberbuch von 1482 eine Freiarche, bei der die S tadt eine Fischerei besaß. 16 Jah re später beschwert sich Friedrich II. wie in Spandau bei den Bürgerm eistern und Ratmannon vnser stete Berlin und Coln „daß ihr vnsere Arche ohn vnser und derselben vnser A m ptleute willen vnd volbort offgezogen habet, so vns fast Schaden in bringt und vns von Euch verfrömbdet“. Hierbei ist zu bemerken, daß in Berlin also auch der Schiffsdurchlaß kurfürstlich war wie die Mühlen, während sie an den anderen Orten von Anbeginn in den Händen der Städte waren. Im Jahre 1527 heißt

die Anlage ebenfalls wiederum „freye A rch “. Die Arche lag vor der S tad t­

mauer neben der jetzigen Schleuse oder, wie- erwähnt, an der Jungfernbrücke.

Von Rathenow haben wir aus 1288 schon gesehen, daß das fossatum nicht verbaut werden solle, wie es heißt, um den „deeursus obule“, den Ablauf der Havel nicht zu behindern. H ierunter ist, wie bei den anderen Städten, das A b­

rinnen zu verstehen, bei dem die Be­

fahrung des Grabens möglich wurde.

Später finden wir den Graben als flut­

renne oder Flutronne (1335 — 1351), als Schutgraben (154S), das ist der durch Sehiitzon verschließbare Graben, und als

„Stadtgrabe unnd Schiffart“ wieder.

In allen Fällen hatte man also für dio Schiffahrt einen besonderen Graben angelegt, der den eigentlichen Stau in weitem Bogen umging. Dadurch wurde das Gefälle im Kanal nach Oeffnung der Flutrinne gemildert und die Ge­

fahren für Schiff, Ufer und Bauwerke verringert.

Gleiche Flutrinnen werden in der Ucker bei Pasew alk und Nedam, die der S tadt Prenzlau gehörten, und in der Stepenitz bei Perleberg genannt. In W oltersdorf bei Berlin ist noch im Jah re 1550 ein ebensolches Bauw erk neu errichtet worden.

Tabelle IV

Aelleste Sclilflivlirtsanlagen in der Mark (Flutrinne, Flulnrche, Freiarclie)

J ah r F lu ß O rt

1282 H a v e l ... Spandau

1282 U c k e r ... Pasewalk u. Nedam 1288 H a v e l ... Rathenow

1807 Stepenitz . . . . Perloberg 1321 H a v e l ... Brandenburg 1432 S p r e o ... Berlin

Abb. 390. Aus dem Sklzzcnbueke Lionardo da Vincis (aus: Beiträge zur Geschichte des Maschinenbaus

von Professor Th. Beck)

D erartige Einrichtungen mußten natürlich neben den an­

geführten Gefahren auch die Mühlen durch große W asserveriusto und plötzliche Absenkungen des Oberwassers schwer schädigen.

Besserung konnte erst durch Anwendung der Kammersehlouse eintreten.

W ann diese erfunden ist, ist nicht bekannt. 1253 soll W ilhelm von Holland die erste bei Spaardam erbaut haben;

nach Rehder werden die Kistenschleusen des Stecknitzkanals zuerst 1480 genannt, sind aber jedenfalls schon im 13. J a h r ­ hundert als solche erbaut worden. Gotthilf H agen gibt an, daß dio Schleusen vor 1452 in Italien erfunden seien. Lionardo da Vinci (1452— 1519) (Abb. 390) hat sie in seinen Skizzenbüchern in vielen verschiedenen Formen skizziert und besonders viele eigenartige Verschlüsse dabei entworfen. Aiich von Vittorio Zonea (Abb. 391), einem Paduaner Baumeister (1568—1602), sind uns Zeichnungen er­

halten, von denen hier besonders die einer Kesselschleuse von Interesse ist. (B e ck , Beiträge zur Geschichte d.Maschinenbaus.)

Von solchen Schleusen ist in der M ark aber erst in der M itte des 16. J a h r ­ hunderts dio Rede. Im Jahre 1548 schließt nämlich Joachim II. mit der S tadt Rathenow einen Vertrag, nach dom diese zur Verbauung des Schuttgrabens mit dem Viergebinden das bawlohn darstrecken soll. 11 Jahre später heißt es, daß „die newe Schleuse den Mollen und gemeiner Schiffart zu G u tte“ erbaut ist. Die Stadt verliert das bisher erhobene „Graben- geldt“ und teilt sich dafür m it dem K ur­

fürsten das Schleusengeld und darf ihren Graben, das ist die bisherige Schiffahrts- straße, teilweise zuschütten. W eil der Bau den Mühlen zum Vorteil ist, soll der Rat, dem die Mühlen, wie oben ge­

sagt, seit langem gehörten, die Aufsicht über die Schleuse haben. — Bei R athe­

now ist also dio erste Kammerschleuse 1548 — 1559 erbaut.

Abb. 388 Stauschleuse bei Wesenburg in Mecklenburg (eigene Aufnahme)

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Nr. 37. III. Jahrgang W ochenschrift des Architekten-Vereins zu Berlin

Abb. :S91. Nach Vittorio Zonca

(aus: Boitritge zur Geschichte des Maschinenbaus von Heck)

Abb. 39Z Die Schleuse in Berlin und die .Medaille auf die erste Erbauung in Stc.in

(aus: Berlin und seine Bauten und nach Berliner Medaillen, herausgegeben voiu Verein für die Geschichte Berlins)

Nach B erghaus wurde diese Schleuse außerhalb der S tadt erbaut und war eine Kesselsehleuse. Der Teich bei der großen oder Vorderarche, der jetz t zugeschüttet wird, soll der Kessel der ehemaligen Schleuse gewesen sein. H eute ist nichts mehr davon zu erkennen. Daß dieses aber g u t möglich ist, wird die Geschichte von B randenburg lehren.

D ort wurde ebenfalls im Jah re 1548 oine „bestendige W asserschleuße“ zu erbauen begonnen. Der K urfürst hatte wegen beider Bauw erke m it m eister L utken aus Ham burgk einen V ertrag abgeschlossen. A uch hier wurde ein bequemerer O rt für das neue W erk ausgewählt, der alte Stadtum w allungs­

graben der N eustadt wurde erw eitert und in seinem unteren

Abb. 394. Stadtschleuse Brandenburg „vor dem Steintor“

(eigene Aufnahme)

Abb. 395. Stauanlage Spandau vom Wasser aus (eigene Aufnahme)

Abb. 390. Freiarche Spandau, das alte M¡Ihlengerinne (eigene Aufnahme)

Abb. 397. Palmschleuse

(aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1900, Seite 753) 41*

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194 Wochenschrift des Architekten-Vereins zu Berlin 12. September 1908 Teile verlegt. Vor dem Steintor wurde in ihm die Schleuse i

errichtet. Es w ar auch hier eine Kesselschleuse und hat sich bis heute in ihrem alten Zustande erhalten. Auch die B e­

dingungen, unter denen sich die S tadt an dem Bau beteiligte, waren genau die gleichen wie in Rathenow. D er K urfürst liefcrto das Holz, beido teilten sich in die Schleusengelder.

Auch die Kosten der U nterhaltung wurden geteilt, während auch dazu der K urfürst das Holz aus seinen W äldern zu liefern hatte. Die alten Archengräben wurden für die Schiffahrt ge­

sperrt, blieben aber als Entw ässerungsgräben offen. Die U n ter­

haltung der Archen blieb den Städten.

Bei diesen beiden B auten war der Bürgerm eister Johann Blankenfeld von Berlin, der auch bei der Verbesserung der Rüdersdorfer Gewässer ausschlaggebend w ar, der V erm ittler zwischen dem K urfürsten und der S tadt: in der Cölner S tad t­

schreiberchronik heißt es bei der Verzeichnung seines Todes:

er hat „in seinem Leben m it wunderseltsamon und vielfeltigen Gebeuden an Teichen, Graben, Schleusen und Ä n d e rn viel W esens getrieben“. W ir können ihn also als einen der ersten m it Namen bekannten Förderer der Märkischen W asserstraßen ansehen.

E tw a um die gloiche Zeit wird Spandau eine K am m er­

schleuse —- hier auch sehr anschaulich Zwiepaß genannt — erhalten haben, denn es ist uns eine Schleusenordnung vom Jahre 1572 erhalten. Und als im Jahre 1578 Kalk von R üders­

dorf zum Bau der Zitadelle in Spandau herangefahren werden sollte, da mußten von Spandau aus Schiffe entgegengesandt wordon, denn Berlin war nicht passierbar, weil gerade an der Schleuse „vfm W erder“ gebaut wurde. Auch in Fürstenw alde wurde die erste Schleuse zu jener Zeit (1588) erbaut.

Tabelle V

Aoltcsto Erwähnungen von Kaimnerschleusen in der Mark

J a h r F lu ß Ö rt

1548 H a v e l ... Rathenow 1548 ... Brandenburg 1572 „ ... Spandau 1578 S p r e e ... Berlin 1588 „ ... Filrstenwalde

H atten wir früher gesehen, daß die Schiffahrtsanlagen in Spandau, Brandenburg und Rathenow von den Städten erbaut waren und diesen gehörten, daß die meisten Städte auch die Mühlen besaßen und damit Herren aller Strom bauten und der daraus entspringenden Einnahmen waren, so muß es auffallen, daß sich jetz t der K urfürst überall an der E rrichtung der B auten beteiligt und Ansprüche an die Einnahm en erhebt.

W aren die Städte pekuniär den Anforderungen großer baulicher Arbeiten nicht gowachsen, die ein neuzeitlicherer V erkehr an seine Straßen stellte? W aren sie zufrieden, daß der K urfürst die halben Gefälle für die Uebernahme des größeren Teiles der Baukosten einzog? Leider hat sich bisher über diese Vor­

gänge aktenmäßiges nicht finden lassen. D urch die Reformation war das Ansehen der F ürsten gegenüber den Ständen, dem Lande moralisch sehr gehoben; durch die Säkularisierungen waren sie in den Besitz großer Mittel gelangt. Es hatte die Entwicklung zum absoluten Fürstentum im 16. Jahrhun d ert ihren Anfang genommen. Die neuen Rechte legten auch neue Pflichten für das W ohl des Landes auf und so ist auch dieses ebenso wie die weiteren, noch zu besprechenden Sorgen für die W asserstraßen als ein Ausfluß der allgemeinen Zeitrichtung zu betrachten. Interessant ist hierbei, daß noch heute in Branden­

burg und auch wohl in Rathenow ein Teil der Schleusenabgaben in den Kämmereisäckel der Städte fließt.

Bisher habe ich nur von natürlichen Schiffahrtsstraßen ge­

sprochen. Man war aber auch schon früh in den Kolonisations­

gebieten zum Bau von Kanälen übergegangen.

Die Lübecker begannen 1391 zur Hebung des Salz verkehrs zwischen Lüneburg und Lübeck eine künstliche Verbindung von der Stecknitz durch den Möllner See zur Delvenau zu graben. Die Stecknitz war urkundlich schon seit Jahrzehnten, wahrscheinlich aber schon seit l'/2 Jahrhunderten schiffbar und mit Stauschleusen versehen. Die Delvenau erhielt F lu t­

rinnen neben den Mühlenwehron. In sieben Jah ren w ar die ganze Kanalverbindung, deren 8 km lange Scheitelhaltung mit dem Möllner See ausspiegelte, fertiggestellt. Nach einer bis­

her unveröffentlichten A bhandlung des H errn Oberbaudirektor Reiider sollen eben hier die Hahnenburger und die Palm ­

schleuse (Abb. 397) schon im Jahre 1480 als Kistenschleuse bezeichnet werden.

Durch E rbauung dieses Kanals wurde der S tad t W ism ar der einträgliche Handel m it L üneburger Salz entzogen. Die S tad t wollte daher ebenso wie die mecklenburgischen Herzöge und bald auch die S tad t Lüneburg, dio sich durch das nunm ehr

i konkurrenzlose Lübeck übervorteilt sah, eine weitere Kanal­

verbindung der Elbe m it der Ostsee schaffen. 1430 gestatten darum die Herzöge den Lüneburgern, die Sude und Schaalc durch Schleusen fahrbahr zu machen, so daß die Schiffe bis in den Schaalsee gelangen konnten. Es dauerte aber noch über 100 Jahre, bis man das W erk durch E rbauung von 15 Schleusen durchführte (1550—1560). Die Schaalfahrt hat indessen nie größere Bedoutung erlangt, sie blieb eine Sackgasse; die 1430 ge­

plante Verbindung des Schaalsecs mit W ism ar wurde nie ins W erk gesetzt. Außerdem tra t ein anderer E ntw urf in den Vordergrund.*)

Seit 1480 bemühten sich nämlich dio mecklenburgischen Herzöge wiederholt bei den brandenburgisehen Kurfürsten, daß ihnen die F ah rt auf der unteren Eide freigegeben werde, welche streckenweise durch brandenburgisches Gebiet floß. Sie wollten dio Eide bis zum Schweriner See schiffbar machen und dann von Yicheln an diesem See oinon Kanal nach W ism ar bauen.

Die Quitzows m ußten aber die Eide sperren. Alle Vorstellungen durch drei M enschenalter hindurch und selbst gewaltsam e Ver­

suche der M ecklenburger schlugen fohl. Deshalb entschlossen sie sich, 1568 die Ekle oberhalb der brandenburgisehen Grenze einfach abzugraben und ihr einen Lauf, dio noch heute so be-

! nannte „Neue E ide“, ganz über ihr eigenes Gebiet zu geben,

j 1572 w ar das W erk trotz brandenburgischer Hinderungsversuche m it W affengewalt beendet. Die F a h rt ist dann später be­

sonders durch den M athem atiker Tilemann Stella aus Siegen in W estfalen bis zum Schweriner See gefördert. Auch an der Viecheiner F a h rt ist m it großer Zuversicht gearbeitet worden;

sie w ar 1582 beinahe fertiggestellt, so daß Stella eine Ichno- graphio anfertigen mußte, die an viele F ürsten und Städte vor- sandt wurde, um für die neue F ah rt zu werben. U nd trotzdem geriet das W erk noch im gleichen Jah re ins Stocken und wurde 1597 ganz aufgegebon. Die Verbindung zwischen Elbe und W ism ar wurde ständig weiter bearbeitet und doch ist das W erk, an dem noch drei weitere Jahrhunderte projektiert haben, bisher noch nicht ins Leben gerufen.

W aren diese beiden Kanäle in ihrer ersten Anlage ganz oder vornehmlich nur mit Stauschleusen ausgestattet, so waren in den Stellaschen Arbeiten des 16. Jahrhun d erts doch schon fast durchweg Kammersehlcusen vorgesehen (Abb. 398). Seiner H and entstam m t die einzige Bauskizze aus diesen Zeiten, die mir zu Händen gekommen ist.

Dio M ark hat diesen älteren Kanälen keine Altersgenossen an die Seite zu setzen. W aren den K urfürsten die Mißerfolge der benachbarten M ecklenburger zu wenig erm utigend? Aber zu der Zeit, in der man hier, wie wir gesehen, zu den Kam m er­

schleusen übergegangen war, da beginnt sogleich eine große Aora der Schiffahrtsprojekte.

Seitdem dio Gewalt der deutschen Könige m ehr und mehr von den Herren der einzelnen Territorien verdrängt w ar, war Handel und W andel auf den Flüssen ebenso wie auf den L and­

straßen immer m ehr m it Zöllen und Geleitsgoldern belastet worden. Eine große Reihe von Städten hatte Stapelgerechtig­

keiten ausgebildet, die den V erkehr außerordentlich bedrückten.

So w ar es z. B. durch die Niederlagen in F rankfurt und Breslau dahin gekommen, daß die Oder zwischen beiden Städten über­

haupt nicht befahren wurde. An der Elbe waren Prag, Pirna, Dresden, M agdeburg und H am burg stapelberechtigt, und außer­

dem wurden viole W aren gezwungen, den Landw eg zu nehmen, weil sie in Lünoburg und Leipzig stapelbar waren. Je m ehr die i Schiffahrt zurückging, um so mehr wurden die Flüsse m it W ehren verbaut, ohne daß genügend für Schiffszüge oder F lu t­

rinnen gesorgt worden wäre.

Joachim II. suchte nun der Schiffahrt auf Oder und Elbe freie B ahn zu schaffen und beide Flüsse m it der Ost- und Nordsee zu verbinden. Schon 1540 ließ er deshalb einen E ntw urf für den Finowkanal aufstellen, der jedoch nicht zur A usführung kam. Deshalb wurde 1527— 1555, wie auch schon zwei Jah rh u n ­ derte früher (1337 — 1355), wiederum versucht, die Stapelgerechtig­

keit von F rank fu rt zu brechen und der S tadt die Befahrung der Oder bis Breslau abzuzwingen, deshalb sollten neben den vielen

*) Vgl. S tu h r, der Elbe - Ostsee - Kanal zwischen Dömitz und Wismar.

Schwerin 1899.

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Nr. 37. III. Jahrgang Wochenschrift des Architekten-Vereins zu Berlin 195

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W ehren auf der Oder, die heute m eist verschwunden sind, Schiffs- und Floßdurchlässe erbaut werden. A ber alle diese Vorhaben scheiterten an dem W iderstande Frankfurts, das dadurch seinen Handel untergehen sah.

D arauf sollte Frankfurt (1556) durch den nach­

maligen Friedrich - W ilhelmskanal um gangen werden.

Joachim schloß m it dem Kaiser Ferdinand den V ertrag von Milllrose (1558), in dom die Verteilung der Arbeit festgesetzt wurde. Der Kaiser sollte den Kanal von Müllrose bis zur Oder bauen, er ging auch bald an die A rbeit; aber Joachim zögerte und sah sich schließlich

— vornehmlich wieder durch Frank furts Einspruch — genötigt, das U nternehm en ganz auf­

zugeben. D er Kaisergraben verfiel,

y

und houte erinnert an die begonnene A rbeit nur noch der Name Kaiser- mühle.

Im Zusam m enhang m it all diesen Entwürfen stehen natürlich auch die vorher beschriebenen Schleusenbauten

an Havel und Spree, die den erwarteten größeren D urch­

gangsverkehr bewältigen sollten.

Auch auf der Elbe suchte der K urfürst der Schiff­

fahrt Erleichterungen zu schaffen; er w ar beteiligt au den Versammlungen von 1548 bis 1571, durch welche die drückenden Elbzölle und Stapelrechte gemildert worden sollten. Durch den Schutz aber, den der K u r­

fürst von Sachsen und die Herzöge von Braunschweig den Niederlagen ihrer Städte Leipzig und Lüneburg angedeihen ließen, vorliefen die Verhandlungen ohne

Ergebnis. Schließlich wurde die A ufhebung des Lüneburger Stapels nur dadurch erreicht, daß den B raunschw eigern die Verdoppelung ihrer Elbzülle zugestanden wurde. W ie ver­

hängnisvoll dieses Zugeständnis w ar, ergab sich, als auch die anderen U ferstaaten, darauf fußend, ihre Zölle zu ver­

doppeln anfingen.

Ebenso suchte man die Saaleschiffahrt durch Anlage neuer Schleusen und einen S taatsvertrag m it Sachsen und A nhalt zu sichern und zu verbessern.

A uch im Innern seines Landes tru g der K urfürst durch kleinere B auten zur Hebung der Schiffahrt bei. Von der V er­

besserung der Rüdersdorfer Gewässer durch E rrichtung des Staues bei W oltersdorf (1550) haben wir schon gehört. Ferner ließ er (1568) den Krummensee bei Sperenberg und den Mellen­

see bei Klausdorf durch einen schillbaren Graben m it einer Schleuse verbinden, um den einzigon Gipsbruch seines Landes besser ausnutzen zu können. Auch das Nottcfiieß ließ or räumen und schiffbar machen.

Sein B ruder H ans von K üstrin w irkte in der Lausitz im selben Sinne. E r führte (1556) den H am m erstrom bei Peitz und den Priorgraben bei K ottbus aus. Aber auch anderswo, im Nordosten Deutschlands, ging man damals auf Verbesserung der Schiffahrt aus. Die Bille bei Bergedorf wurde mit Schleusen versohen. Lübeck plante, den Schaalsee m it dem R atzeburger See schiffbar zu verbinden; Graf Friedrich von Holstein wollte m it H am burg und Lübeck gemeinsam einen Nord-Ostseekanal

durch die Alster, Beste und Trave erbauen. Auch die Moldau zwischen Budweis und P rag wurde damals zur H ebung der Flößerei und Schiffahrt reguliert.

Tabelle VI

Wasserbauten und Entwürfe des 1«. Jahrhunderts

Abb. 308 Schleusenskizzo von Tilemann Stella *)

(eigene Aufnahme)

1525/31 um 1530 15401541 1548/G6 1548/50 1550 1550 60

1550 1556,67 1568/821560 1568/72 1568 1587

Bau des Alstor-Bosto-Trave-Ivanals durch Lübeck, Hamburg und Friedrich von Holstein.

werden Schleusen an der Bille bei Bergedorf gebaut.

Joachim II. plant den Finowkanal.

erster Gebrauch der in Danzig erfundenen Schlam- mühlen (Bagger).

Joachim Ti. sucht die Schiffahrt auf der Elbe zu regeln.

Regulierung der Moldau von Budwois bis Prag.

Verbesserung der Rüdersdorfer Gewässer durch Joachim II.

Erbauung der Schaalfnhrt.

Anlage des Hammerstroms bei Peitz und dos Prior­

grabens bei Kottbus durch Johann von Küstrin.

Planung und teilweise Ausführung des Müllrosor Kanals.

Saale-Schlonse bei Bernburg erbaut.

Bau der W asserstraße Eldena - W ismar durch mecklenburgische Herzöge.

Erbauung der Neuen Eide durch mecklenburgische Herzöge.

Joachim II. läßt den ,,neuen Kanal“ zwischen Krummen- und Mellonsee boi Sperenberg her- stellen und das Nottefließ ansbauen.

plant der Lübecker Rat Ratzeburgor und Schaal­

see zu verbinden.

A ber aus fast all diesen Entw ürfen und B auten des 16. J a h r ­ hunderts ist nichts geworden. Zum Teil fehlte es wohl am Gelde, vor allem aber ist die kurzsichtige partikularistisehe Politik damaliger Zeit daran Schuld. W ir haben gesehen, wie die B randenburger den Mecklenburgern nicht die Befahrung der Eide gestatten wollten, obwohl ihrer durch Hebung des Ver­

kehrs größere Zolleinnahmen gew artet hätten. A us gleich eigen­

süchtigen Gründen kamen die K analbauten zwischen Oder und Elbe und die Befreiung des V erkehrs von den lästigen Fesseln nicht zur Durchführung.

Die nächste Zeit machte noch einige Fortschritte, aber schon stand der 30jährig e Krieg vor der T ü r, der unsere W asserstraßen wieder veröden und die geschaffenen Kanäle wieder zum Verfall bringen sollte. Doch bald nach diesem Kriege ging der große K u rfürst von neuem auf dem einmal be- schrittenen W ege vor. U nter seinem Nachfolger wurden die bis dahin hölzerne^i W asserbauten durch steinerne ersetzt. Der Soldatenkönig w irkte viel durch E ntw ässerungen im Havellande, und sein großer Sohn führte das innere Gedeihen seines er­

weiterten Landes zum großen Teile dadurch herbei, daß er den Meliorationen und der W asserw irtschaft in allen Landesteilen ungeheure M ittel opferte und diese durch Anlage neuer Schiff­

fahrtsstraßen zu einem großen ganzen verband. Alle diese Schöpfungen sind so mannigfaltig, daß sie den Gegenstand einer längeren besonderen A bhandlung bilden könnten.

*) Nach den Akten des großherzoglichen Geheimen und Hauptarchivs Schwerin

Die Stellung der Architekten und Ingenieure in den öffentlichen und privaten Verwaltungen

Rede zur E röffnung der 18. W an d erv ersam m lu n g des V erbandes

D eu tsch er A rchitekten- und In g e n ie u r-V e re in e , gehalten in Danzig am 31. A ugust 1908

von dem

Verbandsvorsitzenden Ingenieur R. Reverdy in München

Schluß aus Nr. 36 Seit)* 190 Sind nun die Studierenden der Technischen Hochschulen II.

vor allzufrüher Einseitigkeit bew ahrt und auf Allgemeines hin­

gelenkt und darin gefestigt, so gilt es, sie nach dem E intritt in die B erufstätigkeit in dieser geistigen R ichtung zu erhalten und weiter zu fördern. In den großen privaten und öffent­

lichen U nternehm ungen ist eine das einzelne Organ einschrän­

kende O rdnung unerläßlich, die sehr viele A rchitekten und Ingenieure in einem K onstruktionsbureau oder einer sonstigen Abteilung zurückhält. Es gehört große Fähigkeit, K raft und Gewandtheit dazu, in andere Abteilungen überzugehen, vor allem in nichttechnische, und sich so einen Einblick in das Ganze des Unternehm ens zu verschaffen. Im m erhin hat die Priv atw irt­

schaft unm ittelbares Interesse und genügende Freiheit, dem

Streben in die W eite Rechnung zu tra g e n . Sie sucht nach solchen N aturen und h a t kein Vorurteil, sie aus technischen Kreisen zu nehmen, wenn sie dort vorban den sind. Viel schwieriger Hegen die V erhältnisse in den öffentlichen Verwaltungskörpern.

Diese haben ihre E inrichtung und Besetzung aus Zeiten her übernommen, in der das neue technische W esen so g u t wie keine Rolle spielte. Es ist ihnen innerlich fremd und äußerlich unbequem, besonders, wenn es m it Ansprüchen auf persönliche Gleichberechtigung hervortritt; sie konnten es aucli bisher mit manchen, zwar nur die Form betreffenden, aber doch berech­

tigten Gründen abwehren. W enn in den öffentlichen Verwal- tungskörporn Deutschlands das juristisch vorgebildete Elem ent herrschend geworden und bis heute geblieben ist, so is t dies also zwar erklärlich, aber unter den heutigen Lehens Verhältnissen n ic h t m ehr

(6)

196 Wochenschrift des Architekten-Vereins zu Berlin 12. September 1908 gerechtfertigt. Es ist auch durchaus n ic h td a s S tu d iu m der Rechts­

wissenschaften, sondern die nun einmal ausschließlich den Juristen zugestandene p r a k t i s c h e U e b u n g in der V erw altungstätig­

keit, die sie notwendigerweise auch die Spitzen einnehmen läßt.

W ährend der angehende Techniker in ein abgeschlossenes Zeichenzimmer gesteckt oder zu oiner abgelegenen Bauausführung geschickt und vielfach m it Dingen beschäftigt wird, die auch eine weniger hochgebildete Hilfskraft leisten könnte, gehen durch die Hände des jungen Verwaltungsjuristen in viel rasche­

rem W echsel eine Fülle von verschiedenen Angelegenheiten.

Er liest und hört die Ansichten der Beteiligten und der Sach­

verständigen, er wohnt der Verhandlung und Entscheidung in den Sitzungen bei und h a t deren Verlauf kurz schriftlich nieder- zulegen. So gewinnt er vollen Einblick in die verschieden­

artigsten Verhältnisse, M enschenkenntnis, Ausdrucksfähigkeit und persönliche Gewandtheit, ohne daß Nenneswertes aus seinem früheren Studium in Anspruch genommen würde. Es ist aber gar nicht abzusehen, warum ein junger Techniker, besonders einer m it der neuen Vorbildung, nicht dasselbe sollte leisten und erringen können, wenn er nur Erlaubnis und A nleitung dazu bekäme. U nd wenn er dann einmal verantwortlich in der V erw altung stünde, würde er sieh m it Befriedigung sagen können, daß er weniger fremde Kräfte in Anspruch nimmt, als an gleicher Stelle ein Ju rist tun müßte, und daß die größere U nm ittelbarkeit, in der er selbst zu den meiston Gegenständen seiner Verwaltung steht, zu deren raschen und glücklichen E r­

ledigung wesentlich beiträgt.

Daß die guten Seiten der gegenwärtigen V erw altungs­

einrichtungen hauptsächlich äußerer N atur sind, daß die A us­

bildung der Beamten auf rein empirischem Wego sehr kost­

spielig ist, daß trotzdem ein Mangel an Verhältnis und Ver­

ständnis zu dem Gegenstände der Verw altung bestehen bleibt, daß daraus sich die Neigung ergibt, die Form über die Sache zu stellen, daß dio ganze V erw altungstätigkeit zu wenig von Selbstvertrauen und Schöpferkraft getragen wird, sondern viel­

fach fonnonstarr und einengend auftrift, all das sind Tatsachen, deren Folgen schon länger allgemein beklagt, deren Ursachen aber erst seit kurzem eingesehen und zugestanden werden.

Sucht doch die Verwaltung selbst nach Abhilfemitteln, indom sie den angehenden und den älteren juristischen V erw altungs­

beamten nicht bloß im Rahmen der Verw altung selbst, sondern auch außerhalb desselben in Kursen an Hochschulen, in freien Instituten und in der , Privatindustrie Gelegenheit schafft zu Studien und Erfahrung auf wirtschaftlichem, sozialem und tech­

nischem Gebiete. Dio heutige V erw altung steht also auf ganz demselben Standpunkte, wie die Techniker. Sic erkennt an, daß für ihre Verwalluugszwecko dio einseitige juristische Bildung nicht ausreicht. Der Techniker ergreift auch dieselben Hilfs­

mittel wio die Verwaltung, um den Gesichtskreis seiner A n­

gehörigen zu erweitern. Dio A nregung staatlicher Behörden, daß juristische Verw altungsbeam te vorübergehend Beschäftigung bei Banken, in größeren Fabriken und in sonstigen P rivatu nter­

nehmungen finden möchten, hat der Verein Deutscher Ingenieure in seiner diesjährigen Hauptversam m lung zu Dresden m it dem Satz erwidert:

W i r w ü n s c h e n , d a ß d e n D i p l o m - I n g e n i e u r e n an a l l e n s t a a t l i c h e n , k o m m u n a le n u n d p r i v a t e n S t e l l e n G o 1 e g e n h e i t z u r Ve r w a 11 u n g s a u s ii b u n g g e b o t e n w e r d e.

Die Yerkelirsverliältii und die Untertuimeluug der

Dipl.-Ing. Ferdinand

D

ie Unterbringung des zu erwartenden Bevölkerungszuwachses von Groß-Berlin wird in den nächsten Jahrzehnten nur dann in einigermaßen befriedigender W eise gelingen, wenn schon jetzt ent­

sprechende Vorbereitungen und weit ausschauende Maßnahmen ge­

troffen werden. Diese Erkenntnis ließ den Plan reifen, bereits in der nächsten Zeit durch einen groß angelegten W ettbewerb die Grund­

linien für dio künftige bauliche Ausgestaltung von Groß-Berlin zu ge­

winnen. Die Verteilung der Bewohner der W eltstadt auf eiue weit ausgedehnte Fläche ist dabei als ein Hauptziel anzustreben und der W ettbewerb soll sich deshalb auch auf ein Gebiet von 50 bis 60 km Durchmesser erstrecken. Das gedachte Ziel würde am vollkommensten erreicht werden, wenn es gelänge, an den Rändern jener Fläche eine großoroZahl ansehnlicher gartenstadtartigerNiederlassungen ins Leben zu rufen, und bedeutende Bevölkerungsmassen zur Verlegung ihres Wohn- sitzos in die äußersten Teile jenes künftigen Groß-Berlins zu veranlassen.

W enn ein Verein, dessen Mitglieder vorwiegend der P riv at­

industrie angehören, solchen A ntrag stellt, so wird er in gleicher Fassung als zweiter Hauptwunsch unseres Verbandes, dem ge­

wiß zur Hälfte technische Beamte öffentlicher Körperschaften angehören, erst recht B erücksichtigung erwarten können.

W ie soll nun die neuo Verwaltung beschaffen sein? W elche III.

Stellung sollen die Techniker darin erlangen? Kann die künf­

tige V erw altung von einem Stand allein geführt werden, der nur auf einem Gebiete streng, in den übrigen Gebieten nur nebensächlich ausgobildet ist? Nach allem Vorhergesagten müßte diese Frage dahin beantwortet werden, daß, wenn in der heutigen Zeit ein Stand allein befähigt wäre, dies der technische sein würde. Aber die Frage ist besser zu verneinen. Die heutigen Lebensverhältnisse sind zu verwickelt und in zu lebhaftem Flusse. Neben den Juristen und Technikern treten auch die Kauflouto als Bewerber auf. Keiner von ihnen kann allein herrschen. Und wollte man einen neuen Stand ausbilden, dessen Angehörige Juristen, Kaufleute und Techniker zugleich sein sollen, so kann es geschehen, daß sie nichts von alledem werden und auf jedem Gebiete von den eigentlichen Fachlouton ab­

hängig sind. Man führe sta tt dessen den Juristen auch in W irtschaftslelire und Technik ein, den Techniker in Rechts- und W irtsehaltslelire. und den Kaufm ann in Reehtslehro und Technik und stelle dann alle drei zu gemeinsamem Arbeiten an; in gleichberechtigtem W etteifer wird ganz sicher der rechte Mann an den rechten Platz gelangen.

Nochmals stehen wir m it dem dritten unserer Haupt- wüusche neben dem Verein deutscher Ingenieure, indem wir aussprechen:

W ir h a l t e n es fü r e r f o r d e r l i c h , d a ß die A e m t o r d e r s t a a t l i c h e n u n d k o m m u n a l e n V e r w a l t u n g e n d e n A k a d e m i k e r n a l l e r B e rn f s k l a s s o n z u g ä n g l i c h g e ­ m a c h t w e r d e n , s o f e r n s ie s ie h dio e n t s p r e c h e n d e n K e n n t n i s s e e r w o r b e n h a b e n .

So beharren denn A rchitekt und Ingenieur in der Ueber- zougung, daß zur Einnahme loitender Stellungen Eachkenntnis das erste Erfordernis ist; sie erkennen aber an, daß dazu auch ein frühzeitiges Eindringen in die wirtschaftlichen, rechtlichen und ethischen Beziehungen treten muß, die jedes technische Handeln zur Folge hat. Sie fordern Gelegenheit, sich m it diesen Seiten ihres W irkens in Schule und Berufstätigkeit, ver­

trau t zu machen und sie fordern, daß ein so ergänzter tech­

nischer Bildungsgang auch in den öffentlichen Verwaltungen diejenige Gleichberechtigung findet, die er sich in privaten U nternehm ungen bereits errungen hat und täglich m ehr erringt.

Sie verlangen nichts, als wozu sie sich selbst würdig gem acht haben und noch w ürdiger machen wollen.

Das waren die leitenden Gedanken, die den Vcrbands- vereinen im vorigen Jahre mitgegeben w urden; dieser Geist erfüllt die von den Vereinen erstatteten Boriehte und. die von unserer Abgeordnetonversam mlung gestern gefaßten Beschlüsse.

Möge dieser Geist Sie, meine Herren, die freundlich meinen W orten gefolgt sind, in unermüdlichem W eiterwirkeu begleiten, stärken, erheben und zum endlichen Ziele führen.

N i c h t w o g e n u n s , f ü r d e s V a t e r ] a n d e s W o h l e r ­ h o b e n w ir u n s e r e S tim m e .

isse von Groß-Berlin

Straße „Unter den Linden“

i

latzmann in Dresden

Eine solche Vertoilung der Bevölkerung ist offenbar nur hei Schaffung geeigneter Verkehrsmittel zu ermöglichen, dio eine rasche Zurüeklegung der bedeutenden Entfernung zwischen dem Stadtinnorn und den weit entfernten Wohngebieten erlauben. Die Ausgestaltung des Vorortverkehres erscheint sonach als eine wesentliche Voraus­

setzung für die Anlage einer weiträumig gebauten W eltstadt, deren Wohnungsverhilltnisso gegen die des heutigen Berlin wesentlich ver­

bessert sind. Dio Vorortbahnen werden bis in weitere Entfernungen hinaus fortgesetzt und auch in die Lücken zwischen den strahlen­

förmig auseinandergehenden Fernbahnen hineingeführt werden müssen, sie sind durch Uebergang zum elektrischen Betriebe leistungsfähiger zu gestalten, und sie werden für die Durchführung der aus dem äußeren Vorortgürtel kommenden Züge ohno Aufenthalt durch die inneren Vororte und Vorstädte bis zur Geschäftsstadt einzurichten sein. Dieser Ausbau des Vorortverkehres, wie er ja in bescheidenem

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Nr. 37. III. Jahrgang Wochenschrift dos Architekten-Vereins zu Berlin 197 Umfange bereits heute im Gange ist, bedarf aber noch einer sehr

wesentlichen Ergänzung, nämlich der Fortsetzung der Vorortbahnen in das Stadtiunere hinein und die Verknüpfung der einzelnen Strecken zu mohrercn, den Stadtkern durehsclmeidenden Linien, die damit gleichzeitig zu Stadtbahnen werden.

Gegenwärtig liegen die Endpunkte mehrerer Vorortbahnen am Rande der Geschäftsstadt oder sogar noch gänzlich außerhalb ihres Bereiches Nur diejenigen Vorortbahnen, deren Züge über die Stadt­

bahn geführt werden, vermitteln neu unmittelbaren Zugang von den Vororten in einen beträchtlichen Teil dos Stadtkernes, und diesem Umstande vor allem verdanken die an diesen Strecken liegenden Vor­

orte ihre schnelle Entwicklung. Die Anziehungskraft der übrigen Vororte als W ohnstätten für die in Berlin tätigen Personen ist stark dadurch beeinträchtigt, daß diese zumeist vom Endbahnhof der Vor- ortlinie aus noch ein weiteres Verkehrsmittel benützen müssen, um den W eg zur Arbeitsstätte zurückzulegen, so daß ein größerer Auf­

wand an Zeit und Geld entsteht.

Eine erhebliche Besserung der Vorkehrsvorhiiltnisso von Groß- Berlin schien in Aussicht zu stehen, als vor mehr als Jahresfrist der Plan einer angesehenen Firma bekannt wurde, der die Herstellung einer Verbindungsbahn zwischen dom Wannseebahnhofe und dem i Stettiner Vorortbahnhofe bezweckte. Diese — natürlich als Untor­

grundbahn gedachte — neue Verkehrsader sollte die Durchführung der von der Wannseebahn kommenden Vorortzüge durch das Stadt­

innere und ihre W eiterführung auf den nördlichen Vorortlinien nach Tegel, Oranienburg oder Bernau ermöglichen. Auf diese W eise wäre für die wichtigen Vororte im Süd westen und für das ausgedehnte, besonders entwicklungsfähige Gebiet der sämtlichen nördlichen Vor­

orte die dringend erwünschte Verbindung mit dom Stadinneren her­

gestollt worden; zugleich hätte man eine neue, oft schon vermißte zweite Stadtbahn zwischen dem Norden und Süden Berlins erhalten und endlich wäre durch die geplante Verbindung dieser neuen mit der alten Stadtbahn durch eine Umsteigestello für fast sämtliche Teile der Geschäftsstadt eine bequeme Bahnverbindung mit den meisten Vororten hergestellt worden. Diese neue Bahnlinie entsprach so sehr einem dringenden Bedürfnis und ist für eine gedeihliche Entwicklung von Groß-Berlin so unentbehrlich, daß es nicht recht begreiflich er­

scheint, warum seither von der weiteren Verfolgung dieses Pianos nichts mehr zu hören war. lndossen muß wohl angenommen worden, daß er später wieder auftauchon und in absehbarer Zeit der Verwirk­

lichung entgegengeführt werden wird.

Gerade die Ergebnisse des W ettbewerbes „Groß-Berlin“ dürften deutlich erkennen lassen, welche wichtige Rolle die Verbesserung des Vorortverkehrs für die Bosiedlung dor Umgebung Berlins in der er­

wünschten weiträumigen W eise spielt. Dabei wird das ßodürfnis her- vortroten, nicht nur jene oben godachto Stadtbahn herzustellen, son­

dern auch für die Vorortlinien von Lichterfelde-Ost und Zossen sowie für die jetzt im Lehrter und Görlitzer Bahnhofe endenden Linien die Erbauung von Verlängerungsstrecken in den Stadtkern hinein ins Auge zu fassen, wodurch sich bei geeigneter Verknüpfung noch einige weitoro Stadtbahnlinien ergoben würden, so daß dann die Geschäfts­

stadt durch etwa vier verschiedene Linien durchquert und von don Wohngebieten in den Vororten aus auf dio kürzeste und schnellste W eise zu erreichen wäre. Durch geschickte Anordnung von Umsteig­

stellen an allen Kreuzungen dor Stadtbahnen würden sich gleichzeitig Verbindungen zwischen den Vororten mit allen einzelnen Teilen des Stadtkernes, sowie auch mit den äußeren Stadtteilen und Vororten an den anderen Außoulinion ergeben.

Das soeben angedoutote Netz von Stadt- und Vorortbahnen, welches als ein fast unentbehrliches Mittel zur Schaffung von Groß- Berlin erscheint, wird allerdings nur unter Aufwendung ganz gewaltiger Summen hergestellt werden können. Diese Kosten dürften sogar so be­

deutend ausfallon, daß ihre Verzinsung durch die Reineinnahmen aus den Fahrgeldern niemals in hinreichendem Maße erzielt worden kann, insbesondere wenn die Tarife so niedrig angesetzt werden, wie es nötig erscheint, um die schnelle Entwicklung der weiter entfernten Vororte nicht zu beeinträchtigen. Trotzdem stellt sich die Verwirk­

lichung dieses Gedankens keineswegs als wirtschaftlich undurchführbar dar, wenn für die Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals ein Teil des W ertzuwachses herangezogen wird, den die im Bereiche der Stadt­

bahnen gelegenen Grundstücke der Geschäftsstadt, sowie auch die Grundstücke in denVorstädten und Vororten erfahren würden, deren Ver- | kehrsverhältnisse sich durch jene neuen Anlagen so wesentlich verbessern.

Augenblicklich mag ja dieser W eg zur wirtschaftlichen Durch­

führung von Verkehrsunternehmungen in einer W eltstadt noch wenig gangbar erscheinen; doch dürfte sich gerade in dieser Hinsicht die W andlung der Anschauungen rasch vollziehen, ist doch im Laufe weniger Jahre die Besteuerung des unverdienten W ertzuwachses am Grund und Boden von weiten und ausschlaggebenden Kreisen als durchaus gerechtfertigt und wohl durchführbar anerkannt und erprobt worden. Jedenfalls liegt es besonders nahe, den W ertzuwachs der Grundstücke zugunsten solcher öffentlicher Verkehrsanlagen zu be­

steuern, durch deren Schaffung erfahrungsgemäß eine sehr merkliche Steigerung der Bodenpreise hervorgerufen wird.

W ird die Anlage eines Netzes von Stadtbahnen, wie es oben an­

gedeutet wurde, als notwendig für Groß-Berlin erkannt und für wirt­

schaftlich ausführbar gehalten, so wird man fordern müssen, daß schon I

jetzt keine baulichen Maßnahmen im Stadtinneren von Berlin getroffen werden, welche die spätere Anlage dieser Stadtbahnen wesentlich ver­

teuern oder erschweren. Dieser Forderung kann indessen nur dann genügt werden, wenn möglichst bald die Linienführung jener künftigen Bahnen im allgemeinen fostgelegt wird. Es steht ja zu hoffen, daß aus dem Wettbewerbe „Groß-Berlin“ auch für die Anlage solcher Stadtbahnen geeignete Vorschläge sich ergeben, und es wäre denkbar, daß hierauf gestützt von den beteiligten Behörden ganz bestimmte Bahnlinien durch den Stadtkern von Berlin für die spätere Ausführung in Aussicht genommen werden. Die zahlreichen Pläne, welche bereits bisher von dor Stadt selbst, sowie auch von anderer Seito für städ­

tische Schnellbahnen aufgestellt worden sind, zeigen deutlich genug, daß es dringend erforderlich ist. die Grundlinien für den weiteren Ausbau des Verkehrsnetzes im Stadtkerne von Berlin nach großen Gesichtspunkten baldigst festzusetzen. Daboi gebührt den oben ge­

dachten Stadt- und Vorortbahnen insofern der Vorrang, als sie dio Verbindung mit den entfernteren Vororten herstollen und somit für die künftige Entwicklung von Groß-Berlin von der größten Bedeutung sind, da nur mit ihror Hilfe die Verteilung der Bevölkerung dor W eltstadt Uber eine hinreichend ausgedehnte Fläche erreicht werden kann. An zweiter Stelle wären dio Bahnen zu berücksichtigen, welche dem Schnellverkehrn innerhalb der geschlossen gebauten Stadt dienen, also nach A rt der bostehondon Hoch- und Untergrundbahn odor dor geplanten städtischen Linien den Verkehr innerhalb der Stadt Berlin und der unmittelbar anstoßenden Nachbarstädte vermitteln. E rst an letztor Stolle kämen Linien in Betracht, die zur Verbesserung der Verkehrsverbältnisse auf kurzen Strecken bestimmt sind, und Teil­

strecken von Bahnen für langsamen Vorkehr bilden, wie es die von der Großen Berliner Straßenbahn geplanten Tunnelanlagen sind. Dieselbe Reihenfolge der Bahnen ergibt sich auch in Hinsicht auf ihre tech­

nischen Verhältnisse. Die Stadt- und Vorortbahnen werden nämlich bei Ausführung als Untergrundbahnen, wie sie ja im Stadtkerne von Berlin nur allein in Frage kommen, die größten Tunnelquerschnitte er­

fordern, und ibro Linienführung wird auch wegen der Notwendigkeit scharfe Krümmungen zu vermeiden die meisten Schwierigkeiten bieten.

Umgekehrt wird es am leichtesten sein für die unterirdische Führung der Straßenbahn geeignete Linien zu finden.

Zurzeit besteht nun die Gefahr, daß im Gegensatz zu dom eben gekennzeichneten planmäßigen Vorgehen zu allererst bestimmte Ent­

würfe für unterirdische Straßenbahnanlagen im Herzen von Berlin ge­

nehmigt werden.

Dies erscheint, soweit die Untertunnelung der Leipziger und Potsdamer Straße in Betracht kommt, nur insofern bedenklich, als der Straßenbahntunnol hier die Ausführung dor diesen Straßenzug kreuzenden Stadl- und Vorortbahnen später erheblich verteuern wird.

W as aber dio Untertunnolung der Straße „Unter den Linden“ anlangt, so wäre dioso kaum vereinbar mit der künftigen Schaffung eines leistungsfähigen und nicht übermäßig kostspieligen Netzes von Stadt­

bahnen. Dieser 60 m breite und etwa 1 km lange Straßouzug wäre

j nämlich bei diesen bedeutenden Abmessungen und bei seiner günstigen

| Lage im Innern des Stadtkernes in hervorragendem Maße zur Anlago I oines wichtigen unterirdischen Knotenpunktes dieses Netzes geeignet,

i und vor allem wtlrdp sieb gerade liier die Möglichkeit bieten, sehr bequeme Umsteigestollon zwischen mehreren Stadtbahnen herzustellen.

So könnten z. B. hier die beiden Stadtbahnen, welche einerseits den Wannseebahnhof mit dem Stettiner Vorortbahnhofe, und andererseits den Lehrter Bahnhof mit dem Görlitzer Bahnhofe verbinden, mitein­

ander verknüpft werden, wozu sich vielleicht als dritte Linie noch eine Verbindungsstrecko zwischen dem Bahnhofe Zoologischer Garten und dom Schlesischen Bahnhofe gesellen würde, die zur Entlastung der hestehenden Stadtbahn auf dieser Strecke zu dienen hätte. Auf dioso W eise würde inmitten von Groß-Berlin, ein Untergrundbahnhof von bedeutendem Umfange geschaffen werden, von dem aus man unmittel­

bar nach der großeu Mehrzahl der Vorstädte und Vororte gelangen könnte, und die großartige Prachtstraße „Unter don Linden" würde sich dann in ausgeprägtester W eise als der Mittelpunkt des W elt­

stadtverkehres darstellon. Dabei würden sich auf der Straßenoborfläche bei geeigneter Verteilung der Zugänge zu den Bahnsteigen der unter­

irdischen Stadtbahnen bei weitem nicht so ungünstige Vorkohrsver­

hältnisse ergeben, wie sie schon heute an gewissen Knotenpunkten des Straßenverkehres bestehen.

Eine derartige Bahnhofsanlage „Unter den Linden“ wäre jeden­

falls für Groß-Berlin von weit größerem Nutzen als der zurzeit hier geplante Straßenbahntunnel, dessen Erbauung vermutlich nur von einem sehr kleinen Teile der Bevölkerung tatsächlich als ein dringendes Be­

dürfnis empfunden wird. Zum mindesten erscheint es wohl angozeigt, die Entscheidung über diesen Lindentunnel der Straßenbahn vorläufig hinauszuschieben und abzuwarten, welche Vorschläge der W ettbewerb

„Groß-Berlin“ für die Gestaltung der Verkehrsverhältnisse im Stadl- innern zeitigen wird. Möglicherweise ergibt sich dann, daß der Unter­

grund „Unter den Linden“ für den Berliner Verkehr in weit günsti­

gerer W eise nutzbar gemacht werden kann, als es nach don E nt­

würfen der Straßenbahn der Fall sein würde. Diese Tunnelpläne er­

heischen eben eine Prüfung auch von dem Gesichtspunkte-aus. daß der für Groß-Berlin so kostbare Raum unter der breitesten Straße der Stadt nicht vorzeitig zu Gunsten einer Verkehrsanlage von immerhin verhältnismäßig geringer Bedeutung verschleudert werde.

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198 Wochenschrift dos Architokten-Vereins zu Berlin 12. September 1908

Die große Berliner Kunstausstellung

RogKTtmg'sbauineister

Bei weitem nicht so reichhaltig wie im Vorjahre ist die dies­

jährige Architokturabteilung am Lehrter Balmhof. Und trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb bietet sie dem Kunstfreund, der sich so recht in sie vortioft, viel Erfreuliches!

Ein Saal ist vollständig dem Andenken H erm an n E ndos ge­

widmet. Er enthält die Hauptwerke dieses Altmeisters, die uns be­

reits zum großen Teil im Heft 16 dieses Jahrganges unserer Zeit­

schrift- vorgeführt worden sind und die ja meist bosonders allen Berliner Architekten gute Bekannte sind! Hier zeigt sich eine in sich abgeschlossene Kunst in vornehmster Form, eine Kunst freilich, die bereits historisch betrachtet sein will, will man ihr die rechte verdiente W ürdigung widerfahren lassen. Das ist in dem schönen Gedächtnisblatt dieser Zeitschrift geschehen, und es genügt daher, hier auf letzteres zu verweison! —

Der zweite Saal bringt in bunter Reihenfolge Zeichnungen und Modelle moderner architektonischer Schöpfungen, unter denen mir recht viele große Freude bereitet haben!

Unter den Modellen sind wieder diejenigen einiger Reichsbank­

gebäude von H a b ic h t besonders anziehend. W ir werden diesmal durch Backsteinbauten überrascht — eine neue Seite im rastlosen Schaffen dieses begabten Architokten! Am besten gefällt mir die Reichsbank für L ü n eb u rg . Als Mitarbeiter ist hier K aßbau m ge­

nannt. — Am reizvollsten ist aber doch ein anderer Reichsbankbau, nicht in Backsteinformen, ein kleines bescheidenes W erk, aber voll feiner künstlerischer Stimmung — der Reichsbankneubau L a n g e n ­ berg. Entzückend ist dies Haus mit seiner naiven Dachlösung, den großen Schieferflächeu und den dazu so gut stehonden grünen Fenster­

läden! Ein reizvoller Farbenakkord! Der Katalog nennt hier den ver­

storbenen S ie m e rin g als Mitarbeiter; das scheint ein Fehler zu sein.

— Ein W erk S io m erin g s im Verein mit H a b ic h t ist ein Landhaus in W e sto n d , von dem auch oin Modell Anschauung gibt — ein vor­

nehmer Landsitz in wohlabgewogenen Verhältnissen.

Ganz anders geartet, doch ebenso fein ist eine Stallhofanlago mit Wohngebäude von P a u l B aum g a rte n — ein Modell in sehr kleinem Maßstabe. Die Baulichkeiten gruppieren sich um einen rechtwinkligen Hof; überaus reizvolle Motive von Loggien, Vorhallen, Giebeln und Türmchen klingen zusammen zu einer Gesamtwirkung, die gleichwohl ganz schlicht und selbstverständlich erscheint.

Dann die Urnenhalle für B e rlin von W illia m M üller! Das ist ganz prächtig! Eine weihevolle, friedliche Stimmung, wie sie nur ein Kirchhof haben kann! W enn man das sieht, braucht man um die ästhetische und damit um die seelisch-gemütliche Seite der Feuer­

bestattung nicht bange zu sein. — Ueber die hygienische Seite können ja Zweifel nicht mehr bestehen. —

O tto L io sh o im s Berliner Kriegervereinshaus „Marinehaus“ zeigt mustergültige städtische Putzarchitektur. Das sagt genug! Eine andere Nuance neben G eß n er!

Das Wesen des Putzbaues haben auch F r itz und W ilh e lm H e n n in g s in ihrem Arndt-Gymnasium ausgezeichnet getroffen. Nur sparsam ist W erkstein verwendet für den Sockel, das Hauptportal usw\

Die Fenster sind lediglich als Löcher in die Putzflächen hinein- geschnitten, ohne jegliche Profile und Gesimse. Ziegeldach. Aber das Ganze ist ausgezeichnet in Verhältnissen und Maßen. Ein gut durchgebildeter Turm beherrscht glücklich den ganzen Bau. Grund­

risse fehlen leider.

K ie h ls Realschule in der Emser Straße in R ix d o rf zeigt anderen architektonischen Standpunkt. Die feinen klassizistischen Putzformen von der Wende des 18. Jahrhunderts mußten hier der modernen Aufgabe dienen. Das ist so dezent geschehen, daß man an der Matorialwahrheit nicht zweifelt. Vorzüglich ist die Gruppierung des Ganzen — Hauptbau und Direktorwohnhaus miteinander reizvoll verbunden. Nicht günstig erscheint im Grundriß die Zweibündigkeit der Korridoranlagen trotz der Beleuchtung von der Stirnseite! —

B odo E b h a rd ts Schloß N e u e n sto in wirkt unter den Modellen am auffallendsten. Ein Urteil Uber das W erk ist schwer zu fällen, wenn man den früheren Zustand des restaurierten Schlosses nicht kennt!

E. Zastrau in Berlin

Von den Zeichnungen wollten mir besonders die kleineren, oft skizzenhaften, gut gefallen.

Vier Rahmen von B e c h e re r und B a rd o n h e u e r, eine Bebauung in B onn darstellend, zeigen vorzügliche städtebauliche Lösungen. In dies Gebiet gehört auch eine große Vogelperspektive von W ulff, die Umwandlung des Pariser Platzos betreSend. Das Projekt ist mit dem­

jenigen Ih n e s verwandt. Aber gerade die V ogelschau, scheint mir, zeigt, daß das nicht der richtige W eg ist. Die Geschlossenheit des Platzes leidet! —

Wunderfein sind die Ostseekirchen von L a h rs , in schlichtester Manier gezoichnet. Da steht mau lange davor und vergißt die pracht­

vollsten Entwürfe darüber! — Dagegen der Herrschaftssitz in P lö n von K arl S ta h l! Dort die Linie — hier ein Farbenkomplex von verblüffender W irkung! Impressionistisch! — W ieder anders eine Skizze dor W estfront dos F ro ib o rg e r Doms: Kohle und Kreide — wenige Flächen und Striche: Aber schon aus einiger Entfernung glaubt man eine Photographie zu sehen!

Prachtvoll sind die Reiseskizzen K ic k to n s! F ra u e n b u rg ! Stimmungsvoll auf getöntem Papier hingezaubert! Dann die evan­

gelische Kirche zu D e u ts c h -E y la u und die Ordensburg R ehden bei Graudenz! Das ist beneidenswert reif!

Unter den Entwürfen fiel mir B ö rn s te in s neues Polizei- und Verwaltungsgebäude in B rem en auf. Eine prachtvoll reiche Archi­

tektur in „deutschem“ Barock — doch eine sehr subjektive originale Leistung.

Ein Landhaus in N ik o la sse e von S tra u m e r fällt durch seinen vorzüglichen Grundriß und noch mehr durch die flüchtige, doch er­

staunlich sichere Kohlezeichnung der Perspektive auf!

Der Schloßbau W eiß zu C olm von H e id e n re ic h und M ich el wirkt durch schlichtes roizvolles Barock; die kräftigo Putzfarbe gibt eine vornehme Farbenstimmung.

S c h w e c h te n s neue DombrUcke zu K öln imponiert durch ge­

waltige Monumentalität; Stein- und Eisenkonstruktion organisch an­

einanderzufügen, ist dem Meister leider nicht gelungen.

Von C rem or und W o lffe n ste in interessiert das Innere der neuen Synagoge in P o se n — eine farbige Perspektive.

Noch manches andere W erk wäre zu nennen! Es war hier nur mein Bestreben, Eindriicko wiederzugeben, wie sie auf mich wirkten beim häufigeren Durchwandern der Ausstellung. Kunstgenuß ist sub­

jektiv! Aber aus der Freude, die jemand am Schönen empfindet, kann vielleicht ein anderer auch Anregung schöpfen.

Gedenken möchte ich zum Schluß noch der Abteilung für Raum­

kunst, die wieder einen bedeutenden Teil der Ausstellung einnimmt.

Sehr glücklich war der Gedanke, die Zusammenwirkung der Künste in einer „Wohnung und Galerie eines Kunstfreundes“ zu zeigen.

Freilich, die Wohnrilume unterscheiden sich nicht gerade wesentlich von den sonst an dieser Stelle gesehenen, bieten doch aber viel Schönes! Hier ist S alz m ann s Speisesaal in dor Raumwirkung wohl am bedeutendsten; die großon schlichten barocken Möbelformen wirken überzeugend! — Eigenartig vornehm ist das Arbeitszimmer von Frau O p p le r-L e g b a n d , dessen dunkel violette Stimmung bemerkenswerter­

weise durchaus nicht mystisch wirkt! Auf die prachtvollen, geschmack­

vollen Maschinenstickereien Uber dem Ecksofa sei besonders aufmerk­

sam gemacht. — Das K im belscho Wohnzimmer muß hier wegen der überaus prächtigen Intarsien erwähnt werden. Das ist nicht für jeden!

Aber ein Dokument des hohen Standes deutscher Kunsttechnik sind die Möbel jedenfalls. Ich glaube übrigens, sie stehen nicht richtig in dem Raum mit den düsteren Panneelen, trotz der merklichen Absicht, die Stücke herausleuchten zu lassen.

Am besten ist der oben erwähnte künstlerische Gedanke in der Galerie, deren schöne Hallenarchitektur von M ö h rin g stammt, ver­

wirklicht worden. Dieser Raum ist mit den Kunstwerken, die er ent­

hält, so verschieden sie sind, wahrlich ein einheitliches Kunstwerk!

Dieser Raum weist auch vor allem deutlich den W eg, den die Ent­

wicklung unserer Kunstausstellungen nehmen muß. damit sie den letzten ihnen noch anhaftenden Schein des „Kunstspeichers“ verlieren!

Vermischtes

Herr Professor Go ecke besichtigte kürzlich mit seinen Studenten die in H erm sdorf bei Berlin neu angelegten Straßenzüge und Anlagen, Uber die bereits in Nr. 52, Seite 257 des vorigen Jahrganges einiges ver­

öffentlicht wurde. Die Herren nahmen zunächst die Architekturen des P fefferschen W irtshausgartens am Eingänge der W aldseestraße, der neuen höheren Mädchenschule der Gemeinde, sowie einer Anzahl von - bekannten Architekten erbauten Landhäusern in Augenschein und machten dann einen Rundgang durch das alte Dorf. Uber den Gutshof und den älteren Teil der Kolonie, unter ständigen Erläuterungen und Vorträgen Uber die einzelnen Eutwicklungsphasen des Ortes und über die Einflüsse und W andlungen, welche Ortsstatute und baupolizeiliche Bestimmungen auf die Entwicklung ausgeübt haben. An einer großen Reihe von Beispielen konnten die teils guten, teils schlechten Erfolge

des Zusammenwirkens der verschiedensten Faktoren anschaulich vor­

geführt worden. Außer der bau- und straßenbautechnischen Seite wurde auch die kommunalpolitische Entwicklung durchgesprochen und die verschiedenen Phasen der bisherigen Abwässerbeseitigung, der W asser- und Gasversorgung, der Müllabfuhr und der geplanten Kanalisation in allen ihren technischen und wirtschaftlichen Kon­

sequenzen eingehend erörtert. W ährend einer Erholungspause in der Waldseehalle wurden die technischen Schwierigkeiten der Herstellung des W aldsees und dessen praktische Benutzung als Vorfluter für einen Teil der Regenwässer besprochen. Hormsdorf verfügt wie nur wenige Orte über ein stattliches übersichtliches Anschauungsmaterial aus den verschiedensten Entwicklungsstufen dor Gemeinde.

W e h l Für die Schriftleitung verantwortlich: Baurat M. G utli in Berlin'W .6?, Bülowstr. 35

Carl Hermanns Verlag in Berlin VT. 8, Hauerstr. 43/44 — Gedruckt bei Julius Sittenfeld, Hofbuchdrncker., Berlin "W. 8, Mauerstr. 43/44

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